Entschädigung für überlange Verfahrensdauer eines Prozesskostenhilfeverfahrens
Kein eigenständiger Entschädigungsanspruch gegenüber dem Hauptsacheverfahren
Gründe:
I
Der Kläger begehrt in der Hauptsache eine Entschädigung für eine überlange Verfahrensdauer eines PKH-Verfahrens in Höhe von
250 Euro. Das Entschädigungsgericht (LSG) hat den geltend gemachten Anspruch verneint (Urteil vom 13.12.2017). Zur Begründung
hat es im Wesentlichen ausgeführt: Als zu entschädigendes Gerichtsverfahren iS des §
198 Abs
6 Nr
1 GVG komme zwar auch ein isoliertes PKH-Verfahren in Betracht. Um ein solches isoliertes PKH-Verfahren handele es sich jedoch
vorliegend nicht. Vielmehr sei das PKH-Verfahren gleichzeitig mit dem Hauptsacheverfahren S 12 AS 2290/12 vor dem SG Neubrandenburg geführt worden. Bei einer solchen Fallkonstellation seien Verzögerungen im PKH-Verfahren während
der Dauer eines gleichzeitig rechtshängig gewordenen Hauptsacheverfahrens im Rahmen der Einzelfallumstände nach §
198 Abs
1 S 2
GVG zu bewerten, wenn ein Gericht wegen eines PKH-Verfahrens die Hauptsache nicht so zügig bearbeite, wie dies ggf erforderlich
wäre (Hinweis auf Senatsurteil vom 7.9.2017 - B 10 ÜG 3/16 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 14). Da im Hauptsacheverfahren vom Kläger
jedoch keine Entschädigungsklage erhoben worden sei, könne das mit der Hauptsache verbundene PKH-Verfahren als dessen Annex
nicht nach §
198 GVG entschädigt werden.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und macht einen Verfahrensmangel geltend.
II
Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Begründung vom 25.6.2018 genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form,
weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) und des Verfahrensmangels (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) nicht in der hierfür erforderlichen Weise dargetan worden sind (vgl §
160a Abs
2 S 3
SGG).
1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS von §
160 Abs
2 Nr
1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des
Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren
Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch
nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts
erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss daher,
um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit
(Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog
Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG Beschluss vom 30.11.2017 - B 9 V 35/17 B - Juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 2.5.2017 - B 5 R 401/16 B - Juris RdNr 6, jeweils mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger hält folgende Fragen für grundsätzlich bedeutsam,
"ob das Hauptsacheverfahren, das einstweilige Rechtsschutzverfahren und das PKH-Verfahren entschädigungsrechtlich tatsächlich
als ein einheitliches Verfahren anzusehen sind, wenn diese nebeneinander betrieben werden oder nicht doch auch entschädigungsrechtlich
jeweils einen eigenen Entschädigungsanspruch auslösen?"
"ob eine unterschiedliche entschädigungsrechtliche Beurteilung zwischen den Verfahren, die nebeneinander und denen die isoliert
geführt werden, mit Art.
3 Abs.
1 GG (Gleichbehandlungsgebot) vereinbar (ist)?"
Das Entschädigungsgericht habe die Rechtsauffassung des BSG in dem Urteil vom 7.9.2017, dass nebeneinander geführte Verfahren nur einen einzigen Entschädigungsanspruch auslösen können,
"unreflektiert übernommen". Überdies sei die vom BSG diesbezüglich vertretene Rechtsauffassung nicht überzeugend. Selbst aber wenn man dem BSG insoweit folgen würde, stelle sich folgende "weitere Rechtsfrage":
"Muss der Entschädigungskläger nochmals eine gesonderte Entschädigungsklage für die Entscheidung in der Hauptsache nach deren
Abschluss einreichen, wenn beim Entschädigungsgericht bereits eine Entschädigungsklage für die parallel erhobene PKH-Entscheidung
anhängig ist oder muss in dem bereits anhängigen Klageverfahren geprüft werden, ob nicht allein, aber auch überlange Verfahrenszeiten
im Hinblick auf das PKH-Gesuch bei der Entschädigung für das Gerichtsverfahren zu berücksichtigen sind?"
Der Vortrag des Klägers erfüllt nicht die Darlegungsanforderungen an eine Grundsatzrüge.
