Verbeitragung von Kapitalleistungen aus Direktversicherungen
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um die zur gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV) für Juni 2016 zu zahlenden Beiträge auf Kapitalleistungen aus sechs Direktversicherungen.
Der 1953 geborene Kläger ist seit 2006 bei der beklagten Krankenkasse in der GKV versichert und leistete zuletzt als freiwillig
Versicherter Mindestbeiträge. Im Jahr 2013 wurden ihm insgesamt 91 602,12 Euro, im Januar 2016 weitere 2647,25 Euro aus den
vom Arbeitgeber als Versicherungsnehmer für ihn als versicherte Person abgeschlossenen Direktversicherungen ausgezahlt. Seit
1.6.2016 bezieht der Kläger eine Altersrente. Die Beklagte setzte ua für Juni 2016 einen Beitrag zur GKV auf 1/120 der Summe
der Auszahlungen aus den Direktversicherungen fest (Bescheide vom 10.3.2016, 20.4.2016, Widerspruchsbescheid vom 12.9.2017). Die dagegen gerichtete Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des SG Köln vom 12.2.2020; Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 1.7.2020). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, die Voraussetzungen der §
240 Abs
1 und
2, §
229 Abs
1 Satz 3
SGB V seien erfüllt. Dass erst ab 1.6.2016 Beiträge erhoben würden, obwohl die Zahlungen größtenteils schon im Jahr 2013 erfolgt
seien, gereiche dem Kläger zum Vorteil und sei nicht rechtswidrig. Die Zahlung zu einem Zeitpunkt, in dem der Kläger das Alter
für eine Regelaltersrente noch nicht erreicht habe, stehe deren Berücksichtigung bei der Beitragsberechnung ebenso wenig entgegen
wie deren Verbrauch zum Lebensunterhalt und die angegebene private Krankenversicherung in der Ansparphase.
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen
(§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG). Der Kläger hat den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) nicht hinreichend dargelegt.
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen,
welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit
oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten
(Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre
nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage
im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 RK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger wirft auf Seite 2 der Beschwerdebegründung unter Berücksichtigung des Schriftsatzes vom 9.10.2020 folgende Frage
auf:
"Kann/muss eine bereits vor Rentenbeginn notwendig zum Lebensunterhalt verbrauchte betriebliche Lebensversicherung, welche
zudem in einer Zeit angespart wurde (1977 - 2003), in der der Kläger nicht gesetzlich versichert war gemäß der §§
229 Abs.
1 S. 3; 238a, 240
SGB V, dem beitragspflichtigen Versorgungsbezug zur Ermittlung des Beitrages bei freiwillig Versicherten berücksichtigt werden?"
Der Kläger legt die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage nicht hinreichend dar. Eine Rechtsfrage ist dann höchstrichterlich
geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits beantwortet ist. Auch wenn eine Rechtsfrage
noch nicht ausdrücklich höchstrichterlich entschieden worden ist, so ist sie als geklärt anzusehen, wenn schon eine oder mehrere
höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte auch zur Beurteilung der von der Beschwerde
als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17 sowie BSG Beschluss vom 31.3.1993 - 13 BJ 215/92 - SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6).
Eine hinreichende Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BSG zur Berücksichtigung von Kapitalleistungen auch aus privaten Lebensversicherungen bei der Beitragsbemessung in der freiwilligen
GKV (vgl BSG Urteil vom 6.9.2001 - B 12 KR 5/01 R - SozR 3-2500 § 240 Nr 40; BSG Urteil vom 27.1.2010 - B 12 KR 28/08 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 13; BSG Urteil vom 10.10.2017 - B 12 KR 16/16 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 32) fehlt. Der Kläger erläutert auch nicht hinreichend, weshalb seine Frage nicht anhand der Rechtsprechung des Senats beantwortet
werden kann, dass es für die Beitragspflicht auf Versorgungsbezüge Pflichtversicherter nicht darauf ankommt, ob der Arbeitnehmer,
zu dessen Gunsten die Versorgung begründet wurde, während des Anspruchserwerbs gesetzlich krankenversichert war (BSG Urteil vom 30.3.2011 - B 12 KR 16/10 R - BSGE 108, 63 = SozR 4-2500 § 229 Nr 12, RdNr 15; BSG Urteil vom 25.4.2012 - B 12 KR 19/10 R - SozR 4-2500 §
229 Nr
15), obwohl §
240 Abs
2 Satz 1
SGB V die Berücksichtigung mindestens derjenigen Einnahmen verlangt, die bei einem pflichtversicherten Beschäftigten zu berücksichtigen
wären. Auch betreffend die vom Kläger aufgeworfene Frage nach den Auswirkungen des Verbrauchs der Kapitalleistungen aus der
Lebensversicherung zum Lebensunterhalt fehlt es an hinreichenden Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit. Der Wortlaut des
§
240 Abs
1 Satz 2
SGB V verlangt die Berücksichtigung der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des freiwillig Versicherten. §
3 Abs 1 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler konkretisiert den Begriff der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit als alle
Einnahmen und Geldmittel, die zum Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können. §
229 Abs
1 Satz 3
SGB V ordnet für Versorgungsbezüge die Verteilung einmaliger Kapitalleistungen auf 10 Jahre an. § 48 SGB X erlaubt die Änderung von Bescheiden ua mit Wirkung für die Zukunft. Im Hinblick auf den Wortlaut dieser vom LSG zitierten
Vorschriften hätte der Kläger darlegen müssen, inwiefern die aufgeworfene Frage nach der Beitragspflicht trotz Verbrauchs
des ausgezahlten Betrags offen ist.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.