Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung
Begriff der Divergenz
Darlegungserfordernisse für eine Divergenzrüge
1. Divergenz i.S. von §
160 Abs.
2 Nr.
2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde
gelegt sind.
2. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt oder
das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt
hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat.
3. Das LSG weicht damit nur dann i.S. von §
160 Abs.
2 Nr.
2 SGG von einer Entscheidung der dort genannten Gerichte ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben
Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage dieser Gerichte entgegensteht und der Berufungsentscheidung
tragend zugrunde liegt.
4. Die Beschwerdebegründung muss deshalb aufzeigen, welcher abstrakte Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Entscheidungen
enthalten ist, und welcher in der instanzabschließenden Entscheidung des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht,
und darlegen, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann.
Gründe:
Die Beteiligten streiten in dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit darüber, ob eine dem Kläger
als ehemaligem Hafenlotsen gewährte Leistung aus zwei Kapitallebensversicherungen, die auf einem Gruppenversicherungsvertrag
der Bundeslotsenkammer mit einem privaten Versicherungsunternehmen beruhen, in der gesetzlichen Krankenversicherung und der
sozialen Pflegeversicherung beitragspflichtig sind.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Hamburg vom 24.4.2014 ist in entsprechender
Anwendung von §
169 S 2 und 3
SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen §
160a Abs
2 S 3
SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Mit der Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, lässt sich die Revisionszulassung demgegenüber nicht
erreichen.
Der Kläger beruft sich in seiner Beschwerdebegründung vom 8.7.2014 zunächst auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) und sodann auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG).
1. Der Kläger macht auf Seite 3 bis 10 seiner Beschwerdebegründung eine Abweichung des Berufungsurteils (und des vom LSG herangezogenen
Urteils des BSG vom 10.6.1988 - 12 RK 35/86 - SozR 2200 § 180 Nr 43) von den Beschlüssen des BVerfG vom 28.9.2010 (1 BvR 1660/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 11) und vom 6.9.2010 (1 BvR 739/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 10) geltend.
Divergenz iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde
gelegt sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt
oder das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt
hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Das LSG weicht damit nur dann iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG von einer Entscheidung der dort genannten Gerichte ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben
Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage dieser Gerichte entgegensteht und der Berufungsentscheidung
tragend zugrunde liegt. Die Beschwerdebegründung muss deshalb aufzeigen, welcher abstrakte Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen
Entscheidungen enthalten ist, und welcher in der instanzabschließenden Entscheidung des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im
Widerspruch steht, und darlegen, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN).
Der Kläger sieht einen vom LSG aufgestellten "Rechtssatz" darin, dass dieses allein "an die Gesichtspunkte aus dem - zu dem
gleichen Gruppenversicherungsvertrag ergangenen - Urteil des Bundessozialgerichts vom 10.06.1988, 12 RK 35/86, anknüpft" und "insbesondere den Status des Klägers als Versicherungsnehmer der Kapitallebensversicherung nicht als ausreichend
ansieht, um zu einer berufsfremden Eigenvorsorge zu gelangen" (S 4 der Beschwerdebegründung). Im Folgenden stellt er die Entscheidung
des BSG vom 10.6.1988 im Einzelnen dar.
Als tragenden abstrakten Rechtssatz in den beiden Beschlüssen des BVerfG, denen die berufungsgerichtliche Entscheidung widersprechen
soll, arbeitet der Kläger heraus, dass die Abgrenzung beitragspflichtiger betrieblicher Altersversorgung von beitragsfreier
privater Eigenvorsorge nach Auffassung des BVerfG allgemein "ausschließlich nach dem objektiv greifbaren Tatbestandsmerkmal
der Eigenschaft des Versicherungsnehmers" vorzunehmen sei (S 5, 7 f). Zur Erläuterung vollzieht er die Entscheidung des BVerfG
vom 28.9.2010 im Einzelnen nach (S 5 ff) und weist darauf hin, dass der Schritt von der betrieblichen Altersvorsorge hin zur
privaten Eigenvorsorge hiernach ausdrücklich dann gemacht sei, wenn der Arbeitnehmer in die Stellung des Versicherungsnehmers
einrücke; in einem solchen Fall lasse sich die Leistung aus der Versicherung nicht mehr von solchen aus privaten Lebensversicherungen
unterscheiden. Soweit das BVerfG (nur) zu §
229 Abs
1 S 1 Nr
5 SGB V entschieden habe, sei hiervon zu abstrahieren und sei das beschriebene Abgrenzungsmerkmal (= Arbeitnehmer als Versicherungsnehmer)
auf den - hier streitgegenständlichen - Fall des §
229 Abs
1 S 1 Nr
3 SGB V zu übertragen (S 7, 10).
Mit diesem Vorbringen legt der Kläger keine entscheidungserhebliche Divergenz gemäß §
160a Abs
2 S 3
SGG dar. Der Senat kann offenlassen, ob er überhaupt einen tragenden abstrakten Rechtssatz des angefochtenen Berufungsurteils
in der gebotenen Weise herausarbeitet oder die vom LSG auf der Grundlage des Gesamtergebnisses des Verfahrens gefundene Lösung
nicht vielmehr nur nach eigenem Dafürhalten als einen solchen abweichenden Rechtssatz interpretiert; denn das LSG hat den
vom Kläger herangezogenen Beschluss des BVerfG vom 28.9.2010 in seinem Urteil ausdrücklich zitiert und den Gedanken, der für
das BVerfG bei seiner Entscheidung leitend gewesen ist, dort explizit benannt (vgl S 10 des Berufungsurteils). Jedenfalls
fehlt es an einer hinreichenden Darlegung des vom Kläger zum Ausgangspunkt seiner Divergenzrüge gemachten tragenden Rechtssatzes
des BVerfG und eines Widerspruchs zwischen den - angenommenen - Rechtssätzen.
