Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren bei Rüge des Verstoßes gegen Verfassungsrecht
Gründe:
I. Der bei der beklagten Ersatzkasse versicherte Kläger ist mit seinem Begehren, 2.415 Euro Kosten einer selbst beschafften
extrakorporalen Stoßwellenlithotripsie bei Sialolithiasis (Speichelsteinen) erstattet zu erhalten, in den Vorinstanzen ohne
Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat zur Begründung ua ausgeführt, die Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruchs
seien nicht erfüllt, weil der Kläger die selbst beschaffte Leistung von der Beklagten nicht als Sachleistung hätte beanspruchen
können. Die extrakorporale Stoßwellentherapie bei Sialolithiasis gehöre nicht zur vertragsärztlichen Versorgung, da der Gemeinsame
Bundesausschuss (GBA) sie nicht in Richtlinien nach §
92 Abs
1 Satz 2 Nr
5 SGB V aufgenommen habe. Darin liege weder ein Systemversagen noch handele es sich um einen Seltenheitsfall. Zu einer grundrechtsorientierten
Leistungsausweitung bestehe kein Anlass, da es bei der Sialolithiasis nicht um eine lebensbedrohliche, regelmäßig tödlich
verlaufende oder wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung gehe (Urteil vom 12.7.2007).
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil und beruft sich auf die grundsätzliche
Bedeutung des Rechtsstreits und Verfahrensfehler.
II. 1. Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 3
SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus §
160a Abs
2 Satz 3
SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung
und des Verfahrensfehlers (Zulassungsgründe des §
160 Abs
2 Nr
1 und
3 SGG).
a) Den Darlegungserfordernissen an eine Grundsatzrüge genügt eine Nichtzulassungsbeschwerde nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage
klar formuliert und ausführt, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig
und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2
f; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Daran fehlt es.
Die Beschwerde stellt folgende Fragen:
"1. Ist die extrakorporale Stoßwellenlithotripsie bei Sialolithiasis in ärztlicher Praxis erprobt und erfahrungsgemäß erfolgversprechend,
kommt sie in ihrer Wirksamkeit etwaigen Methoden der Schulmedizin gleich und beruht sie im Ansatz auf nachvollziehbaren medizinischen
Überlegungen mit der Folge, dass sie einer anerkannten, schulmedizinischen Behandlungsmethode gleichzustellen ist?
2. Ist das Zulassungsverfahren, insbesondere der Erlaubnisvorbehalt gemäß §
135 Abs.
1 SGB V verfassungswidrig, mit der Folge, dass die Kosten einer Behandlungsmethode, die einer schulmedizinischen Behandlungsmethode
gleichzustellen ist, von den Krankenkassen grundsätzlich zu tragen sind?
3. Ist die unterschiedliche Regulierungspraxis verschiedener Geschäftsstellen ein- und derselben Krankenkasse verfassungswidrig,
mit der Folge, dass bei Kostenübernahme durch eine oder mehrere Geschäftsstellen ein- und derselben Krankenkasse hinsichtlich
dieser Behandlungsmethode auch alle anderen Geschäftsstellen zur Kostenübernahme verpflichtet sind?
4. Ist die Differenzierung zwischen der zugelassenen Stoßwellenzertrümmerung von Harnsteinen, Nierensteinen sowie Gallensteinen
auf der einen Seite und der nicht zugelassenen Stoßwellenzertrümmerung von Speichelsteinen auf der anderen Seite verfassungswidrig
bzw. willkürlich, mit der Folge, dass auch die Stoßwellenzertrümmerung von Speichelsteinen trotz fehlenden Beschlusses des
GBA als vertragsärztliche Leistung zu gelten hat, mit der Folge, dass die Kosten dieser Behandlungsmethode von sämtlichen
Krankenkassen zu tragen sind?
5. Ist die Ungleichbehandlung von Privatversicherten und gesetzlich Krankenversicherten hinsichtlich der streitgegenständlichen
Behandlungsmethode verfassungswidrig, mit der Folge, dass auch die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten dieser Behandlungsmethode
zu tragen haben?
6. Sind die Kosten einer Behandlungsmethode trotz fehlenden Beschlusses des GBA von den gesetzlichen Krankenkassen zu tragen,
wenn zwar nicht die Krankheit selbst lebensbedrohlich, wohl aber die zur Verfügung stehenden schulmedizinischen Behandlungsmethoden
eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben des Patienten darstellen?"
