Begründung der Revision im sozialgerichtlichen Verfahren
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten über die Höhe des von der Klägerin zu zahlenden Beitrags zur sozialen Pflegeversicherung.
Die 1926 geborene Klägerin bezieht eine Altersrente der Deutschen Rentenversicherung Bund und ist in der gesetzlichen Krankenversicherung
pflichtversichert. Von dem Rentenbetrag werden 1,7 % monatlich als Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung in Abzug gebracht.
Die Klägerin hatte sich hiergegen gewandt und gegen den Widerspruchsbescheid des Rentenversicherungsträgers vom 6.4.2005 vor
dem Sozialgericht (SG) Trier Klage mit dem Begehren erhoben, den Beitrag zur Pflegeversicherung für die Zeit ab 1.1.2005 auf 1,96 Euro monatlich
festzusetzen, weil der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Berücksichtigung der Kindererziehung im Beitragsrecht der sozialen Pflegeversicherung
(Kinder-Berücksichtigungsgesetz [KiBG]) vom 15.12.2004 die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Beitragserhebung
in der sozialen Pflegeversicherung nicht zutreffend umgesetzt und damit die Leistung der Mehrkinderfamilien unzulässig sozialisiert
habe. Nach Beiladung der nunmehr beklagten Pflegekasse hatte die Klägerin auf den richterlichen Hinweis, dass diese für die
Festsetzung eines niedrigeren Beitrages zuständig sei, die Klage zurückgenommen.
Mit Bescheid vom 4.8.2006 lehnte die beklagte Pflegekasse den Antrag der Klägerin auf Herabsetzung des Pflegeversicherungsbeitrags
mit dem Hinweis auf die Regelung des §
55 Abs
3 SGB XI ab. Den Widerspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, ab 1.1.2005 sei wegen der Erziehung ihrer fünf Kinder der Pflegeversicherungsbeitrag
von 7,41 Euro um 5 x 1,09 Euro auf 1,96 Euro zu ermäßigen, wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 29.9.2006 zurück.
Das SG Trier hat mit Urteil vom 30.11.2006 die Klage abgewiesen und zur Begründung ua ausgeführt, entgegen der von der Klägerin
vertretenen Auffassung habe der Gesetzgeber das Urteil des BVerfG vom 3.4.2001, 1 BvR 1629/94 (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2), im Rahmen des ihm gewährten Gestaltungsspielraumes umgesetzt. Die Berufung hat das Landessozialgericht
(LSG) Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 5.4.2007 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ua ausgeführt, unter Berücksichtigung
des Gleichheitsgrundsatzes sei es nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des §
55 Abs
3 SGB XI nicht nach der Zahl der Kinder differenziere. Die Vorschrift halte sich im Rahmen des dem Gesetzgeber eingeräumten Gestaltungsspielraums.
Ihm sei lediglich vorgegeben worden, Versicherte bereits mit einem Kind zu entlasten. Als typisierende und generalisierende
Regelung sei §
55 Abs
3 SGB XI mit Art
3 Abs
1 GG vereinbar. Weil die vor 1940 geborenen Jahrgänge noch in ausreichendem Maße Kinder geboren und erzogen hätten, habe der Gesetzgeber
kinderlose Versicherte dieser Geburtsjahrgänge von der Beitragszuschlagspflicht ausnehmen können.
Mit Schriftsatz vom 22.5.2007 hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin die vom LSG zugelassene und von ihr eingelegte Revision
begründet sowie mit Schriftsätzen vom 7.8.2007, 8.1.2008, 16.1.2008, 1.2.2008, 7.2.2008 und 14.2.2008 die Begründung ergänzt.
In ihrem Schriftsatz vom 22.5.2007 führt sie zur Begründung aus:
"1.) Die Entscheidungen der Vorgerichte verstoßen gegen den Artikel 1 (Schutz der Menschenrechte) sowie den Artikel 3 (Gleichheit
vor dem Gesetz) mit Artikel
6 (Schutz von Ehe und Familie) des Grundgesetzes (
GG).
