Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld wegen eines Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) wegen eines Beschäftigungsverbots
nach §
3 Abs
1 Mutterschutzgesetz (
MuSchG) noch für die Zeit vom 22.6. bis 14.8.2009.
Die Klägerin bezog seit dem 10.1.2009 Alg (Bewilligungsbescheid vom 5.11.2008). Am 11.5.2009 stellte der behandelnde Arzt
Dr. H der Klägerin ein fachärztliches Attest folgenden Inhalts aus: "Die o.a. Patientin befindet sich in der z.Zt. 21. Schwangerschaftswoche.
Unter Bezug auf Paragraph 3 des
Mutterschutzgesetzes besteht ab sofort ein Beschäftigungsverbot. Dies gilt bis zum Beginn der Mutterschutzfrist (15.8.09)."
Mit Bescheid vom 22.5.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.6.2009 hob die Beklagte die Bewilligung von Alg
ab 11.5.2009 wegen Wegfalls der Verfügbarkeit der Klägerin ab diesem Datum auf und verwies auf die Vorschriften in §
118 Abs
1, §
119 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (
SGB III) sowie § 48 Abs 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) iVm §
330 Abs
3 SGB III.
Während des anschließenden Klageverfahrens hat die Beklagte der Klägerin auf richterlichen Hinweis durch Änderungsbescheid
vom 14.10.2009 Alg auch für die Zeit bis 21.6.2009 gewährt. Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 8.3.2010 den Bescheid vom 22.5.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.6.2009 aufgehoben
und die Beklagte verurteilt, der Klägerin unter Änderung des Bescheids vom 14.10.2009 Alg über den 21.6.2009 hinaus bis zum
14.8.2009 in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 28.1.2011 die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil mit
der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Aufhebungsbescheid der Beklagten vom 22.5.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 4.6.2009 (nur) abgeändert und die Beklagte verurteilt werde, der Klägerin auch Alg für den Zeitraum vom 22.6. bis 14.8.2009
zu bewilligen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Eine Beiladung der für die Klägerin zuständigen Krankenkasse
(KK) gemäß §
75 Abs
1 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) sei nicht erforderlich, weil deren Leistungspflicht im Hinblick auf eine bei der Klägerin nicht feststellbare Arbeitsunfähigkeit
(AU) nicht angenommen werden könne. Durch Attestierung des Beschäftigungsverbots sei eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen
oder rechtlichen Verhältnissen iS des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X nicht eingetreten. Insbesondere habe die Klägerin den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung gestanden
(§
119 Abs
1 Nr
3 iVm Abs
5 SGB III). Bei der Klägerin habe nach den Feststellungen des behandelnden Gynäkologen ein AU begründender regelwidriger Körper- und
Geisteszustand nicht vorgelegen, sondern lediglich ein die Schwangerschaft gefährdendes erhöhtes gesundheitliches Risikopotenzial
in Form einer zu Beginn der Schwangerschaft kurzfristig aufgetretenen Schmierblutung, Dysphorien sowie einem Schwangerschaftsdiabetes.
