Beitragspflicht zur Sozialversicherung
Statusfeststellungsverfahren
Grundsatzrüge
Klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage
Bereits geklärte Rechtsfrage
Erneute Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen,
welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit
oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten
(Klärungsfähigkeit) ist.
2. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits höchstrichterlich entschieden ist.
3. Zwar kann auch eine bereits höchstrichterlich entschiedene Frage erneut klärungsbedürftig werden, doch ist hierfür darzulegen,
dass und mit welchen Gründen der höchstrichterlichen Rechtsprechung widersprochen worden ist oder dass sich völlig neue, nicht
erwogene Gesichtspunkte ergeben haben, die eine andere Beurteilung nahelegen könnten.
4. Mit dem Hinweis darauf, die Rechtsprechung des BSG sei "missverständlich", ist die (erneute) Klärungsbedürftigkeit nicht dargetan.
Gründe:
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens
darüber, ob der Beigeladene zu 1. in seiner für die klagende GmbH & Co.KG als Kommanditist und Mitglied der Geschäftsleitung
ausgeübten Tätigkeit als Berater in Fragen des Gesellschaftsgegenstands aufgrund einer Beschäftigung vom 1.9.2008 bis zu seinem
Ausschluss aus der Gesellschaft am 24.9.2010 der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterlag (Bescheid
vom 24.1.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.7.2011). Das SG Itzehoe hat die Klage abgewiesen (Urteil vom
15.4.2014). Das Schleswig-Holsteinische LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 23.2.2017). Gegen die Nichtzulassung
der Revision wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen
(§
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 SGG). Die Klägerin hat entgegen §
160a Abs
2 S 3
SGG die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG), der Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) und des Verfahrensmangels (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen,
welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit
oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten
(Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach
dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht
zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 RK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin misst der Frage, "wie Darlehensvereinbarungen zwischen dem Tätigen und dessen Vertragspartner im Rahmen der Tätigkeit
zu bewerten sind bzw. ob diese tatsächlich nach der jüngsten Rechtsprechung des BSG (in dann nicht offen gelegter Änderung der früheren Rechtsprechung) für die Beurteilung eines unternehmerischen Risikos unbeachtlich
sein sollen", eine grundsätzliche Bedeutung bei. Damit ist keine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur
Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§
162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN) formuliert worden. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage
ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11 mwN).
Selbst wenn eine Rechtsfrage als aufgeworfen unterstellt würde, wäre jedenfalls die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage nicht
dargelegt. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits höchstrichterlich entschieden ist. Die Klägerin
weist indes selbst auf das Urteil des BSG vom 11.11.2015 (B 12 R 2/14 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 27) hin. Zwar kann auch eine bereits höchstrichterlich entschiedene Frage erneut klärungsbedürftig
werden, doch ist hierfür darzulegen, dass und mit welchen Gründen der höchstrichterlichen Rechtsprechung widersprochen worden
ist oder dass sich völlig neue, nicht erwogene Gesichtspunkte ergeben haben, die eine andere Beurteilung nahelegen könnten
(BSG Beschluss vom 3.8.2016 - B 12 P 4/15 B - Juris RdNr 5 mwN). Daran fehlt es hier. Mit dem Hinweis darauf, die Rechtsprechung des BSG sei "missverständlich", ist die (erneute) Klärungsbedürftigkeit nicht dargetan.
Ungeachtet dessen ist auch die über den Einzelfall hinausgehende allgemeine Bedeutung (Breitenwirkung) und Klärungsfähigkeit
nicht aufgezeigt worden.
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung
beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen
rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen
Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht
die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern
die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon
dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere
rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).
Sich widersprechende Rechtssätze sind mit der Beschwerde aber nicht dargelegt worden. Die Klägerin beschreibt vielmehr die
für das LSG entscheidenden Gesichtspunkte und stellt dem allgemein die Rechtsprechung des BSG gegenüber. Zudem ist nicht dargelegt worden, dass das LSG die Rechtsprechung des BSG nicht nur nicht beachtet oder unzutreffend angewandt, sondern auch infrage gestellt hätte. Im Ergebnis rügt die Klägerin
insoweit lediglich eine vermeintliche inhaltliche Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils. Hierauf kann aber eine Beschwerde
gegen die Nichtzulassung der Revision nicht gestützt werden. Im Übrigen ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen, weshalb
die angegriffene Entscheidung des LSG auf den geltend gemachten Abweichungen beruhen soll.
3. Die gerügte Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art
103 Abs
1 GG, §
62 SGG) ist ebenfalls nicht hinreichend bezeichnet. Mit ihm soll zwar verhindert werden, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung
überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten
(BSG Urteil vom 16.3.2016 - B 9 V 6/15 R - SozR 4-3100 § 60 Nr 7 RdNr 26; BVerfG Beschluss vom 29.5.1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188, 190). Unabhängig davon, dass ein Prozessgericht grundsätzlich nicht verpflichtet ist, die für die richterliche Überzeugungsbildung
möglicherweise leitenden Gesichtspunkte vorher mit den Beteiligten zu erörtern (BSG Beschluss vom 21.6.2000 - B 5 RJ 24/00 B - SozR 3-1500 § 112 Nr 2 S3 mwN), ist eine Überraschungsentscheidung aber nur dargetan, wenn nicht nur aufgezeigt wird,
welches Vorbringen ggf verhindert worden ist, sondern auch ausgeführt wird, inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf
beruhen kann (BSG Beschluss vom 1.8.2017 - B 13 R 323/16 B - Juris RdNr 15). Insoweit wäre darzulegen gewesen, dass das LSG bei Gewährung rechtlichen Gehörs zu einem für die Klägerin
günstigeren Ergebnis und damit zu einer gegenteiligen Gesamtwürdigung der für und gegen eine Beschäftigung des Beigeladenen
zu 1. sprechenden Umstände gekommen wäre (BSG Beschluss vom 24.10.2013 - B 13 R 253/13 B - Juris RdNr 12). Daran fehlt es hier.
Ferner ist die Rüge der Klägerin, das LSG habe sein Vorbringen nicht berücksichtigt und auch deshalb den Anspruch auf rechtliches
Gehör verletzt, nicht hinreichend aufgezeigt worden. Zwar soll er sicherstellen, dass die Ausführungen der Beteiligten vom
Gericht in seine Erwägungen miteinbezogen werden. Das Gericht muss jedoch nicht ausdrücklich jedes Vorbringen der Beteiligten
bescheiden. Vielmehr verpflichtet das Gebot des rechtlichen Gehörs nur, deren Darlegungen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung
zu ziehen. Es ist erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände klar ergibt, dass das Gericht dieser
Pflicht nicht nachgekommen ist (BVerfG [Kammer] Beschluss vom 25.3.2010 - 1 BvR 2446/09 - Juris RdNr 11 mwN; BVerfG Urteil vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205, 216). Solche Umstände sind der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §
197a Abs
1 S 1 Teils 1
SGG iVm § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 S 1 und Abs 3 sowie § 63 Abs 2 S 1 GKG.