2.) Die beiden Entscheidungen der Vorgerichte gehen von einer merkwürdigen Interpretation des Art
3 GG aus. Diese Interpretation führt dazu, dass auch Art.
1 GG und Art.
6 GG verletzt erscheinen.
Es wird gesagt, dass bis 1939 ausreichend Kinder geboren worden seien, um den Bevölkerungsstand zu erhalten. Es sei daher
bis Ende 1939 möglich gewesen, unter Anwendung von generalisierenden, pauschalisierenden und typisierenden Regelungen ein
ausgewogenes Verhältnis von Beitragszahlern und Leistungsempfängern anzunehmen.
Selbst das stimmt nicht bei einer Versicherung, bei der Kinderlose und Kindererziehende die gleichen Leistungen erhalten.
Hier werden Kinderlose ihre Leistung im Alter immer fast ausschließlich aus den Beiträgen der Kinder anderer Leute erhalten.
Es kommt aber hinzu, dass Vorbedingung für die Anwendung von generalisierenden, pauschalisierenden und typisierenden Regelungen
immer sein muss, dass ein geschlossener Kreislauf vorliegt. Das würde bedeuten: Wer vor 1940 geboren ist, kommt nur auf für
Leistungsfälle von Leuten, die auch vor 1940 geboren worden sind. Die vor 1940 geborenen Beitragszahler werden aber heute
für die Pflegeleistungen aller Bürger in Anspruch genommen.
Ihnen wird daher auferlegt:
Ihr kommt aus einer ausgewogenen Zeit, seid aber verantwortlich auch für unausgewogene Zeiten!
3.) Wie Gerichte die zu Ziffer 2) dargelegten Fakten ignorieren können, bleibt nicht nachvollziehbar.
4.) Das Verfassungsgericht hat klar erklärt: 'bereits ab dem 1. Kind relativ entlastet.' Ab dem ersten Kind heißt: 'ab dem
2. Kind und mehreren Kindern mehr.'
5.) Das Kinderberücksichtigungsgesetz vom 15.12.2004 lässt klar erkennen, dass man mühsam den kleinsten Nenner gesucht hat,
um Familien abzuspeisen
6.) Es ist eine neue Erfahrung, dass Gerichte das inzwischen mitmachen.
7.) Jedes Kind leistet mit seinen Beiträgen das gleiche. Die Erziehungsleistung für jedes Kind ist die gleiche. Es ist daher
nur richtig, dass jedes Kind Berücksichtigung findet. Art.
3 GG zur Hälfte und zu einem Viertel anzuwenden, verbietet sich.
8.) Am Gebärverhalten unserer Bevölkerung wird sich auch durch das neue Elterngeld und durch neue Krippenplätze nichts ändern.
9.) Wenn mehr Kinder erwünscht sind, sollte man das französische Familiensplitting einzuführen. Ein erster Schritt dazu wäre,
in der Pflegeversicherung gerechte Beiträge zu erheben.
10.) Das Kinderberücksichtigungsgesetz vom 15.12.2004 stellt eine unkonkrete Wiedergabe der Vorgaben des Urteils des BVerfG
vom 03.04.2001 (Az.: 1 BvR 1629/94) dar."
Die Klägerin hatte in diesem Schriftsatz beantragt,
1.) die Urteile des Sozialgerichts Trier vom 30.11.2006, Az.: S 2 P 30/06, und des Landessozialgerichts Mainz vom 5.04.2007, Az.: L 5 P 27/06, samt den zugrunde liegenden Bescheiden aufzuheben,
2.) das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Höhe des Pflegeversicherungsbeitrages
der Klägerin einzuholen.
3.) Die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen.
Die Klägerin beantragt nunmehr,
1.) die Urteile des Sozialgerichts Trier vom 30.11.2006 und des Landessozialgerichts Mainz vom 5.04.2007 samt den zugrunde
liegenden Bescheiden aufzuheben,
2.) den Beitrag der Klägerin zur Pflegeversicherung für die Zeit ab 01.01.1995 auf 1,96 EUR monatlich festzusetzen; die zuviel
gezahlten Beträge an die Klägerin auszuzahlen,
3.) das Verfahren auszusetzen,
4.) zu Ziffer 2) eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen,
5.) die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 5.4.2007 - Az.: L 5 P 27/06 - zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Darüber hinaus ist sie der Auffassung, dass die Revisionsbegründung nicht
den gesetzlichen Anforderungen des §
164 Abs
2 Satz 3
SGG entspricht.
