Voraussetzung für Leistungsgewährung für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden
Gründe:
I
Die Kläger sind Rechtsnachfolger der im Oktober 2001 verstorbenen, bei der beklagten Krankenkasse versichert gewesenen D.
H. (Versicherte), bei der ein metastasierendes Krebsleiden bestand. Sie begehren - bislang erfolglos - die Erstattung
der Kosten (17.132,37 DM) für eine laserinduzierte interstitielle Thermotherapie (LITT), die bei der Versicherten im Oktober
1999 und April 2000 in einem Universitätsklinikum durchgeführt worden war. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung
der Kläger gegen das klageabweisende erstinstanzliche Urteil ua mit der Begründung zurückgewiesen, die Voraussetzungen des
§
13 Abs
3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) hätten nicht vorgelegen, weil die von der Versicherten in Anspruch genommene LITT nicht zu Unrecht abgelehnt worden sei.
Die Therapie befinde sich noch im Stadium des Experiments und sei weder hinreichend wissenschaftlich belegt, noch habe sie
sich in der medizinischen Praxis durchgesetzt. Da der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen zu der Therapie keine positive
Empfehlung abgegeben habe und ein sog Systemmangel sich hier nicht feststellen lasse (weil es keine Anhaltspunkte dafür gebe,
dass beim Bundesausschuss ein Antrag auf Anerkennung gestellt worden sei), scheide eine Leistungspflicht der Beklagten aus.
Darüber, ob das Begehren auch scheitern müsse, weil die Versicherte die Leistung ohne vorherige Kontaktaufnahme zur Beklagten
in Anspruch genommen habe, brauche nicht entschieden zu werden. Dass verschiedene Krankenkassen in gleich gelagerten Fällen
Kosten übernommen hätten, sei unerheblich, weil kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht bestehe (Urteil vom 23. Oktober
2003).
Mit ihrer Beschwerde wenden sich die Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil und rügen dessen Abweichung
von höchstrichterlicher Rechtsprechung.
II
Die Beschwerde der Kläger ist unzulässig und daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 2 iVm §
169 Satz 3
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den Darlegungsanforderungen nach §
160a Abs
2 Satz 3
SGG.
Die Beschwerde beruft sich darauf, dass das LSG von drei Urteilen des Bundessozialgerichts (BSG) abgewichen sei:
1. vom Urteil vom 5. Juli 1995 - 1 RK 6/95 (BSGE 76, 194 = SozR 3-2500 § 27 Nr 5 - Remedacen), weil das LSG davon ausgehe, dass ein Systemmangel bereits dann nicht vorliege, wenn
die Anerkennung einer neuen Methode beim Bundesausschuss nicht beantragt worden sei; nach dem BSG-Urteil könne es dagegen
auch ohne Empfehlung des Bundesausschusses genügen, dass die Wirksamkeit der Methode wissenschaftlich belegt sei;
2. vom Urteil vom 16. Juni 1999 - B 1 KR 4/98 (BSGE 84, 90 = SozR 3-2500 § 18 Nr 4); dieses enthalte den Rechtssatz, dass Krankenkassen die Folgekosten einer Behandlung als akzessorische
Leistung nur übernehmen dürften, wenn sie auch die Behandlungskosten selbst trügen; "im Umkehrschluss" ergebe sich daraus,
dass eine Kasse bei erfolgender Übernahme weiterer Kosten auch die Behandlungskosten selbst übernehmen müsse; die Beklagte
habe hier durch eine Übernahme von Folgekosten einen entsprechenden Vertrauenstatbestand geschaffen;
3. vom Urteil vom 16. September 1997- 1 RK 28/95 (BSGE 81, 54 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 - Bioresonanztherapie); darin sei entschieden worden, dass ein Systemmangel darin liegen könne,
dass die Einleitung oder Durchführung eines Verfahrens beim Bundesausschuss willkürlich blockiert oder verzögert werde; nach
Ansicht des LSG habe die Klägerin dagegen nicht auf die Erstattungspraxis anderer Krankenkassen vertrauen dürfen, weil der
Bundesausschuss noch keine Empfehlung abgegeben habe; andererseits halte das BSG Leistungen im Rahmen von Modellversuchen
(§
63 Abs
2 SGB V) für möglich, sofern keine ablehnende Entscheidung des Bundesausschusses vorliege; das führe zu Vertrauensschutz.
