Vergütung stationärer Krankenhausleistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung; Verjährung von Vergütungsforderungen
der Leistungserbringer; Unwirksamkeit einer vertraglichen Verkürzung der Verjährungsfrist
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über Krankenhausvergütung.
Die Klägerin ist Trägerin eines Krankenhauses in Thüringen, das zur Behandlung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)
Versicherter zugelassen ist. Zur Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung (§
140d SGB V aF) kürzte die beklagte Krankenkasse (KK) von der Klägerin im Jahr 2005 abgerechnete Krankenhausvergütung für Behandlungen
ihrer Versicherten um insgesamt 770,02 Euro. Die Kürzungen erfolgten für zwei von der Beklagten zur Bundesgeschäftsstelle
Qualitätssicherung gGmbH gemeldete Verträge, den Vertrag über neurochirurgische Leistungen Marienstift A ab 1.10.2005 und
den Vertrag Kinderchirurgie N Klinik ab 1.4.2005. Das SG hat die Beklagte auf die am 29.12.2009 erhobene Klage antragsgemäß verurteilt, der Klägerin 770,02 Euro nebst Zinsen zu zahlen,
da die Verträge keine integrierte Versorgung im Sinne des Gesetzes zum Gegenstand gehabt hätten (Urteil vom 10.5.2013). Das
LSG hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen: Der Vergütungsanspruch der Klägerin sei nach dem insoweit durch
Schiedsstellenentscheidung geregelten Vertrag nach §
112 Abs
2 Nr
1 SGB V über die Allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung zwischen der Landeskrankenhausgesellschaft Thüringen eV und den
Thüringischen Landesverbänden der KKn (KHBV) verjährt (§ 13 Abs 5 KHBV). Danach verjähren die Forderungen der Krankenhäuser
sowie die Rückforderungsansprüche der KKn nach §
195 BGB in drei Jahren. Die Beklagte habe sich hierauf berufen (Urteil vom 13.6.2014).
Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung des §
112 Abs
2 Nr
1 SGB V. Die Verjährungsregelung des KHBV sei wegen Verstoßes gegen die gesetzliche Grundlage nichtig, das SG-Urteil zutreffend.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. Juni 2014 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das
Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. Mai 2013 zurückzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. Juni 2014 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung
und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
II
Die zulässige Revision der klagenden Krankenhausträgerin ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das LSG zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung begründet (§
170 Abs
2 S 2
SGG). Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, weil es auf der Verletzung materiellen Rechts beruht und sich auch nicht aus anderen
Gründen als richtig erweist. Der erkennende Senat kann wegen fehlender Tatsachenfeststellungen des LSG zum Bestehen des Vergütungsanspruchs
der Klägerin, insbesondere zur Rechtmäßigkeit des Einbehalts zur Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung, nicht in
der Sache umfassend über den Erfolg der Berufung gegen das SG-Urteil entscheiden.
Die Feststellungen des LSG reichen nicht aus, um abschließend über den zulässigerweise mit der (echten) Leistungsklage (§
54 Abs
5 SGG; stRspr, vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 §
109 Nr 13, RdNr 9 mwN; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 12; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 8, alle mwN) geltend gemachten Anspruch auf Zahlung von 770,02 Euro nebst Zinsen zu entscheiden.
Zwar ziehen die Beteiligten nicht in Zweifel, dass die Voraussetzungen der Vergütung für die stationäre Behandlung Versicherter
der beklagten KK durch die Klägerin entsprechend ihrer Abrechnung im Jahr 2005 in dieser Höhe erfüllt waren. Es steht aber
nicht fest, dass die Beklagte hiervon rechtmäßig 770,02 Euro zur Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung einbehielt.
Das LSG hat nämlich - ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt folgerichtig - keine Feststellungen zur Erfüllung der Voraussetzungen
des Einbehalts getroffen (dazu 1.). Entgegen der Auffassung des LSG ist die streitige Restforderung der Klägerin nicht verjährt.
