Nachforderung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung wegen versicherungspflichtiger Beschäftigung
Befreiung von der Versicherungspflicht
Identität zwischen der ursprünglichen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit und der aktuellen Beschäftigung oder selbstständigen
Tätigkeit
Fortwirkung einer vor dem 01.01.1992 erteilten Befreiung von der Versicherungspflicht
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) wegen versicherungspflichtiger
Beschäftigung der Beigeladenen zu 5. und 7. für die Zeit vom 1.1.2004 bis zum 31.12.2007.
Die Beigeladenen zu 5. und 7. waren bei dem klagenden Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (früher Bundesamt für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge; im Folgenden: Klägerin) als Volljuristen in der Funktion eines Einzelentscheiders bei der Bearbeitung
von Asylanträgen angestellt. Sie verfügten bei Aufnahme der Tätigkeit jeweils über eine Befreiungsentscheidung der Bundesversicherungsanstalt
für Angestellte als Rechtsvorgängerin der beklagten Deutschen Rentenversicherung Bund.
Der Beigeladene zu 5. war seit September 1989 Pflichtmitglied in der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung
und nahm im Oktober 1989 eine Beschäftigung bei dem Freistaat Bayern auf. Er wurde durch Bescheid vom 26.1.1990 mit Wirkung
vom 1.10.1989 von der Rentenversicherungspflicht befreit. Der Kläger hatte im Antrag auf Befreiung als Arbeitgeber den Freistaat
Bayern angegeben. Seine Beschäftigung für die Klägerin begann im Dezember 1990 und dauerte noch an, als er seine Rechtsanwaltszulassung
im März 1996 zurückgab. Im streitigen Zeitraum bestand eine freiwillige Mitgliedschaft bei der Bayerischen Rechtsanwalts-
und Steuerberaterversorgung. Die Beigeladene zu 7. nahm im Oktober 1990 eine Beschäftigung als Rechtsanwältin bei einem Rechtsanwalt
in L. auf. Seit diesem Zeitpunkt war sie Pflichtmitglied im Versorgungswerk der Rheinland-Pfälzischen Rechtsanwaltskammern.
In ihrem Befreiungsantrag hatte sie als Arbeitgeber den genannten Rechtsanwalt angegeben. Sie wurde durch Bescheid vom 13.12.1990
mit Wirkung vom 1.10.1990 von der Rentenversicherungspflicht befreit. Ihre Beschäftigung für die Klägerin begann im Dezember
1992. Sie bezieht seit Oktober 2010 eine Vollrente wegen Alters und übte im Zeitraum von Februar bis Juni 2016 eine Tätigkeit
als Syndikusrechtsanwältin aus. Entsprechende Befreiungsanträge lehnte die Beklagte ab.
Aufgrund einer Betriebsprüfung forderte die Beklagte für die Beigeladenen zu 5. und 7. sowie weitere fünf als Einzelentscheider
angestellte Volljuristen für die Zeit vom 1.1.2004 bis 31.12.2007 von der Klägerin Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von
insgesamt 251 604,84 Euro nach. Die Betroffenen seien als Beschäftigte rentenversicherungspflichtig und im Prüfzeitraum für
die Tätigkeit bei der Klägerin nicht wirksam von der Rentenversicherungspflicht befreit gewesen. Die Klägerin und die betroffenen
Einzelentscheider legten erfolglos Widerspruch ein (Bescheid vom 23.12.2008; Widerspruchsbescheid vom 29.6.2009).
Das SG hob auf die von der Klägerin erhobene Klage die angefochtenen Bescheide auf, soweit sie den Beigeladenen zu 5. und einen
weiteren Einzelentscheider betrafen (Urteil vom 21.12.2012). Zuvor waren seitens der Beklagten Änderungsbescheide am 26.5.2010,
20.7.2010 und 13.8.2010 erlassen worden; der Nachforderungsbetrag reduzierte sich infolgedessen auf insgesamt 142 912,80 Euro.
Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG teilweise aufgehoben, soweit der Beigeladene zu 5. obsiegt hatte, und die Klage abgewiesen; im Übrigen hat es die Berufung
der Beklagten und die Berufungen der Beigeladenen zu 7. und eines weiteren Einzelentscheiders zurückgewiesen (Urteil vom 24.7.2015
und Berichtigungsbeschluss vom 8.9.2015). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Aufgrund der Tätigkeit der Beigeladenen
zu 5. und 7. für die Klägerin bestehe Versicherungspflicht wegen Beschäftigung in der GRV und damit zugleich Beitragspflicht.
Die Beigeladene zu 7. habe zwar am 13.12.1990 einen Befreiungsbescheid gemäß § 7 Abs 2 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) erhalten, jedoch erstrecke sich diese Befreiung nur auf die Beschäftigung als angestellte Rechtsanwältin, nicht jedoch auf
die ab Dezember 1992 für die Klägerin ausgeübte Beschäftigung als Einzelentscheiderin. Ein noch nach dem AVG ergangener Befreiungsbescheid erstrecke sich ungeachtet einer fortgeführten Mitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk
nicht auf eine andere Beschäftigung. Der Befreiungsbescheid verliere seine Wirkung mit Aufnahme einer anderen Beschäftigung
als derjenigen, für welche die Befreiung ausgesprochen worden sei. Dies ergebe sich auch aus §
231 SGB VI, der keinen umfassenden, sondern nur einen auf die konkrete Erwerbstätigkeit bezogenen Bestandsschutz gewähre. Etwas anderes
ergebe sich auch nicht aus dem Hinweis in den zum AVG ergangenen Befreiungsbescheiden, dass die Befreiung auch bei einem Wechsel von der Pflichtmitgliedschaft in eine freiwillige
Weiterversicherung fortgelte. Hinsichtlich des Beigeladenen zu 5. kämen diese rechtlichen Erwägungen ebenfalls zum Tragen;
denn auch der Beigeladene zu 5. habe keine Befreiung für die ab Dezember 1990 ausgeübte Beschäftigung als Einzelentscheider
erhalten.
Mit seiner Revision rügt der Beigeladene zu 5. die Verletzung von §§ 39 und 40 SGB X. Der Bescheid der Beklagten vom 23.12.2008 sehe seine Versicherungspflicht nicht vor. Der Bescheid sei nichtig gemäß § 40 SGB X, jedenfalls ihm gegenüber nicht iS von § 39 SGB X wirksam. Darüber hinaus rügt er die Verletzung des § 7 Abs 2 AVG iVm §
231 SGB VI. Maßgeblich für die Bestimmung der Wirkung der Befreiungsentscheidung sei die am Stichtag 31.12.1991 ausgeübte Tätigkeit.
Zu diesem Zeitpunkt sei er aber schon bei der Klägerin beschäftigt gewesen. Zudem verletze das LSG § 7 AVG auch deshalb, weil es die Fortführung der freiwilligen Mitgliedschaft im Versorgungswerk nicht als ausreichend für eine Fortgeltung
des Befreiungsbescheids erachte. Der Hinweis im Befreiungsbescheid darauf, dass die Befreiung auch bei einem Wechsel von der
Pflichtmitgliedschaft in eine freiwillige Mitgliedschaft fortgelte, sei ebenfalls als Verwaltungsakt zu qualifizieren und
binde die Beklagte. Auch hieraus ergebe sich eine Verletzung des § 39 SGB X.
Mit ihrer Revision macht die Beigeladene zu 7. geltend, dass sie wirksam von der Versicherungspflicht in der GRV befreit worden
sei und diese Befreiung auch für die Beschäftigung als Einzelentscheiderin bei der Klägerin gelte. Zudem habe sie im Februar
2016 einen Arbeitsvertrag als Syndikusrechtsanwältin abgeschlossen und einen Antrag auf Zulassung als Syndikusrechtsanwältin
sowie rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht gestellt. Dies sei im vorliegenden Revisionsverfahren zu berücksichtigen.
Der Beigeladene zu 5. beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Juli 2015 bezüglich des Beigeladenen zu 5. aufzuheben und die
Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Dezember 2012 insoweit zurückzuweisen.
