Rüge der inhaltlichen Fehlerhaftigkeit eines Berufungsurteils
Inhalt des Anspruchs auf rechtliches Gehör
1. Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann nicht zur Zulassung der Revision führen.
2. Nötig ist vielmehr ein Vorbringen, dass geeignet ist, das Beschwerdegericht überhaupt in die Lage zu versetzen, das Vorliegen
des vermeintlichen Verfahrensmangels und damit die Begründetheit der Beschwerde zu prüfen.
3. Das BSG muss daher grundsätzlich allein aufgrund des Vorbringens der Beschwerdebegründung in der Lage sein zu beurteilen, ob die
Revision zuzulassen ist oder nicht.
4. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet nur, dass ein Kläger "gehört", nicht jedoch "erhört" wird.
Gründe:
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Frage, ob die Beklagte
mit den vorliegend angefochtenen Bescheiden (Bescheid vom 14.5.2008, Widerspruchsbescheid vom 20.1.2009) einen Bescheid vom
18.7.2006 aufheben durfte, in dem - insoweit unstreitig - nach einem Antrag der Klägerin auf freiwillige Versicherung in der
gesetzlichen Krankenversicherung Beiträge hierzu sowie zur sozialen Pflegeversicherung festgesetzt wurden. Umstritten ist
insbesondere, ob dieser Bescheid auch eine Feststellung über das Nichtvorliegen von Versicherungspflicht der Klägerin in der
gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung enthält.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 26.2.2014 ist
in entsprechender Anwendung von §
169 S 2 und 3
SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen §
160a Abs
2 S 3
SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl
BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
Die Klägerin beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 13.6.2014 ausschließlich auf das Vorliegen von Verfahrensmängeln
(Zulassungsgrund nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG).
1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 S 3
SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung
erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen
kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils im Sinne einer für den Beschwerdeführer günstigen Entscheidung
besteht (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4 mwN). Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (BSG SozR Nr 79 zu §
162 SGG; BSG SozR 1500 § 160 Nr 33). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht.
a) Die Klägerin macht zunächst einen Verfahrensmangel in Form eines Verstoßes des LSG gegen das Verbot der reformatio in peius
sowie gegen die Bindung an den Verfahrensgegenstand und gegen §
123 SGG geltend. Das LSG habe den Gegenstand des Berufungsbegehrens verkannt, weil es im Tenor seines Urteils, der unter Zuhilfenahme
der Entscheidungsgründe auszulegen sei, "über den angefochtenen Bescheid vom 14. Mai 2008 hinaus auch über das Nichtbestehen
(irgend)einer Statusfeststellung nach §
28h Abs.
2 SGB IV entschieden und diese verneint hat". Darüber hinaus habe das LSG - ebenfalls über den Gegenstand des angefochtenen Bescheides
vom 14.5.2008 hinaus - auch noch eine eigene Statusfeststellung durchgeführt und das Vorliegen von insbesondere Renten- und
Arbeitslosenversicherungspflicht bei der Klägerin für die Zeit vom 1.10.1989 bis zum 1.10.2010 festgestellt. Dadurch habe
das Gericht die Klägerin gleichzeitig schlechter gestellt, als dies vor Klage und Berufung der Fall gewesen sei.