Die Klägerin machte sie vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist klageweise geltend. Die vertragliche Abbedingung der
vierjährigen Verjährungsfrist war nicht zulässig, sondern unwirksam. Die Restforderung ist entgegen der Auffassung der Beklagten
auch nicht verwirkt (dazu 2.).
1. Der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung und damit korrespondierend die Zahlungsverpflichtung einer KK entsteht
- unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes,
wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und iS von §
39 Abs
1 S 2
SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (stRspr, vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 11; BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 15; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 27 RdNr 9). Diese Voraussetzungen waren unstreitig auch in Höhe der geltend gemachten Restforderung der Klägerin erfüllt.
Es steht nicht fest, dass diese Forderung durch rechtmäßigen Einbehalt zur Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung
in Höhe von 770,02 Euro erlosch. KKn behalten von Krankenhausrechnungen Mittel zur Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung
ein, indem sie mit einem Gegenrecht aufrechnen. Allerdings berechtigen nur geschlossene Verträge, die bei überschlägiger sozialgerichtlicher
Prüfung die Grundvoraussetzungen eines Vertrags über integrierte Versorgung erfüllen, KKn zum Mitteleinbehalt zwecks Anschubfinanzierung
(vgl BSGE 107, 78 = SozR 4-2500 § 140d Nr 2; dem folgend auch BSG Urteil vom 25.11.2010 - B 3 KR 6/10 R - USK 2010-166). Es fehlt hierzu an Feststellungen des LSG.
2. Das LSG-Urteil erweist sich auch nicht wegen des Eintritts der Verjährung oder Verwirkung der Forderung als richtig. Die
Klägerin machte die Forderung vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist am 29.12.2009 klageweise geltend (dazu a). Die
vertragliche Verkürzung der vierjährigen Verjährungsfrist war nicht zulässig, sondern unwirksam (dazu b). Auch der Einwand
der Verwirkung greift nicht ein (dazu c).
a) Die Verjährung der streitigen Vergütungsforderung für 2005 begann nach Ablauf des Jahres 2005. Sie beginnt nämlich entsprechend
§
45 Abs
1 SGB I nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung
entsteht unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wie dargelegt (vgl oben,
II. 1.). Die Forderung verjährte erst in vier Jahren nach Verjährungsbeginn. Die Klägerin hat vor Eintritt der Verjährung
im Dezember 2009 Klage erhoben und damit den Eintritt der Verjährung der Forderung gehemmt (§
45 Abs
2 SGB I analog iVm §
204 Abs
1 Nr
1 BGB).
Die Rechtsprechung des BSG geht einhellig davon aus, dass für Vergütungsforderungen der Leistungserbringer die kurze, sozialrechtliche vierjährige Verjährungsfrist
gilt (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 69 Nr 1; zustimmend BSGE 95, 141 RdNr 26 = SozR 4-2500 § 83 Nr 2 RdNr 34; BSG SozR 4-1200 § 45 Nr 4; BSG SozR 4-2500 § 302 Nr 1 RdNr 43; BSG Urteil vom 1.7.2014 - B 1 KR 47/12 R - SGb 2014, 497, RdNr 9; zur entsprechenden Anwendung von Verjährungsvorschriften auf sozialrechtliche Ausschlussvorschriften vgl BSGE 97,
84 = SozR 4-2500 §
106 Nr 15, RdNr 15). Dies ist vereinbar mit dem Wortlaut des §
69 SGB V (hier anzuwenden idF durch Art 1 Nr 45 GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003, BGBl I 2190 mWv 1.1.2004). Es entspricht der Entwicklungsgeschichte, dem
Regelungssystem und dem Regelungszweck.
