Gründe:
I
Die Beteiligten streiten nach Durchführung eines erfolgreichen Widerspruchsverfahrens über die Höhe zu erstattender Aufwendungen
für die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten.
Die Klägerin bezog ab 1.6.2004 Arbeitslosengeld (Alg), das auf einem Vollzeit-Bemessungsentgelt beruhte, obwohl sie ihre Verfügbarkeit
auf eine Teilzeittätigkeit von 25 Stunden wöchentlich eingeschränkt hatte. Die Beklagte hörte die Klägerin mit Schreiben vom
4.4.2005 zur beabsichtigten teilweisen Aufhebung der Bewilligung von Alg für die Zeit vom 1.6.2004 bis 28.2.2005 und zur Rückforderung
in Höhe von 8937,04 Euro (zuzüglich Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge) an. Auf die Anhörung nahm der Prozessbevollmächtigte
der Klägerin mit Schreiben vom 8.4.2005 Stellung. Die Beklagte teilte danach mit Schreiben vom 6.7.2005 mit, eine Rückforderung
von Alg ab 1.6.2004 komme nicht in Betracht, da die Klägerin den Berechnungsfehler nicht habe erkennen können. Allerdings
sei eine Überzahlung durch den Besuch einer Abendrealschule entstanden, den die Klägerin erst am 11.3.2005 mitgeteilt habe.
Nunmehr sei die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Alg in der Zeit vom 1. bis 28.2.2005 mit Rückforderung von 214,20
Euro beabsichtigt; es bestehe Gelegenheit zur Stellungnahme.
Die Beklagte hob die Bewilligung von Alg ab 1.2.2005 auf und forderte die Erstattung von Alg im Zeitraum vom 1. bis 28.2.2005
(Bescheid vom 17.11.2005). Auf den Widerspruch des Bevollmächtigten nahm die Beklagte den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid
zurück (Abhilfebescheid vom 13.12.2005) und teilte mit, die im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen
auf Antrag zu erstatten.
Die vom Bevollmächtigten bei der Beklagten eingereichte Kostennote wies einen Gesamtbetrag in Höhe von 440,80 Euro aus. Der
Betrag setzte sich wie folgt zusammen: 240 Euro Geschäftsgebühren nach Nr 2500 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) aF, 120 Euro weitere Geschäftsgebühr nach Nr 2501 VV RVG aF, 20 Euro Pauschale für Entgelt für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach Nr 7002 VV RVG und 60,80 Euro Umsatzsteuer (16 %) nach Nr 7008 VV RVG. Die Beklagte erkannte als im Widerspruchsverfahren entstandene notwendige Aufwendungen einen Betrag in Höhe von 162,40 Euro
an und lehnte im Übrigen eine Kostenerstattung ab. Dieser Betrag setzte sich wie folgt zusammen: 120 Euro Geschäftsgebühr
nach Nr 2501 VV RVG aF, 20 Euro Auslagenpauschale nach Nr 7002 VV RVG und 22,40 Euro Umsatzsteuer nach Nr 7008 VV RVG (Bescheid vom 7.2.2006). Der Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 10.5.2006).
Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Kostenfestsetzungsbescheides verurteilt, an die Klägerin einen
weiteren Betrag in Höhe von 139,20 Euro nebst 5 % Zinsen seit dem 7.2.2006 zu zahlen (Gerichtsbescheid vom 31.10.2006). Auf
die vom Landessozialgericht (LSG) zugelassene Berufung der Beklagten hat das LSG den Gerichtsbescheid geändert und die Klage
abgewiesen (Urteil vom 7.5.2008). Entgegen der Auffassung des SG sei für die Kostenerstattung im Vorverfahren wegen der Vorbefassung des Anwalts die Nr 2501 VV RVG aF einschlägig, sodass nur die Schwellengebühr von 120 Euro angefallen sei. Für eine weitergehende Erstattungspflicht der
Beklagten bestehe keine Rechtsgrundlage. Eine Erstattung der im Verwaltungsverfahren angefallenen Gebühren nach Nr 2500 VV
RVG aF könne nicht erfolgen. Diese Gebühr sei vom Mandanten selbst zu tragen. Eine Benachteiligung des Betroffenen sei nicht
ersichtlich. Der Anwendung der Nr 2501 VV RVG aF stehe auch nicht entgegen, dass eine Vortätigkeit im Verwaltungsverfahren überhaupt nicht erfolgt sei. Denn bezogen auf
das Widerspruchsverfahren habe es sich um einen teilweise identischen Streitgegenstand gehandelt; nur die Begründung der Aufhebungsentscheidung
sei ausgetauscht worden.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts und macht geltend: Die Erstattung
einer Gebühr für das gesamte Verwaltungsverfahren in Höhe von 240 Euro sei nach Maßgabe des § 14 Abs 1 Satz 1 RVG nicht unbillig. Die Gebührenkürzung in Nr 2501 VV RVG aF diene dem Schutz des Auftraggebers, nicht dem Schutz der Behörde. Es entspreche nicht der Billigkeit, der Behörde die
kostenmäßigen Vorteile, die der Bürger durch die Frühbeauftragung eines Anwalts im Verwaltungsverfahren habe, zukommen zu
lassen. Die Nr 2500 und 2501 VV RVG aF seien aus verfassungsrechtlichen Gründen und auch teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass immer eine ungekürzte Geschäftsgebühr
von der Beklagten zu erstatten sei, wenn das Widerspruchsverfahren Erfolg habe. Anderenfalls sei die jetzige Fassung des §
63 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) verfassungswidrig. Außerdem habe auch kein einheitliches Verwaltungsverfahren vorgelegen, da die beiden Verwaltungsverfahren
auf unterschiedlichen Lebenssachverhalten beruht hätten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7.5.2008 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid
des Sozialgerichts Münster vom 31.10.2006 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet (§
170 Abs
1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Zu Recht hat das LSG einen Anspruch der Klägerin auf einen höheren Erstattungsbetrag verneint.
1. Die Revision ist zulässig. Von Amts wegen zu beachtende Verfahrensmängel stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen.
Revision und Berufung sind kraft Zulassung durch das LSG statthaft. Sie sind auch nicht gemäß §
144 Abs
4 iVm §
165 Satz 1
SGG ausgeschlossen. Denn um Kosten des Verfahrens im Sinne dieser Vorschriften handelt es sich nicht, wenn wie hier in der Hauptsache
über die Kosten eines isolierten Vorverfahrens gestritten wird (vgl BSG SozR 3-1500 § 144 Nr 13 S 30; SozR 4-1300 § 63 Nr
1 RdNr 6; SozR 4-1300 § 63 Nr 8 RdNr 11; BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, jeweils RdNr 9).
2. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Kostenfestsetzungsbescheid vom 7.2.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 10.5.2006, soweit die Beklagte darin die Erstattung über den festgesetzten Betrag (162,40 Euro) hinausgehender Kosten
abgelehnt hat. Hiergegen wendet sich die Klägerin zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs
1 und 4, §
56 SGG), wobei die Klägerin - anders als in der ursprünglichen Kostennote - inzwischen nur noch eine Geschäftsgebühr in Höhe der
Schwellengebühr von 240 Euro zuzüglich Umsatzsteuer, also weitere 139,20 Euro, geltend macht. Da die Klage - wie im Folgenden
ausgeführt wird - ohnehin keinen Erfolg hat, kann dahinstehen, ob die Klägerin nicht über die Anfechtungs- und Leistungsklage
hinaus zusätzlich eine Verpflichtungsklage (§
54 Abs
1 Satz 1
SGG) dahingehend hätte erheben müssen, dass die Beklagte auch verurteilt werden soll, gemäß § 63 Abs 3 Satz 2 SGB X die Zuziehung eines Rechtsanwalts für notwendig zu erachten (vgl BSG SozR 4-1935 § 14 Nr 1 RdNr 9). Diese Feststellung ist
zwar nicht ausdrücklich, jedoch inzident mit der Festsetzung des Erstattungsbetrags in Höhe von 162,40 Euro ausgesprochen
worden (vgl BSG Urteil vom 5.5.2009 - B 13 R 137/08 R - RdNr 12; BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, jeweils RdNr 12).
