Aufnahme in die Krankenversicherung der Rentner
Erwerbstätigkeit im Ausland
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um die Aufnahme des 1953 geborenen
Klägers in die Krankenversicherung der Rentner (KVdR). Der Kläger war vom 25.1.1993 bis 31.12.1996 während einer Beschäftigung
im Ausland nicht gesetzlich, sondern über seinen Arbeitgeber im Rahmen eines Gruppenvertrages privat krankenversichert. Die
Beklagte lehnte die Aufnahme in die KVdR ab, weil wegen des Auslandsaufenthalts die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt
seien (Bescheid vom 7.11.2016; Widerspruchsbescheid vom 5.7.2017). Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Ausländische Versicherungszeiten seien nur zu berücksichtigen, soweit sie durch
ein zwischenstaatliches Sozialversicherungsabkommen, durch überstaatliches Recht oder durch eine besondere innerstaatliche
Gleichstellungsregelung der Mitgliedschaft bei einem bundesdeutschen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gleichgestellt
seien (Beschluss des LSG vom 19.2.2021). Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen
(§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG). Der Kläger hat entgegen §
160a Abs
2 Satz 3
SGG den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) nicht hinreichend dargelegt.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über
den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung
durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. Mit der Beschwerdebegründung
ist daher aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des §
162 SGG stellt. Hierzu ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und
des Schrifttums auszuführen, weshalb eine Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich
ist darzulegen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt (vgl BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger hält folgende Frage für grundsätzlich bedeutsam:
"Sind Versicherte, die ihr gesamtes Erwerbsleben gesetzlich versichert sind und nur vorübergehend vom Arbeitgeber in einem
Land eingesetzt werden, mit dem kein zwischenstaatliches Abkommen zur Sozialversicherung besteht, für das keine besondere
innerstaatliche Gleichstellungsregelung oder die Anerkennung der Auslandszeiten durch überstaatliches Recht besteht und die
von der gesetzlichen Krankenversicherung keine Möglichkeit bekommen, sich während des Auslandseinsatzes weiterhin gesetzlich
zu versichern, bei der 9/10-Regelung des §
5 Abs.
1 Nr.
11 SGB V mit gesetzlich Versicherten oder mit von zwischenstaatlichen Abkommen zur Sozialversicherung, innerstaatlichen Gleichstellungsregelungen
oder der Anerkennung der Auslandszeiten durch überstaatliches Recht Geschützten gleichzustellen? D.h. ist die Zeit des nicht
gesetzlich versicherten Auslandseinsatzes bei der Prüfung der 9/10-Regelung des §
5 Abs.
1 Nr.
11 SGB V in verfassungskonformer Auslegung fiktiv als gesetzlich versichert zu werten?"
Insoweit fehlt es an einer hinreichenden Darlegung der Klärungsbedürftigkeit. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig,
wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt
ist (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl 2020, §
160 RdNr 8 f). Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar
noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die
ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, ob und inwieweit die bisher ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung
hinreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der aufgeworfenen Frage bietet.
Insoweit reicht es nicht zu behaupten, dass bisher kein Fall entschieden worden sei, in dem ein Versicherter - wie der Kläger
- unfreiwillig, ja geradezu zwangsweise die GKV habe verlassen müssen, weil diese sich geweigert habe, den Versicherten während
seines zeitlich begrenzten Auslandseinsatzes weiterhin zu versichern. Es sei laut Kläger nicht geklärt, ob es verfassungskonform
sei, solche Versicherte von der KVdR auszuschließen, die nur deshalb zwangsweise aus der Solidargemeinschaft ausgeschieden
seien, weil ihr Arbeitgeber sie im Ausland beschäftigt habe und die GKV sie nicht habe weiterversichern wollen.
Der Kläger setzt sich damit nicht hinreichend mit dem vom LSG genannten Urteil des BSG vom 8.11.1983 (12 RK 26/82 - BSGE 56, 39 = SozR 2200 § 165 Nr 72) auseinander. Eine Befassung mit dieser Entscheidung ist nicht bereits deshalb entbehrlich, weil diese zur Rechtslage nach
der
Reichsversicherungsordnung ergangen ist. Der Kläger legt nicht dar, dass sich die Rechtslage inzwischen entscheidungserheblich geändert hätte. Er setzt
sich insbesondere nicht mit den in der Entscheidung enthaltenen Erwägungen auseinander, dass dem Grund für die Nichtzugehörigkeit
zur GKV und damit für die Nichterfüllung der Solidarpflicht keine Bedeutung zukommen solle. Rentner mit einer früheren Erwerbstätigkeit
im Ausland dürften nicht besser behandelt werden als Rentner, die stets im Bundesgebiet erwerbstätig gewesen seien, wegen
der Art ihrer Tätigkeit (zB als Selbstständige oder Beamte) jedoch keine Möglichkeit gehabt hätten, sich in der GKV zu versichern.
Eine generelle Einbeziehung ausländischer Vorversicherungszeiten widerspräche der Forderung nach vorangegangener Teilnahme
des Rentners am "intertemporalen Solidaritätsausgleich". Demnach komme eine Berücksichtigung ausländischer Versicherungszeiten
nur dann in Betracht, wenn diese Zeiten durch ein zwischenstaatliches Sozialversicherungsabkommen, durch überstaatliches Recht
oder durch eine besondere Gleichstellungsregelung der Mitgliedschaft bei einem bundesdeutschen Träger der GKV gleichgestellt
seien.
Demgegenüber breitet die Beschwerde lediglich ihre eigene Rechtsmeinung aus, wonach es auf den - ggf auch nicht umsetzbaren
- Willen des Betroffenen zur Zugehörigkeit in der GKV ankommen müsse. Dies genügt jedoch nicht zur Darlegung einer erneuten
Klärungsbedürftigkeit, bei der aufzuzeigen wäre, dass der Entscheidung vom 8.11.1983 (aaO) mit gewichtigen Argumenten etwa in Literatur und Rechtsprechung substantiell widersprochen worden ist (vgl zu diesem Erfordernis BSG Beschluss vom 21.6.2016 - B 10 EG 5/16 B - juris RdNr 10 mwN). Es genügt auch nicht, einen Verstoß gegen die Gleichbehandlung zu behaupten, ohne sich substantiiert mit der zu Art
3 Abs
1 GG ergangenen Rechtsprechung und etwaigen sachlichen Differenzierungsgründen wie zB der (objektiven) Teilnahme am Solidaritätsausgleich
auseinanderzusetzen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.