Keine Berechtigung zur Reduzierung der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung bei Eltern im Hinblick auf den Betreuungs-
und Erziehungsaufwand für Kinder
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten im Wesentlichen darüber, ob der Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) bei Eltern mit mehreren
Kindern im Hinblick auf einen höheren Betreuungs- und Erziehungsaufwand in Abhängigkeit von der Kinderzahl zu mindern ist.
Die 1967 geborene, verheiratete Klägerin ist Mutter von vier in den Jahren 2001, 2002, 2004 und 2009 geborenen Kindern. Sie
war bis 15.4.2008 versicherungspflichtig beschäftigt und ist seitdem arbeitslos bzw wegen der Geburt ihres vierten Kindes
nicht mehr erwerbstätig. Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Krankenkasse und der beigeladenen Pflegekasse; Krankenversicherungs-
und Pflegeversicherungsbeiträge wurden in gesetzlicher Höhe entrichtet.
Im Januar 2008 stellte die Klägerin bei der Beklagten als Einzugsstelle unter Hinweis auf das Urteil des BVerfG zur sPV vom
3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2; im Folgenden: sPV-Urteil) ua den Antrag, ihr in der sPV ab sofort "für den Zeitraum, in dem für
sie ... Anspruch auf Kindergeld für das entsprechende Kind besteht", anstatt des ihr im Vergleich zu einem kinderlosen Beitragszahler
gegenwärtig pauschal gewährten Beitragsnachlasses "denselben Beitragsnachlass je Kind" zu gewähren. Derzeit würden noch immer
Beitragszahler mit (nur) einem Kind gegenüber solchen mit mehreren Kindern verfassungswidrig privilegiert, weil der Gesetzgeber
die tatsächlichen Unterschiede in der Erziehungsleistung von Beitragszahlern mit mehr als einem Kind sachwidrig außer Acht
lasse. Mit Bescheid vom 26.2.2008 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf "Reduzierung" ihres Beitrags zur sPV unter
Hinweis darauf ab, dass der Gesetzgeber die Entscheidung des BVerfG mit dem Kinder-Berücksichtigungsgesetz (KiBG) vom 15.12.2004
(BGBl I 3448) zutreffend umgesetzt habe. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.3.2008
zurück. Mit Bescheid vom 28.11.2008 "konkretisierte" die Beklagte die vorangegangenen Bescheide dahingehend, dass der Beitrag
zur sPV für den Beitragszeitraum vom 9.1.2008 bis 15.4.2008 in gesetzlicher Höhe 95,04 Euro betrage und jeweils zur Hälfte
(47,52 Euro) vom Arbeitgeber und von ihr - der Klägerin - als Arbeitnehmerin zu tragen sei.
Das SG hat die hiergegen gerichtete Anfechtungs- und Feststellungsklage abgewiesen (Urteil vom 14.9.2010).
Im anschließenden Berufungsverfahren hat die Klägerin ihre Klageanträge "präzisiert" und beantragt, unter Aufhebung des vorinstanzlichen
Urteils die angefochtenen Bescheide insoweit aufzuheben, als darin in der sPV für den Zeitraum, in dem Anspruch auf Kindergeld
besteht, kein dem Kinderlosenzuschlag entsprechender Nachlass für jedes Kind berücksichtigt ist, und die Beklagte zu verurteilen,
den Beitrag unter Berücksichtigung dieses Nachlasses für weitere zwei im Jahr 2008 erzogene Kinder zu berechnen sowie ihr
ab Januar 2008 Beiträge zur sPV zunächst für das Jahr 2008 in Höhe von 29,86 Euro (= Beitragsnachlass für zwei Kinder) zu
erstatten.
