Anspruch auf Arbeitslosengeld II, Festlegung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung unter Nutzung der Empfehlungen
des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge eV
Gründe:
I. Der Kläger begehrt höheres Arbeitslosengeld II (Alg II) nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom
1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2006.
Der 1971 geborene Kläger beantragte im November 2004 bei der Beklagten die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Er hatte
zu diesem Zeitpunkt monatliche Unterkunftskosten in Höhe von 280,84 EUR für ein 23,74 qm großes möbliertes Einzimmerappartement.
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 29. November 2004 und Änderungsbescheid vom 4. Januar
2005 Alg II für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 30. Juni 2005 in Höhe von 597,84 EUR im Monat (Regelleistung in Höhe von 345
EUR zzgl Kosten der Unterkunft und Heizung [KdU] in Höhe von 252,84 EUR [280,84 EUR abzüglich 28 EUR für Warmwasserbereitung
und Strom]). Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, es müssten die KdU ungekürzt sowie zusätzlich
Müllgebühren in Höhe von 8,70 EUR monatlich berücksichtigt werden. Außerdem müsse er monatlich 65 EUR für Arzneimittel ausgeben,
die von der Krankenkasse nicht erstattet würden. Hierzu verwies er auf eine Bestätigung seiner Hausärztin, wonach ihm auf
Grund der Erkrankung "Achalasie, Dysphagie" für die Dauer von zwölf Monaten eine Vollkosternährung verordnet worden ist. Mit
Bescheid vom 10. Februar 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger daraufhin unter Berücksichtigung der Müllgebühren Alg II
in Höhe von 606,54 EUR für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. April 2005, der nach Rücklauf unter dem Datum 9. Mai 2005 erneut zugestellt wurde, wies die
Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 4. Januar 2005 in der Fassung vom 10. Februar 2005 zurück. Von der Pauschalmiete
in Höhe von 280,84 EUR sei nach den Richtlinien zur Umsetzung des SGB II, Ausführungen zu § 22 SGB II, des Landkreistages
Baden-Württemberg bzw Städtetages Baden-Württemberg vom 4. Januar 2005 für die Warmwasserbereitung ein Betrag von 9 EUR und
für Strom ein Betrag von 19 EUR abzuziehen. Kosten für Arzneimittel seien in der Regelleistung enthalten und könnten nicht
gesondert berücksichtig werden. Mit einem weiteren Änderungsbescheid vom 2. Mai 2005 erhöhte die Beklagte das Alg II für die
Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005 um weitere 25,56 EUR auf 632,10 EUR wegen eines insoweit anzuerkennenden Mehrbedarfs
bei kostenaufwendiger Ernährung.
Während des anschließenden Klageverfahrens bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 25. Juni 2005 und mit weiterem Bescheid
vom 28. November 2005 Alg II für die Monate Juli bis Dezember 2005 bzw Januar bis Juni 2006 in Höhe von monatlich 632,10 EUR.
Mit Bescheid vom 19. Dezember 2005 hat die Beklagte für die Zeit ab Januar 2006 die Leistung auf 639,36 EUR monatlich erhöht
und hierzu angegeben, dass nur noch 20,74 EUR monatlich als in der Regelleistung enthaltener Betrag für die Kosten von Strom
von den Unterkunftskosten abzuziehen seien.
Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 20. Dezember 2005 die Beklagte gemäß einem im Termin zur mündlichen Verhandlung abgegebenen Teilanerkenntnis
verurteilt, dem Kläger rückwirkend Alg II unter Berücksichtigung von KdU in Höhe von 268,80 EUR (= 280,84 EUR + 8,70 EUR =
289,54 EUR abzüglich 20,74 EUR für Haushaltsenergie) zu bewilligen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht
(LSG) hat mit Urteil vom 17. November 2006 die Berufung zurückgewiesen. Es hat zunächst ausgeführt, dass die Leistung nicht
in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen sei. Die Höhe der Regelleistung begegne keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen
Bedenken und garantiere den Betreffenden das soziokulturelle Existenzminimum. Der Kläger habe auch nicht dargelegt, dass er
einen Bedarf habe, der in der Höhe erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweiche. Ihm werde bereits wegen kostenaufwendiger
Ernährung ein monatlicher Mehrbetrag in Höhe von 25,56 EUR gewährt. Nach der vorliegenden ärztlichen Bescheinigung handele
es sich bei dem zusätzlichen Bedarf nicht um Arzneimittel, sondern um Vollkost, was auch erkläre, weshalb die Krankenkasse
eine Kostenerstattung ablehne. Vollkost sei ein Begriff der Diätetik und bezeichne eine Ernährung, die ohne Einschränkung
alle Nahrungsbestandteile in einem ausgewogenen Verhältnis enthalte. Es sei nicht ersichtlich, weshalb der von der Beklagten
vorgenommene Zuschlag von 25,56 EUR nicht ausreichend bemessen sei, um diese Besonderheiten bei der erforderlichen Ernährung
zu berücksichtigen. Bereits die Regelleistung in Höhe von 345 EUR monatlich sei von ihrer Zielsetzung her geeignet, auch nicht
auf eine Vollkostdiät angewiesenen Anspruchsberechtigten eine gesunde vollwertige Ernährung zu ermöglichen. Dass hierfür von
den Antragstellern geschicktes Einkaufen und Wirtschaften verlangt werde, mache die Höhe der Regelleistung noch nicht verfassungswidrig.
Schließlich sei auch der von der Beklagten vorgenommene pauschale Abzug von der Regelleistung für die Kosten der Warmwasseraufbereitung
und der Stromversorgung nicht zu beanstanden.
Hiergegen richtet sich die - vom LSG zugelassene - Revision des Klägers. Er beanstandet die Verfassungsmäßigkeit der Regelleistung.
Ihre Festsetzung genüge nicht den rechtsstaatlichen Anforderungen des Art
20 Abs
3 Grundgesetz. Weder dem Gesetz noch seiner Begründung sei zu entnehmen, wie die Elemente der Regelleistung zu quantifizieren und zu gewichten
seien. In der Begründung werde auf die noch vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung im Einvernehmen mit
dem Bundesministerium der Finanzen und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit zu diesem Zeitpunkt erst noch zu erlassenden
Regelungen im Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) einschließlich der Regelsatzverordnung verwiesen. Der in § 20 Abs 2 SGB II bereits festgelegte und feststehende Betrag von 345 EUR habe sich im Einzelnen erst aus den Auswertungen der Einkommens-
und Verbrauchsstichprobe (EVS) 1998 ergeben, die auf den Stand 1. Juli 2003 hochgerechnet worden sei. Die Frage der Verfassungskonformität
lasse sich am ehesten daran messen, welches Instrumentarium zur Findung des soziokulturellen Minimums eingesetzt werde und
auf welchem Weg das Ergebnis gefunden worden sei. Soweit eine Pauschalierung erfolge, müssten die Pauschbeträge auf ausreichenden
Erfahrungswerten beruhen. Diesen Anforderungen genüge die Regelleistung des SGB II nicht. Die Ausgangsdatenlage beruhe auf
Erhebungen aus dem Jahr 1998 und liege damit sieben Jahre vor dem Inkrafttreten des SGB II am 1. Januar 2005. Es seien damit
sieben Jahre gesellschaftlichen Wandels nicht berücksichtigt worden, insbesondere nicht das einschneidende Ereignis der Einführung
des Euro sowie die Kostenbelastung der Versicherten durch die Gesundheitsreform 2004. Der Ausgangswert von 630,18 DM habe
schon 1998 das soziokulturelle Existenzminimum nicht abgedeckt. Die Deckelung der Regelsätze in der Vergangenheit über § 22 Abs 6 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) habe dazu geführt, dass die vom Gesetz geforderte Weiterentwicklung der Regelsatzbemessung nach dem Stand und der Entwicklung
von Nettoeinkommen, Verbraucherverhalten und Lebenshaltungskosten auf der Grundlage der tatsächlichen, statistisch ermittelten
Verbrauchsausgabe von Haushalten in unteren Einkommensgruppen seit Jahren nicht mehr stattgefunden habe. Die um die Sozialhilfeempfänger
statistisch zu bereinigende Gruppe der unteren 20 % der Einkommensbezieher habe ein deutlich anderes Ausgabeverhalten als
in der Regelsatzverordnung angenommen.
