Kosten einer Betriebshilfe in der Alterssicherung der Landwirte
Gründe:
I
Die Klägerin wendet sich gegen eine Selbstbeteiligung an der ihr von der Beklagten gewährten Betriebshilfe.
Der Ehemann der Klägerin war bis zu seinem Tod am 1. April 2003 Landwirt. Die Klägerin führte das landwirtschaftliche Unternehmen
als versicherungspflichtige Landwirtin fort. Sie setzte ab 1. April 2003 eine selbstbeschaffte Ersatzkraft ein, für deren
Lohnkosten - begrenzt auf 8,75 _ pro Arbeitsstunde - die Beklagte unter Abzug einer Selbstbeteiligung von 4,30 _ pro Arbeitsstunde
Betriebshilfe bewilligte. Die Höhe der Selbstbeteiligung berechnete sie nach einem jährlichen Einkommen der Klägerin von 79.604
_. Dabei legte sie den nach §
4 Abs
1 Einkommensteuergesetz ermittelten, allein dem Ehemann zugerechneten Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft nach dem zeitnächsten Einkommensteuerbescheid
für das Jahr 2000 in Höhe von 155.692 DM zu Grunde (Bescheid vom 12. August 2003; Widerspruchsbescheid vom 27. August 2003).
Im sozialgerichtlichen Verfahren hat die Klägerin geltend gemacht: Entscheidend für Grund und Höhe der Selbstbeteiligung sei
das Einkommen des Leistungsberechtigten selbst. Nach dem Einkommensteuerbescheid 2000 habe ihr Einkommen 0 _ betragen, sodass
sie sich an den Kosten der Betriebshilfe nicht selbst zu beteiligen habe. Im Übrigen sei die in § 37 Abs 3 Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) geforderte Selbstbeteiligung verfassungswidrig.
Das Sozialgericht Aurich (SG) hat die Klage mit folgender Begründung abgewiesen (Urteil vom 30. März 2004): Die Beklagte habe zu Recht auf das im letzten
Einkommensteuerbescheid festgestellte Einkommen des Jahres 2000 zurückgegriffen, denn in § 69 Abs 4 der Richtlinien des Gesamtverbandes
der landwirtschaftlichen Alterskassen über die Durchführung von Leistungen zur Rehabilitation und Betriebs- und Haushaltshilfe
zur Aufrechterhaltung des Unternehmens der Landwirtschaft nach §§ 10 Abs 4, 36 Abs 4, 37 Abs 4 und 39 Abs 3 iVm 37 Abs 4 ALG (RGLA) werde auf § 32 ALG und damit auf die hälftige Anrechnung des ehelichen Gesamteinkommens bei jedem der Ehegatten verwiesen. Ob nach dem Tode
eines der Ehegatten dem Überlebenden das gesamte Einkommen zuzurechnen sei, könne hier angesichts der Einkommenshöhe offen
bleiben. Die Selbstbeteiligung verstoße auch nicht gegen die Verfassung. Betriebshilfe bei Fortführung eines landwirtschaftlichen
Unternehmens nach dem Tod des Unternehmers sei eine einzigartige Leistung der landwirtschaftlichen Alterssicherung. Das rechtfertige
eine wirtschaftlich zumutbare Eigenbeteiligung, zumal der neue Betriebsinhaber aus der Fortführung des Unternehmens Einnahmen
erziele.
Mit ihrer - vom SG zugelassenen - Revision wiederholt und vertieft die Klägerin ihre bisherigen Argumente.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des SG Aurich vom 30. März 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 12. August 2003
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. August 2003 zu verurteilen, ihr ab 1. April 2003 Betriebshilfe ohne Selbstbeteiligung
zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie führt ua aus: Betriebshilfe sei nach dem aktuellen Einkommen des Berechtigten zu berechnen. Dieses Einkommen lasse sich
auf der Grundlage der in der Vergangenheit erzielten Einkünfte prognostizieren. Dabei seien Änderungen der betrieblichen Verhältnisse
zwar zu berücksichtigen. Zu diesen Änderungen zählten aber nicht die Lohnkosten eines Betriebshelfers, weil der Berechtigte
sie nur abzüglich der ihm zu gewährenden Betriebshilfe zu tragen habe und deren Höhe ihrerseits vom Einkommen abhänge. Die
Höhe der einkommensabhängigen Betriebshilfe ließe sich mithin nicht bestimmen, hinge das Einkommen seinerseits von der Höhe
der Betriebshilfe ab.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§
124 Abs
2 Sozialgerichtsgesetz >SGG<) einverstanden erklärt.
II
Die Revision ist nicht begründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Betriebshilfe ohne Selbstbeteiligung. Deren Höhe hat die Beklagte in den angegriffenen
Bescheiden nicht zu Lasten der Klägerin unzutreffend berechnet. Dieses - vom SG zu Recht bestätigte - Ergebnis verstößt nicht gegen die Verfassung.
