Inhalt und Aufbau einer Rechtsmittelbegründung
Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung
1. Die Pflicht zur schriftlichen Begründung des Rechtsmittels soll eine umfassende Vorbereitung des Revisionsverfahrens gewährleisten;
daher muss nach ständiger Rechtsprechung des BSG die Revision sorgfältig und nach Umfang und Zweck zweifelsfrei begründet werden.
2. Es ist darzulegen, dass und weshalb die Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht geteilt wird; die Revisionsbegründung
muss nicht nur die eigene Meinung des Revisionsklägers wiedergeben, sondern sich - zumindest kurz - mit den Entscheidungsgründen
des angefochtenen Urteils auseinandersetzen und erkennen lassen, dass und warum die als verletzt gerügte Vorschrift des materiellen
Rechts nicht oder nicht richtig angewandt worden ist.
3. Aus dem Inhalt der Darlegung muss sich ergeben, dass der Revisionskläger sich mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung
rechtlich auseinandergesetzt hat, und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung
ist.
4. Hierzu reicht es nicht aus, lediglich Rechtsansichten der Vorinstanz als "unrichtig" zu bezeichnen und auf deren Unvereinbarkeit
mit den eigenen hinzuweisen.
5. Erforderlich ist vielmehr, dass anhand der Revisionsbegründung sicher erkennbar ist, dass der Prozessbevollmächtigte des
Revisionsklägers das Urteil geprüft hat; als Ergebnis der Prüfung hat er dann dem BSG die Gründe darzulegen, die das Urteil nach seiner Meinung unrichtig erscheinen lassen.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten darüber, inwieweit nach den Bestimmungen des SGB VIII gewährte Leistungen zum Unterhalt des Kindes oder des Jugendlichen der Beitragserhebung in der gesetzlichen Krankenversicherung
und sozialen Pflegeversicherung zugrunde zu legen sind.
Die 1958 geborene Klägerin betreute seit 1994 zwei Pflegekinder in Vollzeitpflege gemäß § 33 SGB VIII. Sie erhielt ein monatliches Pflegegeld, das sich aus einem Grundbetrag für materielle Aufwendungen (670 Euro für das eine
und 492 Euro für das andere Kind) sowie aus einem "Erziehungsbeitrag" in Höhe von 959 Euro je Kind zusammensetzte.
Die Klägerin ist freiwilliges Mitglied der beklagten Krankenkasse und Pflichtmitglied der beigeladenen Pflegekasse. Durch
Bescheid vom 22.2.2011 hob die Beklagte ihren früheren Beitragsbescheid vom 4.1.2011, in dem sie eine Beitragsbemessung nach
der Mindestbemessungsgrundlage vorgenommen hatte, auf und legte der Beitragsbemessung ab 1.2.2011 den Erziehungsbeitrag von
insgesamt 1918 Euro als beitragspflichtige Einnahme zugrunde. Mit Schreiben vom 9.5.2011 führte sie aus, dass das Vertrauen
der Klägerin in den Bestand der vorangegangenen Bescheide nicht schutzwürdig sei. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte
durch Widerspruchsbescheid vom 14.3.2012 zurück. Das SG hat die Bescheide der Beklagten vom 22.2.2011 und 9.5.2011 sowie den Widerspruchsbescheid vom 14.3.2012 aufgehoben und die
Beklagte verurteilt, die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ohne Berücksichtigung der Erziehungsbeiträge gemäß §
39 SGB VIII zu berechnen (Urteil vom 18.7.2012).
Auf die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe zu Recht den Beitragsbescheid vom 4.1.2011 nach § 45 Abs 1 SGB X aufgehoben, weil er von Anfang an rechtswidrig gewesen sei. Grundlage der Beitragsfestsetzung seien §
252 Abs
1 S 1 und §
250 Abs
2 SGB V sowie §
60 Abs
1 S 1 und §
59 Abs
4 S 1
SGB XI. Bei freiwilligen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung sei nach §
240 Abs
1 S 2
SGB V sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtige.