Der Senat hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass Bedenken bestehen, ob die Revision zulässig ist, und Gelegenheit zur Stellungnahme
gegeben.
II. Die Revision der Klägerin ist unzulässig. Das Rechtsmittel ist nicht ausreichend begründet.
Gemäß §
164 Abs
2 Satz 1 und
3 SGG ist die Revision fristgerecht und unter Einhaltung bestimmter Mindesterfordernisse zu begründen. Bei der Begründung muss
sich ein Beteiligter wie die Klägerin durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen (§ 166
SGG). Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden,
die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben. In der Revisionsbegründung muss nach ständiger Rechtsprechung sorgfältig
sowie nach Umfang und Zweck zweifelsfrei dargelegt werden, weshalb eine Vorschrift des materiellen Rechts vom LSG nicht oder
nicht richtig angewandt worden ist. Die Angabe der verletzten Norm ist insoweit notwendig, aber nicht hinreichend. Es ist
darzulegen, dass und weshalb die Rechtsansicht des LSG nicht geteilt wird. Dabei darf die Revisionsbegründung nicht nur die
eigene Meinung wiedergeben, sondern muss sich zumindest kurz mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auseinandersetzen
sowie erkennen lassen, dass sich der Revisionsführer mit der angefochtenen Entscheidung befasst hat und inwieweit er bei der
Auslegung der vom LSG angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist. Die Revisionsbegründung soll im Interesse der
Entlastung des Revisionsgerichts sicherstellen, dass der Revisionsführer das angefochtene Urteil im Hinblick auf einen Erfolg
des Rechtsmittels überprüft und hierzu die Rechtslage genau durchdacht hat (vgl hierzu Urteil des Senats vom 21.9.2005, B 12 KR 1/05 R, USK 2005-27 mwN).
Diesen Anforderungen genügt die Revisionsbegründung der Klägerin nicht. Die beim Bundessozialgericht (BSG) fristgemäß eingegangene
Begründung im Schriftsatz vom 22.5.2007 ist inhaltlich unzureichend. Die Ausführungen in den Schriftsätzen vom 7.8.2007, 8.1.2008,
16.1.2008, 1.2.2008, 7.2.2008 und 14.2.2008 sind erst nach Ablauf der Frist zur Begründung der Revision eingegangen, ohne
dass Gründe für eine Wiedereinsetzung geltend gemacht oder sonst ersichtlich wären, und sind deshalb nicht zu berücksichtigen.
Eines weiteren rechtlichen Hinweises, wie von der Klägerin erbeten, bedurfte es deshalb nicht, weil eine weitere Begründung
nur noch außerhalb der Revisionsbegründungsfrist hätte erfolgen können und nicht mehr hätte berücksichtigt werden dürfen.