Die Beigeladene zu 7. beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Juli 2015, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Dezember
2012 und den Bescheid der Beklagten vom 23. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Juni 2009 in der
Fassung der Änderungsbescheide vom 26. Mai 2010, 20. Juli 2010 und 13. August 2010 bezüglich der Beigeladenen zu 7. aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revisionen der Beigeladenen zu 5. und 7. zurückzuweisen.
Sie verweist im Wesentlichen auf die Rechtsprechung des BSG zur Reichweite der nach § 7 Abs 2 AVG erteilten Befreiungsbescheide (BSG Urteile vom 30.4.1997 - 12 RK 34/96 - BSGE 80, 215 = SozR 3-2940 § 7 Nr 4, vom 22.10.1998 - B 5/4 RA 80/97 R - BSGE 83, 74 = SozR 3-2600 § 56 Nr 12, und vom 7.12.2000 - B 12 KR 11/00 R - SozR 3-2600 §
6 Nr 5) und zur Wirkung des §
231 SGB VI (BSG Urteil vom 31.10.2012 - B 12 R 5/10 R - SozR 4-2600 § 231 Nr 5).
Die Klägerin und die übrigen Beigeladenen stellen keine Anträge.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten aller Instanzen sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten
Bezug genommen.
II
1. Die Revisionen der Beigeladenen zu 5. und 7. sind zulässig.
Die Beigeladenen zu 5. und 7. sind rechtmittelberechtigt und beschwert. Für Beigeladene gilt, dass sie Rechtsmittel einlegen
können, wenn die ergangene Entscheidung sie materiell beschwert, in eigene Rechtspositionen des Beigeladenen eingreifen und
zu einer Beeinträchtigung subjektiver Rechte des Beigeladenen führen kann (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 11. Aufl 2017, Vor §
143 RdNr 4a mwN). Bei dem Bescheid der Beklagten vom 23.12.2008 (in seinen späteren Fassungen) handelt es sich um einen Bescheid
mit Drittwirkung; denn er beinhaltet neben der Beitragsforderung gegen die Klägerin eine Statusentscheidung, welche die Beigeladenen
zu 5. und 7. unmittelbar betrifft. Da die Beigeladenen zu 5. und 7. materiell beschwert sind, in der Vorinstanz notwendig
beigeladen wurden und die Beigeladene zu 7. zudem selbst Berufungsklägerin war, sind sie befugt, eigene Rechtsmittel einzulegen,
obwohl sie nicht Adressaten des Bescheids sind. Daran ändert auch die Zurücknahme der Revision der Beklagten als Hauptbeteiligte
nichts, denn der Hauptbeteiligte kann nicht durch bloße Rücknahme des Rechtsmittels eine Verfügung über den Streitgegenstand
treffen, sodass das Rechtsmittel fortgeführt wird (vgl schon BSG Urteil vom 27.11.1962 - 3 RK 37/60 - BSGE 18, 131 = SozR Nr 9 zu §
160 SGG).
2. Die Revisionen sind jedoch unbegründet.
Das LSG hat zutreffend entschieden, dass die angegriffenen Bescheide bezüglich der Beigeladenen zu 5. und 7. rechtmäßig und
daher nicht aufzuheben sind. Die Beklagte hat zu Recht Beiträge zur GRV für die bei der Klägerin in der Zeit vom 1.1.2004
bis 31.12.2007 ausgeübten Tätigkeiten der Beigeladenen zu 5. und 7. als Einzelentscheider, die unzweifelhaft Beschäftigungen
waren, nachgefordert. Die Beigeladenen zu 5. und 7. waren nicht aufgrund der ihnen erteilten Befreiungsbescheide von der Versicherungspflicht
in der GRV wegen dieser Beschäftigungen bei der Klägerin befreit.