Die Rentner würden keine geeignete Vergleichsgruppe für die Anpassung und Hochrechnung bilden. In die Erhöhung des Rentenwertes
fließe auch der Anteil an der freiwilligen Altersvorsorge und die Absenkung auf Grund der gestiegenen Lebenserwartung ein.
Eine Beziehung zwischen dem bedarfsorientiert zu ermittelnden soziokulturellen Existenzminimum des SGB II und den für das
Rentensystem des Sozialgesetzbuches Sechstes Buch entwickelten Renteneckwerten lasse sich nicht herstellen. In § 101 BSHG sei festgelegt gewesen, dass in Modellvorhaben bis zum 31. Dezember 2003 Wege zur Findung von pauschalierten Leistungen der
Sozialhilfe erprobt und ausgewertet werden sollten. Das SGB II sei aber verabschiedet worden, bevor die Modellvorhaben abschließend
ausgewertet worden seien.
Mit einem Rückgriff auf § 23 SGB II lasse sich die Verfassungswidrigkeit der Festsetzung des Regelsatzes nicht beseitigen.
§ 23 SGB II ermögliche weder eine Einzelfallgerechtigkeit in atypischen Lebenssituationen, noch sei die Darlehensgewährung
geeignet, zu niedrig angesetzte Teilbedarfe realitätsnah zu korrigieren.
Weder aus der Regelleistung nach § 20 Abs 2 SGB II noch nach dem Regelsatz des § 28 SGB XII lasse sich ein vom Gesetzgeber
angesetzter Anteil der Kosten für die Warmwasserbereitung entnehmen, der einen Abzug rechtfertige. Die Abteilung 04 der EVS
1998 weise einen Teilbetrag von 26,87 EUR für Wasser und Wohnung aus. Generelle Festsetzungen wie etwa in Höhe von 18 % nach
der Heizkostenverordnung als Abschlag würden die Berücksichtigung anderer Anteile nicht mehr gewährleisten. Auch die im angegriffenen
Urteil vorgenommene Festsetzung von 20,74 EUR entsprechend Punkt 22.19 der Richtlinien des Landkreistages sowie des Städtetages
Baden-Württemberg sei substanzlos.
Hinsichtlich der kostenaufwendigen Ernährung sei das LSG nicht auf den klägerischen Vortrag eingegangen, in der Regelleistung
seien nur 13,19 EUR für Gesundheitspflege vorgesehen und die durchschnittlich im Monat aufzuwendenden 65 EUR für Arzneimittel
könnten von der Regelleistung nicht bestritten werden. Die Hausärztin des Klägers habe bestätigt, dass ihm auf Grund der Erkrankung
für einen Zeitraum von zwölf Monaten Vollkost verordnet worden sei. Inwieweit die von der Beklagten gewährte Zulage in Höhe
von 25,56 EUR den tatsächlichen Aufwendungen für Krankenkost und Arzneimittel entspreche, lasse sich weder der Entscheidung
noch dem Verfahren entnehmen. Die frühere Praxis im Sozialhilferecht habe sich an den Empfehlungen des Deutschen Vereins für
öffentliche und private Fürsorge eV (DV) orientiert. Diese stammten aber aus dem Jahr 1997 und seien zwischenzeitlich nicht
fortgeschrieben worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. November 2006 sowie das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom
20. Dezember 2005 insoweit aufzuheben, als die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen wurde, und die Beklagte zu
verurteilen, unter Abänderung der Bescheide vom 29. November 2004 und vom 4. Januar 2005 in der Fassung des Bescheides vom
10. Februar 2005, dieser in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2005 bzw 9. Mai 2005, des Bescheides vom 2. Mai
2005 sowie der Bescheide vom 25. Juni 2005, 28. November 2005 und 19. Dezember 2005 für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 30.