Nach § 37 Abs 1 ALG (in der hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes vom 22. Dezember 1999 >BGBl I 2534<) kann für den überlebenden Ehegatten
eines Landwirts Betriebshilfe erbracht werden, wenn er das Unternehmen des Verstorbenen als versicherungspflichtiger Landwirt
weiterführt, sofern weitere, hier vorliegende Voraussetzungen erfüllt sind. Danach ist der Klägerin ab 1. April 2003 Betriebshilfe
gewährt worden. § 37 Abs 3 ALG fordert vom Leistungsberechtigten, sich an den entstehenden Aufwendungen unter Berücksichtigung seines Einkommens angemessen
zu beteiligen. Dabei beträgt die Selbstbeteiligung höchstens 50 vH der entstehenden Aufwendungen. Näheres zu dieser Selbstbeteiligung
ist in den nach § 37 Abs 4 Satz 1 ALG von der Vertreterversammlung des Gesamtverbandes der landwirtschaftlichen Alterskassen beschlossenen RGLA geregelt. Deren
§ 69 Abs 4 bestimmt, dass die Höhe der Selbstbeteiligung sich nach der Höhe des landwirtschaftlichen und außerlandwirtschaftlichen
Einkommens des Berechtigten iS des § 32 ALG im Verhältnis zu der jeweils geltenden Bezugsgröße (§ 18 Viertes Buch Sozialgesetzbuch) nach Maßgabe einer Tabelle richtet, die bei einem Einkommen über 120 vH der jährlichen Bezugsgröße,
die im Jahre 2003 bei 28.560 _ lag, den maximalen Selbstbehalt mit 0,21 vH der monatlichen Bezugsgröße (2003: 2.380 _) festlegt.
In diese Rubrik fällt die Klägerin, wobei die Beklagte den sich errechnenden Selbstbeteiligungsbetrag von 4,90 _ gemäß § 37 Abs 3 Halbsatz 2 ALG auf die - überdies noch abgerundete - Hälfte ihrer Aufwendungen (8,75 _/Stunde), nämlich auf 4,30 _, ermäßigt hat.
Die Klägerin meint zu Unrecht, als einkommenslos behandelt werden zu müssen. Allerdings ist der Klägerin weder - wie von der
Beklagten angenommen - das gesamte vom verstorbenen Ehemann nach dem zeitnächsten Einkommensteuerbescheid 2000 erzielte Einkommen
von 79.604 _ ohne Berücksichtigung der Lohnkosten des Betriebshelfers zuzurechnen noch - wie das SG erwogen hat - nur dessen Hälfte. Das ergibt sich aus § 69 Abs 4 RGLA iVm § 32 ALG.
§ 69 Abs 4 RGLA verweist auf die "Höhe des landwirtschaftlichen und außerlandwirtschaftlichen Einkommens des Berechtigten
iS des § 32 ALG". Zu Unrecht hat das SG dieser Vorschrift entnommen, § 32 ALG sei in vollem Umfang anzuwenden. Dagegen sprechen zwei Gründe: Diese Vorschrift ist nach ihrem Abs 2 Satz 1 auf den Landwirt
und seinen "nicht dauernd von ihm getrennt lebenden Ehegatten" zugeschnitten (vgl BSG SozR 3-5868 § 32 Nr 2 S 15 f), also gerade nicht auf die von § 37 ALG erfassten Fälle regelmäßig noch nicht durch Wiederheirat beendeter Witwen- oder Witwerschaft. Anders als nach § 32 ALG ist außerdem nicht auf ein historisches Einkommen abzustellen, sondern auf das von dem überlebenden Ehegatten nach dem Tode
des anderen - noch - erzielte Einkommen. Das ergibt sich insbesondere aus der Entwicklung des § 37 ALG. Nach dessen bis zum 31. Dezember 1999 geltender Urfassung setzte die "angemessene" Selbstbeteiligung erst nach Ablauf von
sechs Monaten ein; maßgebend für Grund und Höhe dieser Selbstbeteiligung waren "die Verhältnisse nach Ablauf von sechs Monaten"
(§ 37 Abs 3 Satz 1 Halbsatz 2 ALG aF). Die Abschaffung der Sechs-Monats-Grenze ist damit begründet worden, dass das nach dem Tode des Landwirts weitergeführte
Unternehmen Einnahmen bringe, sodass eine Selbstbeteiligung von Beginn der Maßnahme an zumutbar sei (BT-Drucks 14/1523, S
203). Danach soll sich die Höhe der Selbstbeteiligung nach der Höhe der aktuell aus Fortführung des landwirtschaftlichen Unternehmens
zu erwartenden Einnahmen bemessen. § 69 Abs 4 RGLA verweist mithin nur begrenzt auf § 32 ALG. Nach dieser Vorschrift richtet sich lediglich der Einkommensbegriff, wie er in ihrem Abs 3 Sätze 1 bis 3 definiert ist (in
diesem Sinne auch Rombach, Alterssicherung der Landwirte, 1995, 201 f).
