Entschädigung wegen überlanger Dauer eines gerichtlichen Verfahrens
Vertretungszwang vor dem BSG
Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen
Landessozialgerichts vom 18. Dezember 2014 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im vorstehend genannten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auf 4600 Euro festgesetzt.
Gründe:
I
Die Klägerin begehrt in der Hauptsache Entschädigung wegen der überlangen Dauer des gerichtlichen Verfahrens vor dem SG München
(S 35 AL 1128/03) und dem Bayerischen LSG (L 9 AL 58/08, später verbunden unter L 9 AL 157/08, anschließend abgetrennt fortgeführt unter L 9 AL 158/10), mit dem sie eine Neubescheidung wegen eines Bildungsgutscheins zu erlangen suchte. Das Verfahren vor dem LSG endete durch
übereinstimmende Erledigungserklärung am 10.6.2010. Eine Individualbeschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
(EGMR) hat die Klägerin nicht erhoben. Ihre Entschädigungsklage hat das Entschädigungsgericht deshalb abgewiesen. Der zeitliche
Geltungsbereich des §
198 GVG sei für diesen Altfall nicht mehr eröffnet, weil seine Dauer bei Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen
Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren weder Gegenstand einer Individualbeschwerde beim EGMR gewesen sei noch mit Blick auf die Frist des Art 35 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) hätte werden können (Urteil vom 18.12.2014).
Mit ihrer Beschwerde, für die sie Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt, wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der
Revision im Urteil des LSG.
II
1. Der PKH-Antrag der Klägerin ist unbegründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet (§
73a Abs
1 S 1
SGG iVm §
114 ZPO). An der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt es hier. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter
(§
73 Abs
4 SGG) in der Lage wäre, die von der Klägerin angestrebte Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen.
Hinreichende Erfolgsaussicht hätte die Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn einer der in §
160 Abs
2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe mit Erfolg geltend gemacht werden könnte. Die Revision darf danach zugelassen
werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG), das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG). Nach Durchsicht der Akten fehlen - auch unter Würdigung des Vorbringens der Klägerin - Anhaltspunkte dafür, dass sie einen
der in §
160 Abs
2 Nr
1 bis
3 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe darlegen könnte. Die Sache bietet nach den Urteilen des erkennenden Senats vom
3.9.2014 (BSG SozR 4-1720 § 198 Nr 3 ua), auf die sich das LSG auch bezieht, keine Hinweise für eine über den Einzelfall der Klägerin hinausgehende, grundsätzliche
Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß §
160 Abs
2 Nr
1 SGG) oder Divergenz (Zulassungsgrund gemäß §
160 Abs
2 Nr
2 SGG).
Schließlich fehlt ein ausreichender Anhalt dafür, dass die Klägerin einen die Revisionszulassung rechtfertigenden Verfahrensfehler
des LSG bezeichnen könnte (Zulassungsgrund des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG). Nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen
kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von §
109 SGG und §
128 Abs
1 S 1
SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des §
103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende
Begründung nicht gefolgt ist. Insbesondere ergibt sich kein Anhalt für einen Verfahrensfehler, weil das LSG den zeitlichen
Anwendungsbereich des §
198 GVG unter Berücksichtigung der Zulässigkeitsvoraussetzungen des Art 35 EMRK (vermeintlich) falsch bestimmt haben könnte (vgl hierzu BSG SozR 4-1720 § 198 Nr 3 RdNr 14 ua). Weder nach dem Vortrag der Klägerin noch nach Aktenlage (Antwortschreiben des EGMR vom 29.8.2012, Bl 156 der Entschädigungsakten) bestehen Hinweise darauf, dass in dem og Ausgangsrechtsstreit eine Individualbeschwerde
beim EGMR anhängig war.
2. Die von der Klägerin selbst eingelegte Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften.
Die Klägerin muss sich vor dem BSG gemäß §
73 Abs
4 SGG durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen, da sie nicht selbst zum Kreis vertretungsbefugter Personen
gehört. Sowohl die Beschwerdeschrift als auch die Beschwerdebegründungsschrift muss von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten
unterzeichnet sein. Hierauf ist die Klägerin in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils ausdrücklich hingewiesen
worden.
3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
5. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §
197a Abs
1 S 1
SGG iVm § 47 Abs 2 und 3, § 52 Abs 3, § 63 Abs 2 S 1 GKG.