Juni 2006 höheres Alg II unter Berücksichtigung einer Regelleistung in Höhe von 627 EUR monatlich, eines Mehrbedarfs in Höhe
von monatlich 65 EUR für kostenaufwendige Ernährung und Arzneimittel sowie Kosten der Unterkunft ohne Abzüge von Kosten für
die Warmwasser- und Stromversorgung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II. Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes
[SGG]). Es kann nach den Feststellungen des LSG nicht beurteilt werden, ob dem Kläger höhere Ansprüche auf Alg II zustehen.
Das LSG hat zwar zu Recht entschieden, dass die Höhe der Regelleistung nach § 20 SGB II keinen verfassungsrechtlichen Bedenken
begegnet. Ebenso hat das LSG zutreffend angenommen, dass Kosten für Haushaltsenergie in Höhe von 20,74 EUR von den KdU abzuziehen
sind. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Erstattung von Kosten für Arzneimittel. Es fehlt aber an hinreichenden Feststellungen
dazu, ob und in welcher Höhe ein Anspruch auf Leistungen für kostenaufwendige Ernährung nach § 21 Abs 5 SGB II besteht.
1. Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen.
a) Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind die Bescheide der Beklagten vom 29. November 2004 und vom 4. Januar 2005
in der Fassung des Bescheides vom 10. Februar 2005, dieser in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2005 bzw
9. Mai 2005 sowie der Bescheid vom 2. Mai 2005 und damit die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2005. Nicht in das Verfahren
einbezogen sind die während des Klageverfahrens ergangenen Bescheide vom 25. Juni 2005, 28. November 2005 und 19. Dezember
2005 für die Zeit ab dem 1. Juli 2005. Eine analoge Anwendung des §
96 SGG auf Bescheide, die nachfolgende Bewilligungszeiträume betreffen, kommt im Rahmen des SGB II grundsätzlich nicht in Betracht
(BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, jeweils RdNr 30). Besondere Umstände, die ausnahmsweise eine Einbeziehung der Bewilligungsbescheide
für Folgezeiträume rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich. Die Bescheide sind auch nicht im Wege der Klageerweiterung
nach §
99 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Insofern fehlt es bereits an den allgemeinen Prozessvoraussetzungen. Auch eine Klage
gegen Folgebescheide in Anwendung des §
99 Abs
1 SGG setzt grundsätzlich ein Vorverfahren voraus (vgl BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, jeweils RdNr 30; BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 8; BSGE 90, 143, 145 = SozR 3-2500 § 37 Nr 5 S 30). Eine Ausnahme von der Vorverfahrenspflicht kommt hier im Hinblick auf die entgegenstehenden
prozessökonomischen Gesichtspunkte (vgl BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, jeweils RdNr 30) nicht in Betracht. Die Beklagte wird zunächst in einem Vorverfahren über diese
Folgebescheide zu entscheiden haben. Der erforderliche Widerspruch ist in der Einbeziehung dieser Bescheide in den Klageantrag
zu sehen (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 8. Aufl 2005, §
78 RdNr 3b mwN).
b) Die Leistungsansprüche des Klägers sind im Rahmen der erhobenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage unter jedem rechtlichen
Gesichtspunkt zu prüfen. Bei einem Streit um höhere Leistungen nach dem SGB II sind grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen
dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (vgl BSG SozR 4-4300 § 428 Nr 3 RdNr 16 ff).