Die Gleichstellung einer solchen Gefährdungssituation einer Schwangeren mit einer AU, um auf diese Weise zur Gewährung eines
Lohnersatzes (Gewährung von Krankengeld [Krg]) für eine Schwangere bei Ausspruch eines Beschäftigungsverbots nach §
3 Abs
1 MuSchG zu gelangen, sei nicht vertretbar. Vielmehr sei nicht ohne weiteres anzunehmen, dass sich die Klägerin den Vermittlungsbemühungen
der Agentur für Arbeit nicht habe zur Verfügung stellen "können"; sie "dürfe" dies aufgrund des Beschäftigungsverbots nach
§
3 Abs
1 MuSchG lediglich nicht. Mit der Gesetzesintention des
SGB III sei es zu vereinbaren, dass die Beklagte das Schutzrisiko zu tragen habe. Hinweise darauf, dass die Klägerin subjektiv nicht
verfügbar gewesen sei, seien nicht ersichtlich.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte das Vorliegen von Verfahrensfehlern, auf denen die Entscheidung des
LSG beruhe, sowie die Verletzung materiellen Rechts (§
119 Abs
1 Nr
3 und Abs
5 Nr
1 und Nr
3 SGB III). Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus: Das LSG habe begründen müssen, weshalb es zu dem Ergebnis gelangt sei, dass
im streitigen Zeitraum tatsächlich ein Beschäftigungsverbot gemäß §
3 Abs
1 MuSchG gerechtfertigt gewesen sei. Den Entscheidungsgründen des Urteils seien die wesentlichen entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte
nicht zu entnehmen. Ferner habe das LSG die KK der Klägerin zum Berufungsverfahren beiladen müssen, weil deren Verurteilung
als leistungspflichtig in Betracht komme (§
75 Abs
2 SGG). Denn bei einem der Klägerin gegenüber ausgesprochenen absoluten Beschäftigungsverbot bestehe keine Verfügbarkeit im Sinne
des Leistungsrechts der Arbeitslosenversicherung; vielmehr sei das absolute Beschäftigungsverbot einer AU gleichzustellen
mit der Folge, dass die zuständige KK mit Krg-Leistungen einzustehen habe. Vermittlungsbemühungen der Arbeitsverwaltung kämen
nur in Betracht, wenn die Versicherte Arbeiten auf dem Arbeitsmarkt aufnehmen und ausüben könne und dürfe. Die für die Klägerin
zuständige KK habe gegenüber der Klägerin sogar mündlich die Gewährung von Krg für die Zeit des Beschäftigungsverbots abgelehnt,
wogegen die Klägerin Widerspruch eingelegt habe, der bei entsprechender Beiladung der KK bereits Gegenstand des erstinstanzlichen
Verfahrens hätte werden können. Offen bleiben könne, ob der behandelnde Arzt der Klägerin ab 11.5.2009 zu Recht nicht AU,
sondern ein Beschäftigungsverbot attestiert habe. Denn jedenfalls sei das absolute Beschäftigungsverbot einer AU gleichzustellen.
Durch das mutterschaftsrechtliche Beschäftigungsverbot werde der Beklagten gerade die Vermittlung der Klägerin in Arbeit unmöglich
gemacht. Dies bedeute, sie solle Leistungen erbringen, ohne zugleich ihrer aus dem Leistungsbezug (spiegelbildlich) folgenden
Pflicht zur Vermittlung in Arbeit nachkommen zu können. Für die Leistungspflicht der KK spreche bereits die grammatische Auslegung
der §§
3 und
11 MuSchG iVm §
44 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch und §
119 Abs
5 SGB III; aber auch rechtssystematische und historische Überlegungen führten zur Zuständigkeit der beizuladenden KK.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts vom 28. Januar 2011 zu ändern, das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 3. August 2010
insgesamt aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Zurückverweisung begründet (§
170 Abs
2 Satz 2
SGG). Die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des LSG reichen für eine Entscheidung über den streitigen Anspruch auf Alg
nicht aus. Insbesondere lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob die Klägerin auch in der Zeit ab 22.6.2009 für Vermittlungsbemühungen
der Agentur für Arbeit zur Verfügung stand (§
119 Abs
1 Nr
3 SGB III idF des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl I 2848).
1. Die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Bewilligung von Alg ab 22.6.2009 richtet sich nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen
oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.