Zwar benennt er die Versicherungsnehmereigenschaft des Arbeitgebers neben dessen Versorgungszusage als eine von mehreren,
kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen für die Annahme (und den Fortbestand) von (beitragspflichtigem) Versorgungsbezug
(S 8 f der Beschwerdebegründung). Er berücksichtigt aber nicht, dass das BVerfG in seinem Beschluss vom 28.9.2010 auch für
die Lösung aus dem betrieblichen Bezug kumulative Voraussetzungen aufgestellt und hierfür nicht allein das "Einrücken des
Arbeitnehmers in die Stellung des Versicherungsnehmers" verlangt haben könnte. So hält das BVerfG einen Berufsbezug nur dann
für nicht mehr gegeben, "wenn nach Beendigung der Erwerbstätigkeit Beiträge auf eine frühere Direktversicherung nach Beendigung
des Arbeitsverhältnisses und nach Einrücken des Arbeitnehmers in die Stellung des Versicherungsnehmers allein von ihm gezahlt
werden" (SozR 4-2500 § 229 Nr 11 RdNr 13, 15). Der Kläger erklärt nicht, warum es für die Abgrenzung betrieblicher Altersversorgung
von (beitragsfreier) privater Eigenvorsorge einzig auf das "Tatbestandsmerkmal der Eigenschaft als Versicherungsnehmer" und
nicht auch auf ein - im konkreten Fall nicht vorliegendes - Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis im Zeitraum der Beitragszahlung
ankommen soll. Hiermit hätte er sich vertieft auseinandersetzen und begründen müssen, warum die Entscheidung des BVerfG eine
grundsätzliche Orientierung der Abgrenzung zwischen betrieblicher Altersvorsorge und berufsfremder Eigenvorsorge an dem Merkmal
der Versicherungsnehmereigenschaft auch für den Fall vorgibt, in dem das Arbeitsverhältnis noch nicht beendet ist, sondern
- im Zeitraum der Beitragszahlung - noch besteht. Aus dem gleichen Grund fehlt es an einer substantiierten Darlegung, dass
die vom Kläger als tragende Rechtssätze einander gegenübergestellten Textpassagen der beiden Entscheidungen miteinander nicht
vereinbar sind und sich damit widersprechen.
2. Wird der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) geltend gemacht, so muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über
den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich
(Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem
Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht
zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).
Der Kläger wirft auf Seite 11 seiner Beschwerdebegründung die Frage auf,
"inwieweit unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Versorgungsbezüge nach §
229 Abs.
1 Nr.
3 SGB V und 229 Abs.
1 Nr.
5 SGB V rechtlich gleichgestellt werden können."
Der Kläger legt bereits die Klärungsfähigkeit dieser Frage - ihre Qualität als hinreichend prüffähige Rechtsfrage unterstellt
- nicht in der gebotenen Weise dar. Die Frage hat zur Prämisse, das BVerfG habe in seinem Beschluss vom 28.9.2010 für die
Zuordnung zur betrieblichen Altersversorgung oder privaten Eigenvorsorge einzig nach der Versicherungsnehmereigenschaft differenziert.
Wie bereits erörtert, mangelt es aber schon für die Annahme einer solchen Aussage des BVerfG an substantiierten Ausführungen
des Klägers. Er legt auch die Klärungsbedürftigkeit der Frage nicht dar. Der bloße Hinweis darauf, dass eine höchstrichterliche
Entscheidung hierzu noch nicht vorliege, reicht insoweit nicht aus, ebenso wenig, dass das "26 Jahre alte Urteil des BSG aus dem Jahr 1988" im Hinblick auf die Rechtsprechung des BVerfG "einer erneuten Prüfung unterzogen" werden müsse.
3. Nach alledem wendet sich der Kläger im Kern nur gegen die materiell-rechtliche Bewertung seines individuellen Sachverhalts
durch die Vorinstanz. Das wird insbesondere auch darin deutlich, dass er die Lotsenbrüderschaft nicht als "Arbeitgeber der
einzelnen Lotsen" ansieht, eine Versorgungszusage für nicht gegeben hält und einwendet, die Lotsenbrüderschaft habe nicht
als Versicherungsnehmer angesehen werden dürfen (S 8 ff der Beschwerdebegründung). Hierauf kann eine Nichtzulassungsbeschwerde
nicht gestützt werden.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.