Der Erziehungsbeitrag sei der Beitragserhebung zugrunde zu legen, weil er von der Pflegeperson zum eigenen Lebensunterhalt
verbraucht werden könne, da er als Anerkennung und Abgeltung der von ihr erbrachten Erziehungsleistung ausgezahlt werde. Nach
den zum SGB VIII ergangenen einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen (Hessischer Pflegegelderlass) würden Pauschalbeträge gewährt, die
sich aus einem Grundbetrag für materielle Unterhaltskosten und einem Erziehungsbeitrag für die Kosten der Erziehung zusammensetzten.
Durch den nach Altersstufen gestaffelten Grundbetrag solle der gesamte regelmäßig wiederkehrende Lebensbedarf des Kindes oder
Jugendlichen gedeckt werden. Er enthalte insbesondere die Aufwendungen für Ernährung, Unterkunft, Bekleidungsergänzung, Reinigung,
Körperpflege, Hausrat, laufenden Schulbedarf, Bildung und Unterhaltung sowie Taschengeld und Versicherung. Neben dem Grundbetrag
werde der Erziehungsbeitrag gewährt, durch den die Erziehungsleistung der Pflegeperson in angemessener Weise anerkannt werden
solle. Der Erziehungsbeitrag sei zwar kein Lohn, da Pflegeeltern hierüber jedoch frei verfügen könnten, stehe er ihnen auch
zum Bestreiten ihres Lebensunterhalts zur Verfügung. Dies ergebe sich auch aus den Gesetzesmaterialien zum SGB VIII, wonach das Recht der Pflegeeltern, den Erziehungsbeitrag behalten zu dürfen, dem Anspruch eines Kinderheims auf Deckung
der Kosten der Heimunterbringung, in denen die Personalkosten der Erzieher enthalten seien, gleich stehe. Zwar diene der Erziehungsbeitrag
nicht primär der Sicherung des Lebensunterhalts der Pflegeperson, er sei aber gleichwohl als Honorierung der Erziehungsleistungen
bestimmt. Die rechtliche Zuordnung des Erziehungsbeitrags zum Personensorgeberechtigten bzw zum Pflegekind bringe lediglich
zum Ausdruck, dass er sich am Pflege- und Erziehungsbedarf auszurichten habe. Er werde hierdurch nicht zu einem "durchlaufenden
Posten". Pflegepersonen komme ein umfassender Gestaltungsspielraum zu, wie sie diesen Beitrag einsetzten, da die Kosten des
Sachaufwands für den Unterhaltsbedarf der Kinder bzw Jugendlichen bereits durch den Grundbetrag abgegolten würden. Das SG verkenne die Struktur des Anspruchs auf Pflegegeld nach § 39 Abs 1 SGB VIII, insbesondere den Unterschied zwischen Grundbetrag und Erziehungsbeitrag. Aus der Rechtsprechung des BSG zur Einkommensanrechnung im Geltungsbereich des SGB II lasse sich kein anderes Ergebnis ableiten. Das SG habe aufgrund der vom BSG herausgestellten Doppelfunktion des Erziehungsbeitrags zu Unrecht angenommen, dass der Erziehungsbeitrag in einem nicht abgrenzbaren
ideellen Anteil und in einem Anteil für materielle Kosten bestehe. Die Voraussetzungen des § 45 Abs 1 sowie Abs 2 SGB X - insbesondere in Bezug auf den zu prüfenden Vertrauensschutz - seien erfüllt (Urteil vom 22.8.2013).
Die Klägerin hat gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 16.9.2013 zugestellte Urteil am 30.9.2013 - die vom LSG zugelassene
- Revision eingelegt und mit Schriftsatz vom 15.11.2013, eingegangen beim BSG am Montag, den 18.11.2013, begründet. Sie wurde mit Verfügung des Vorsitzenden vom 25.7.2014 auf Zweifel an der Zulässigkeit
der Revision hingewiesen.