Mit der Bewilligung von Alg ab 10.1.2009 hat die Beklagte einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (Bescheid vom 5.11.2008) erlassen;
denn seine Regelung erstreckt sich auf wiederkehrende monatliche Leistungen. Diesen Verwaltungsakt hat die Beklagte zunächst
durch den Bescheid vom 22.5.2009 rückwirkend zum 11.5.2009 geändert, weil nach dem Attest des behandelnden Arztes Dr. H ab
diesem Tag ein Beschäftigungsverbot bestand. Im Verlauf des Klageverfahrens hat sie diese Entscheidung jedoch dahin korrigiert,
dass die Leistungsaufhebung nur noch die Zeit ab 22.6.2009 betraf. Die Rechtsfrage einer rückwirkenden Aufhebung des Leistungsbescheids
nach § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X iVm §
330 Abs
3 Satz 1
SGB III stellt sich vorliegend mithin nicht, sondern nur noch die Frage der Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Leistung mit Wirkung
für die Zukunft nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X.
2. Ob im Vergleich mit dem Zeitpunkt der Leistungsbewilligung eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen
Verhältnissen eingetreten ist, lässt sich nicht abschließend beurteilen. Hierzu fehlt es an tatsächlichen Feststellungen,
die das LSG aufgrund des von ihm vertretenen Rechtsstandpunkts nicht getroffen hat. Der Rechtsstandpunkt des LSG ist indes
unzutreffend. Denn das LSG ist von der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung der Anspruchsvoraussetzung der Verfügbarkeit
(§
119 Abs
1 Nr
3 SGB III) ausgegangen, ohne deren Tatbestandsvoraussetzungen vollständig aufzuklären. Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung
vom 9.9.1999 (SozR 3-4100 § 103 Nr 19 S 74) ausgeführt hat, kann eine Regelungslücke erst dann in Betracht gezogen werden,
wenn die für die sozialrechtliche Lage erheblichen Tatsachen geklärt sind. Maßgebend ist also, wie weit das am 11.5.2009 vom
behandelnden Arzt ausgesprochene Beschäftigungsverbot reichte, dh ob es sich nur auf die zuletzt von der Klägerin ausgeübte
Tätigkeit als Verwaltungsangestellte oder auf jegliche andere Art von Tätigkeit, die der Klägerin im Rahmen des §
121 SGB III zumutbar war, erstreckt hat (vgl auch BSGE 96, 182 = SozR 4-2500 §
44 Nr 9 - zu den Zumutbarkeitskriterien in §
121 SGB III).
3. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 9.9.1999 (SozR 3-4100 § 103 Nr 19 S 74) ferner ausgeführt, dass sich nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG) jedenfalls bei der Anwendung des §
11 MuSchG die Annahme eines mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots nach §
3 Abs
1 MuSchG und einer AU infolge Schwangerschaft gegenseitig ausschließen. Der gegen den Arbeitgeber gerichtete Anspruch auf Mutterschutzlohn
nach §
11 MuSchG setzt also voraus, dass allein das mutterschutzrechtliche Beschäftigungsverbot einer Beschäftigung der Schwangeren entgegensteht,
was nur bei einem normalen Schwangerschaftsverlauf zutrifft und die gesunde Schwangere während der Unterbrechung der Beschäftigung
aus Gründen der Gefahrenvorsorge sichert.
In der Senatsentscheidung vom 9.9.1999 nicht erörtert worden ist aber die Frage, inwieweit das Beschäftigungsverbot nach §
3 Abs
1 MuSchG überhaupt auf schwangere Arbeitslose anzuwenden ist. Auch der 7. Senat des BSG hat in seiner Entscheidung vom 21.10.2003 (B 7 AL 28/03 R - BSGE 91, 226 = SozR 4-4300 §
147 Nr
2), die den Ablauf der vierjährigen Verfallfrist nach §
147 Abs
2 SGB III während eines nachgeburtlichen Beschäftigungsverbots nach §
6 Abs
1 MuSchG zum Gegenstand hatte, diese Frage nicht problematisiert. Das Beschäftigungsverbot nach §
6 Abs
1 MuSchG, das als absolutes gesetzliches Verbot ausgestaltet ist (vgl Dalheimer, MuschG, §
6 RdNr 14, Stand Juli 2011), unterscheidet sich aber in seinen tatbestandlichen Voraussetzungen deutlich von einem Beschäftigungsverbot