3. Der Kostenfestsetzungsbescheid der Beklagten vom 7.2.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.5.2006 ist rechtmäßig
und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Aufwendungen für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts können im Erfolgsfall
für das Widerspruchsverfahren (§ 63 SGB X), nicht aber für das Verwaltungsverfahren, erstattet werden (dazu nachfolgend unter a). Bei der Kostenfestsetzung nach §
63 Abs 3 Satz 1 SGB X ist die Minderung des Gebührenrahmens nach Nr 2501 VV RVG aF (= Nr 2401 VV RVG nF) zu berücksichtigen, weil der Bevollmächtigte der Klägerin bereits im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren tätig war
(dazu nachfolgend unter b). Die von der Beklagten auf 120 Euro festgesetzte Schwellengebühr begegnet keinen Bedenken (dazu
nachfolgend unter c). Schließlich teilt der Senat auch nicht die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin hinsichtlich
des derzeitigen Rechtszustands, der einen höheren Erstattungsanspruch der Klägerin ausschließt (dazu nachfolgend unter d).
a) Als Anspruchsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungserstattungsanspruch kommt lediglich § 63 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 2 SGB X in Betracht. Gemäß § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X hat - soweit der Widerspruch erfolgreich ist - der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen
hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen
Aufwendungen zu erstatten. Nach § 63 Abs 2 SGB X sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren erstattungsfähig,
wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Gemäß § 63 Abs 3 Satz 1 Halbs 1 SGB X setzt die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat, auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest.
Erstattungsfähig nach § 63 Abs 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs 2 SGB X ist, wie bereits der Normtext und die systematische Stellung im Gesetz - nämlich im Fünften Abschnitt über das Rechtsbehelfsverfahren
- deutlich machen, ausschließlich die anwaltliche Vergütung, die für das isolierte Vorverfahren anfällt (BSG SozR 3-1300 §
63 Nr 1; BSGE 55, 92, 93 = SozR 1300 § 63 Nr 1; stRspr). Dies rechtfertigt sich darüber hinaus aus folgender am Sinn und Zweck der Vorschrift
orientierter Überlegung: Wurde ein Rechtsstreit geführt, dann umfassen die im Erfolgsfalle von der Behörde zu erstattenden
Kosten iS des §
193 Abs
2 SGG auch die notwendigen Aufwendungen eines für den Prozess gemäß §
78 SGG zwingend vorgeschriebenen Vorverfahrens (grundlegend dazu bereits: BSG SozR 1500 §
193 Nr 3). Beim isolierten Vorverfahren war der Widerspruchsführer hingegen schon mit seinem Widerspruch erfolgreich, sodass
sich eine Anrufung des Gerichts erübrigt. Deshalb besteht dann die Möglichkeit der Kostenerstattung nach § 63 SGB X (grundlegend dazu bereits: BSGE 55, 92, 93 = SozR 1300 § 63 Nr 1 und SozR 3-1300 § 63 Nr 1 S 2 ff).