Nach dem Wortlaut des §
69 S 2
SGB V werden die Rechtsbeziehungen der KKn und ihrer Verbände zu den Krankenhäusern und ihren Verbänden abschließend in diesem
Kapitel, in den §§
63,
64 SGB V und in dem Krankenhausfinanzierungsgesetz, dem Krankenhausentgeltgesetz sowie den hiernach erlassenen Rechtsverordnungen geregelt. Die Regelung der Verjährung ergibt sich schon aus dem 4. Kapitel
des
SGB V selbst und den hierfür geltenden allgemeinen Rechtsprinzipien (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 69 Nr 1 RdNr 10 ff; BSG SozR 3-1200 § 45 Nr 8 S 30). Denn das BSG geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die in §
45 SGB I bestimmte Verjährungsfrist von vier Jahren Ausdruck eines allgemeinen Prinzips ist, das der Harmonisierung der Vorschriften
über die Verjährung öffentlich-rechtlicher Ansprüche dient. Die ergänzende Regelung des §
69 S 3
SGB V greift insoweit nicht ein. Danach gelten ua für die Rechtsbeziehungen nach §
69 S 2
SGB V lediglich "im Übrigen" die Vorschriften des
BGB entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des §
70 SGB V "und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach" dem 4. Kapitel des
SGB V vereinbar sind.
Der Gesetzgeber hat die zitierte ständige Rechtsprechung des BSG nicht zum Anlass genommen, die gesetzlichen Regelungen zu ändern. Er wollte eine Änderung der verjährungsrechtlichen Rechtslage
im Sozialrecht gerade nicht herbeiführen (vgl auch BSGE 115, 40 = SozR 4-2500 § 302 Nr 1, RdNr 44; entsprechend generell für das öffentliche Recht BVerwGE 132, 324 RdNr 11 f). Die Entscheidung, ob das neue Regelungssystem der bürgerlich-rechtlichen Verjährung auf spezialgesetzlich geregelte
Materien übertragen werden kann und welche Sonderregelungen ggf getroffen werden müssten, sollte weiteren Gesetzgebungsvorhaben
vorbehalten bleiben (vgl Gegenäußerung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts,
BT-Drucks 14/6857 S 42 zu Nr 1). Hierzu wurde in der Folge das Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz
zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9.12.2004 (BGBl I 3214) erlassen. Auch dort entschied sich der Gesetzgeber bewusst
gegen eine entsprechende Anpassung des öffentlichen Rechts, da im öffentlichen Recht grundsätzlich eigenständige Verjährungsregelungen
gelten und auf die zivilrechtlichen Verjährungsbestimmungen nur hilfsweise entsprechend zurückgegriffen werden könne (BT-Drucks
15/3653 S 10).
Der Gesetzgeber wollte mit der Regelung des §
69 SGB V das Leistungserbringungsrecht des 4. Kapitels im
SGB V von der Anwendung kartellrechtlicher Vorschriften ausnehmen, nicht aber die Verjährungsfristen ändern. Zivilgerichte hatten
in der Nachfragetätigkeit der KKn und ihrer Verbände ein Auftreten als Unternehmen im Sinne des deutschen und des europäischen
Wettbewerbs- und Kartellrechts gesehen. Deswegen hatten sie Festbetragsregelungen der Spitzenverbände der KKn nach den §§
91 f, 35 f
SGB V teilweise für wettbewerbswidrig erklärt. Der Gesetzgeber wirkte lediglich dieser Tendenz mit einem Bündel von neuen Vorschriften
entgegen (vgl näher BSG SozR 4-2500 § 69 Nr 1 RdNr 12).
b) Die Regelung des § 13 Abs 5 KHBV, die vertraglich die vierjährige Verjährungsfrist abbedingen soll, ist nicht zulässig,
sondern unwirksam. Der ihr zugrunde liegende Schiedsspruch ist materiell rechtswidrig. Der Schiedsspruch ist anhand der für
die Krankenhausbehandlung in der GKV maßgeblichen Rechtsmaßstäbe zu überprüfen (dazu aa). Danach widerspricht die Regelung
des § 13 Abs 5 KHBV dem Wirtschaftlichkeitsgebot, soweit sie Rückforderungsansprüche der KKn der dreijährigen Verjährung unterwirft.