Das LSG hat ihre Berufung zurückgewiesen: Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Die Bemessung der Beiträge zur sPV
entspreche den gesetzlichen Bestimmungen. Diese Regelungen verstießen nicht gegen Art
3 Abs
1 iVm Art
6 Abs
1 GG. Der Gesetzgeber habe mit dem KiBG den Auftrag des BVerfG zu einer gesetzlichen Neuregelung im Hinblick auf die Pflegeversicherung
ohne Verstoß gegen diesen Auftrag erfüllt und für Kinderlose einen Beitragszuschlag eingeführt. Diese Umsetzung bewege sich
im Rahmen des dem Gesetzgeber eingeräumten verfassungsrechtlichen Gestaltungsspielraums. Das BVerfG habe lediglich beanstandet,
dass Mitglieder der sPV, die Kinder betreuen und erziehen, gleich hohe Pflegeversicherungsbeiträge wie Versicherte ohne Kinder
zu entrichten hatten. Wie der Gesetzgeber die Betreuungs- und Erziehungsleistungen bei der Beitragsbemessung von beitragspflichtigen
Versicherten mit Kindern berücksichtige, habe das BVerfG dem Gesetzgeber überlassen. Das BVerfG habe insoweit nur eine verfassungsrechtliche
Verpflichtung dahingehend ausgesprochen, dass der Gesetzgeber eine Lösung wählen müsse, die Unterhaltsverpflichtete bereits
ab dem ersten Kind relativ entlaste. Insbesondere sei der Gesetzgeber für die Umsetzung des Urteils des BVerfG nicht dazu
verpflichtet gewesen, an die Zahl der Kinder anzuknüpfen; er habe allein die Elterneigenschaft als maßgebendes Kriterium für
die unterschiedliche Beitragshöhe heranziehen dürfen. Nach den Feststellungen des BVerfG habe sich nämlich aufgrund der Anhörung
eines Sachverständigen ergeben, dass die Elterneigenschaft und nicht die Zahl der Kinder die Wahl der Versicherten zwischen
den verschiedenen Leistungsarten der ambulanten Pflege entscheidend bestimme. Dieser Vorgabe werde das KiBG gerecht. Durch
den höheren Beitrag für Kinderlose würden Unterhaltsverpflichtete gegenüber Kinderlosen bereits ab dem ersten Kind entlastet
(Urteil vom 22.3.2013).
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie rügt einen Verstoß der - vom LSG angewandten - "gesetzlichen
Regelungen zur Berücksichtigung der Kindererziehung im Beitragsrecht der sozialen Pflegeversicherung", soweit darin "von einer
Staffelung des Beitragssatzes nach der Kinderzahl abgesehen" wird, gegen Art
3 Abs
1 GG. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Das LSG habe verkannt, dass der Gesetzgeber den allgemeinen Gleichheitssatz
verletzt habe, weil das KiBG keine Staffelung des Pflegeversicherungsbeitrags nach der Kinderzahl vorsehe. Das BVerfG habe
im sPV-Urteil schon als verfassungswidrig angesehen, dass kinderlose Beitragszahler und Beitragszahler mit (nur) einem Kind
gleichbehandelt würden. Weil Versicherte mit mehreren Kindern einen größeren generativen Beitrag erbrächten und der mit der
Kindererziehung einhergehende Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung proportional mit der Kinderzahl steige, könne allein
die Kinderzahl - und nicht die (bloße) Elterneigenschaft - sachliches Differenzierungskriterium sein. Das Ausmaß der tatsächlichen
Unterschiede in Bezug auf die Erziehungsleistung bzw der generative Beitrag für das Sozialversicherungssystem dürfe im Beitragsrecht
der sPV nicht außer Betracht bleiben. Erziehungsleistung bzw generativer Beitrag würden im Beitragsrecht der sPV aber bisher
unabhängig von der Kinderzahl gleichbehandelt. Zwar dürfe der Gesetzgeber typisieren; dieser Gesichtspunkt führe jedoch nicht
zu einem anderen Ergebnis, schon weil die Gruppe der Familien mit zwei oder mehr Kindern im Vergleich zur Gruppe der Familien
mit (nur) einem Kind keine zu vernachlässigende Minderheit darstelle.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. März 2013 und des Sozialgerichts Mannheim vom 14. September
2010 aufzuheben, soweit sie die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung betreffen,
ferner
den Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 2008 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 12. März 2008 und in der Gestalt
des Bescheides vom 28. November 2008 aufzuheben, soweit darin höhere Pflegeversicherungsbeiträge erhoben werden als sich unter
Berücksichtigung eines dem Beitragszuschlag für Kinderlose entsprechenden Nachlasses für jedes ihrer Kinder ergäbe, so wie
diese zu verurteilen, ihr - der Klägerin - für das Jahr 2008 Beiträge zur Pflegeversicherung in Höhe von 29,86 Euro zu erstatten.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil.
II
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.