Das Bundessozialgericht (BSG) hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die Gerichte nicht durch Rechtsfortbildung
diese klare Regelung allein deshalb, weil es wünschenswert erscheinen mag, auf Verfahrensabschnitte vor dem Erlass eines Verwaltungsaktes
erstrecken können. Denn für eine derartige Auslegung besteht kein rechtfertigender Grund (ausführlich: BSG SozR 1500 § 193
Nr 3 S 3 und SozR 3-1300 § 63 Nr 1 S 3 ff). Eine planwidrige Regelungslücke, die eine analoge Anwendung des § 63 SGB X auf vorgelagerte Verwaltungsverfahrensabschnitte rechtfertigen könnte, fehlt, weil der Gesetzgeber mit verschiedenen anderen
Regelungen im SGB - wie §
65a Sozialgesetzbuch Erstes Buch (
SGB I) und § 15 Abs 3 Satz 1 SGB X - durch beredetes Schweigen zum Ausdruck gebracht hat, dass nur bestimmte andere durch die Beteiligung am Verwaltungsverfahren
entstandene Kosten zu ersetzen sind (ausführlich: BSG SozR 1500 § 193 Nr 3, S 3 ff und SozR 3-1300 § 63 Nr 1).
b) Die Vergütung (Gebühren und Auslagen) für anwaltliche Tätigkeiten der Rechtsanwälte richtet sich seit dem 1.7.2004 nach
dem RVG idF des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (KostRMoG) vom 5.5.2004 (BGBl I 718; vgl § 1 Abs 1 Satz 1 RVG).
Die Höhe der Vergütung bestimmt sich gemäß § 2 Abs 2 Satz 1 RVG nach dem VV der Anlage 1 zum RVG in der vom 1.7.2004 bis zum 30.6.2006 geltenden Fassung (Art 5 Abs 1 Nr 4 Buchst b und Art 8 Satz 1 KostRMoG). Denn nach
dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG ist der Auftrag zur Vertretung der Klägerin im April 2005 erteilt worden
(§ 60 Abs 1 Satz 1 RVG). In dieser Anlage 1 ist im Teil 2 (außergerichtliche Tätigkeiten einschließlich der Vertretung im Verwaltungsverfahren)
in Abschnitt 5 (Vertretung in bestimmten sozialrechtlichen Angelegenheiten) unter Nr 2500 bestimmt, dass die Geschäftsgebühr,
die nach der Vorbemerkung ua für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information entsteht, in sozialrechtlichen
Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG), 40 bis 520 Euro beträgt, wobei eine Gebühr von mehr als 240 Euro nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich
oder schwierig war. Zusätzlich bestimmt Nr 2501 für den Fall des Vorausgehens einer Tätigkeit im Verwaltungsverfahren, dass
die Gebühr nach Nr 2500 für das weitere, der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienende Verwaltungsverfahren 40 bis 260 Euro
beträgt, wobei eine Gebühr von mehr als 120 Euro nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich und schwierig war.
Nach § 63 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 SGB X hat die Beklagte daher der Klägerin nur die Geschäftsgebühr der Nr 2501 VV RVG aF (= Nr 2401 VV RVG nF) zu erstatten, weil der Bevollmächtigte der Klägerin bereits mit dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren befasst war.
Unberührt davon ist zwar zusätzlich auch die Geschäftsgebühr nach Nr 2500 VV RVG aF (= Nr 2400 VV RVG nF) für die Tätigkeit im Verwaltungsverfahren angefallen, nur besteht hinsichtlich dieser Gebühr kein Erstattungsanspruch
der Klägerin gegenüber der Beklagten (so im Ergebnis ebenfalls Straßfeld, SGb 2008, 635, 639; Roos in v Wulffen, SGB X, 6. Aufl, § 63 RdNr 6; Becker in Hauck/Noftz, SGB X, § 63 RdNr 88, Stand 2007; Schneider/Mock/Wahlen in AnwaltKomm, RVG, 4. Aufl 2008, § 17 RdNr 84). Diese gebührenrechtliche "Verselbständigung" des Widerspruchsverfahrens ist auch § 17 Nr 1 RVG zu entnehmen, wonach das Verwaltungsverfahren und das Widerspruchsverfahren - im Unterschied zum früheren § 119 Abs 1 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung
- verschiedene Angelegenheiten darstellen.