Die Teilnichtigkeit führt zur Gesamtnichtigkeit der Regelung (dazu bb).
aa) Der Schiedsspruch der Landesschiedsstelle nach §
114 SGB V unterliegt uneingeschränkt der Kontrolle seiner Vereinbarkeit mit den für die Krankenhausbehandlung in der GKV geltenden
unabdingbaren Rechtsmaßstäben. Er soll eine vertragliche Regelung ersetzen, die sicherstellen soll, dass Art und Umfang der
Krankenhausbehandlung den Anforderungen des
SGB V entsprechen (§
112 Abs
1 SGB V; vgl BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 §
39 Nr
10, RdNr 31; BSGE 112, 156 = SozR 4-2500 § 114 Nr 1, RdNr 32). Ausschließlich innerhalb dieser gesetzlichen Rahmenbedingungen können die Verträge auf
Landesebene - wie hier der KHBV - die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung einschließlich der Aufnahme und Entlassung
der Versicherten, Kostenübernahme, Abrechnung der Entgelte, Berichte und Bescheinigungen regeln (§
112 Abs
2 S 1 Nr
1 Buchst a und b
SGB V). Nur soweit diese Vertragskompetenz reicht, besteht ein Gestaltungsspielraum der Landesschiedsstelle (zur Möglichkeit der
Verletzung durch untergesetzliche Normen vgl BSGE 105, 1 = SozR 4-2500 § 125 Nr 5, RdNr 26 mwN).
bb) Dementsprechend steht die Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht zur Disposition der Vertragspartner und der Schiedsstelle.
Das Regelungssystem des
SGB V begründet Ansprüche nur auf eine erforderliche Krankenhausbehandlung (§
27 Abs
1, §
39 Abs
1 S 2
SGB V) unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots nach objektiven Kriterien (vgl BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10, RdNr 30 f; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 19 ff mwN). Die Krankenhausbehandlung muss ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und darf das Maß des
Notwendigen nicht überschreiten. Nur unter diesen Voraussetzungen schuldet die KK dem Versicherten eine Krankenhausbehandlung
und dem Leistungserbringer korrespondierend die vereinbarte Vergütung (§
2 Abs
1 S 1, §
12 Abs
1 S 1, §
70 Abs
1 SGB V). Ein Anspruch auf Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung setzt dementsprechend ua voraus, dass die Behandlung unter
Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebots erforderlich war und die Voraussetzungen der gesetzlichen und vertraglich vorgesehenen
Vergütungsregelungen erfüllt sind (vgl §
109 Abs
4 S 3 iVm §
39 Abs
1 S 2
SGB V). Über die Erforderlichkeit der Behandlung entscheidet allein die KK und im Streitfall das Gericht, ohne dass beide an die
Einschätzung des Krankenhauses oder seiner Ärzte gebunden sind (BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 20, 26 unter Bezugnahme auf BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10, RdNr 27 ff). Die KKn haben ggf erst durch eine Prüfung festzustellen, dass die Voraussetzungen
des Vergütungsanspruchs erfüllt sind. Auch die Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser
hat hieran nichts geändert (BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 23; vgl zum Ganzen BSGE 112, 156 = SozR 4-2500 §
114 Nr 1, RdNr 33). Das Vertragsrecht des
SGB V kann dementsprechend nicht dazu eingesetzt werden, den gesetzlichen Rahmen für die Überprüfung der Krankenhausabrechnungen
auf sachlich-rechnerische Richtigkeit und Wirtschaftlichkeit einzuschränken. Ähnlich wie im Vertragsarztrecht besteht auch
im Bereich der Krankenhausbehandlung keine weitergehende Befugnis der Vertragspartner und an ihrer Stelle der Landesschiedsstelle,
Überprüfungsmöglichkeiten der KKn gegenüber Vergütungsansprüchen der Krankenhäuser über die allgemeinen gesetzlichen Rahmenvorgaben
hinaus zeitlich einzuschränken (vgl BSGE 112, 156 = SozR 4-2500 § 114 Nr 1, RdNr 37).