1. In diesem Revisionsverfahren zu überprüfen ist das Berufungsurteil nur insoweit, als es die Pflegeversicherungsbeiträge
der Klägerin betrifft; hinsichtlich der leistungsrechtlichen Fragen zur gesetzlichen Rentenversicherung hat der Senat angeordnet,
dass diese Rechtsstreitigkeit in einem getrennten Prozess verhandelt wird (anhängig bei dem 13. Senat des BSG unter dem Aktenzeichen B 13 R 19/14 R). Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der beklagten Krankenkasse in ihrer Eigenschaft als Einzugsstelle vom 26.2.2008
in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 12.3.2008, ferner in der Gestalt ihres Bescheides vom 28.11.2008, mit dem
sie die vorangegangenen Bescheide "konkretisierte" und den für die Zeit vom 9.1. bis 15.4.2008 zu entrichtenden Pflegeversicherungsbeitrag
der Klägerin festsetzte. Zu befinden ist über diese Bescheide allerdings nur insoweit, als sie die Höhe der Beiträge ohne
Berücksichtigung eines dem Beitragszuschlag für Kinderlose entsprechenden Nachlasses für weitere zwei Kinder bemessen. Im
Umfang dieses Beitragsteils ist auch über einen Anspruch auf Beitragserstattung zu entscheiden.
2. Zu Recht hat das LSG - in Bezug auf den genannten Verfahrensgegenstand - das Urteil des SG bestätigt und die Berufung der Klägerin insoweit zurückgewiesen. Die von der Klägerin erhobene kombinierte Anfechtungs- und
Leistungsklage ist jedenfalls unbegründet, weil die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind. Die Bemessung der Pflegeversicherungsbeiträge
der Klägerin für die Zeit vom 9.1. bis 15.4.2008 entspricht den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts
der sPV (dazu a). Diese sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (dazu b). Infolgedessen besteht auch kein Anspruch
auf Erstattung von - aus der Sicht der Klägerin - überzahlten Pflegeversicherungsbeiträgen (dazu c).
a) Die Bemessung der Beiträge der Klägerin zur sPV ohne Berücksichtigung eines Beitragsnachlasses für weitere zwei von ihr
im Jahr 2008 erzogene Kinder steht im Einklang mit den gesetzlichen Beitragsvorschriften.
Nach §
54 Abs
2 S 1
SGB XI (diese wie auch die folgenden Bestimmungen des
SGB XI im Wesentlichen in der bis heute fortgeltenden Fassung des Gesetzes vom 26.5.1994, BGBl I 1014) werden die Pflegeversicherungsbeiträge
nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zur Beitragsbemessungsgrenze
(§
55 SGB XI) erhoben. §
55 Abs
1 SGB XI regelt den Beitragssatz. Er betrug in der hier streitigen Zeit bundeseinheitlich 1,7 vH der beitragspflichtigen Einnahmen
der Mitglieder. Nach §
55 Abs
3 S 1
SGB XI (eingefügt durch Art 1 KiBG vom 15.12.2004, BGBl I 3448) erhöht sich der Beitragssatz nach Abs 1 S 1 und 2 für Mitglieder nach Ablauf des Monats,
in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet haben, um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten (Beitragszuschlag
für Kinderlose). Den Beitragszuschlag für Kinderlose tragen grundsätzlich die Mitglieder (§
58 Abs
1 S 3, §
59 Abs
5 SGB XI). Kein Beitragszuschlag ist nach §
55 Abs
3 S 2
SGB XI von versicherten Eltern iS des §
56 Abs
1 S 1 Nr
3 und Abs
3 Nr
2 und
3 SGB I zu entrichten. Keinen Beitragszuschlag zahlen auch vor dem 1.1.1940 geborene Versicherte, Wehr- und Zivildienstleistende
und Bezieher von Arbeitslosengeld II (§
55 Abs
3 S 7
SGB XI). §
57 Abs
1 S 1
SGB XI bestimmt, dass bei Mitgliedern der Pflegekasse, die in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, für die
Beitragsbemessung ua §
226 SGB V gilt. Nach §
58 Abs
1 S 1
SGB XI tragen die versicherungspflichtigen Beschäftigten, die in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, und
ihre Arbeitgeber die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte. Dass die Pflegeversicherungsbeiträge
der Klägerin in der Zeit vom 9.1. bis 15.4.2008 in zutreffender Anwendung dieser Vorschriften erhoben wurden, ist zwischen
den Beteiligten nicht im Streit.
Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen über den Beitragszuschlag für Kinderlose das sPV-Urteil des BVerfG (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) umgesetzt (vgl dazu bereits BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 10). Das BVerfG hatte in dieser Entscheidung die damaligen beitragsrechtlichen Vorschriften
§ 54 Abs 1 und
2, §
55 Abs
1 S 1 und Abs
2 sowie §
57 SGB XI für unvereinbar mit Art
3 Abs
1 iVm Art
6 Abs
1 GG erklärt, soweit Mitglieder der sPV mit Kindern mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag belastet wurden wie Mitglieder
ohne Kinder. Es hat ausgeführt, dass Art
3 Abs
1 iVm Art
6 Abs
1 GG dadurch verletzt ist, dass die Betreuung und Erziehung von Kindern als konstitutive Leistung für das Pflegeversicherungssystem
bei der Bemessung von Beiträgen beitragspflichtiger Versicherter keine Berücksichtigung findet. Dadurch wird die Gruppe der
Versicherten mit Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV, die aus dieser Betreuungs- und Erziehungsleistung im Fall
ihrer Pflegebedürftigkeit Nutzen ziehen, in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Wird dieser "generative Beitrag" nicht
mehr in der Regel von allen Versicherten erbracht, führt dies zu einer spezifischen Belastung kindererziehender Versicherter
im Pflegeversicherungssystem, deren benachteiligende Wirkung auch innerhalb dieses Systems auszugleichen ist.
Das BVerfG hat damit verbindlich entschieden, dass der Nachteil kindererziehender Versicherter bzw der Vorteil kinderloser
Versicherter in der sPV systemspezifisch beitragsrechtlich zu kompensieren ist. Für die vom BVerfG geforderte beitragsrechtliche
Kompensation des Nachteils kindererziehender Versicherter in der sPV hat der Gesetzgeber allerdings nicht die Beiträge der
Versicherten mit Kindern - etwa (allein) anknüpfend an den Tatbestand ihrer Elterneigenschaft oder sogar in Abhängigkeit von
der Kinderzahl - reduziert, sondern die Beiträge für Kinderlose um 0,25 Beitragssatzpunkte erhöht.
b) Der Aussetzung des Verfahrens und der Vorlage an das BVerfG gemäß Art
100 Abs
1 GG bedurfte es nicht. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass die hier einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts
der sPV unter Einschluss ihrer Änderungen in Umsetzung des sPV-Urteils verfassungswidrig sind, soweit danach der Pflegeversicherungsbeitrag
bei Eltern mit mehreren Kindern nicht wegen eines höheren Betreuungs- und Erziehungsaufwandes in Abhängigkeit von der Kinderzahl
- wie von der Klägerin gefordert - zu mindern ist. Die Klägerin kann nicht unter Hinweis auf das sPV-Urteil, dh Art
3 Abs
1 iVm Art
6 Abs
1 GG in der Anwendung dieses Prüfungsmaßstabes durch das BVerfG, beanspruchen, wegen des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für
ihre Kinder beitragsrechtlich weitergehend - als mit dem KiBG bereits geschehen - entlastet zu werden. Es ist nicht ersichtlich,
dass der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers durch das sPV-Urteil in der von der Klägerin behaupteten Weise eingeschränkt
war (dazu aa). Bei der Ausfüllung des ihm insoweit zustehenden Gestaltungsspielraums hat der Gesetzgeber die ihm eingeräumte
Befugnis zur Generalisierung und Typisierung bei der Ordnung von Massenerscheinungen nicht überschritten (dazu bb).
aa) Das BVerfG stellt in seinem sPV-Urteil - abweichend von der Ansicht der Klägerin - nicht auf die jeweilige Anzahl der
betreuten und erzogenen Kinder ab. Der Gesetzgeber des KiBG hat dieses Urteil nicht deshalb missachtet, weil §
55 Abs
3 SGB XI lediglich einen Beitragszuschlag für Kinderlose anordnet, aber keine Differenzierung nach der Kinderzahl enthält. Der Entscheidungsspielraum
des Gesetzgebers war durch das sPV-Urteil nicht in der von der Klägerin geltend gemachten Weise verengt.
Wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15, 17) hat die Entscheidung des Gesetzgebers, Kinderlose mit einem erhöhten Beitrag zu belasten,
Versicherte mit Kindern aber ohne Unterscheidung nach der Kinderzahl, (allein) in Anknüpfung an ihre Elterneigenschaft weiter
Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz zahlen zu lassen, die vom BVerfG geforderte relative Beitragsentlastung
bewirkt. Es ist nicht erkennbar, dass danach verfassungsrechtlich zusätzlich eine Reduzierung der (eigenen) Pflegeversicherungsbeiträge
von Eltern ggf in Abhängigkeit von der Zahl der Kinder - etwa durch die Berücksichtigung eines dem Beitragszuschlag für Kinderlose
entsprechenden Nachlasses für jedes weitere Kind - geboten gewesen wäre. An dieser Bewertung des sPV-Urteils hält der Senat
fest. Die von der Klägerin geforderte Regelung würde demgegenüber zu Beitragsausfällen führen, die mit Beitragssatzerhöhungen
für andere Pflegeversicherte kompensiert werden müssten; bei angestrebter Beibehaltung des Beitragsaufkommens hätte das zur
Folge, dass Kinderlose (noch) höhere Pflegeversicherungsbeiträge zahlen müssten (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15).
Zwar formuliert das BVerfG im sPV-Urteil, dass den Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall ein Vorteil aus der Erziehungsleistung
anderer beitragspflichtiger Versicherter erwächst, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil auf Konsum und Vermögensbildung
verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 mwN). An anderer Stelle wird ausgeführt, dass der danach zwischen Eltern und kinderlosen
Personen vorzunehmende Ausgleich jedenfalls durch Regelungen erfolgen muss, die die Elterngeneration während der Zeit der
Betreuung und Erziehung entlasten; denn die Beiträge, die von der heutigen Kindergeneration später im Erwachsenenalter auch
zugunsten pflegebedürftiger kinderloser Versicherter geleistet werden, basieren maßgeblich auf den Erziehungsleistungen ihrer
heute versicherungspflichtigen Eltern. Die hiermit verbundene Belastung der Eltern tritt in deren Erwerbsphase auf und ist
deshalb auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22 mwN).
Vor diesem Hintergrund ist der Klägerin zwar einzuräumen, dass die Erziehung von mehreren Kindern auch zu entsprechend größeren
Erziehungslasten führt und Konsumverzicht und Vermögensbildung nicht nur abhängig vom Einkommen, sondern insbesondere auch
von der Kinderzahl größer oder kleiner ausfallen (so auch die Ausführungen des Bundesrates in seiner Unterrichtung des Bundestages
über die Anrufung des Vermittlungsausschusses zum KiBG: BT-Drucks 15/4176 unter a; ebenso Bauer/Krämer, NJW 2005, 180, 181 f). Das BVerfG zieht jedoch in seinen Ausführungen gerade nicht den Schluss, dass ein Nachteilsausgleich nur durch eine
Beitragsentlastung der Eltern - ggf gestaffelt nach der Kinderzahl - erfolgen könne. Vielmehr verweist es darauf, dass dem
Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten offenstehen, die Verfassungswidrigkeit zu beseitigen. Das
GG verpflichtet den Gesetzgeber - so das BVerfG - lediglich dazu, beitragspflichtige Versicherte mit einem oder mehreren Kindern
gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV bei der Bemessung der Beiträge relativ zu entlasten. Insoweit ist er von Verfassungs
wegen verpflichtet, eine Lösung zu wählen, die Unterhaltsverpflichtete bereits ab dem ersten Kind relativ entlastet. Das ist
zwar nicht in der Weise geschehen, dass eine individuelle, die jeweilige konkrete Familiensituation erfassende Beitragsvergünstigung
für versicherte Eltern gewährt wird, sondern indem kinderlosen Versicherten generalisierend eine zusätzliche Belastung in
Form eines höheren Beitragssatzes allgemein auferlegt wird.
bb) War der Gesetzgeber danach in den geschilderten Grenzen frei zu entscheiden, wie er Versicherte mit einem Kind oder mehreren
Kindern im Hinblick auf ihren Betreuungs- und Erziehungsaufwand gegenüber kinderlosen Mitgliedern bei der Bemessung der Pflegeversicherungsbeiträge
relativ entlastete, so hat er hier bei der Ausgestaltung eines den verfassungsgerichtlichen Vorgaben entsprechenden Beitragsrechts
der sPV durch das KiBG die ihm von Verfassungs wegen im Sozialrecht gezogenen Grenzen für generalisierende bzw typisierende
Regelungen eingehalten (vgl allgemein zu der hier bestehenden Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers BVerfG SozR 4-3300 § 55
Nr 3 RdNr 9-11).
