Nichtzulassungsbeschwerde
Grundsatzrüge
Darlegungsvoraussetzungen bei einem behaupteten Grundrechtsverstoß
1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über
den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung
durch das Revisionsgericht bedarf und fähig ist.
2. Wird die Beschwerde mit einem Grundrechtsverstoß begründet, hat sie unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und
Rechtsprechung - insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG - im Einzelnen aufzuzeigen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll.
3. Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen
Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden.
4. Die Beschwerdebegründung darf sich im Fall einer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Frage nicht darauf beschränken, die
Verfassungswidrigkeit zu behaupten und die als verletzt angesehenen Normen des
Grundgesetzes zu benennen.
Gründe:
I
Der Kläger, dem bis zum 30.4.2012 Arbeitslosengeld II gewährt worden war, bezieht eine Leistung der Bayerischen Architektenversorgung.
Die Beklagte setzte Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung für die Zeit ab 1.5.2012
fest. Das SG Oldenburg hat die auf Neuberechnung der Beiträge gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 26.2.2014). Die mit
dem Ziel der teilweisen Aufhebung der Beitragsfestsetzung eingelegte Berufung hat das LSG Niedersachsen-Bremen zurückgewiesen.
Die zutreffend berechneten Beiträge habe der Kläger vollständig und nicht nur zur Hälfte zu tragen (Urteil vom 31.5.2016).
Mit der hiergegen erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
Darüber hinaus liege wegen der unterbliebenen Beiladung der Pflegekasse ein Verfahrensfehler vor.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen
(§
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 SGG). Der Kläger hat entgegen §
160a Abs
2 S 3
SGG die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) und des Verfahrensmangels (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über
den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung
durch das Revisionsgericht bedarf und fähig ist. Mit der Beschwerdebegründung ist aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich
zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des §
162 SGG stellt. Sodann ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und
des Schrifttums darzutun, weshalb deren Klärung erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und im angestrebten Revisionsverfahren
zu erwarten ist (Klärungsfähigkeit). Schließlich ist aufzuzeigen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall
hinausgehende Breitenwirkung zukommt (BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN).
Der Kläger hat keine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm
des Bundesrechts (§
162 SGG) mit höherrangigem Recht formuliert. (vgl allgemein BSG Beschluss vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - Juris = BeckRS 2010, 68786, RdNr 10; BSG Beschluss vom 21.7.2010 - B 5 R 154/10 B - Juris = BeckRS 2010, 72088, RdNr 10; BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - Juris = BeckRS 2009, 50073, RdNr 7; BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 14). Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar,
damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 181).
Selbst wenn aufgrund der geltend gemachten Verfassungswidrigkeit der Beitragstragungspflicht eine Rechtsfrage zur Vereinbarkeit
von Bundesrecht mit höherrangigem Recht unterstellt würde, ist deren notwendige Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dargetan.
Wird die Beschwerde mit einem Grundrechtsverstoß begründet, hat sie unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung
- insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG - im Einzelnen aufzuzeigen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 14; ferner zB BSG Beschluss vom 8.12.2008 - B 12 R 38/07 B - Juris RdNr 7 mwN). Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die
Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden. Die Beschwerdebegründung
darf sich im Fall einer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Frage nicht darauf beschränken, die Verfassungswidrigkeit zu
behaupten und die als verletzt angesehenen Normen des
Grundgesetzes zu benennen (BSG Beschluss vom 30.4.2015 - B 10 EG 17/14 B - Juris RdNr 5 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Das Vorbringen des Klägers erschöpft sich darin, einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz nach Art
3 Abs
1 GG zu behaupten. Er setzt sich aber nicht mit dem Inhalt des Gleichbehandlungsgrundsatzes und seiner Ausprägung durch das BVerfG
auseinander. Soweit der Kläger in Bezug auf die geltend gemachte Ungleichbehandlung der von ihm repräsentierten Gruppe der
Bezieher von Leistungen eines berufsständischen Versorgungswerks die Gruppe der Empfänger einer gesetzlichen Rente gegenüberstellt,
wird nicht dargelegt, worin die für eine Gleich- bzw Ungleichbehandlung sprechenden wesentlichen Sachverhaltsmerkmale bestehen
sollen (vgl BVerfG vom 8.6.1982 - 2 BvR 1037/81 - SozR 1500 § 160a Nr 45 S 62). Unabhängig davon fehlt es an einer Auseinandersetzung mit dem Beschluss des BVerfG vom 13.12.2002
(1 BvR 1660/96 - SozR 3-2500 § 248 Nr 6 = NZS 2003, 254). Eine Rechtsfrage ist auch dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn
diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden ist, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen
sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage
geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN). Der Kläger hätte daher unter Auswertung der höchstrichterlichen Rechtsprechung vortragen
müssen, weshalb das BVerfG noch keine einschlägigen Entscheidungen getroffen hat oder durch schon vorliegende Rechtsprechung
die für klärungsbedürftig erachtete Frage nicht oder nicht umfassend beantwortet sein soll (vgl BSG Beschluss vom 19.4.2012 - B 2 U 348/11 B - Juris RdNr 29), zumal der Gesetzgeber nach dem zitierten Beschluss des BVerfG nicht durch Art
3 Abs
1 GG angehalten ist, beitragspflichtige Einnahmen unterschiedlicher Herkunft und Rechtsnatur allein wegen ihrer gemeinsamen Eigenschaft
als "Altersbezüge" grundsätzlich gleich zu behandeln (BVerfG vom 13.12.2002 - 1 BvR 1660/96 - SozR 3-2500 § 248 Nr 6 S 28 = NZS 2003, 254, 255).
Zudem ist weder die Klärungsfähigkeit der unterstellten Rechtsfrage noch deren über den Einzelfall hinaus gehende allgemeine
Bedeutung dargetan.
2. Soweit der Klägerin den Verfahrensfehler der unterlassenen Beiladung rügt, hat er nicht dargelegt, dass die angegriffene
Entscheidung des LSG auf dem Mangel beruht, inwieweit also die Beiladung der Pflegekasse eine andere Entscheidung in der Sache
hätte herbeiführen können.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.