Bei der Prognose des von einem Leistungsberechtigten bei Beginn der Maßnahme zu erzielenden Einkommens werden die landwirtschaftlichen
Alterskassen regelmäßig das Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft zu Grunde legen können, welches aus dem Betrieb des weitergeführten
landwirtschaftlichen Unternehmens in der Vergangenheit erzielt worden ist (hier also 79.604 _), vorausgesetzt, die betrieblichen
Verhältnisse haben sich nicht verändert. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt eine Änderung der betrieblichen Verhältnisse
jedoch vor, wenn - wie hier - an die Stelle des verstorbenen Landwirtsehegatten, dem ein erheblicher Teil des Betriebsergebnisses
als Unternehmerlohn zuzurechnen war, eine selbstbeschaffte Fremdarbeitskraft tritt, deren Lohnkosten gewinnmindernde Betriebsausgaben
sind.
Der Senat kann offen lassen, ob bei der Einkommensprognose die Lohnkosten der Fremdarbeitskraft mit dem Brutto- oder mit dem
Nettobetrag (also nach Abzug der von der Beklagten gewährten Betriebshilfe) zu berücksichtigen sind. Denn selbst ein von landwirtschaftlichen
Hilfskräften als Jahreseinkommen kaum erzielbarer Bruttobetrag von 45.000 _ jährlich würde das zu prognostizierende aktuelle
Einkommen der Klägerin noch nicht unter die Grenze von 34.273 _ absenken, von der an nach § 69 Abs 4 RGLA die hälftige Selbstbeteiligung
an den nach § 76 Abs 6 RGLA auf einen Stundenlohn von 8,75 _ begrenzten Lohnkosten des Betriebshelfers einsetzt. Der Senat
neigt allerdings zum Abzug des Bruttobetrages, weil die von § 37 ALG bezweckte Entlastungswirkung in vollem Umfang nur dann eintritt, wenn der Entlastungsbetrag, dh die Betriebshilfe, nicht
zugleich als gewinnerhöhende Einnahme angerechnet wird.
Anhaltspunkte für weitere gewinnmindernde Änderungen der betrieblichen Verhältnisse, die bei der Einkommensprognose hätten
berücksichtigt werden müssen, sind hier nicht ersichtlich und von der Klägerin auf Nachfrage auch nicht behauptet worden.
Der Senat vermochte sich nicht davon zu überzeugen, dass die - der Klägerin hier mit 4,30 _ pro Arbeitsstunde abgeforderte
- Selbstbeteiligung des Leistungsberechtigten an den Kosten der ihm gewährten Betriebshilfe bei Tod des Landwirts gegen die
Verfassung verstößt. Die Klägerin sieht den allgemeinen Gleichheitssatz des Art
3 Abs
1 Grundgesetz verletzt, weil der Gesetzgeber nur in § 37 Abs 3 ALG eine Selbstbeteiligung angeordnet und damit den Fall der Betriebshilfe nach Tod des Landwirts willkürlich anders behandelt
habe als alle anderen Betriebshilfetatbestände im landwirtschaftlichen Renten-, Kranken- und Unfallversicherungsrecht. Dieser
Vorwurf trifft nicht zu. Betriebshilfe als das augenfälligste Spezifikum der landwirtschaftlichen Sozialversicherung tritt
in Fällen einer - insbesondere aus Gesundheitsgründen eingetretenen - Verhinderung des Landwirts als einkommenssichernde Leistung
an die Stelle einer im allgemeinen Sozialversicherungsrecht dem Versicherten zu gewährenden Lohnersatzleistung (vgl Koch/Möller-Schlotfeldt
in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd 3, 1999, § 62 RdNr 19). Diese Funktion fehlt der Betriebshilfe an den
überlebenden Ehegatten bei Tod eines Landwirts. Sie verhindert oder vermindert nicht (vorübergehende) Einkommensverluste des
Versicherten, indem dessen zeitlich begrenzter persönlicher Ausfall teilweise kompensiert wird; sie macht es vielmehr möglich
bzw erleichtert es, dass nach endgültigem Wegfall des bisherigen - nicht einmal notwendig versicherungspflichtigen - landwirtschaftlichen
Unternehmers sein - bis dahin ebenfalls nicht notwendig versicherungspflichtiger - Ehegatte den Betrieb fortführen und selbst
(landwirtschaftliches) Einkommen erzielen kann. Damit weist diese Form der Betriebshilfe verstärkte Züge eines agrarstrukturellen
Förderinstruments zur Aufrechterhaltung bäuerlicher Familienbetriebe auf. Dieser grundlegende Unterschied zu den anderen von
der Klägerin genannten Formen der Betriebshilfe rechtfertigt die in § 37 ALG angeordnete Selbstbeteiligung.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.