Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Satzungsregelung einer Krankenkasse zur Wartezeit auf Krankengeld bei wiederholter
Arbeitsunfähigkeit
Gründe:
I. Streitig ist die Gewährung von Krankengeld (Krg) an einen freiwillig Versicherten.
Der 1953 geborene Kläger ist hauptberuflich selbstständiger Hausverwalter und seit mehreren Jahren bei der beklagten Ersatzkasse
freiwillig versichert. Die Satzung der Beklagten schließt für hauptberuflich Selbstständige einen Krg-Anspruch aus; in diesem
Fall gilt ein ermäßigter Beitragssatz. Auf Antrag können sich freiwillig versicherte Selbstständige zum allgemeinen Beitragssatz
mit einem Krg-Anspruch ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit (AU) oder - wie der Kläger - zum erhöhten Beitragssatz mit einem
Krg-Anspruch ab dem 29. Tag der AU versichern. Nach der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung der Satzung der Beklagten begann
der Krg-Anspruch bei wiederholter AU auf Grund derselben Krankheit nur dann erst mit dem 29. Tag der AU, wenn zwischen dem
Ende einer AU und dem Beginn einer erneuten AU mehr als sechs Monate lagen; waren seit der letzten zur Krg-Gewährung führenden
AU weniger als sechs Monate vergangen, wurde im Falle einer Wiedererkrankung wegen derselben Krankheit Krg bereits ab dem
ersten Tag der AU gewährt. Mit Wirkung vom 1.1.2002 wurde § 20 Abs 3 der Satzung der Beklagten gestrichen, sodass in der vom
Kläger gewählten Versicherung seither bei jeder erneuten AU jeweils eine Wartezeit von 28 Tagen besteht, dh auch dann, wenn
es sich um dieselbe zur AU führende Krankheit innerhalb eines Sechsmonatszeitraums handelt.
Nach Inkrafttreten der Satzungsänderung gewährte die Beklagte dem wiederholt arbeitsunfähigen Kläger bei jeder erneuten Erkrankung
Krg erst ab dem 29. Tag der AU. Eine Krg-Gewährung in den bzw für die jeweils ersten 28 Tage(n) der AU lehnte sie hingegen
ab (für die Zeiten vom 14.1. bis 20.1.2002 und vom 22.4. bis 12.5.2002 mit Bescheiden vom 15.5. und 30.5. sowie vom 3.6. und
10.6.2002 jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.8.2002 und für die Zeiten vom 28.5. bis 25.9.2002, vom 2. bis
15.10.2002 sowie vom 20.12.2002 bis 30.1.2003 mit Bescheid vom 30.12.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.5.2003).
Der Kläger hat hiergegen im September 2002 und im Juni 2003 Klagen erhoben. Das Sozialgericht (SG) hat beide Klagen verbunden und mit Urteil vom 12.7.2004 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide geändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 22.4. bis 12.5. und vom
20.12.2002 bis 30.1.2003 Krg zu zahlen. Im Übrigen hat es die Berufung des Klägers zurückgewiesen. In den genannten Zeiträumen
habe es sich um Erkrankungen gehandelt, deretwegen der Kläger in den letzten sechs Monaten bereits wegen einer chronisch obstruktiven
Lungenkrankheit arbeitsunfähig gewesen sei und die Wartezeit bis zum Beginn des Krg ab dem 29. Tag der AU erfüllt habe. Die
Beklagte habe durch die Streichung des § 20 Abs 3 ihrer Satzung gegen die Eigentumsgarantie des Art
14 Abs
1 Grundgesetz (
GG) verstoßen. Diese Vorschrift habe Versicherte, die innerhalb einer Sechsmonatsfrist infolge derselben Krankheit wiederholt
arbeitsunfähig erkranken, begünstigt, indem sie bei Wiedererkrankung Krg bereits ab dem ersten Tag der AU erhielten. Für die
Beseitigung dieser eigentumsgeschützten Begünstigung chronisch kranker Selbstständiger gebe es keine hinreichenden Gründe
des öffentlichen Interesses. Insbesondere lägen solche Gründe weder in der Kostenersparnis noch darin, dass durch die Satzungsänderung
die hauptberuflich Selbstständigen nunmehr wie selbstständig tätige Künstler und Publizisten behandelt würden. Soweit der
Kläger in Zeiten ab Januar 2001 an einer Kieferentzündung und Infektion der oberen Atemwege (14.1. bis 20.1.2002), einem depressiven
Syndrom (28.5. bis 24.6.2002) und einer somatischen Störung, Unwohlsein und Ermüdung (2. bis 15.10.2002) arbeitsunfähig erkrankt
sei, habe es sich jeweils nicht um dieselbe Krankheit (chronische obstruktive Lungenkrankheit) gehandelt, deretwegen die Wartezeit
schon erfüllt worden sei (Urteil vom 4.5.2006).