c) Keinen Bedenken begegnet, dass die angefochtenen Bescheide vom 29. November 2004 und 4. Januar 2005 noch von der Agentur
für Arbeit erlassen worden sind und die Beklagte erst im Widerspruchsverfahren die Bearbeitung übernommen hat. Die Zuständigkeit
der Beklagten ergibt sich aus § 44b Abs 3 Satz 3 SGB II. Dass die Agentur für Arbeit möglicherweise für den Erlass des Ausgangsbescheides
nach Konstituierung der Beklagten nicht mehr zuständig war, ist unschädlich, weil die Beklagte als fachlich zuständige Behörde
den Widerspruchsbescheid erlassen hat (vgl § 41 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch) und der Ausgangsbescheid in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides den Gegenstand der Klage bildet (vgl BSG SozR 4-4200 § 20 Nr 3 RdNr 18).
d) Die Beklagte als eine nach § 44b SGB II in der Fassung des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl I 2014) gebildete
Arbeitsgemeinschaft ist beteiligtenfähig nach §
70 Nr 2
SGG (vgl BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 §
22 Nr 1, jeweils RdNr 30). § 44b SGB II ist ungeachtet seiner Verfassungswidrigkeit bis zum 31. Dezember 2010 weiterhin anwendbar
(BVerfG, Urteil vom 20. Dezember 2007 - 2 BvR 2433/04 und 2 BvR 2434/04).
2. Nach den von den Beteiligten nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG (§
163 SGG) bestehen keine Zweifel, dass der Kläger im streitigen Zeitraum Anspruch auf Alg II hat. Er erfüllt die Voraussetzungen des
§ 7 Abs 1 SGB II. Er hat das 15. Lebensjahr vollendet, das 65. jedoch noch nicht, ist erwerbsfähig und hat seinen gewöhnlichen
Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Zudem liegt Hilfebedürftigkeit iS des § 9 Abs 1 SGB II vor. Diesen Tatbestand
erfüllt, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht 1. durch
Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche
Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine höhere Regelleistung nach § 20 SGB II. Die Beklagte hat die Regelleistung des Klägers
in den angefochtenen Bescheiden zutreffend nach § 20 Abs 2 SGB II (hier idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen
am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003, BGBl I 2954) auf 345 EUR festgesetzt.
Die Höhe der Regelleistung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Es wird insoweit auf die Ausführungen des 11b.
Senats des Bundessozialgerichts (BSG) in seiner Entscheidung vom 23. November 2006 (B 11b AS 1/06 R = SozR 4-4200 § 20 Nr 3) Bezug genommen. Es besteht keine Veranlassung, von den dortigen rechtlichen Darlegungen Abstand
zu nehmen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat durch Beschluss vom 7. November 2007 (1 BvR 1840/07) eine Verfassungsbeschwerde, die - soweit ersichtlich - im Wesentlichen von den gleichen Argumenten gegen die Verfassungsmäßigkeit
der Höhe der Regelleistung wie im vorliegenden Fall getragen war, nicht zur Entscheidung angenommen.
Auch die Wahl des Anpassungsfaktors ist nicht zu beanstanden. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 27. Februar 2008 -
B 14/7b AS 32/06 R - im Einzelnen dargelegt, dass dem Gesetzgeber auch insoweit ein Gestaltungsspielraum eingeräumt ist, der durch die Wahl
des Anpassungsmechanismus nicht überschritten ist.
b) Auf Grund der Feststellungen des LSG lässt sich nicht beurteilen, ob der Kläger Anspruch auf höhere Leistungen nach § 21
Abs 5 SGB II hat. Danach erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwendigen Ernährung
bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Das Gesetz begründet damit beim medizinischen Erfordernis kostenaufwendiger
Ernährung einen Rechtsanspruch des Hilfebedürftigen. Bei dem Begriff der "angemessenen Höhe" des Mehrbedarfs handelt es sich
um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Ausfüllung in vollem Umfang der rechtlichen Überprüfung durch das Gericht unterliegt
(so auch Behrend in jurisPK, SGB II, 2. Aufl 2007, § 21 RdNr 42; Lang/Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008,
§ 21 RdNr 57). Es kann nach den Feststellungen des LSG nicht abschließend entschieden werden, ob und in welchem Umfang eine
kostenaufwendige Ernährung durch die dem Kläger bescheinigten Erkrankungen indiziert ist. Die Beklagte hat allerdings einen
solchen Mehrbedarf anerkannt und sich im Grundsatz rechtsfehlerfrei an den Empfehlungen des DV für die Gewährung von Krankenkostzulagen
in der Sozialhilfe (im Folgenden: Empfehlungen) orientiert.
