Irrtum über Vertretungszwang
Sofortige Beschwerde
Statthaftigkeit einer Gegenvorstellung
1. Allein der möglicherweise bestehende Irrtum über die Möglichkeit, sich in einem Verfahren vor dem BSG selbst vertreten zu dürfen, kann eine Wiedereinsetzung nicht begründen.
2. Der Rechtsbehelf einer "sofortigen Beschwerde gem. §
160a Abs.
4 SGG" ist im sozialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehen.
3. Der Rechtsbehelf einer Gegenvorstellung kann zwar auch nach Einführung der Anhörungsrüge (§
178a SGG) unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin statthaft sein.
4. Die Zulässigkeit einer Gegenvorstellung setzt jedoch voraus, dass dem Betroffenen durch die Entscheidung grobes prozessuales
Unrecht zugefügt worden ist, das im Wege richterlicher Selbstkontrolle beseitigt werden muss.
Der Antrag des Klägers, ihm Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung
der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Oktober 2013 zu gewähren, wird abgelehnt.
Das Rechtsmittel des Klägers gegen den Beschluss des Senats vom 3. November 2014 - B 12 KR 100/13 B - wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Verfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Der Kläger hat gegen das ihm am 26.11.2013 zugestellte Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 10.10.2013, korrigiert durch
Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 27.1.2014, dem Kläger zugestellt am 29.1.2014, mit einem von ihm unterzeichneten
und am 28.11.2013 beim BSG eingegangenen Schreiben vom 25.11.2013 Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Nordrhein-W estfalen vom 10.10.2013 hat
der Senat gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 SGG durch Beschluss vom 3.11.2014 ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter als unzulässig verworfen, denn sie entsprach nicht der
gesetzlichen Form. Die Beschwerde konnte, worauf der Kläger in der korrigierten Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils
und mit Schreiben des Vorsitzenden des 12. Senats vom 2.12.2013 ausdrücklich hingewiesen worden ist, wirksam nur durch einen
beim BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist, die vorliegend mit der erneuten Zustellung
am 29.1.2014 begann (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, §
66 RdNr 12b; Meissner in Schoch/Schneider/Bier,
VwGO, Stand Einzelkommentierung April 2013, §
58 RdNr 53; Schmidt in Eyermann,
VwGO, 14. Aufl 2014, vgl §
58 RdNr
16), eingelegt werden (§
73 Abs
4, §
160a Abs
1 S 2
SGG). Ausnahmen hiervon sehen die gesetzlichen Regelungen nicht vor. Wegen Fristablaufs konnte dieser Mangel nicht mehr behoben
werden. Einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) hatte der Kläger nicht gestellt. Hierauf sowie auf die entsprechende
grundsätzliche Möglichkeit der Gewährung von PKH wurde er sowohl in der Rechtsmittelbelehrung der angefochtenen Entscheidung
- erneut in ihrer korrigierten Form - sowie im Schreiben des damaligen Berichterstatters vom 27.2.2014 ausdrücklich hingewiesen.
Gegen den Beschluss des Senats vom 3.11.2014 hat der Kläger mit einem von ihm unterzeichneten Schreiben vom 16.11.2014 "sofortige
Beschwerde gem. §
160a Abs.
4 SGG" eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Grund hierfür sei, dass der Senat vergessen habe, dass er
(der Kläger) "Befugnis als ehrenamtlicher Richter i.S. § 10 Abs. 2 BVFG und §
112 Abs.
1 DRiG" habe und sich beim BSG selbst vertreten könne.
II
1. Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung ist abzulehnen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt nach §
67 Abs
1 SGG voraus, dass jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Solche Gründe sind weder
nach dem Vorbringen des Klägers noch aufgrund anderer Umstände erkennbar. Der Kläger hat weder behauptet, überhaupt an der
Einhaltung der Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen
vom 10.10.2013 oder zur Anbringung eines fristgemäßen Antrags auf PKH für dieses Verfahren gehindert gewesen zu sein, noch
hat er Gründe genannt, die ihn ohne Verschulden hieran gehindert haben könnten. Allein der bei ihm möglicherweise bestehende
Irrtum über die Möglichkeit, sich in diesem Verfahren vor dem BSG selbst vertreten zu dürfen, kann eine Wiedereinsetzung nicht begründen. Dieser Irrtum ist nicht unverschuldet, weil der Kläger
in der korrigierten Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils und mit Schreiben des Vorsitzenden des 12. Senats vom
2.12.2013 ausdrücklich auf die zutreffende Rechtslage hingewiesen worden ist.
2. Der Rechtsbehelf des Klägers ist als unzulässig zu verwerfen. Der von ihm benannte Rechtsbehelf einer "sofortigen Beschwerde
gem. §
160a Abs
4 SGG" ist im sozialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehen. Die in §
160a SGG geregelte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in einer Entscheidung eines LSG ist gegen Beschlüsse des BSG über eine solche Beschwerde nicht statthaft. Daher ist der Rechtsbehelf zugunsten des Klägers als Gegenvorstellung auszulegen.
Jedoch ist auch dieser Rechtsbehelf unzulässig.
Der Rechtsbehelf einer Gegenvorstellung kann zwar auch nach Einführung der Anhörungsrüge (§
178a SGG) unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin statthaft sein (BSG Beschluss vom 28.2.2013 - B 13 R 68/13 B - BeckRS 2013, 67729 RdNr 2 mwN). Die Zulässigkeit einer Gegenvorstellung setzt jedoch voraus, dass dem Betroffenen durch
die Entscheidung grobes prozessuales Unrecht zugefügt worden ist, das im Wege richterlicher Selbstkontrolle beseitigt werden
muss (BSG SozR 4-1500 § 60 Nr 7 RdNr 7; BSG SozR 4-1500 § 178a Nr 3 RdNr 5). Derartige Gründe hat der Kläger nicht vorgetragen. Entgegen seiner Ansicht gehört er nicht zu den nach §
73 Abs
4 S 2
SGG zur Vertretung vor dem BSG zugelassenen Personen oder Organisationen. Insbesondere ist er kein Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder
staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens
über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, iS des §
73 Abs
2 S 1
SGG. Diesen stehen auch Personen nicht gleich, die die Voraussetzungen für die Ausübung des Amtes eines ehrenamtlichen Richters
erfüllen. Dies ist kein grobes prozessuales Unrecht, sondern entspricht dem geltenden Recht.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.