Die innerhalb der Frist erfolgte Begründung ist aus sich heraus nicht verständlich. Es fehlt bereits die Darstellung des Sachverhaltes
und des Inhaltes der angefochtenen Entscheidungen. Es wird nicht dargelegt, in welchem Umfang die Klägerin die Höhe des von
ihr zu zahlenden Pflegeversicherungsbeitrags angreift. Die vom SG und LSG angewandten einfachgesetzlichen Rechtsnormen des
SGB XI sowie der Normzusammenhang, der begründen könnte, dass die Klägerin ihrer Auffassung nach in ihren Grundrechten verletzt
ist, werden nicht benannt. Bei Berücksichtigung der Entscheidungsgründe der Urteile des SG und LSG wird zwar erkennbar, dass die Klägerin in Auseinandersetzung mit den Ausführungen in den Urteilen der Vorinstanzen
die Begründung zur Höhe des Pflegeversicherungsbeitrages der vor 1940 geborenen Versicherten und damit zur Höhe des auch von
ihr zu zahlenden Betrages für unzutreffend hält. Ihr nur dem Inhalt der vorinstanzlichen Entscheidungen zu entnehmendes Begehren,
ihren Pflegeversicherungsbeitrag zu ermäßigen, begründet sie damit, dass das "Kinderberücksichtigungsgesetz vom 15.12.2004
... eine unkorrekte Wiedergabe der Vorgaben des Urteils des BVerfG vom 03.04.2001 (Az.: 1 BvR 1629/94) ..." darstelle. Soweit sie hieraus einen Anspruch herleiten will, hätte es jedoch der weiteren Darstellung der Vorgaben
des genannten Urteils des BVerfG und der zur Umsetzung dieser Entscheidung erfolgten Ausgestaltung des Beitragsrechts durch
§
55 Abs
3 SGB XI bedurft. Soweit die Revisionsbegründung rügt, die Entscheidungen des SG und LSG würden "gegen den Artikel 1 (Schutz der Menschenrechte) sowie den Artikel 3 (Gleichheit vor dem Gesetz) mit Artikel
6 (Schutz von Ehe und Familie) des Grundgesetzes (
GG)" verstoßen, und ausführt, die Entscheidungen würden "von einer merkwürdigen Interpretation des Art
3 GG" ausgehen, sowie: "Diese Interpretation führt dazu, dass auch Art.
1 GG und Art.
6 GG verletzt erscheinen", fehlt es ebenfalls an einer ausreichenden Begründung. Der Verstoß gegen Art
1 GG wird gar nicht begründet. Zur Begründung der von der Klägerin gerügten Verletzung von Art
3 GG und Art
6 GG hätte dargestellt werden müssen, inwieweit und in welchem Umfang durch welche Vorschriften die Klägerin durch Beiträge belastet
wird und inwieweit demgegenüber andere Versicherte begünstigt werden bzw aus welchen Gründen insoweit eine weitere Beitragsentlastung
erforderlich war. Da die Klägerin einem Jahrgang angehört, von dem der Gesetzgeber ausging, dass von den ihm angehörenden
Versicherten noch die Mehrheit Kinder erzogen und betreut hat, hätte die Begründung sich jedenfalls kurz mit der Auffassung
des BVerfG in der genannten Entscheidung auseinandersetzen müssen. Das BVerfG hatte ausgeführt, dass der Gesetzgeber bei der
Beitragsgestaltung einen weiten Gestaltungsspielraum hat und eine Beitragsdifferenzierung zwischen Versicherten mit und ohne
Kindern erst dann verfassungsrechtlich geboten ist, wenn nicht mehr von der Mehrheit einer Generation Kinder erzogen werden.
Es kann offen bleiben, ob die Revision nicht auch bereits deshalb unzulässig ist, weil die Revisionsbegründung entgegen §
166
SGG nicht von einem vor dem BSG vertretungsberechtigten Prozessbevollmächtigten erstellt wurde (vgl BSG, Urteil vom 20.1.2005,
USK 2005-95). Möglicherweise stammt sie von der Klägerin selbst oder einem Dritten und wurde von der die Klägerin vertretenden
Rechtsanwältin ohne eigene Durchsicht und Prüfung des Prozessstoffes lediglich übernommen. Hierfür sprechen die mangelhafte
Begründung und die Art und Weise der Gliederung in fortlaufende arabische Ziffern, deren Gliederungspunkte häufig nur aus
einem Satz bestehen. Diese Art der Gliederung entspricht der von der Klägerin ohne Beteiligung ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten
eingereichten Berufungsbegründung vom 16.1.2007. Auch lassen die Verwendung fehlerhafter rechtlicher Bezeichnungen und die
laienhaften, nicht der üblichen Ausdrucksweise juristisch ausgebildeter Bevollmächtigter entsprechenden Ausführungen den Schluss
darauf zu, dass die Prozessbevollmächtigte einen Entwurf ohne eigene Prüfung des Prozessstoffes als Begründung eingereicht
hat. Da die Revisionsbegründung jedoch bereits inhaltlich unzureichend ist, kommt es hierauf nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.