Nach dem Willen des Gesetzgebers können zur Konkretisierung der Angemessenheit des Mehrbedarfs die hierzu vom DV entwickelten
und an typisierbaren Fallgestaltungen ausgerichteten Empfehlungen herangezogen werden (BT-Drucks 15/1516 S 57). Dies entspricht
der generellen Anknüpfung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II an das Referenzsystem der Sozialhilfe
(vgl BT-Drucks 15/1516 S 46, 56). In der Praxis und Rechtsprechung zur früheren Parallelvorschrift des § 23 Abs 4 BSHG fanden die Empfehlungen des DV allgemein Anwendung (vgl OVG Niedersachsen, Beschluss vom 13. Oktober 2003 - 12 LA 385/03 - FEVS 55, 359; OVG NRW, Urteil vom 20. Juni 2000 - 22 A 285/98 - DVBl 2001, 580 = ZFSH/SGB 2001, 602; VGH Hessen, Beschluss vom 27. Juni 1991 - 9 TG 1258/91 - FEVS 42, 265 = info also 1991, 200; Adolph in Linhart/Adolph, SGB II, SGB XII,
Asylbewerberleistungsgesetz, Stand Januar 2008, § 30 SGB XII RdNr 14; Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 15. Aufl 1997, § 23 RdNr 34; Wenzel in Fichtner, BSHG, 1999, § 23 RdNr 23). Bei der Erstellung der "Empfehlungen für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe" des DV haben
Wissenschaftler aus medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Fachbereichen zusammengearbeitet, die medizinisch notwendigen
Ernährungsformen bei verschiedenen Krankheiten festgestellt und die Kostenunterschiede zur "Normalernährung" ermittelt (Empfehlungen,
2. Aufl 1997, S 6). Die Pauschalbeträge für die krankheitsbedingten Mehrbedarfe wurden mit Hilfe der Deutschen Gesellschaft
für Ernährung auf der Basis eines Schemas der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin entwickelt (Empfehlungen aaO S
10). Die Empfehlungen wurden erstmals 1974 und 1997 in überarbeiteter Form herausgegeben.
Bei den Empfehlungen handelt es sich nicht um Rechtsnormen. Eine solche Qualifikation ist bereits deshalb ausgeschlossen,
weil die Empfehlungen von einem privatrechtlichen Verein formuliert worden sind. Eine Rechtsgrundlage für ihre Erstellung
und Anwendung findet sich nicht, so dass es an jedweder demokratischen Legitimation fehlt. Sie sind derzeit auch nicht als
antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, sondern entsprechend ihrer Bezeichnung lediglich als allgemeine Empfehlungen,
die geeignet sind, als Grundlage für eine gleichmäßige und kontinuierliche Praxis und Rechtsprechung zu dienen. Zwar kann
der Umstand, dass in der Gesetzesbegründung auf die Empfehlungen verwiesen wird, als Indiz für eine Bewertung als allgemeine
Erfahrungssätze im Sinne eines antizipierten Sachverständigengutachtens gewertet werden (vgl LSG Baden-Württemberg, Urteil
vom 27. Juni 2007 - L 2 AS 731/07; Behrend in jurisPK, SGB II, 2. Aufl 2007, § 21 RdNr 46; Lang/Knickrehm aaO § 21 RdNr 52; Münder in LPK-SGB II, 2. Aufl 2007,
§ 21 RdNr 28). Auch beruhen sie auf zu verschiedenen Sachgebieten eingeholten medizinischen, ernährungswissenschaftlichen
und statistischen Gutachten und genießen grundsätzlich allgemeine Anerkennung (vgl zu diesen Anforderungen an antizipierte
Sachverständigengutachten BSG SozR 3-2200 § 581 Nr 8).