Die Heranziehung von Nr 2501 VV RVG aF scheitert auch nicht an einer fehlenden Vortätigkeit im Verwaltungsverfahren. Der für das Widerspruchsverfahren reduzierte
Gebührentatbestand der Nr 2501 VV RVG aF setzt voraus, dass der Tätigkeit im Widerspruchsverfahren eine Tätigkeit im selben Verwaltungsverfahren vorausgegangen
ist. Letzteres ergibt sich bereits aus der Anmerkung (1) zu Nr 2501 VV RVG aF, wonach bei der Bemessung der Gebühr nicht zu berücksichtigen ist, dass der Umfang der Tätigkeit infolge der Tätigkeit
im Verwaltungsverfahren geringer ist. Damit ist klargestellt, dass der durch die vorangegangene Tätigkeit ersparte Aufwand
ausschließlich durch die Anwendung des geringeren Rahmens und nicht mehr bei der Bemessung der konkreten Gebühr berücksichtigt
werden soll (vgl BT-Drucks 15/1971 S 208).
Entgegen der Ansicht der Klägerin handelt es sich bei dem Verwaltungsverfahren, das mit dem Anhörungsschreiben vom 4.4.2005
eingeleitet wurde, um dasselbe, welches letztlich, nach erneuter Anhörung mit Schreiben vom 6.7.2005, zu dem Aufhebungs- und
Erstattungsbescheid vom 17.11.2005 führte. Das Verwaltungsverfahren ist in § 8 Halbs 1 SGB X gesetzlich definiert. Die Definition stellt klar, dass unter diesem Begriff die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden
zu verstehen ist, die ua auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet
ist. Zum Verwaltungsverfahren iS des Ersten Kapitels des SGB X gehört auch das Vorverfahren (BSGE 55, 92, 93 = SozR 1300 § 63 Nr 1, S 2). Um dasselbe Verwaltungsverfahren handelt es sich dann, wenn die auf die Prüfung der Voraussetzungen,
die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtete nach außen wirkende Tätigkeit der Behörde auf einem identischen
Verfahrensgegenstand beruht. Der Verfahrensgegenstand eines auf Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verwaltungsverfahrens
wird vom Regelungswillen der Behörde und dem Begehren des Antragstellers bestimmt (vgl Waschull in LPK-SGB X, 2004, § 31 RdNr 23; Fichte in Fichte/Plagemann/Waschull, Sozialverwaltungsverfahrensrecht, 2008, § 3 RdNr 156; Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl 2008, § 9 RdNr 108; Straßfeld, SGb 2008, 635, 636).
Nicht ausschlaggebend ist daher, dass die Beklagte ihre Anhörungsschreiben auf verschiedene Begründungen gestützt hat. Der
Regelungswille der Beklagten zielte jedenfalls auf einen einheitlichen Verfügungssatz. Zutreffend hat das LSG auch auf den,
zuletzt noch betroffenen, identischen Aufhebungs- und Erstattungszeitraum (Februar 2005) abgestellt, der bereits Gegenstand
des ersten Anhörungsschreibens war. Den Feststellungen des LSG lässt sich zudem entnehmen, dass sowohl das Aufhebungsmotiv
als auch der Aufhebungswille der Beklagten auf einem einheitlichen Verfahrensgegenstand beruhten, sodass mit dem Anhörungsschreiben
vom 6.7.2005 das mit Anhörungsschreiben vom 4.4.2005 eingeleitete Verwaltungsverfahren nur fortgesetzt wurde. Aufhebungsgrund
für die Beklagte war jeweils die eingeschränkte Verfügbarkeit der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Auch das Begehren
der Klägerin war in jedem Stadium des Verfahrens identisch, nämlich darauf gerichtet, sich keiner aufhebenden Entscheidung
der Beklagten ausgesetzt zu sehen. Schließlich ist auch der Kostennote des Bevollmächtigten zu entnehmen, dass dieser selbst
von einem, lediglich fortgesetzten, Verwaltungsverfahren ausgegangen ist. Wäre der Bevollmächtigte der Meinung gewesen, seine
Tätigkeit im vorhergehenden Anhörungsverfahren habe ein anderes Verwaltungsverfahren betroffen, hätte er nicht (zusätzlich)
die abgesenkte Geschäftsgebühr nach Nr 2501 VV RVG aF abgerechnet, sondern für seine Tätigkeit im Widerspruchsverfahren von vornherein auf die Nr 2500 VV RVG aF abgestellt, weil aus seiner Sicht eine vorangegangene Tätigkeit im zweiten Anhörungsverfahren, in dem er nicht tätig geworden
war, nicht vorgelegen hätte.
