Inhaltliche Unrichtigkeit eines Urteils
Anforderungen an eine Beschwerdebegründung bei grundsätzlicher Bedeutung
Begriff der Divergenz
Gründe:
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob eine von einem privaten
Lebensversicherungsunternehmen ausgezahlte Kapitalleistung der Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und
in der sozialen Pflegeversicherung auch insoweit unterliegt, als sie auf einer "Ausfinanzierung" durch den Arbeitgeber in
Ausführung eines Aufhebungsvertrags nach Einrücken des Arbeitnehmers in die Stellung als Versicherungsnehmer beruht.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen LSG vom 14.10.2013 ist in entsprechender
Anwendung von §
169 S 2 und 3
SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen §
160a Abs
2 S 3
SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl
BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
Der Kläger beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 14.1.2014 auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der
Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) und den Zulassungsgrund der Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG).
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden
Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit)
und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem
Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht
zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).
Der Kläger wirft auf Seite 5 der Beschwerdebegründung folgende Frage auf:
"Ist auch der Anteil einer Kapitalleistung aus einer ursprünglich betrieblich begründeten Direktversicherung, der aus nach
Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses und nach Einrücken des Arbeitnehmers in die Stellung als Versicherungsnehmer aufgrund
Vereinbarung vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer eingezahlten Beiträgen angespart wurde, gemäß §
229 SGB V und §
57 SGB XI zu verbeitragen?"
Die Frage sei klärungsbedürftig, weil es hierzu keine höchstrichterliche Rechtsprechung gebe. Das BSG habe in Ausführung des Beschlusses des BVerfG vom 28.9.2010 (BVerfG SozR 4-2500 § 229 Nr 11) in seinen Urteilen vom 30.3.2011
(BSGE 108, 63 = SozR 4-2500 § 229 Nr 12; BSG SozR 4-2500 § 229 Nr 13) zentral auf den Umstand des Versicherungsnehmerwechsels abgestellt. In seinem Urteil vom 25.5.2011 (BSG SozR 4-2500 § 229 Nr 14) habe es sich zwar mit der Begrifflichkeit des "Betriebsbezugs (der Altersversorgung)" befasst, der dortige Fall habe
aber keinen Versicherungsnehmerwechsel zum Gegenstand gehabt.
Die Beschwerdebegründung genügt insoweit nicht den Zulässigkeitsanforderungen nach §
160a Abs
2 S 3
SGG, weil der der Kläger die Klärungsbedürftigkeit seiner Rechtsfrage nicht hinreichend darlegt. Insbesondere setzt er sich nicht
ausreichend damit auseinander, inwieweit sich die von ihm gestellte Rechtsfrage bereits aus der vorliegenden Rechtsprechung
des BSG beantworten lässt. Er erwähnt zwar ua das Urteil des BSG vom 30.3.2011 - B 12 KR 24/09 R - (SozR 4-2500 § 229 Nr 13), berücksichtigt aber nicht, dass der Senat darin auch bereits Ausführungen zur Beitragspflicht
(von Teilen) einer Kapitalleistung gemacht hat, die auf einer Zahlung durch den Arbeitgeber ohne dessen Einrücken in die Stellung
als Versicherungsnehmer beruht.
In der Entscheidung heißt es unter RdNr 28 wörtlich:
"Die Beitragspflicht besteht aber auch insoweit nicht, als die Kapitalleistung auf Prämien beruht, die ein Arbeitgeber auf
einen Kapitallebensversicherungsvertrag zahlt, ohne in die Stellung des Versicherungsnehmers einzurücken. Auch in diesem Fall
liegt keine der betrieblichen Altersversorgung zuzurechnende Direktversicherung vor, weil auf den Vertrag die Regelungen des
Betriebsrentenrechts nicht anwendbar sind (...), sondern ein Kapitallebensversicherungsvertrag der privaten Vorsorge, der
keinen hinreichenden betrieblichen oder beruflichen Bezug hat. Allein die Beitragszahlung durch den Arbeitgeber kann eine
von der institutionellen Abgrenzung abweichende Zurechnung zur betrieblichen Altersversorgung nicht begründen, weil die Art
der Finanzierung für das Vorliegen einer betrieblichen Altersversorgung nicht entscheidend ist (...)."
Der Kläger setzt sich nicht damit auseinander, inwieweit diese Aussage auch auf den vorliegenden Fall einer Zahlung durch
den Arbeitgeber nach Verlust seiner ursprünglichen Stellung als Versicherungsnehmer übertragbar ist. Insbesondere unterlässt
er eine Auseinandersetzung damit, inwieweit sich bereits aus der Aussage in dem og Urteil des BSG, wonach die Art der Finanzierung für das Vorliegen einer betrieblichen Altersversorgung nicht entscheidend ist, eine Beantwortung
seiner Rechtsfrage ergeben kann. Soweit er sich im Kern seines Vorbringens dagegen wendet, das LSG habe - entgegen der Rechtsprechung
des BSG - zu Unrecht auf die Person des Prämieneinzahlenden abgestellt, handelt es sich um die Geltendmachung einer inhaltlichen
Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Hierauf kann aber eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.
2. Divergenz iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde
gelegt sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt
oder das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt
hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Das LSG weicht damit nur dann iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG von einer Entscheidung ua des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen
abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt. Die Beschwerdebegründung muss deshalb aufzeigen, welcher abstrakte
Rechtssatz in dem höchstrichterlichen Urteil enthalten ist, und welcher in der instanzabschließenden Entscheidung des LSG
enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht, und darlegen, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67; SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN).