Es kann aber derzeit nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die Empfehlungen in allen Punkten allgemeine und im wesentlichen
unumstrittene aktuelle Erfahrungswerte wiedergeben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Empfehlungen aus dem Jahr 1997
datieren, sich auf Gutachten aus den Jahren 1991 bis 1996 stützen und die inzwischen eingetretenen Entwicklungen bislang nicht
durch eine Aktualisierung nachvollzogen wurden. Im "Begutachtungsleitfaden für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingter kostenaufwändiger
Ernährung (Krankenkostzulage) gemäß § 23 Abs 4 BSHG" des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe aus dem Jahr 2002, der von einer Arbeitsgruppe aus Ärztinnen und Ärzten aus Gesundheitsämtern
in vier Bundesländern erstellt wurde, wird kritisiert, dass die Empfehlungen in einigen Punkten nicht mehr dem Stand der Wissenschaft
entsprächen und manche Erkenntnisse nicht folgerichtig umgesetzt seien. Dementsprechend finden sich in diesem Leitfaden zum
Teil von den Empfehlungen abweichende Bewertungen. Das gilt auch für das "Rationalisierungsschema 2004" des Bundesverbandes
Deutscher Ernährungsmediziner (Aktuel Ernaehr Med 2004, 245, 247 f). Angesichts des ebenfalls auf medizinischer Sachkunde
beruhenden alternativen Bewertungsschemas des Begutachtungsleitfadens kann auch nicht mehr, wie etwa bei den als antizipierte
Sachverständigengutachten anzusehenden "Anhaltspunkten" für die Festsetzung des Grades der Behinderung (vgl dazu BSGE 91,
205 = SozR 4-3250 § 69 Nr 2, jeweils RdNr 14 sowie Knickrehm, SGb 2008, 220, 224 ff), davon ausgegangen werden, dass ein anderes, ebenso geeignetes Beurteilungssystem wie die Empfehlungen nicht vorhanden
ist, zumal die neueren Bewertungssysteme in der Rechtsprechung bereits verschiedentlich Anerkennung erfahren haben (vgl etwa
Schleswig-Holsteinisches LSG, FEVS 57, 412 ff; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 10. Januar 2008 - L 9 AS 605/07 ER).
Die Empfehlungen können somit derzeit zwar im Regelfall noch als Orientierungshilfe dienen. Sie entbinden aber nicht von der
Ermittlungspflicht im Einzelfall, sobald Besonderheiten, insbesondere von den Empfehlungen abweichende Bedarfe geltend gemacht
werden. Dabei kann es zum einen auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt sein, das Erfordernis der
Krankenkostzulage auch für eine Erkrankung zu bejahen, die im Katalog der Empfehlungen nicht vorgesehen ist. Es kann sich
zum anderen aber auch für eine der genannten oder damit gleichzusetzenden Erkrankung im Einzelfall ein höherer oder niedrigerer
Mehrbedarf als in den Empfehlungen vorgesehen ergeben. Ebenfalls nicht ausgeschlossen ist - entgegen weit verbreiteter Praxis
(vgl Hinweise der BA 21.30 zu § 21 SGB II), dass Bedarfe für mehrere, eine kostenaufwendige Ernährung bedingende Erkrankungen
kumulativ in Ansatz gebracht werden. Maßgeblich ist stets der Betrag, mit dem der medizinisch begründete, tatsächliche Kostenaufwand
für eine Ernährung ausgeglichen werden kann, die von der Regelleistung nicht gedeckt ist (Lang/Knickrehm aaO § 21 RdNr 56,
57). Er ist im Einzelfall im Wege der Amtsermittlung durch Einholung medizinischer und/oder ernährungswissenschaftlicher Stellungnahmen
oder Gutachten zu klären.