Jede Norm muss verallgemeinern. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen wie bei der Beitragsbemessung in der sPV (vgl - zur
Beitragsbemessung bei freiwillig Versicherten der GKV - BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 39, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 240 Nr 25 vorgesehen) sind generalisierende, typisierende
und pauschalierende Regeln allgemein als notwendig anerkannt und vom BVerfG im Grundsatz ständig als verfassungsrechtlich
unbedenklich angesehen worden (vgl BVerfGE 17, 1, 23; aus der letzten Zeit BVerfGE 113, 167, 236; stRspr); der Gesetzgeber ist dabei gezwungen, aber auch berechtigt, sich am Regelfall zu orientieren. Unbedenklich
ist eine Typisierung aber nur, soweit eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen benachteiligt wird und der Grundrechtsverstoß
nicht sehr intensiv ist (vgl BVerfGE 26, 265, 275 f; aus jüngerer Zeit BVerfGE 133, 377, 413); wesentlich für die Zulässigkeit einer typisierenden Regelung ist hierbei auch, ob eine durch sie entstehende Ungerechtigkeit
nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wäre (vgl BVerfGE 63, 119, 128; BVerfGE 133, 377, 413).
Hieran gemessen ist die Entscheidung des Gesetzgebers, bei der Bemessung der Beiträge zur sPV von Mitgliedern mit Kindern
nicht nach der Kinderzahl zu differenzieren, nicht zu beanstanden. Das Gesetz behandelt die von der Klägerin in der streitigen
Zeit repräsentierte Personengruppe - Eltern mit drei Kindern - und Eltern mit (nur) einem Kind oder zwei Kindern zwar gleich,
weil alle Eltern weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz bzw ohne (weitere) dem Beitragszuschlag
für Kinderlose entsprechende Nachlässe für Kinder zahlen. Die hierdurch entstehenden Härten und Ungerechtigkeiten sind jedoch
hinzunehmen.
Der Senat hat bereits entschieden, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Beitragsrechts in der sPV durch das KiBG
vom Regelfall ausgegangen ist und so die vom BVerfG geforderte relative Entlastung gegenüber Kinderlosen an das (bloße) Vorhandensein
bereits eines Kindes knüpfen sowie ab dessen Geburt eine dauerhafte Beitragsentlastung vorsehen durfte (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). So lebten im Jahr 2008 in 15,6% aller Privathaushalte ein Kind, in 11% aller Privathaushalte
zwei Kinder, in 2,8% der Privathaushalte - wie die Klägerin einen führte - drei Kinder, in 0,6% vier Kinder und in 0,2% fünf
Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Haushalte und Familien. Ergebnisse des Mikrozensus
2008, 2009). Die geforderte Berücksichtigung des "generativen Beitrags" reicht vor diesem Hintergrund aus, um typisierend
an die Stellung als Eltern als solche, dh die Elterneigenschaft, anzuknüpfen, ohne dass etwa nach tatsächlichem Umfang oder
tatsächlicher Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung differenziert werden müsste; die Entlastung kann bei der Beitragsbemessung
durch die Berücksichtigung allein der Tatsache geschehen, dass bei einem Versicherten betreuungs- bzw erziehungsbedürftige
Kinder vorhanden sind. Auch das hat der Senat in der genannten Entscheidung bereits ausgeführt (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). Nichts anderes kann für einen tatsächlich erhöhten Umfang bzw eine tatsächlich längere
Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung infolge einer größeren Kinderzahl gelten. Soweit gesetzliche Verallgemeinerungen
auf einer möglichst weiten, alle betroffenen Personengruppen einschließenden Beobachtung aufbauen, ist der Gesetzgeber nicht
gehalten, allen Besonderheiten durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (BVerfGE 96, 1, 6 mwN; zuletzt BVerfGE 133, 377, 412 mwN).
c) Ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung von Pflegeversicherungsbeiträgen für die Zeit vom 9.1. bis 15.4.2008, der im Übrigen
auch nur auf die von ihr (wirtschaftlich) getragenen Arbeitnehmeranteile gerichtet sein könnte (§
26 Abs
3 S 1
SGB IV), besteht bereits deshalb nicht, weil diese Beiträge nicht iS von §
26 Abs
2 SGB IV zu Unrecht entrichtet wurden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.