Sofern der Kläger in der ersten Frage auf "das einstweilige Rechtsschutzverfahren" abstellt, fehlt es bereits an der Klärungsfähigkeit
(Entscheidungserheblichkeit) für das beabsichtigte Revisionsverfahren. Denn nach seinem eigenen Vortrag begehrt er Entschädigung
lediglich für die Verzögerung eines PKH-Verfahrens. Im Übrigen hat der Kläger für die von ihm als grundsätzlich bedeutsam
bezeichneten Rechtsfragen die weitere Klärungsbedürftigkeit der dort aufgeworfenen Problematik nicht im gebotenen Maße aufgezeigt.
Der Kläger weist selbst auf das Urteil des Senats vom 7.9.2017 (B 10 ÜG 3/16 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 14) hin. Dort hat der
Senat bereits entschieden, dass ein - wie hier - gleichzeitig neben dem Hauptsacheverfahren geführtes PKH-Verfahren als dessen
Annex nicht zu einem eigenständigen Entschädigungsanspruch führt. Ob Verzögerungen im Verfahren um die Bewilligung von PKH
während der Dauer eines gleichzeitig rechtshängig gewordenen Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen sind, ist vielmehr nach
§
198 Abs
1 S 2
GVG im Rahmen der Einzelfallumstände zu bewerten, wenn ein Gericht wegen eines PKH-Verfahrens die Hauptsache nicht so zügig bearbeitet
wie dies ggf erforderlich wäre. §
198 GVG geht von einem an der Hauptsache orientierten Verfahrensbegriff aus, sodass nicht jeder einzelne Antrag oder jedes Gesuch
im Zusammenhang mit dem verfolgten Rechtsschutzbegehren ein entschädigungspflichtiges Verfahren darstellt (aaO RdNr 29). Der
Senat hat in diesem Urteil seine Rechtsauffassung ausgehend von der Regelung in §
198 Abs
6 Nr
1 GVG und der dortigen Legaldefinition des Gerichtsverfahrens im entschädigungsrechtlichen Sinn sowie bereits zuvor ergangener
höchstrichterlicher Rechtsprechung (ua Senatsurteil vom 10.7.2014 - B 10 ÜG 8/13 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 2; Senatsbeschluss
vom 25.10.2016 - B 10 ÜG 23/16 B - Juris) mit Wortlaut, Binnensystematik sowie Sinn und Zweck der Regelung, wie er insbesondere
in der Entstehungsgeschichte zum Ausdruck kommt, im Einzelnen begründet. Sofern der Kläger der Rechtsauffassung des Senats
nicht zu folgen vermag, reicht es zur Darlegung einer erneuten Klärungsbedürftigkeit nicht aus, lediglich bereits bekannte
in den zitierten höchstrichterlichen Entscheidungen bereits hinreichend abgehandelte Gegenargumente insbesondere zur Auslegung
des Begriffs "Gerichtsverfahren" in §
198 Abs
6 Nr
1 GVG zu wiederholen (vgl BSG Beschluss vom 9.8.2007 - B 11b AS 29/07 B - Juris RdNr 10; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl 2017, §
160a RdNr 14g, jeweils mwN). Für die Darlegung einer erneuten Klärungsbedürftigkeit von höchstrichterlich bereits grundsätzlich
entschiedenen Rechtsfragen müssen vielmehr in Auseinandersetzung mit der bisherigen Rechtsprechung des BSG völlig neue, noch nicht erwogene Gesichtspunkte vorgetragen werden, die eine andere Beurteilung nahelegen könnten (vgl hierzu
BSG Beschluss vom 23.6.2010 - B 12 KR 14/10 B - Juris RdNr 11; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 316, jeweils mwN). Diese Anforderungen erfüllt
das Beschwerdevorbringen des Klägers nicht. Er legt auch nicht dar, dass und mit welchen Gründen den hier einschlägigen Senatsentscheidungen
im Schrifttum oder in der Rechtsprechung substanziell widersprochen worden ist (vgl zu diesem Erfordernis BSG Beschluss vom 23.6.2010 - B 12 KR 14/10 B - Juris RdNr 11; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 316, jeweils mwN). Allein die Darstellung einer
bestimmten eigenen Gesetzesauslegung reicht zur Darlegung einer weiteren Klärungsbedürftigkeit von grundsätzlich vom BSG bereits entschiedenen Rechtsfragen nicht aus (vgl BSG Beschluss vom 30.3.2005 - B 4 RA 257/04 B - SozR 4-1500 §
160a Nr 7 RdNr 8; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl 2017, §
160a RdNr 14d mwN).