Der Beigeladene zu 5. war zwar, nachdem er als Rechtsanwalt zugelassen und Pflichtmitglied der Bayerischen Rechtsanwalts-
und Steuerberaterversorgung geworden war, durch einen ab 1.10.1989 wirkenden Befreiungsbescheid im Hinblick auf seine im Oktober
1989 begonnene Beschäftigung bei dem Freistaat Bayern befreit worden. Die Beigeladene zu 7. wurde als Rechtsanwältin mit Wirkung
vom 1.10.1990 von der Versicherungspflicht in der GRV befreit, nachdem sie zur gleichen Zeit Pflichtmitglied des Versorgungswerks
der Rheinland-Pfälzischen Rechtsanwaltskammern geworden war. Die ihnen erteilten Befreiungsbescheide wirkten jedoch nicht
für die im Dezember 1990 (Beigeladener zu 5.) bzw Dezember 1992 (Beigeladene zu 7.) aufgenommenen Beschäftigungen bei der
Klägerin (a.). Die Versicherungspflicht trat hinsichtlich der Beschäftigungen bei der Klägerin als Einzelentscheider von Gesetzes
wegen ein, ohne dass es einer Aufhebung der früheren Befreiungsbescheide bedurft hätte (b.). Eine Rechtswidrigkeit des Betriebsprüfungsbescheids
der Beklagten vom 23.12.2008 (in seinen späteren Fassungen) ergibt sich zudem weder aus Gründen nicht hinreichender Bestimmtheit
des Bescheids bezüglich des Beigeladenen zu 5. (c.) noch wegen eines im Jahr 2016 gestellten Befreiungsantrags der Beigeladenen
zu 7. im Hinblick auf ihre Tätigkeit als zugelassene Syndikusrechtsanwältin (d.).
a. Bei dem Beigeladenen zu 5. waren die Voraussetzungen für die mit Wirkung ab 1.10.1989 erteilte Befreiung von der Rentenversicherungspflicht
zunächst erfüllt. Dies ergibt sich aus § 7 Abs 2 AVG in der am 1.7.1979 in Kraft getretenen Fassung des Art 3 Nr 2 Buchst a des Gesetzes zur Einführung eines Mutterschaftsurlaubs vom 25.6.1979 (BGBl I 797). Danach wurden Personen auf
ihren Antrag von der Versicherungspflicht befreit, die aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden
Verpflichtung Mitglieder einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe sind,
wenn für die angestellten Mitglieder nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der
Beitragsbemessungsgrenze zu entrichten sind und aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall der Invalidität und des Alters
sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung
zu berücksichtigen ist. Diese Voraussetzungen waren bei dem Beigeladenen zu 5. ursprünglich erfüllt; denn er war bei Erteilung
des Befreiungsbescheids nach den für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des LSG in diesem Zeitraum aufgrund landesgesetzlicher
Verpflichtung als Rechtsanwalt Pflichtmitglied der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung als eines berufsständischen
Versorgungswerks iS des § 7 Abs 2 AVG. Auch bei der Beigeladenen zu 7. lagen die Voraussetzungen für die mit Wirkung ab 1.10.1990 erteilte Befreiung von der Rentenversicherungspflicht
zunächst vor; dies ergab sich ebenfalls aus § 7 Abs 2 AVG. Sie war bei Erteilung des Befreiungsbescheids nach den für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des LSG in diesem
Zeitraum aufgrund landesgesetzlicher Verpflichtung als Rechtsanwältin Pflichtmitglied im Versorgungswerk der Rheinland-Pfälzischen
Rechtsanwaltskammern als einem berufsständischen Versorgungswerk iS des § 7 Abs 2 AVG.