c) Der mit dem streitgegenständlichen Kostenbescheid auf 162,40 Euro festgesetzte Kostenersatzanspruch ist zutreffend berechnet.
Neben der auf 120 Euro festgesetzten Geschäftsgebühr für das Widerspruchsverfahren (Nr 2501 VV RVG aF) hat die Beklagte zutreffend die für jede Angelegenheit zum Tragen kommende Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen
von höchstens 20 Euro (Nr 7002 VV RVG) und die Umsatzsteuer auf die Vergütung von zum damaligen Zeitpunkt 16 % (Nr 7008 VV RVG iVm § 12 Abs 1 Umsatzsteuergesetz in der vom 1.1.2005 bis 31.12.2006 geltenden Fassung), mithin weitere 22,40 Euro, erstattet.
Dabei unterliegt die von der Beklagten auf die so genannte Schwellengebühr festgesetzte Geschäftsgebühr nach Nr 2501 VV RVG aF keinen Bedenken. Nach der Anmerkung 2 zur Nr 2501 VV RVG aF kann eine Gebühr von mehr als 120 Euro nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Die gemäß
§
163 SGG bindenden, tatsächlichen Feststellungen des LSG ergeben keine Anhaltspunkte für die Annahme einer umfangreichen oder schwierigen
Tätigkeit des Bevollmächtigten der Klägerin. Die in § 14 Abs 1 Satz 1 iVm § 3 Abs 1 und 2 RVG genannten Bemessungskriterien (vgl dazu BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, jeweils RdNr 21 ff) eröffnen nach den Feststellungen des LSG ebenfalls keinen höheren Gebührenansatz. Gegen die tatsächlichen
Feststellungen des LSG hat die Klägerin keine zulässigen Revisionsrügen erhoben. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob
sich ohnehin aus § 14 Abs 1 RVG keine höhere Gebühr als die Schwellengebühr nach Nr 2501 VV RVG aF ergeben kann, wenn die anwaltliche Tätigkeit weder umfangreich noch schwierig war (vgl BSG SozR 4-1935 § 14 Nr 1 RdNr
15).
d) Entgegen der Ansicht der Klägerin bestehen gegen die Erstattung ausschließlich der reduzierten Geschäftsgebühr nach Nr
2501 VV RVG aF im Rahmen des Aufwendungsersatzanspruchs des § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X keine verfassungsrechtlichen Bedenken, und zwar weder im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art
3 Abs
1 Grundgesetz (
GG) noch unter dem Blickwinkel der Garantie des effektiven Rechtsschutzes (Art
19 Abs
4 GG).
aa) Art
3 Abs
1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln (BVerfGE 74, 9, 24) und verpflichtet die Grundrechtsadressaten, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches entsprechend seiner
Verschiedenheit und Eigenart ungleich zu behandeln (BVerfGE 112, 268, 279; stRspr). Dieses Grundrecht ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen anders behandelt
wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art oder solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche
Behandlung rechtfertigen (vgl zB BVerfGE 111, 115, 137 = SozR 4-8570 § 6 Nr 3 RdNr 38; stRspr). Für die unterschiedliche gesetzliche Behandlung von Personengruppen müssen
rechtfertigende Gründe vorliegen, die in einem angemessenen Verhältnis zu der gesetzlichen Differenzierung stehen. Dabei ist
die Eigenart des zu regelnden Sachverhalts ausschlaggebend dafür, was sachlich vertretbar oder sachfremd ist (BVerfGE 75,
108, 157; BVerfGE 90, 226, 239; BVerfGE 99, 165, 178 mwN; BSGE 79, 14, 17 = SozR 3-4100 § 111 Nr 14, S 49, 53 mwN).