Mit der Frage zu 1. formuliert die Beschwerde schon keine Rechts-, sondern eine bloße Tatfrage. Soweit die Beschwerde unter
2. bis 5. nach der Verfassungswidrigkeit von Regelungen, Verwaltungspraxis, Differenzierungen (von denen nicht gesagt ist,
wer sie vornimmt) und Ungleichbehandlungen fragt, formuliert sie Rechtsfragen nicht hinreichend klar. Die Begründungsanforderungen
an eine Nichtzulassungsbeschwerde sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (vgl zB BSG, Beschluss vom
2.11.2006 - B 1 KR 111/06 B - RdNr 5 mwN; BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11) jedenfalls nicht dadurch geringer, dass ein Verstoß gegen Verfassungsrecht gerügt wird. Die Begründung
darf sich daher nicht darauf beschränken, sich bloß auf die angeblich verletzten Rechtsnormen des
GG - woran es vorliegend ebenfalls fehlt - zu berufen, sondern muss unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
(BVerfG) und des BSG darlegen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergibt (vgl zB BSG, Beschluss vom 5.7.2007
- B 1 KR 39/07 B - RdNr 5 mwN). Hierzu ist insbesondere der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufzuzeigen,
die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung sind zu erörtern und eine Verletzung der konkreten zitierten Regelung des
GG ist darzulegen. Für die Prüfung der Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde ist das BSG auf das hierzu Vorgebrachte beschränkt.
Nach diesem Maßstab hat die Beschwerde keine Rechtsfragen hinreichend klar formuliert. Sie hat sich vielmehr überhaupt nicht
mit dem Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen, den Sachgründen ihrer jeweiligen Ausgestaltung
und der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und BSG auseinandergesetzt.
Selbst wenn man aber teilweise in den gestellten Fragen sinngemäß Rechtsfragen hinreichend klar angedeutet sehen wollte, legt
die Beschwerde die Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dar. Wer sich auf den Zulassungsgrund des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG beruft, muss nämlich dartun, woraus sich der Bedarf nach revisionsgerichtlicher Klärung einer Rechtsfrage ergeben soll. Eine
Frage ist grundsätzlich nicht mehr klärungsbedürftig, wenn sie bereits von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden
ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17; BSG SozR 1500 § 160 Nr 51 S 52 mwN). Die Beschwerdebegründung hätte sich deshalb
mit der zu den jeweiligen Fragen vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinandersetzen und darlegen müssen, inwiefern
trotz dieser Rechtsprechung noch Klärungsbedarf besteht (vgl dazu auch BSG SozR 1500 § 160 Nr 51 S 52 mwN). So hätte die Beschwerde
sich bei der Frage nach der Verfassungswidrigkeit des §
135 Abs
1 SGB V etwa mit den Entscheidungen des erkennenden Senats befassen müssen (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 8 mwN; zuletzt - zusammenfassend
- BSG, Urteil vom 7.11.2006 - B 1 KR 24/06 R - RdNr 14 ff mwN - zur Veröffentlichung vorgesehen). Nichts anderes gilt hinsichtlich der angeblich unterschiedlichen Regulierungspraxis
verschiedener Geschäftsstellen ein- und derselben Krankenkasse, zu der die Beschwerde selbst generell auf den Grundsatz "keine
Gleichheit im Unrecht" verweist, ohne sich mit der einschlägigen Rechtsprechung auseinanderzusetzen, und ebenso für die gerügte
Ungleichbehandlung von privat und gesetzlich Krankenversicherten (vgl dazu zB BSG, Beschluss vom 2.11.2006 - B 1 KR 111/06 B; BSGE 38, 149, 150 = SozR 2200 § 1267 Nr 3 S 10; BSGE 41, 157, 158 f = SozR 5420 § 2 Nr 2 S 2; BSGE 47, 259, 260 f = SozR 3100 § 40a Nr 6 S 16 f). Schließlich setzt sich die Beschwerde auch nicht mit der - teilweise auch vom LSG
zitierten - höchstrichterlichen Rechtsprechung dazu auseinander, in welchen Konstellationen außerhalb von Seltenheitsfällen
Versicherte durch grundrechtsorientierte Leistungsausweitung die Kostenübernahme einer Behandlungsmethode trotz fehlenden
Beschlusses des GBA verlangen können (vgl dazu zB BSG, Urteil vom 7.11.2006 - B 1 KR 24/06 R - RdNr 16 ff mwN).
b) Die Beschwerde genügt den Begründungserfordernissen des §
160a Abs
2 Satz 3
SGG auch nicht, soweit sie sinngemäß eine Verletzung des §
103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) rügt.
Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen
kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nach Halbsatz 2 der Regelung auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist. - Die Beschwerde hat schon nicht behauptet, einen solchen Beweisantrag gestellt zu haben.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.