II
Die Revision der Klägerin ist unzulässig. Sie hat ihr Rechtsmittel nicht ausreichend begründet.
Gemäß §
164 Abs
2 S 1
SGG ist die Revision zu begründen. Nach Satz 3 der Bestimmung muss die Begründung einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte
Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben. Die Pflicht zur schriftlichen
Begründung des Rechtsmittels soll eine umfassende Vorbereitung des Revisionsverfahrens gewährleisten. Daher muss nach ständiger
Rechtsprechung des BSG die Revision sorgfältig und nach Umfang und Zweck zweifelsfrei begründet werden (s ua BSG Beschluss vom 25.6.2002 - B 2 U 32/01 R - Juris; BSGE 70, 186, 187 f = SozR 3-1200 § 53 Nr 4; BSG SozR 1500 § 164 Nr 12, 20, 25; BSG SozR 3-1500 § 164 Nr 9; BSG SozR 3-5555 § 15 Nr 1; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 12, jeweils mwN; BVerfG SozR 1500 § 164 Nr 17). Es ist darzulegen, dass und weshalb die Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht geteilt wird. Die Revisionsbegründung
muss nicht nur die eigene Meinung des Revisionsklägers wiedergeben, sondern sich - zumindest kurz - mit den Entscheidungsgründen
des angefochtenen Urteils auseinandersetzen und erkennen lassen, dass und warum die als verletzt gerügte Vorschrift des materiellen
Rechts nicht oder nicht richtig angewandt worden ist (vgl schon BSG SozR 1500 § 164 Nr 12; BSG Urteil vom 30.3.2011 - B 12 KR 23/10 R - Juris mwN). Aus dem Inhalt der Darlegung muss sich ergeben, dass der Revisionskläger sich mit den Gründen der angefochtenen
Entscheidung rechtlich auseinandergesetzt hat, und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer
Auffassung ist. Hierzu reicht es nicht aus, lediglich Rechtsansichten der Vorinstanz als "unrichtig" zu bezeichnen und auf
deren Unvereinbarkeit mit den eigenen hinzuweisen. Erforderlich ist vielmehr, dass anhand der Revisionsbegründung sicher erkennbar
ist, dass der Prozessbevollmächtigte des Revisionsklägers das Urteil geprüft hat; als Ergebnis der Prüfung hat er dann dem
BSG die Gründe darzulegen, die das Urteil nach seiner Meinung unrichtig erscheinen lassen (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des
sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kapitel IX RdNr 319 mwN).
Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung der Klägerin nicht gerecht.
Entgegen §
164 Abs
2 S 3
SGG bezeichnet die Klägerin bereits nicht die ihrer Meinung nach verletzte revisible Rechtsnorm. Eine ausdrückliche Bezeichnung
wäre insbesondere deshalb geboten gewesen, weil das LSG seine Entscheidung auf mehrere unterschiedliche gesetzliche und untergesetzliche
Bestimmungen gestützt hat.