Der Kläger entnimmt auf Seite 16 der Beschwerdebegründung dem angefochtenen Urteil folgenden Rechtssatz:
"Auch der Anteil einer Kapitalleistung aus einer ursprünglich betrieblich begründeten Direktversicherung, der aus nach Beendigung
des Beschäftigungsverhältnisses und nach Einrücken des Arbeitnehmers in die Stellung als Versicherungsnehmer aus vom Arbeitgeber
eingezahlten Beiträgen angespart wurde, ist gem. §
229 SGB V und §
57 SGB XI zu verbeitragen, weil es an einer beitragsrechtlich zu honorierenden privaten Aufbauleistung des Arbeitnehmers fehlt."
Diesem Rechtssatz stellt er folgenden "Kerngrundgedanken" der Rechtsprechung des BVerfG gegenüber:
"Mit der Vertragsübernahme durch den Arbeitnehmer ist der Kapitallebensversicherungsvertrag vollständig aus dem betrieblichen
Bezug gelöst worden und unterscheidet sich hinsichtlich der dann noch erfolgenden Einzahlungen nicht mehr von anderen privaten
Lebensversicherungen, die nicht der Beitragspflicht unterliegen."
(Juris Orientierungssatz 3c zu BVerfG SozR 4-2500 § 229 Nr 11)
Zudem widerspreche der Rechtssatz des LSG folgendem Rechtssatz des BSG (BSGE 108, 63 = SozR 4-2500 § 229 Nr 12):
"Anknüpfend an das nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für die Unterscheidung nach betrieblicher und privater
Altersvorsorge allein maßgebende Kriterium der Versicherungsnehmereigenschaft (BVerfG, Beschluss vom 06.09.2010 - 1 BvR 739/08 - aaO, juris RdNr 16 und Beschluss vom 28.9.2010 - 1 BvR 1660/08 - aaO, juris RdNr 15) verloren diese Versicherung damit ihren Charakter als Direktversicherung im Sinne des Betriebsrentenrechts
und werden nunmehr außerhalb der institutionellen Vorgaben der betrieblichen Altersversorgung weitergeführt, ohne dass es
darauf ankommt, ob (in diesem Fall - der Verfasser -) die Klägerin ab diesem Zeitpunkt auch die Prämien selbst getragen hat
(BSG, Urteil vom 30.03.2011, B 12 KR 16/10 R, juris Rn. 30)."
Das LSG habe ein neues Tatbestandsmerkmal eingeführt, indem es nicht mehr auf das formal einfach zu handhabende Kriterium
(des Versicherungsnehmerwechsels) abgestellt habe, sondern darauf, wer in den (privaten) Lebensversicherungsvertrag des Arbeitnehmers
einzahle.
Auch insoweit genügt die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht den Zulässigkeitsanforderungen, weil der Kläger eine
entscheidungserhebliche Abweichung nicht im Sinne von §
160a Abs
2 S 3
SGG aufzeigt. Er unterlässt es bereits, den in Bezug genommenen Entscheidungen des BVerfG und des BSG tragende Rechtssätze zu entnehmen, sondern beschränkt sich auf die Wiedergabe eines Orientierungssatzes des Rechtsportals
juris zur Entscheidung des BVerfG und die wörtliche Wiedergabe einer Passage einer Entscheidung des BSG. Zur Herausarbeitung von tragenden Rechtssätzen zum Nachweis einer Divergenz als Zulassungsgrund für eine Revision hätte
vorliegend aber schon deshalb Anlass bestanden, weil die Zulassung wegen Divergenz einen Widerspruch im "Grundsätzlichen"
voraussetzt: Erforderlich hierfür ist, dass das LSG den mit der Rechtsprechung zB des BVerfG bzw des BSG nicht übereinstimmenden Rechtssatz seiner Entscheidung zugrunde gelegt, insoweit eine die Entscheidung tragende Rechtsansicht
entwickelt, im Ergebnis also der Rechtsprechung im Grundsätzlichen widersprochen hat. Dagegen genügt nicht die Darlegung eines
Rechtsirrtums im Einzelfall, also zB fehlerhafte Subsumtion, unzutreffende Beurteilung oder Übersehen einer Rechtsfrage; denn
dann hat das LSG keinen "Rechtssatz" aufgestellt. Es genügt auch nicht schon, dass das anzufechtende Urteil objektiv nicht
den Kriterien entspricht, die zB das BSG aufgestellt hat, etwa wenn das LSG einem vom BSG aufgestellten Rechtssatz folgen will, diesen aber missversteht, ihn in seiner Tragweite verkennt oder sonst Vorgaben der
höchstrichterlichen Rechtsprechung außer Acht lässt (vgl zum Ganzen ausführlich Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, §
160 RdNr 14 mwN). All dies nimmt die Beschwerdebegründung nicht in den Blick, weil sie sich gerade darauf beschränkt, einen (vermeintlichen)
Fehler des LSG bei der konkreten Rechtsanwendung nachzuweisen. Die Beschwerdebegründung zeigt aber nicht auf, ob und inwieweit
der angefochtenen Entscheidung ein "Widerspruch im Grundsätzlichen" zu entnehmen ist. Letzteres ist aber für die Behauptung
einer entscheidungserheblichen Divergenz zwingend erforderlich.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen, §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.