Höhe der Beiträge zur freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung
Auslandszuschlag aufgrund einer Tätigkeit beim Auswärtigen Amt
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Höhe der Beiträge zur
freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung in den Jahren 2011 bis 2015
in Bezug auf den dem Kläger gewährten Auslandszuschlag aufgrund seiner Tätigkeit beim Auswärtigen Amt. Klage und Berufung
gegen die Berücksichtigung des Auslandszuschlags bei der Beitragserhebung bis zur Beitragsbemessungsgrenze sind erfolglos
geblieben. Es komme nicht darauf an, dass der Auslandzuschlag eine steuerfreie Zuwendung (§
3 Nr 64
Einkommensteuergesetz -
EStG) und dem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelt nach der Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV) nicht zuzurechnen sei. Vielmehr sei darauf abzustellen, ob die Einnahme im Rahmen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
des Versicherten dem Bestreiten seines Lebensunterhalts diene. Es könne dahinstehen, ob der Auslandszuschlag - wie der Kläger
einwende - dazu diene, die Mehrkosten der Krankenbehandlung im Ausland abzudecken. Denn auch die Abdeckung dieses Risikos
sei dem allgemeinen Lebensunterhalt zuzuordnen. Es handele sich beim Auslandszuschlag auch nicht um eine nach wertender Entscheidung
von der Beitragspflicht ausnahmsweise auszunehmende Leistung wie zB bestimmte Geldleistungen des sozialen Entschädigungsrechts.
Eine bloße Zweckbestimmung sei insoweit nicht ausreichend, es müsste eine anerkennenswerte soziale Zwecksetzung auf gesetzlicher
Grundlage vorliegen. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden nicht (LSG Urteil vom 25.9.2020). Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen
(§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG). Der Kläger hat den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) entgegen §
160a Abs
2 Satz 3
SGG nicht hinreichend dargelegt.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über
den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung
durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. Mit der Beschwerdebegründung
ist daher aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des §
162 SGG stellt. Hierzu ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und
des Schrifttums auszuführen, weshalb eine Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich
ist darzulegen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt (vgl BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger hält die folgenden Fragen für grundsätzlich bedeutsam:
"1. Stellt der Auslandszuschlag nach §52 BBesG der einem freiwillig gesetzlich Kranken- und Pflegeversicherten, dessen Wohnsitz sich im Ausland befindet, gezahlt wird,
eine beitragspflichtige Einnahme nach §240
SGB V, §2 Abs. 1 Satz 2 BeitrVerfGrsSz, dar?
2. Gilt dies auch dann, wenn die gesetzliche Krankenkasse nicht die dem freiwillig versicherten Mitglied entstandenen Behandlungskosten
im Ausland übernimmt? Ist die Verbeitragung des Auslandszuschlages in diesem Fall mit Artikel
3 des
Grundgesetzes vereinbar?"
Der Kläger hat die Klärungsbedürftigkeit dieser Fragen nicht hinreichend dargelegt. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es
ua dann, wenn sich die Antwort unmittelbar aus dem Gesetz ergibt und daher praktisch außer Zweifel steht (vgl BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 11 und BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Eine Rechtsfrage ist auch dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn
diese bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche
Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der vom Beschwerdeführer als grundsätzlich herausgestellten
Rechtsfrage geben (vgl BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN; s auch Beschluss vom 28.11.2018 - B 12 R 34/18 B - juris RdNr 6). Auf eine solche höchstrichterliche Rechtsprechung muss eine Beschwerde eingehen.
Der Hinweis des Klägers, es gebe noch keine obergerichtliche Rechtsprechung zur Problematik reicht hierfür ebenso wenig aus
wie die Wiedergabe einer Entscheidung des LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 8.3.2011 - L 1 (16) KR 237/09).