Die allgemeinen gesetzlichen Rahmenvorgaben für die Überprüfung von Krankenhausabrechnungen ergeben sich aus den Regelungen
der Verjährung für Erstattungsansprüche, inzwischen ergänzt um die spezielle Ausschlussregelung des §
275 Abs
1c SGB V. Der Anspruch einer KK gegen einen Krankenhausträger auf Erstattung einer zu Unrecht gezahlten Vergütung unterliegt einer
vierjährigen Verjährung (stRspr, vgl zB BSG Urteil vom 14.10.2014 - B 1 KR 27/13 R - Juris RdNr 33, für BSGE und SozR 4-2500 § 109 Nr 40 vorgesehen; BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 39; BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, RdNr 25). Dieser gesetzliche Rahmen steht nicht zur Disposition der Vertragspartner des §
112 SGB V. Vertragspartner und an ihrer Stelle die Landesschiedsstelle sind lediglich berechtigt, Modalitäten zur Abrechnung von Vertragsleistungen,
zB Abrechnungsfristen und die Folgen bei Nichteinhaltung, durch Vereinbarung oder an ihrer Stelle durch Schiedsspruch zu regeln.
Solche Regelungen halten die hieran gebundenen KKn und Krankenhäuser gleichermaßen dazu an, ihren Verpflichtungen nachzukommen
(vgl Wahl in jurisPK-
SGB V, 2. Aufl 2012, §
112 RdNr 41 ff). Dazu gehören etwa Zahlungsfristen, Verrechnungsmodalitäten sowie Verzugszinsen bei Überschreitung des Zahlungsziels
(vgl BSGE 112, 156 = SozR 4-2500 § 114 Nr 1, RdNr 35).
Die Regelungen des § 13 Abs 5 KHBV sind nichtig. Sie verstoßen gegen höherrangiges Recht, soweit sie den aufgezeigten Vorgaben
zur Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots widersprechen. Sie schränken die gesetzlichen Möglichkeiten der Überprüfung der
Krankenhausabrechnungen ein, indem sie die Rückforderungsansprüche der KKn der dreijährigen Verjährung gemäß §
195 BGB unterwerfen. Die Teilnichtigkeit der Regelung der Verjährungsfrist - bezogen auf Rückforderungsansprüche der KKn - bewirkt
auch die Nichtigkeit der Geltung der dreijährigen Verjährungsfrist für Forderungen der Krankenhäuser. Denn die Schiedsstelle
hat die Einbeziehung beider Forderungsarten in die Verjährungsregelung im Sinne einer ausgewogenen Gesamtregelung konzipiert.
Nach dem Rechtsgedanken des §
139 BGB ist die gesamte Regelung der Verjährung in §
13 Abs
5 KHBV nichtig, da die Verkürzung der Verjährungsfrist für Erstattungsansprüche der KKn nichtig und nicht anzunehmen ist, dass
die Schiedsstelle § 13 Abs 5 KHBV auch ohne den nichtigen Teil erlassen hätte.
c) Die Klägerin war nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§
242 BGB) auch nicht - wie die Beklagte meint - daran gehindert, ihren Vergütungsanspruch gegenüber der Beklagten im Dezember 2009
klageweise geltend zu machen. Ihr restlicher Vergütungsanspruch ist nicht verwirkt.
Das Rechtsinstitut der Verwirkung passt als ergänzende Regelung innerhalb der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist grundsätzlich
nicht. Es findet nur in besonderen, engen Ausnahmekonstellationen Anwendung (vgl BSG SozR 4-2500 § 264 Nr 4 RdNr 15; BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 37 mwN), etwa wenn eine Nachforderung eines Krankenhauses nach vorbehaltlos erteilter Schlussrechnung
außerhalb des laufenden Haushaltsjahres der KK erfolgt (BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 27). Um eine solche Nachforderung geht es indes nicht.
Die Verwirkung als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§
242 BGB) ist auch für das Sozialversicherungsrecht und insbesondere für die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung anerkannt.