Das LSG wird dementsprechend noch zu ermitteln haben, ob der Kläger ausgehend von diesen Grundsätzen Anspruch auf eine höhere
Leistung nach § 21 SGB II hat. Die von der Hausärztin bescheinigten Erkrankungen "Achalasie, Dysphagie" sind in den Empfehlungen
des DV nicht ausdrücklich aufgeführt. Ob und in welchem Umfang sie eine besondere Kostform erfordern, ist vom LSG nicht festgestellt.
Zwar hat die Beklagte im Hinblick auf die ärztliche Verordnung von Vollkost eine Gleichstellung mit den ausdrücklich in den
Empfehlungen aufgeführten Krankheitsbildern angenommen und einen Mehrbedarf bewilligt. Das Verbot der reformatio in peius
schließt eine Minderung dieses bewilligten Mehrbedarfs im streitigen Zeitraum aus. Nicht ausgeschlossen ist aber, dass die
genannten Erkrankungen bei dem Kläger einen höheren als den bewilligten Mehrbedarf begründen.
Allerdings ist der von der Beklagten für die "Vollkost" zu Grunde gelegte Betrag in Höhe von 25,56 EUR unzutreffend berechnet.
Die in den Empfehlungen aus dem Jahr 1997 ausgewiesenen DM-Beträge sind in Euro umzurechnen und bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens
des SGB II fortzuschreiben. Für die "Vollkost", die in den Empfehlungen eine Krankenkost bezeichnet, durch die der qualitative
Mehrbedarf bei einer Reihe von Erkrankungen gedeckt werden kann (Empfehlungen aaO S 25), ist eine Zulage in Höhe von 50 DM
vorgesehen (Empfehlungen aaO S 36). Umgerechnet in Euro ergibt dies den Betrag in Höhe von 25,56 EUR (50 : 1,95583). In dieser
Höhe sind dem Kläger Leistungen bewilligt worden. Der DV empfiehlt, die Höhe der Krankenkostzulagen jährlich zum 1. Juli entsprechend
der prozentualen Veränderung der Regelsätze fortzuschreiben (Empfehlungen aaO S 16). Bei einer Steigerung des Eckregelsatzes
im Zeitraum von 1998 bis zum 1. Januar 2005 um 7,1 % (vgl BR-Drucks 206/04 S 11 ff) ergibt sich für die Vollkost ein Betrag
in Höhe von 27,37 EUR. Das LSG wird noch festzustellen haben, ob, soweit bei dem Kläger dem Grunde nach das Erfordernis einer
Krankenkostzulage besteht, besondere Umstände ein Abweichen von den Pauschalbeträgen der Empfehlungen zu seinen Gunsten gebieten.
c) Einen Mehrbedarf für Arzneimittel, wie der Kläger ihn geltend macht, sieht § 21 SGB II nicht vor. Der nach §
5 Abs
1 Nr
2 Buchst a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) pflichtversicherte Kläger hat einen Anspruch auf Versorgung mit notwendigen Arzneimitteln gegen seine Krankenkasse nach
§
27 Abs
1 Satz 2 Nr
3 SGB V. Das LSG hat zutreffend ausgeführt, dass die Kosten für medizinisch nicht notwendige Arzneimittel von der Regelleistung gedeckt
sind.
d) Dem Kläger stehen keine höheren KdU nach § 22 Abs 1 SGB II zu. Danach werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe
der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind. Als KdU hat die Beklagte einen Betrag in Höhe von 261,54
EUR berücksichtigt, weil sie von der Pauschalmiete in Höhe von 280,84 EUR 20,74 EUR für die in der Miete enthaltenen Kosten
für Haushaltsenergie abgezogen hat. Dieser Abzug ist der Höhe nach gerechtfertigt. Der Senat verweist insoweit auf die Ausführungen
im Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14/11b AS 15/07 R. Da die Pauschalmiete des Klägers sämtliche Stromkosten umfasste, konnte der für Haushaltsenergie anzusetzende Betrag insgesamt
abgezogen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.