Die Befreiungsbescheide verloren jedoch jeweils mit dem Wechsel in die Beschäftigung bei der Klägerin ihre Wirkung. Rechtsgrundlage
für die von den Beigeladenen zu 5. und 7. begehrte Feststellung hinsichtlich der Reichweite der ursprünglichen Befreiung von
der Rentenversicherungspflicht ist §
231 S 1
SGB VI in der Fassung des Gesetzes zur Reform der GRV - RRG 1992 vom 18.12.1989 (BGBl I 2261; §
231 SGB V aF). Nach dieser Bestimmung bleiben Personen, die am 31.12.1991 von der Versicherungspflicht befreit waren, in derselben
Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit von der Versicherungspflicht befreit. Die Voraussetzungen dieser Norm sind jedoch
nicht erfüllt, weil die darin geforderte "Identität" zwischen den Beschäftigungen der Beigeladenen zu 5. und 7., die ihren
mit Bescheiden vom 26.1.1990 und 13.12.1990 erteilten Befreiungen von der Rentenversicherungspflicht zugrunde lagen, und den
Beschäftigungen bei der Klägerin als Einzelentscheider nicht gegeben ist. Die Beigeladenen zu 5. und 7. gehören zwar zu dem
von §
231 S 1
SGB VI aF erfassten Personenkreis, weil sie antragsgemäß mit den genannten Bescheiden wegen einer Beschäftigung als Rechtsanwalt
bzw bei dem Freistaat Bayern gemäß § 7 Abs 2 AVG von der Versicherungspflicht in der GRV befreit wurden. Bei der im streitigen Zeitraum für die Klägerin ausgeübten Beschäftigung
der Beigeladenen zu 5. und 7. handelt es sich indessen nicht - wie von §
231 S 1
SGB VI aF gefordert - um dieselbe Beschäftigung, die der ursprünglichen Befreiung von der Versicherungspflicht zugrunde lag.
Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 31.10.2012 (B 12 R 5/10 R - SozR 4-2600 §
231 Nr 5) ausgeführt hat, knüpft §
231 S 1
SGB VI aF für die fortdauernde Wirkung einer früheren Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV an die konkrete Beschäftigung
oder selbstständige Tätigkeit an und fordert eine "Identität" der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit, die während
der ursprünglichen Befreiung von der Versicherungspflicht verrichtet wurde, mit der aktuellen Beschäftigung oder selbstständigen
Tätigkeit. §
231 S 1
SGB VI aF ordnet die Fortwirkung einer vor dem 1.1.1992 erteilten Befreiung von der Versicherungspflicht nur hinsichtlich "derselben"
Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit an. Aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich durch die Verwendung des Merkmals
"derselben" die Notwendigkeit eines Vergleichs und als dessen Ergebnis einer Identität zwischen der ursprünglichen Beschäftigung
oder selbstständigen Tätigkeit und der aktuellen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit. Diese Fokussierung auf die
konkrete Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit entspricht der durch §
6 Abs
5 S 1
SGB VI auf die "jeweilige" Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkten Wirkung einer Befreiung von der Rentenversicherungspflicht
(vgl hierzu bereits BSG Urteil vom 22.10.1998 - B 5/4 RA 80/97 R - BSGE 83, 74 = SozR 3-2600 § 56 Nr 12 mwN; BSG Urteil vom 7.12.2000 - B 12 KR 11/00 R - SozR 3-2600 §
6 Nr 5). Darüber hinaus ist dem Wortlaut des §
231 S 1
SGB VI aF zu entnehmen, dass Anknüpfungspunkt für das Fortbestehen einer Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV allein
die (jeweilige) "Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit" des Betroffenen ist. Der Gesetzeswortlaut definiert die Fortwirkung
einer Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nicht über materielle Merkmale der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit,
wie etwa Berufsbezeichnung, berufliche Qualifikation oder beruflicher Status. "Beschäftigung" wiederum wird in §
7 Abs
1 S 1
SGB IV als "nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis" definiert und in Abs 1 S 2 der Regelung gekennzeichnet
als Eingliederung in die Arbeitsorganisation eines (konkreten) Weisungsgebers. Eine andere Beschäftigung liegt damit schon
dann vor, wenn eine Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber aufgenommen wird. An dieser Rechtsprechung hält der Senat
fest.
Der Beigeladene zu 5. erhielt als Rechtsanwalt einen Befreiungsbescheid bezogen auf eine Tätigkeit bei dem Freistaat Bayern
und übte diese von Oktober 1989 an aus. Die Beigeladene zu 7. erhielt einen Befreiungsbescheid bezogen auf eine Tätigkeit
bei einem Rechtsanwalt in L.. Jedoch wechselten beide Beigeladenen im Dezember 1990 bzw Dezember 1992 Beschäftigung und Arbeitgeber
und begannen ihre Tätigkeiten als Einzelentscheider für die Klägerin. Die Befreiungsbescheide entfalteten für diese Tätigkeiten
keine Wirkung mehr, ohne dass es insoweit allerdings ihrer Aufhebung bedurft hätte (dazu noch b.).