nach §
3 Abs
1 MuSchG.
Nach §
3 Abs
1 MuSchG dürfen werdende Mütter nicht beschäftigt werden, soweit nach ärztlichem Zeugnis Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind
"bei Fortdauer der Beschäftigung" gefährdet sind. Mithin setzt das Beschäftigungsverbot - worauf die Beklagte zu Recht hinweist
- ein fortdauerndes Beschäftigungsverhältnis voraus. Dies wird auch durch §
1 Abs
1 MuSchG verdeutlicht, wonach dieses Gesetz "für Frauen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen" gilt. Als "Gesetz zum Schutze der
erwerbstätigen Mutter" erfasst das
MuSchG somit nicht die erwerbslosen Frauen (vgl Abschlussbericht zu BT-Drucks IV/3652 S 2 - zum Gesetz vom 24.8.1965; ebenso Dalheimer,
MuSchG, §
1 RdNr 1, Stand Juli 2011; Evers-Vosgerau in Roos/Bieresborn,
MuSchG, § 1 RdNr 5, 28, Stand Mai 2006 bzw Dezember 2010 - jeweils unter Hinweis auf BSG Urteil vom 28.10.1965 - 3 RK 73/61 - SozR Nr 6 zu §
13 MuSchG = Breithaupt 1966, 192 = DOK 1965, 650). Die im Senatsurteil vom 9.9.1999 zitierte krankenversicherungsrechtliche Rechtsprechung
und die Rechtsprechung des BAG beschäftigen sich demgemäß auch nur mit Ausgleichsansprüchen bei laufendem Beschäftigungsverhältnis,
nicht jedoch mit den Auswirkungen eines Beschäftigungsverbots für eine schwangere Arbeitslose.
Der Senat geht nach erneuter Prüfung davon aus, dass ein Beschäftigungsverbot nach §
3 Abs
1 MuSchG nicht unmittelbar auf Arbeitslose übertragen werden kann. Denn §
3 Abs
1 MuSchG stellt darauf ab, ob eine Gefährdung bei Fortdauer der Beschäftigung besteht. Es geht also um den Zusammenhang zwischen der
Fortdauer der Beschäftigung und der Gefahr für Leben oder Gesundheit. Dabei kann die Gefahr von einer Beschäftigung ausgehen,
die Beschäftigung kann aber auch an sich ungefährlich sein und die Gefahr von der individuellen gesundheitlichen Konstitution
der Frau ausgehen (vgl Dalheimer, aaO, § 3 RdNr 15 mwN). Ein Beschäftigungsverbot bewirkt lediglich, dass der Arbeitgeber
die betreffende Arbeitnehmerin tatsächlich nicht beschäftigen darf. Nach Wortlaut und Systematik des
MuSchG hat der Arzt bei einem individuellen Beschäftigungsverbot nach §
3 Abs
1 MuSchG nur die Gefährdungslage zu attestieren; das Beschäftigungsverbot tritt kraft Gesetzes ein, sobald das Attest über die Gefährdungslage
beim Arbeitgeber eintrifft (vgl Zimmermann in Roos/Bieresborn, aaO, § 3 RdNr 31, Stand April 2011; ebenso Dalheimer, aaO,
§ 3 RdNr 19, wonach das ärztliche Zeugnis konstitutive Wirkung hat - unter Hinweis auf BAG-Rechtsprechung). Diese Grundsätze
gelten aber jedenfalls nicht unmittelbar für Schwangere, die nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen.
4. Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist zu beanstanden, dass das LSG aus dem ärztlichen Attest das Wort "Beschäftigungsverbot"
übernommen hat, ohne sich mit Wortlaut und Sinn des §
3 Abs
1 MuSchG auseinanderzusetzen. Insofern sind auch die Ausführungen des LSG unzureichend, wonach die bei der Klägerin bestehenden Beschwerden
und Gefährdungen ab 22.6.2009 nicht mehr zur AU, sondern ausschließlich zu einem Beschäftigungsverbot geführt hätten. Da §
3 Abs
1 MuSchG nicht für arbeitslose Frauen gilt, hätte Veranlassung bestanden, das Beschäftigungsverbot von dem Begriff der AU und dessen
Anforderungen abzugrenzen. Das LSG hätte mithin zunächst der Frage nachgehen müssen, ob und inwieweit ein Beschäftigungsverbot
nach §
3 Abs
1 MuSchG für die Beurteilung der Verfügbarkeit einer arbeitslosen Schwangeren von Bedeutung ist.
Nach §
119 Abs
5 Nr
1 SGB III steht den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung, wer eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden
wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkts
ausüben kann und darf. Zumutbar sind dem Arbeitslosen gemäß §
121 Abs
1 SGB III alle seiner Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen, soweit allgemeine oder personenbezogene Gründe der Zumutbarkeit
nicht entgegenstehen. Das Dürfen im Rahmen der objektiven Verfügbarkeit betrifft die rechtliche Zulässigkeit, eine Beschäftigung
überhaupt oder in dem gewünschten Umfang auszuüben. Es kommt deshalb darauf an, welche Beschäftigungen der Klägerin - außer
der zuletzt ausgeübten einer Verwaltungsangestellten - iS des §
121 Abs
1 SGB III objektiv zumutbar sind. Sodann ist zu prüfen, ob gesetzliche oder behördliche Verbote der Aufnahme einer bestimmten Beschäftigung
entgegenstehen. Denn ist ein Arbeitsloser durch ein solches Verbot rechtlich gehindert, eine bestimmte Beschäftigung auszuüben,
ist er insoweit objektiv nicht verfügbar (vgl - allerdings ohne nähere Erläuterung - Durchführungsanweisung der Beklagten
zu §
119 SGB III, S 50, Ordnungsnummer 3.1.4 Beschäftigungsverbote [119.143]; Stand 4/2011). Schließlich ist entscheidungserheblich, ob die
Klägerin ab 11.5.2009 gesundheitlich (weiterhin) in der Lage gewesen wäre, eine ihr objektiv zumutbare Beschäftigung auch
tatsächlich auszuüben; insoweit kann dem ärztlich ausgesprochenen Beschäftigungsverbot allenfalls Indizwirkung zukommen.
Den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht entnommen werden, die Klägerin sei aufgrund des ärztlich attestierten
Beschäftigungsverbots rechtlich gehindert gewesen, eine ihr nach den Maßstäben der Arbeitslosenversicherung zumutbare Tätigkeit
aufzunehmen. Denn selbst wenn ein Beschäftigungsverbot nach §
3 Abs
1 MuSchG als ein im Rahmen des §
119 Abs
5 Nr
1 SGB III zu beachtendes, gesetzliches Beschäftigungsverbot anzusehen wäre - wie dies in der Literatur teilweise vertreten wird - (so
ohne nähere Begründung Valgolio in Hauck/Noftz,
SGB III, Stand 2006, §
119 RdNr 121, 123; Gutzler in Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe,
SGB III, 3. Aufl 2008, §
119 RdNr 127), könnte daraus nur gefolgert werden, dass arbeitslose Schwangere nicht beschäftigt werden dürfen, soweit mit einer
Beschäftigung Gesundheitsgefahren verbunden sind, wobei es näherer Prüfung der qualitativen und quantitativen Leistungseinschränkungen
sowie des Kreises der nicht zulässigen Tätigkeiten bedarf (vgl Dalheimer, aaO, § 3 RdNr 22). Hierzu ergeben sich weder aus
dem ärztlichen Attest vom 11.5.2009, das sich auf die Erklärung eines Beschäftigungsverbots ohne Angabe von Gründen beschränkt,
noch aus der auf Nachfrage des SG abgegebenen fachärztlichen Stellungnahme vom 12.10.2009, in der im Wesentlichen nur eine zeitweise bestehende Dysphorie und
Niedergeschlagenheit sowie eine behandlungsbedürftige diabetische Stoffwechsellage bescheinigt werden, klare Aussagen.