Sie setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines
längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls
und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts dem Verpflichteten gegenüber nach Treu
und Glauben als illoyal erscheinen lassen. Solche, die Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" liegen vor, wenn der Verpflichtete
infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht
nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht
nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet
hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde
(stRspr; vgl BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 37; BSGE 109, 22 = SozR 4-2400 § 7 Nr 14, RdNr 36; BSG SozR 4-2400 § 24 Nr 5 RdNr 31; BSG SozR 4-2600 § 243 Nr 4 RdNr 36; BSG SozR 4-4200 § 37 Nr 1 RdNr 17; BSG SozR 3-2400 § 4 Nr 5 S 13; BSG Urteil vom 30.7.1997 - 5 RJ 64/95 - Juris RdNr 27; BSGE 80, 41, 43 = SozR 3-2200 § 1303 Nr 6 S 17 f; BSG Urteil vom 1.4.1993 - 1 RK 16/92 - FEVS 44, 478, 483 = Juris RdNr 23; BSG SozR 2200 § 520 Nr 3 S 7; BSG Urteil vom 29.7.1982 - 10 RAr 11/81 - Juris RdNr 15; BSGE 47, 194, 196 = SozR 2200 § 1399 Nr 11 S 15; BSG Urteil vom 25.1.1972 - 9 RV 238/71 - Juris RdNr 17; vgl auch Hauck, Vertrauensschutz in der Rechtsprechung der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, in Brand/Lembke
[Hrsg], Der CGZP-Beschluss des Bundesarbeitsgerichts, 2012, S 147 ff, 167 f).
An solchen die Verwirkung auslösenden Umständen fehlt es vorliegend. Der bloße Zeitablauf stellt kein die Verwirkung begründendes
Verhalten dar (vgl auch BSG Urteil vom selben Tag - B 1 KR 7/15 R - RdNr 19, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Der Umstand, dass die Klägerin erst am 29.12.2009 Zahlungsklage erhoben
hat, genügt deshalb nicht. Hierdurch unterscheidet sich die Verwirkung von der Verjährung (s ferner ergänzend zu den bereits
oben genannten Entscheidungen BSGE 51, 260, 262 f = SozR 2200 § 730 Nr 2 S 4; BSG Urteil vom 30.10.1969 - 8 RV 53/68 - USK 6983 S 345 = Juris RdNr 23; BSGE 38, 187, 193 f = SozR 2200 § 664 Nr 1 S 8 f; BSGE 34, 211, 214 = SozR Nr 14 zu §
242 BGB Aa 7 RS; BSGE 7, 199, 200 f; vgl auch BGH NJW 2011, 445, 446). Nichtstun, also Unterlassen, kann ein schutzwürdiges Vertrauen in Ausnahmefällen allenfalls dann begründen und zur
Verwirkung des Rechts führen, wenn der Schuldner dieses als bewusst und planmäßig erachten darf (vgl BSG Urteil vom 19.6.1980 - 7 RAr 14/79 - USK 80292 S 1312 = Juris RdNr 32; BSGE 47, 194, 197 f = SozR 2200 § 1399 Nr 11 S 17; BSGE 45, 38, 48 = SozR 4100 § 40 Nr 17 S 55). Hierbei kann zu berücksichtigen sein, wie sich das Verhalten nach Treu und Glauben unter
Berücksichtigung der Verkehrssitte darstellt (vgl dazu Müller-Grune, Der Grundsatz von Treu und Glauben im Allgemeinen Verwaltungsrecht,
2006, S 60; ebenso Knödler, Mißbrauch von Rechten, selbstwidersprüchliches Verhalten und Verwirkung im öffentlichen Recht,
2000, S 221).
Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Es fehlt bereits an einem Verwirkungsverhalten. Die Klägerin gab der Beklagten
keinen Anlass dafür, anzunehmen, dass sie ihre restliche Vergütungsforderung nicht mehr weiterverfolgen werde.
3. Das LSG wird nunmehr die gebotenen Feststellungen zu den Voraussetzungen einer rechtmäßigen Einbehaltung zwecks Anschubfinanzierung
integrierter Versorgung zu treffen haben (vgl dazu grundlegend BSGE 107, 78 = SozR 4-2500 § 140d Nr 2).
4. Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §
197a Abs
1 S 1 Teils 1
SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 GKG.