Dass der Befreiungsbescheid des Beigeladenen zu 5. darüber hinaus mit dem Ausscheiden aus der Rechtsanwaltskammer und der
damit verbundenen Aufgabe des Rechtsanwaltsberufs im März 1996 rechtswidrig geworden ist, ist im vorliegenden Fall wegen des
vorherigen Wechsels der Beschäftigung ohne Belang. Mit der Aufgabe des Rechtsanwaltsberufs und dem damit verbundenen Ausscheiden
aus der Rechtsanwaltskammer im März 1996 endete die Pflichtmitgliedschaft des Beigeladenen zu 5. bei der Bayerischen Rechtsanwalts-
und Steuerberaterversorgung. Von diesem Zeitpunkt an war der Beigeladene zu 5. nicht mehr aufgrund einer durch Gesetz angeordneten
oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied eines berufsständischen Versorgungswerks, sondern nur noch dessen freiwilliges
Mitglied. Wie der Senat schon mit Urteil vom 30.4.1997 (12 RK 34/96 - BSGE 80, 215 = SozR 3-2940 § 7 Nr 4) entschieden hat, rechtfertigt die Tatsache, dass eine Tätigkeit als angestellter Jurist bei einer
anderen Organisation der vorherigen Beschäftigung inhaltlich ähnlich sein mag, die Fortdauer der Befreiung nicht, weil eine
Pflichtmitgliedschaft in einem Versorgungswerk nur für Rechtsanwälte als Mitglieder der Rechtsanwaltskammer, nicht aber für
andere Juristen vorgeschrieben war - so auch in Bayern -, vgl Art 30 Abs 1 Gesetz über das öffentliche Versorgungswesen (VersoG) vom 25.6.1994 (GVBl 466). Die freiwillige Mitgliedschaft des Beigeladenen zu 5. beim Versorgungswerk berechtigte weder zur
Erteilung noch zur Aufrechterhaltung einer Befreiung von der Rentenversicherungspflicht. Der Senat führt auch diese Rechtsprechung
fort.
b. Liegen die Voraussetzungen des §
231 S 1
SGB VI aF durch den Wechsel der Tätigkeiten nicht mehr vor, so ist Rentenversicherungspflicht in den nunmehr ausgeübten Beschäftigungen
als Einzelentscheider kraft Gesetzes eingetreten. Die Befreiungsbescheide brauchten insoweit auch bei Befreiungen, die vor
dem 1.1.1992 nach § 7 Abs 2 AVG ausgesprochen worden sind, nicht aufgehoben zu werden (BSG Urteil vom 22.10.1998 - B 5/4 RA 80/97 R - BSGE 83, 74, 78 f = SozR 3-2600 § 56 Nr 12 S 59 f und BSG Urteil vom 7.12.2000 - B 12 KR 11/00 R - SozR 3-2600 §
6 Nr 5 S 11). §
231 S 1
SGB VI aF stellt sicher, dass die vor 1992 nach § 7 Abs 2 AVG und die seit dem 1.1.1992 nach §
6 Abs
1 S 1
SGB VI ausgesprochenen Befreiungen hinsichtlich ihres Geltungsbereichs einheitlich behandelt werden. Die Befreiungsbescheide bringen
nicht zum Ausdruck, dass sich die Befreiung auf jedwede, auch nichtanwaltliche Tätigkeit erstreckt; vielmehr führen sie aus,
dass sich die Befreiung auf diejenigen Beschäftigungen bezieht, auf denen die Mitgliedschaft in der jeweiligen Versorgungseinrichtung
beruht. Die Befreiungen galten auch nicht - wie der Beigeladene zu 5. meint - wegen der in den Befreiungsbescheiden enthaltenen
Hinweise zur Dauer der Befreiung fort. Diese (erläuternden) Hinweise zur Fortdauer der Befreiung für die sich an eine Pflichtmitgliedschaft
anschließende freiwillige Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung stellen weder eine rechtliche Regelung iS des § 31 S 1 SGB X noch eine Nebenbestimmung iS von § 32 SGB X dar (vgl BSG Urteil vom 30.4.1997 - 12 RK 34/96 - BSGE 80, 215, 221 = SozR 3-2940 § 7 Nr 4 S 17 und BSG Urteil vom 22.10.1998 - B 5/4 RA 80/97 R - BSGE 83, 74, 77 = SozR 3-2600 § 56 Nr 12 S 57).