Der Kläger zitiert zwar auch aus dem Senatsurteil vom 18.12.2013 (B 12 KR 3/12 R - juris RdNr 22), wonach Leistungen ausnahmsweise von der Beitragspflicht auszunehmen sind, wenn sie eine besondere, eigenständige Zweckbestimmung
außerhalb des allgemeinen Lebensunterhalts aufweisen. Der Senat hat danach zwei Gruppen von Einnahmen von der Beitragspflicht
ausgenommen: Sozialleistungen, die gerade der Kompensation eines bestehenden besonderen persönlichen Bedarfs dienen oder als
Hilfe in besonderen Lebenslagen nicht für den allgemeinen Lebensbedarf des Betroffenen bestimmt sind (zB spezieller Pflegebedarf)
und zum anderen Geldleistungen des sozialen Entschädigungsrechts, die in Ansehung eines in der Verantwortung der staatlichen
Gemeinschaft erlittenen Sonderopfers gewährt werden.
Im Folgenden führt der Kläger unter Zugrundelegung dieser Obersätze aus, dass und warum der Auslandszuschlag seiner eigenen
Rechtsansicht entsprechend als Sozialleistung zur Kompensation eines besonderen persönlichen Bedarfs zu werten sei. Damit
entnimmt er der höchstrichterlichen Rechtsprechung aber gerade ausreichende Anhaltspunkte zur Lösung des Falls. Er legt insoweit
nicht die Voraussetzungen einer Grundsatzrüge dar, sondern rügt im Kern vielmehr eine fehlerhafte Rechtsanwendung des LSG.
Auch setzt sich der Kläger nicht mit dem Urteil des Senats vom 7.7.2018 auseinander. Hierzu hätte Anlass bestanden, weil er
selbst darauf hinweist, dass der Auslandszuschlag den materiellen Mehraufwand sowie allgemeine und dienstortbezogene immaterielle
Belastungen der allgemeinen Verwendung im Ausland abdeckt. Der Senat hat in der genannten Entscheidung - unter Auflistung
der "anerkannten" beitragsfreien Leistungen - jedoch erneut festgestellt, dass einzelne Einnahmen als beitragsfrei zu behandeln
sind, die nicht in erster Linie auf die Befriedigung des allgemeinen Lebensunterhalts ausgerichtet sind, sondern denen eine
besondere Zweckbestimmung innewohnt und bei denen die Gefahr bestünde, dass die Erfüllung des mit ihnen verfolgten Zwecks
nicht mehr gewährleistet wäre, wenn dem Betroffenen die Leistung nicht ungekürzt zur Verfügung stünde (vgl BSG Urteil vom 7.6.2018 - B 12 KR 1/17 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 35 RdNr 22 mwN). Der Kläger hätte sich hiermit befassen und darlegen müssen, inwieweit der Auslandszuschlag mit den genannten (Sozial-)Leistungen
vergleichbar ist.
Auch soweit er mit seiner zweiten Frage einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz rügt, weil der Antragsteller schlechter
gestellt werde als freiwillig Versicherte in Deutschland, fehlt es an hinreichenden Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit.
Wer sich - wie hier der Kläger - sinngemäß auf die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung einer Vorschrift beruft,
darf sich nicht auf die Benennung ansonsten angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken. Er muss vielmehr unter Berücksichtigung
der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG darlegen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. Hierzu müssen der Bedeutungsgehalt der in
Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verletzung
der konkreten Regelung des
GG dargelegt werden (vgl BSG Beschluss vom 22.2.2017 - B 1 KR 73/16 B - juris RdNr 8). Hier fehlt es bereits an einer Auseinandersetzung mit der konkreten Rechtslage für die Vergleichsgruppen. Indem der Kläger
darauf hinweist, dass die Antragsgegnerin (lediglich) den Satz für Heilbehandlungskosten im Ausland übernehme, welchen die
Behandlung in Deutschland gekostet hätte, macht er zudem eine Schlechterbehandlung zu in Deutschland ansässigen Versicherten
ohne Auslandszuschlag nicht ausreichend plausibel. Es fehlt darüber hinaus an einer Auseinandersetzung mit höchstrichterlicher
Rechtsprechung zur Erbringung von Leistungen der Krankenversicherung im Ausland.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160 Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.