Zwar wird der Klägerin im vorliegenden Fall, in dem sie ihren Bevollmächtigten bereits im vorangegangenen Verwaltungsverfahren
eingeschaltet hatte, von der Beklagten nur die nach Nr 2501 VV RVG aF verminderte Geschäftsgebühr erstattet, während ihr die nach Nr 2500 VV RVG aF höhere Geschäftsgebühr erstattet worden wäre, wenn sie ihren Anwalt erst im Widerspruchsverfahren eingeschaltet hätte.
Der diese Ungleichbehandlung rechtfertigende sachliche Grund liegt - gerade auch im Zusammenspiel des materiellen Kostenerstattungsanspruchs
nach § 63 SGB X mit den Gebührentatbeständen der Nr 2500, 2501 VV RVG aF - aber darin, dass nach § 63 SGB X nur die Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts "im Vorverfahren" erstattungsfähig sind und Hintergrund der reduzierten Geschäftsgebühr
(Gebühr nach einem niedrigeren Rahmen) ist, dass der Anwalt bereits im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mit der Angelegenheit
befasst war. Wegen der Vorbefassung erspart er sich - so auch die Vorstellung des Gesetzgebers - Arbeitsaufwand und wird seine
Tätigkeit erleichtert, weil er mit dem Sach- und Streitstand bereits vertraut ist (vgl dazu die Gesetzesbegründung zu Nr 2501
VV RVG in BT-Drucks 15/1971, S 208; ebenso beispielhaft Jungbauer in: Bischof/Jungbauer/Bräuer/Curkovic/Mathias/Uher, Komm zum RVG, 2. Aufl 2007, Vorbemerkung 2.4 VV, Nr 2400, 2401 VV, RdNr 6). Der Umstand, dass der Rechtsanwalt für seine Tätigkeit im
Widerspruchsverfahren nach Nr 2501 VV RVG aF geringer vergütet wird, hat seinen sachlichen Grund somit darin, dass er durch die - nach Nr 2500 VV RVG aF schon vergütete - vorangegangene Tätigkeit im Ausgangsverfahren bereits in den Fall eingearbeitet ist (ebenso Hessisches
LSG, Urteil vom 19.3.2008 - L 4 SB 51/07 - Juris RdNr 19; desgleichen zur im verwaltungsrechtlichen Verwaltungsverfahren abgesenkten Geschäftsgebühr nach Nr 2400,
2401 VV RVG aF = Nr 2300, 2301 VV RVG nF: OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23.6.2008 - 2 O 114/08 - Juris RdNr 6; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 7.2.2008 - 13 S 2939/07 - Juris RdNr 11).