Dieses den Revisionszulassungsgrund des §
160 Abs
2 Nr
2 SGG untermauernde Vorbringen genügt nicht den Erfordernissen des §
160a Abs
2 Satz 3
SGG. Wer sich auf diesen Grund beruft, muss nämlich entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze im Urteil des Berufungsgerichts
einerseits und in einer höchstrichterlichen Entscheidung andererseits gegenüberstellen und begründen, weshalb beide miteinander
unvereinbar seien (vgl zB Meyer-Ladewig,
SGG, 7. Aufl 2002, §
160a RdNr 15, §
160 RdNr 10 ff mwN). Daran fehlt es hier, selbst wenn man annimmt, dass Rechtssätze überhaupt aufgezeigt werden.
Zu Punkt 1. stützt sich die Beschwerde auf ein Urteil des BSG aus dem Jahr 1995, ohne zu berücksichtigen, dass die darin enthaltenen
Grundsätze seither bereits in neuerer Rechtsprechung weiterentwickelt und präzisiert worden sind. So hat das BSG insbesondere
in Urteilen vom 16. September 1997 (ua BSGE 81, 54 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4) sowie vom 28. März 2000 (BSGE 86, 54, 56, 60 ff = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 - ASI; vgl ferner zB BSG SozR 3-2500 § 92 Nr 12 S 69 - Colon-Hydro-Therapie; BSG SozR
4-2500 § 135 Nr 1 RdNr 7 - Bioresonanztherapie) ausgeführt, dass eine Leistungsgewährung für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden
entsprechend der Konzeption des §
135 SGB V als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt regelmäßig eine positive Empfehlung des Bundesausschusses voraussetzt und dass ein Systemversagen
nur gerichtlich festgestellt werden kann. Die Beschwerde geht auf diese jüngere Rechtsprechung nicht ein und legt nicht dar,
inwieweit entscheidungstragende Passagen des BSG-Urteils vom 5. Juli 1995 gleichwohl noch geeignet sein könnten, eine Rechtsprechungsdivergenz
und das Bedürfnis nach Herstellung von Rechtseinheit in einem Revisionsverfahren auszulösen.
Hinsichtlich des Punktes 2. ist die Beschwerde bereits deshalb unzulässig, weil sie sich nicht auf einen im BSG-Urteil explizit
enthaltenen entscheidungstragenden Rechtssatz bezieht, sondern durch Umkehrschluss aus Teilen der Entscheidungsgründe selbst
einen eigenen, nicht tragend gewesenen Rechtssatz bildet. Das entspricht den Darlegungserfordernissen des §
160a Abs
2 Satz 3 iVm §
160 Abs
2 Nr
2 SGG offensichtlich nicht.
Auch für Punkt 3. erfüllt die Beschwerde schließlich nicht die Darlegungsanforderungen, weil die in den Ausführungen unterstellte
Divergenz nicht nachvollziehbar ist. Inwieweit aus den im BSG-Urteil angesprochenen Befugnissen der Krankenkassen zu Modellvorhaben
etwas über vom LSG vermeintlich aufgestellte abweichende Rechtssätze zum Leistungsrecht für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden
außerhalb eines solchen Modellvorhabens - wie hier - folgen sollte, wird nicht deutlich. Was aus der Leistungsgewährung anderer
Krankenkassen für LITT-Behandlungen und einem vermeintlich daraus herzuleitenden Vertrauensschutz in Bezug auf darzulegende
konträre abstrakte Rechtssätze im LSG-Urteil und im BSG-Urteil folgen könnte, ist ebenfalls unklar. Soweit in diesem Zusammenhang
geltend gemacht wird, es sei ein Systemmangel auf Grund der unterbliebenen Einleitung des Verfahrens beim Bundesausschuss
anzunehmen, richtet sich die Beschwerde im Kern dagegen, dass das LSG Maßstäbe aus der BSG-Rechtsprechung verkannt und fehlerhaft
angewandt habe. Ein Revisionszulassungsgrund ist daraus jedoch nicht herzuleiten, weil im Nichtzulassungsbeschwerde-Verfahren
nicht allgemein zu prüfen ist, ob das angegriffene Urteil der Sach- und Rechtslage entspricht.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des §
193 SGG.