Den genannten Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Verfahrensmängel genügt die Beschwerde vorliegend schon
deshalb nicht, weil sie nicht anhand von Tenor und Entscheidungsgründen des LSG hinreichend klar herausarbeitet, welchen tragenden,
der Rechtskraft fähigen Gehalt dieses Urteil (verfahrensrechtlich) überhaupt hat. Sie nimmt dazu nicht in den Blick, dass
mit Bescheid vom 14.5.2008 und Widerspruchsbescheid vom 20.1.2009 jedenfalls das Bestehen von Versicherungspflicht in der
Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung ab 1.6.2008 sowie in der Rentenversicherung ab 1.10.1989 bejaht wurde. Die
Klägerin hat - nach der Würdigung des SG - schon erstinstanzlich ohne Erfolg beantragt, diese Bescheide aufzuheben und das Fehlen der Versicherungspflicht in allen
Zweigen der Sozialversicherung in der Zeit vor dem 1.10.2010 festzustellen. Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen
und zwar ausgehend davon, dass der Bescheid vom 18.7.2006 in Bezug auf Kranken- und Pflegeversicherung ab 1.6.2008 aufzuheben
gewesen sei und bezüglich der Renten- und Arbeitslosenversicherung "durchgehend seit September 1989 ... bis zum 30. September
2010 weiterbestanden" habe, ohne dass es insoweit einer Aufhebung vorangegangener Bescheide bedurft habe. Weshalb die zwischen
den Beteiligten umstrittene Frage nach den Auswirkungen des von der Beklagten aufgehobenen vorangegangenen Bescheides vom
18.7.2006 zu einem Verstoß des LSG gegen die für das sozialgerichtliche Verfahren geltenden Regelungen geführt haben sollte,
wird nach dem Vorbringen der Klägerin im Beschwerdeverfahren nicht hinreichend deutlich. Nähere Ausführungen dazu mussten
sich indessen aufdrängen, weil die von der Beklagten vorgenommene Aufhebung des Bescheides vom 18.7.2006 in erster Linie verwaltungsverfahrensrechtliche
- also materiell-rechtliche - Bedeutung gehabt haben dürfte, nicht aber prozessrechtliche Relevanz. Mit anderen Worten: Es
bleibt insoweit unklar, ob der Kern des Streits zwischen den Beteiligten nicht nur in einer unterschiedlichen - im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
unerheblichen - materiell-rechtlichen Würdigung des Gehalts von Bescheiden sowie über ihre Folgewirkungen für die Zukunft
liegt, sondern dass hier tatsächlich ein Fehler des Gerichts auf seinem Weg zum Urteil mit Auswirkungen auf einen der Klägerin
günstigeren Verfahrensausgang vorliegen kann.
Nötig ist ein Vorbringen, dass geeignet ist, das Beschwerdegericht überhaupt in die Lage zu versetzen, das Vorliegen des vermeintlichen
Verfahrensmangels und damit die Begründetheit der Beschwerde zu prüfen. Das BSG muss daher grundsätzlich allein aufgrund des Vorbringens der Beschwerdebegründung in der Lage sein zu beurteilen, ob die
Revision zuzulassen ist oder nicht (vgl zB BSG Beschluss vom 3.3.2014 - B 10 LW 16/13 B - Juris RdNr 12; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, §
160a RdNr 13e mwN).
b) Wenn die Klägerin darüber hinaus zwei Gehörsverletzungen (Art
103 Abs
1 GG, §
62 SGG) rügt, verfehlt sie ebenfalls die genannten Anforderungen. Insoweit hätte in der Beschwerdebegründung konkret dargelegt werden
müssen, welchen Vortrag genau das LSG vermeintlich übergangen hat und dass dieser Vortrag bis zur Entscheidung des LSG aufrechterhalten
worden ist. Zugleich hätte dargelegt werden müssen, aus welchen Umständen sich ergibt, dass das LSG diese Argumente nicht
zur Kenntnis genommen und erwogen hat. Hieran fehlt es. Statt dessen macht die Klägerin geltend, das LSG habe unzulässigerweise
in einem Zirkelschluss aus dem vermeintlichen Vorliegen von Beschäftigung auf die Nichtexistenz einer entgegenstehenden Feststellung
der Beklagten geschlossen und hierbei übersehen, dass die materielle Bindungswirkung eines Verwaltungsaktes nach §
28h Abs
2 SGB IV sich nicht auf die materielle Verwirklichung der Tatbestandsvoraussetzungen erstrecke, sondern lediglich der Adressat den
Anspruch habe, entsprechend des Ergebnisses der Beurteilung behandelt zu werden. Zudem habe das LSG eine falsche Rechtsgrundlage
verwendet, da der Bescheid der Beklagten vom 18.7.2006 für sie (die Klägerin) entgegen der rechtlichen Würdigung des LSG ausschließlich
nachteilig gewesen sei.
Allein der Umstand, dass das LSG von der Klägerin nicht näher konkretisierten, möglicherweise einen anderen Standpunkt einnehmenden
Ausführungen im Berufungsverfahren nicht gefolgt ist, begründet indessen keinen Gehörsverstoß. Denn der Anspruch auf rechtliches
Gehör gewährleistet nur, dass ein Kläger "gehört", nicht jedoch "erhört" wird (BSG Beschluss vom 18.12.2012 - B 13 R 305/11 B - Juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 9.5.2011 - B 13 R 112/11 B - Juris RdNr 9). Nach dem Inhalt ihrer Ausführungen rügt die Klägerin im Kern auch keine Gehörsverletzung, sondern wendet
sich gegen die materielle Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung. Hierauf kann jedoch - wie oben dargelegt - die Beschwerde
gegen die Nichtzulassung der Revision nicht gestützt werden.
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des §
193 SGG.