Ob im Hinblick auf die Kostenerstattungsregelung in § 63 SGB X eine andere Gebührenregelung, etwa die Erstattungsfähigkeit zumindest der höheren Geschäftsgebühr nach Nr 2500 VV RVG aF vorzusehen, systemgerechter wäre, kann dahingestellt bleiben. Es ist jedenfalls nicht sachwidrig, dass der Gesetzgeber
dem Bürger für die bereits im vorangegangenen Verwaltungsverfahren entstandenen Anwaltskosten auch dann keinen Erstattungsanspruch
einräumt, wenn sich ein Widerspruchsverfahren anschließt. Denn dem Bürger ist es grundsätzlich zumutbar, bei auftretendem
Klärungsbedarf im erst auf den Erlass eines Verwaltungsakts abzielenden Verwaltungsverfahren die Beratung der Behörde in Anspruch
zu nehmen (zB Rückfrage bei dem Sachbearbeiter des Anhörungsschreibens). Zu dieser Beratung ist die Behörde nach §
14 SGB I verpflichtet. Dabei hat sie nach §
2 Abs
2 SGB I die sozialen Rechte bei der Auslegung der Vorschriften und der Ausübung von Ermessen zu beachten. Von einer Konfliktsituation
zwischen Behörde und Rechtsuchendem, die es im Erfolgsfalle rechtfertigt Kosten für rechtskundig eingeholte externe Beratung
auf die unrechtmäßig handelnde Behörde abzuwälzen, kann erst im Widerspruchsverfahren gesprochen werden; anders als im Fall
des Widerspruchsverfahrens ist im Anhörungsstadium eines Verwaltungsverfahrens eine belastende Entscheidung der Behörde noch
nicht getroffen (vgl BVerfG, Kammerbeschluss vom 30.6.2009 - 1 BvR 470/09 - NJW 2009, 3420, RdNr 11 - zur Ablehnung einer Beratungshilfe für Vertretung im Anhörungsverfahren; kritisch dazu Kilger, NJW-Editorial,
Heft 47/2009). Es ist somit dem Rechtsuchenden zumutbar, die Solidargemeinschaft zunächst nicht mit Kosten zu belasten und
den Bescheid abzuwarten. Erst wenn seinem Antrag nicht stattgegeben worden ist oder eine sonstige belastende Entscheidung
ergangen ist und er deshalb im Widerspruchsverfahren rechtskundiger Vertretung bedarf, ist vom Gesetz eine Kostenübernahme
durch die Verwaltung vorgesehen (BSGE 55, 92, 94 = SozR 1300 § 63 Nr 1; SozR 3-1300 § 63 Nr 1; vgl auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 11.5.2009 - 1 BvR 1517/08 - NJW 2009, 3417 - zur Beratungshilfe für Widerspruchsverfahren). Vor diesem Hintergrund ist es deshalb gerechtfertigt, dem sich sofort externen
Rechtsrat einholenden Bürger nicht einen Teil der dafür erforderlichen Kosten abzunehmen und diese der Behörde zu überbürden.
bb) Die Erstattungsfähigkeit nur der reduzierten Geschäftsgebühr nach Nr 2501 VV RVG aF bei Vorbefassung im Rahmen des § 63 SGB X verletzt auch nicht den in Art
19 Abs
4 GG garantierten effektiven Rechtsschutz.
Zwar mag das Recht, sich in jedem Stadium des gesamten Verwaltungsverfahrens durch einen Bevollmächtigten gegenüber der Verwaltung
unterstützen zu lassen (§ 13 SGB X), erst vollkommen erscheinen, wenn auch die Kosten für eine erfolgreiche Tätigkeit bereits im Verwaltungsverfahren zu erstatten
sind. Jedoch darf der Gesetzgeber zum einen auch die Kosten berücksichtigen, die auf die öffentliche Hand zukämen, wenn jedes
für den Bürger erfolgreiche Verwaltungsverfahren mit der Verpflichtung zur Erstattung der Anwaltskosten verbunden wäre (so
bereits BSG SozR 3-1300 § 63 Nr 1 S 7). Zum anderen besteht ohnehin kein allgemeiner Rechtsgrundsatz, wonach eine Kostenerstattung
zu Gunsten des Obsiegenden zu erfolgen hätte oder der Staat zwingend die Kosten des Rechtsanwalts zu tragen hätte, wenn der
Bürger mit seinem Begehren durchdringt (vgl BVerfGE 35, 283, 295; 74, 78, 95f). Art
19 Abs
4 GG enthält keine Garantie einer vollständigen Kostenübernahme im Falle eines erfolgreich eingelegten Rechtsbehelfs.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG, weil die Klägerin als Leistungsempfängerin iS des §
183 Satz 1
SGG den Rechtsstreit auf höhere Kostenerstattung führt (vgl BSG SozR 4-1935 §
14 Nr 1, RdNr 18; eine in BSGE 97, 153 = SozR 4-1500 § 183 Nr 4 unter RdNr 20 erörterte Sonderkonstellation liegt nicht vor).