Sofern der Kläger bezogen auf die dritte Frage behauptet, dass diese vom BSG noch nicht entschieden sei, unterzieht er sich nicht der notwendigen Mühe zu prüfen, ob sich bereits aus den Ausführungen
und Hinweisen in den oben zitierten Entscheidungen des Senats hinreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von ihm insoweit
aufgeworfenen Fragestellung ergeben. Denn auch dann gilt eine Rechtsfrage bereits als höchstrichterlich geklärt (stRspr, zB
BSG Beschluss vom 22.3.2018 - B 9 SB 78/17 B - Juris RdNr 12 mwN). Dies erfordert bezogen auf die aufgeworfene Frage eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der bereits
ergangenen aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung, also ein Eingehen auf die rechtlichen Gedankengänge und Argumentationslinien
dieser Entscheidungen. Entsprechenden substantiierten Vortrag enthält die Beschwerdebegründung jedoch nicht. Allein die Darstellung
der eigenen Rechtsansicht reicht auch hier nicht.
2. Ebenso wenig hat der Kläger einen Verfahrensmangel hinreichend dargetan. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt,
dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 1
SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 S 3
SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist
die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des Entschädigungsgerichts ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht
auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung der angefochtenen Entscheidung besteht. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 S 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Entschädigungsgericht ohne hinreichende Begründung
nicht gefolgt ist.
Der Kläger wirft dem Entschädigungsgericht einen Verstoß gegen die Vorschrift des §
123 SGG vor. Aus seinem Begehren habe sich ergeben, dass er im Entschädigungsverfahren die überlange Bearbeitungszeit seines PKH-Verfahrens
habe berücksichtigt wissen wollen. Ob dies bei einer im entschädigungsrechtlichen Sinne einheitlichen Betrachtung von Hauptsache-
und PKH-Verfahren geschehe, sei für ihn letztlich irrelevant. Das LSG hätte seinen Klageantrag entsprechend auslegen oder
ihm zumindest einen entsprechenden Hinweis geben müssen.
Der Kläger hat eine Verletzung des §
123 SGG durch das Entschädigungsgericht nicht aufgezeigt. Danach entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche,
ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Keinesfalls ist das Gericht aber verpflichtet, rechtsanwaltlich vertretene
Kläger bei eindeutig gestellten Anträgen prozessual zu beraten. Bei einem von einem Rechtsanwalt oder einem anderen qualifizierten
Prozessbevollmächtigten gestellten Klageantrag ist in der Regel anzunehmen, dass dieser das Gewollte richtig wiedergibt (Senatsbeschluss
vom 5.6.2014 - B 10 ÜG 29/13 B - Juris RdNr 12). Vorliegend hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung
zu Protokoll beantragt, dem Kläger eine Entschädigung in Höhe von 250 Euro wegen überlanger Verfahrensdauer des PKH-Verfahrens
S 12 AS 2290/12 (SG Neubrandenburg) zu zahlen. Über diesen Antrag hat das Entschädigungsgericht unter Bezugnahme auf die aktuelle höchstrichterliche
Rechtsprechung entschieden. Dass der Kläger die Entscheidung des Entschädigungsgerichts in der Sache inhaltlich für falsch
hält, ist für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unerheblich. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass es keinen allgemeinen
Verfahrensgrundsatz gibt, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung die für die richterliche
Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gesichtspunkte zuvor mit den Beteiligten zu erörtern (vgl BSG Beschluss vom 22.3.2018 - B 9 SB 78/17 B - Juris RdNr 17; BSG Beschluss vom 9.2.2017 - B 9 SB 83/16 B - Juris RdNr 6).
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
4. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 S 2 und 3
SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§
183 S 6, 197a Abs
1 S 1 Halbs 3
SGG iVm §
154 Abs
2 VwGO.
6. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §
197a Abs
1 S 1 Halbs 1
SGG iVm §
47 Abs
1 S 1 und Abs 3, § 52 Abs 3 S 1, § 63 Abs 2 S 1 GKG.