c. Der Betriebsprüfungsbescheid vom 23.12.2008 ist auch inhaltlich hinreichend bestimmt iS des § 33 Abs 1 SGB X. Aus dem streitigen Bescheid ergibt sich eindeutig der Adressat des Bescheids - die Klägerin - ebenso wie die an diese gerichtete
Aufforderung, insgesamt 251 604,84 Euro an Beiträgen zur GRV an die jeweiligen Einzugsstellen nachzuzahlen; gleiches gilt
für die Änderungsbescheide. Der Umstand, dass der Beigeladene zu 5. im Begründungstext nicht erwähnt ist, sondern nur in der
Anlage zu dem Bescheid, ändert hieran nichts. Zwar fehlt es im Ausgangsbescheid an einer Begründung für die Nachforderung
bezüglich des Beigeladenen zu 5., jedoch wird sein Verfügungssatz dadurch nicht unbestimmt. Im Übrigen hätte der Bescheid
- anders als der Beigeladene zu 5. meint - an ihn nicht adressiert werden müssen; denn § 28p Abs 1 S 5
SGB IV sieht grundsätzlich nur vor, dass gegenüber dem Arbeitgeber Versicherungspflicht und Beitragshöhe festgestellt wird, nicht
gegenüber dem Arbeitnehmer. Dies hindert zwar nicht, einen inhaltsgleichen Bescheid auch gegenüber dem Arbeitnehmer zu erlassen,
weil solche Verwaltungsakte sowohl gegenüber dem Arbeitgeber als auch gegenüber dem Arbeitnehmer rechtsgestaltende Wirkung
entfalten (BSG Urteil vom 17.12.2014 - B 12 R 13/13 R - SozR 4-2400 § 28p Nr 4 RdNr 21 f); eine Verpflichtung dazu besteht aber nicht. Die Unvollständigkeit der Begründung des
streitgegenständlichen Verwaltungsakts gemäß § 35 Abs 1 SGB X führt ebenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit desselben. Nach § 41 Abs 1 Nr 2 SGB X ist die Verletzung dieser Verfahrens- oder Formvorschrift, wenn sie den Verwaltungsakt nicht nach § 40 SGB X nichtig macht, unbeachtlich, soweit die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird. Die Beklagte korrigierte während
des Widerspruchsverfahrens ihre Begründung und erläuterte, weshalb von Versicherungspflicht für den Beigeladenen zu 5. auszugehen
ist. Ein Begründungsmangel war damit geheilt. Eine Nichtigkeit des Bescheids gemäß § 40 SGB X liegt offensichtlich nicht vor.
d. An der im streitigen Zeitraum (1.1.2004 bis 31.12.2007) fortbestehenden Rentenversicherungspflicht der Beigeladenen zu
7. ändern die von ihr nach §
231 Abs
4b SGB VI gestellten Anträge auf Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwältin und auf rückwirkende Befreiung für
zeitlich davor liegende Tätigkeiten nichts. Die Beklagte lehnte eine solche Befreiung von der Versicherungspflicht der Beigeladenen
zu 7. als Syndikusrechtsanwältin und eine Rückwirkung auf die Tätigkeit bei der Klägerin ab. Diese ablehnenden Entscheidungen
der Beklagten ändern oder ersetzen den streitigen Betriebsprüfungsbescheid nicht (vgl §
171 SGG). Zu beurteilen ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht die Erteilung einer Befreiung, sondern allein ein Betriebsprüfungsbescheid
der Beklagten, der die Klägerin zur Nachentrichtung von Beiträgen verpflichtet. Da somit keine rückwirkend gültigen Befreiungsentscheidungen
der Beklagten für die Beigeladene zu 7. vorliegen, bleibt es bei dem Bestehen von deren Versicherungspflicht in der GRV im
streitigen Zeitraum.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.