Darüber hinaus setzt sich die Klägerin überhaupt nicht mit der angefochtenen Entscheidung, deren Entscheidungsgründe allein
einen Umfang von über elf Seiten haben, auseinander: Dies wird schon darin deutlich, dass sie auf Seite 2 der Revisionsbegründung
die ua auf landesrechtliche Bestimmungen des Jugendhilferechts gestützte Differenzierung des LSG zwischen Grundbetrag und
Erziehungsbeitrag ohne Angabe von Gründen ganz überwiegend nicht nachvollzieht und statt dessen nur ganz pauschal davon spricht,
entgegen der Ansicht des LSG stelle das gezahlte "Pflegegeld" keine Einnahme dar, da es nicht zum Lebensunterhalt zähle und
nicht zu ihrem Lebensunterhalt verbraucht werden könne. Auf Seite 3 der Revisionsbegründung nimmt sie zwar zum Charakter des
Erziehungsbeitrags Stellung, stellt zur Begründung ihrer These, wonach es sich nicht um Einkünfte zum Lebensunterhalt handele,
aber allein darauf ab, dass der Anspruch auf "entsprechendes Pflegegeld" nicht der Pflegeperson selbst zustehe. Aufbauend
auf der fehlenden Auseinandersetzung mit der vom LSG vorgenommenen konsequenten Differenzierung zwischen Grundbetrag und Erziehungsbeitrag
unterlässt die Klägerin auch eine Stellungnahme zur Frage der unterschiedlichen Zweckbestimmung der Leistungen; dazu bestand
aber deshalb Anlass, weil die Grundbeträge nach den Feststellungen des LSG je Kind unterschiedlich, die Erziehungsbeiträge
je Kind jedoch jeweils gleich hoch waren. Demzufolge geht die Klägerin - trotz umfangreicher und detaillierter Ausführungen
des LSG - auch nicht der naheliegenden Frage nach, inwieweit es sich bei den Leistungen um konkret bedarfsorientierte Leistungen
als Aufwendungsersatz oder pauschalierte Leistungen handelt und unterlässt Rückschlüsse zum (nur) im Streit stehenden Erziehungsbeitrag.
Anschließend wiederholt die Klägerin ihr Vorbringen aus dem Klage- und Berufungsverfahren, was in Formulierungen "wurde auch
bereits vorgetragen" und "Wie gesagt" deutlich wird. Auf Seite 3 unten der Revisionsbegründung führt sie lapidar aus, die
Begründung des LSG sei nicht nachvollziehbar, weil "dieser Betrag" doch eindeutig dem Pflegekind zugeordnet sei. Auf Seite
4 führt sie abschließend aus, das Berufungsurteil konterkariere die Anreizfunktion des Erziehungsbeitrags, ohne hierfür -
bis auf einen Hinweis auf ein Urteil des BSG zu § 11a SGB II - eine (rechtliche) Begründung in Bezug auf die einschlägigen, für die vorliegende Beitragsbemessung maßgebenden Normen und
Tatbestandsmerkmale zu geben.
Schließlich lässt die Revisionsbegründung der Klägerin nicht erkennen, ob und ggf weshalb revisible Normen des Beitragsrechts
durch die Entscheidung des LSG verletzt worden sein könnten. Sie macht insbesondere keinerlei Ausführungen zu den vorliegend
zentralen Bestimmungen des
SGB V (insbesondere §
240 Abs
1 S 2, Abs
2 SGB V) und denjenigen der "Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler" ("Einheitliche Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger
Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern
selbst zu entrichtenden Beiträge" vom 27.10.2008 idF vom 17.12.2008; zu deren Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht allgemein:
vgl BSGE 113, 1 = SozR 4-2500 § 240 Nr 17) sowie zu den einschlägigen beitragsrechtlichen Regelungen des
SGB XI zur Pflegeversicherung. Auch setzt sich die Klägerin überhaupt nicht mit der umfangreichen Rechtsprechung des Senats zur
Ermittlung der Einkünfte eines freiwilligen Mitglieds der gesetzlichen Krankenversicherung und zur Berücksichtigung auch von
bestimmten (Sozial-)Leistungen auseinander, obwohl das Berufungsurteil auch hierzu umfangreiche Ausführungen enthält (vgl
ua grundlegend BSGE 110, 62 = SozR 4-2500 § 240 Nr 16; aus neuerer Zeit: BSG SozR 4-2500 § 240 Nr 20 [Leibrenten]; BSG SozR 4-2500 § 240 Nr 22 [Promotionsstipendien]).
Die nicht hinreichend begründete Revision der Klägerin ist daher als unzulässig ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss
ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§
169 S 2 und 3
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.