Streitigkeit über Anwendung von Regelungen über die örtliche Zuständigkeit im sozialgerichtlichen Verfahren; Bindungswirkung
des Verweisungsbeschlusses
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten um die Rückforderung von Kosten einer Krankenhausbehandlung im Jahr 2007. Die Krankenkasse hat mit
einem am 11.3.2010 beim SG Braunschweig eingegangenen Schreiben Klage wegen Rückforderung dieser von ihr bereits beglichenen
Kosten erhoben. Mit Verfügung vom 16.3.2010 hat das SG Braunschweig die Beteiligten zu einer beabsichtigten Verweisung des
Rechtsstreits an das SG Hannover oder das SG Stuttgart angehört. Mit Beschluss vom 12.5.2010 hat sich das SG Braunschweig
für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das SG Stuttgart verwiesen. Anspruchsgrundlage für den streitigen
Vergütungsanspruch sei der gem §
112 Abs
2 Nr
1 SGB V abgeschlossene Sicherstellungsvertrag zwischen der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft und den Verbänden der
gesetzlichen Krankenkassen. Dieser sei ein Vertrag auf Landesebene iS des §
57a Abs
3 SGG, sodass sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Sitz der (baden-württembergischen) Landesregierung richte. Mit Beschluss
vom 2.8.2010 hat sich das SG Stuttgart ebenfalls nach Anhörung der Beteiligten für örtlich unzuständig erklärt und die Streitsache
dem BSG zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt, weil die Verweisung willkürlich sei oder auf einer Missachtung
elementarer Verfahrensgrundsätze beruhe und deshalb nicht binde.
II
Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach §
58 Abs
1 Nr
4 SGG durch das BSG liegen vor. Es ist als gemeinsam nächsthöheres Gericht im Sinne dieser Vorschrift zur Entscheidung des negativen
Kompetenzkonflikts zwischen dem SG Braunschweig und dem SG Stuttgart berufen, nachdem das SG Braunschweig seine örtliche Zuständigkeit
verneint und den Rechtsstreit an das SG Stuttgart verwiesen hat, dieses Gericht sich jedoch ebenfalls nicht für örtlich zuständig
hält, sondern weiterhin das SG Braunschweig mangels Bindungswirkung als zuständig ansieht. Das SG Stuttgart konnte von einem
eigenen Verweisungsbeschluss absehen und von seiner Unzuständigkeit ausgehend unmittelbar das BSG zur Bestimmung des zuständigen
Gerichts anrufen (vgl BSG, Beschluss vom 27.5.2004, B 7 SF 6/04 S, SozR 4-1500 § 57a Nr 2).
Zum zuständigen Gericht ist das SG Stuttgart zu bestimmen, weil dieses an den Verweisungsbeschluss des SG Braunschweig vom
12.5.2010 gebunden ist.
Gemäß §
98 Satz 1
SGG iVm §
17a Abs
2 GVG ist ein Verweisungsbeschluss wegen örtlicher oder sachlicher Unzuständigkeit für das Gericht, an das verwiesen wurde, bindend.
Dies gilt im Interesse des verfassungsrechtlich gewährleisteten effektiven Rechtsschutzes (Art
19 Abs
4 GG) und einer möglichst zügigen sachlichen Entscheidung grundsätzlich unabhängig von der Verletzung prozessualer oder materieller
Vorschriften. Den Streit der beteiligten Gerichte über die Anwendung von Regelungen über die örtliche Zuständigkeit zu entscheiden
oder in jedem Einzelfall die Richtigkeit des dem Verweisungsbeschluss zugrundeliegenden Subsumtionsvorgangs zu überprüfen,
ist gerade nicht Aufgabe des gemeinsam übergeordneten Gerichts im Verfahren nach §
58 Abs
1 Nr
4 SGG.
Ausnahmsweise kommt dem Verweisungsbeschluss dann keine Bindungswirkung zu, wenn die Verweisung auf einer Missachtung elementarer
Verfahrensgrundsätze oder einem willkürlichen Verhalten beruht (vgl BSG, Beschlüsse vom 25.2.1999, B 1 SF 9/98 S, SozR 3-1720 § 17a Nr 11 S 19 ff, vom 27.5.2004, B 7 SF 6/04 S, SozR 4-1500 § 57a Nr 2 RdNr 11, vom 1.6.2005, B 13 SF 4/05 S, SozR 4-1500 § 58 Nr 6 RdNr 15, und vom 8.5.2007, B 12 SF 3/07 S, SozR 4-1500 § 57 Nr 2 RdNr 4, sowie BVerfG vom 19.12.2001, 1 BvR 814/01, NVwZ - RR 2002, 389; zuletzt Beschlüsse des BSG vom 16.9.2009, B 12 SF 7/09 S, und vom 10.3.2010, B 12 SF 2/10 S). Für eine abweichende Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts in Anwendung dieser strengen Maßstäbe, die das BSG in
seiner Rechtsprechung ausgeformt hat, ist vorliegend kein Raum. Zwar hat das SG Stuttgart geltend gemacht, dass ein Ausnahmefall
vorliege, weil die Verweisung willkürlich sei oder auf einer Missachtung elementarer Verfahrensgrundsätze beruhe. Auch unter
Berücksichtigung der von ihm benannten Entscheidungen des 1. und des 3. Senats des BSG ist ein Verstoß gegen elementare Verfahrensgrundsätze
jedoch nicht ersichtlich. Die Entscheidung des SG Braunschweig ist auch nicht willkürlich. Allein eine möglicherweise fehlerhafte
Anwendung des §
57a Abs
3 SGG durch das SG Braunschweig begründet solche Verstöße nicht.