Das LSG wird deshalb im Anschluss an die Bestimmung einer der Klägerin objektiv zumutbaren Beschäftigung zu prüfen und insoweit
eindeutige Feststellungen zu treffen haben, welche Beschäftigungsmöglichkeiten für die schwangere Klägerin in der fraglichen
Zeit tatsächlich noch in Betracht kamen und inwieweit ihre Leistungsfähigkeit durch das ärztlicherseits festgestellte gesundheitliche
Risikopotenzial beeinträchtigt war. Dabei wird das LSG zu berücksichtigen haben, dass sich die Klägerin - ausweislich der
vom LSG in Bezug genommenen Verwaltungsakten der Beklagten - von vornherein nur beschränkt auf 20 Stunden wöchentlich zur
Verfügung gestellt und Alg nach einem (dementsprechend) verminderten Bemessungsentgelt bezogen hat. Sollten die weiteren Ermittlungen
- etwa durch weitere Nachfrage beim damals behandelnden Arzt, durch Beauftragung eines ärztlichen Sachverständigen mit der
Erstellung eines Gutachtens nach Aktenlage, Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Beklagten oder durch Einvernahme von
Zeugen - zu dem Ergebnis führen, dass bei der Klägerin selbst leichte Arbeiten im zeitlichen Umfang von 20 Stunden wöchentlich
in der fraglichen Zeit mit Gesundheitsgefahren verbunden waren, fehlt es bereits an einer Verfügbarkeit im Sinn des "Könnens"
einer Beschäftigung und ist - wie der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 9.9.1999 ausgeführt hat - vom Vorliegen einer
AU auszugehen. Insoweit besteht keine Bindung an die Aussage im ärztlichen Attest vom 11.5.2009, AU sei zu verneinen (vgl
zur Definition der AU bei Arbeitslosen auch § 2 Abs 3 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses).
Dagegen wären bei nur auf bestimmte Beschäftigungen bezogene Einschränkungen - wie der Senat in der genannten Entscheidung
ebenfalls ausgeführt hat - AU und Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung miteinander vereinbar mit der Folge, dass die Klägerin
- bezogen auf den für sie möglichen und zumutbaren Kreis in Betracht kommender Beschäftigungen - weiterhin verfügbar wäre
und die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Alg gegeben wären. Die Aufhebung des Bewilligungsbescheids vom 5.11.2008 für die
Zeit ab 22.6.2009 erwiese sich dann als rechtswidrig mit der Folge, dass die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche
Urteil - wenn auch mit anderer Begründung - zurückzuweisen wäre.
5. Sollte sich nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten, insbesondere im Hinblick auf die inzwischen verstrichene
Zeit, nicht aufklären lassen, ob die Klägerin im streitigen Zeitraum ab 22.6.2009 verfügbar iS der §§
119,
121 SGB III war, träfe die Beklagte die objektive Beweislast für die Rechtmäßigkeit der Leistungsaufhebung nach § 48 Abs 1 SGB X. Denn wenn sich eine Änderung der Verhältnisse nicht jenseits vernünftiger Zweifel feststellen lässt, geht dies zu Lasten
desjenigen, der hieraus Rechte herleiten will (vgl Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 48 SGB X RdNr 22, Stand Mai 2006).
6. Da entgegen der Auffassung des LSG in Betracht kommt, dass auch die zuständige Krankenkasse leistungspflichtig sein könnte,
wird das LSG sie beizuladen haben (§
75 Abs
2 SGG).
7. Das LSG wird auch über die Kosten einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.