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von §
44 Abs
2, §
243 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) sowie des Art
14 Abs
1 GG. Sie sei ohne Verfassungsverstoß berechtigt gewesen, § 20 Abs 3 ihrer Satzung zu streichen und generell eine Wartezeit von 28 Tagen einzuführen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 4.5.2006 zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts
Darmstadt vom 12.7.2004 (S 10 KR 1522/02 und S 10 KR 940/03) in vollem Umfang zurückzuweisen.
Der im Revisionsverfahren nicht durch einen vor dem Bundessozialgericht (BSG) vertretungsberechtigten Bevollmächtigen vertretene
Kläger stellt keinen Antrag.
II. Die Revision der Beklagten ist begründet. Das LSG hätte die Berufung des Klägers in vollem Umfang zurückweisen müssen.
Zu Unrecht hat das LSG das Urteil des SG geändert und die Beklagte unter Änderung ihrer Bescheide für die Zeit vom 22.4. bis 12.5.2002 und vom 20.12.2002 bis 30.1.2003
zur Krg-Zahlung verurteilt. Der Kläger hat für die genannten Zeiträume keinen Anspruch auf Krg. Die Beklagte durfte § 20 Abs
3 ihrer Satzung mit Wirkung vom 1.1.2002 aufheben und Krg generell erst ab dem 29. Tag der AU gewähren, ohne gegen Gesetzes-
(dazu 1.) und Verfassungsrecht (dazu 2.) zu verstoßen.
1. §
44 Abs
2 SGB V ermächtigte die Beklagte als Satzungsgeber, §
20 Abs
3 ihrer Satzung zum 1.1.2002 mit Wirkung für die Zukunft zu streichen.
a) Nach §
44 Abs
2 SGB V kann die Satzung für freiwillig Versicherte den Anspruch auf Krg ausschließen oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen
lassen. Diese Bestimmung, von deren Verfassungsmäßigkeit der Senat in ständiger Rechtsprechung ausgeht (vgl BSG SozR 3-2500
§ 44 Nr 4 S 7; BSGE 76, 1, 4 = SozR 3-2500 § 45 Nr 1 S 4; im Ergebnis ebenso BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 2 RdNr 9), lässt satzungsrechtlich wegen der geringeren
Schutzbedürftigkeit freiwillig Versicherter (vgl BSGE 70, 13, 19 = SozR 3-2500 § 240 Nr 6), die typischerweise bei Eintritt einer Arbeitsverhinderung den Wegfall des Arbeitseinkommens
aus eigenen Mitteln jedenfalls für einen bestimmten Zeitraum überbrücken können (vgl dazu BSG SozR 3-2500 § 44 Nr 4; BSGE
76, 1, 5 = SozR 3-2500 § 45 Nr 1 S 6), den völligen Ausschluss des Krg-Anspruchs zu. Sie ermächtigt den Krankenversicherungsträger
auch dazu, Satzungsregelungen unter Berücksichtigung allgemeiner rechtsstaatlicher Grundsätze mit Wirkung für die Zukunft
zu beseitigen. Denn die bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versicherten freiwilligen Mitglieder mussten
- jedenfalls solange der Versicherungsfall noch nicht eingetreten war - seit jeher (vgl bereits § 215 Abs 2 der
Reichsversicherungsordnung idF vom 19. Juli 1911, RGBl I 509, 550) damit rechnen, dass der Versicherungsträger von seiner ihm gesetzlich speziell für
das Krg eingeräumten Befugnis ggf auch zu ihren Ungunsten Gebrauch macht, autonomes Recht zu setzen und dabei sogar den Anspruch
auf Krg mit Wirkung für die Zukunft vollständig auszuschließen. Daran knüpft auch die Regelung in §
44 Abs
2 SGB V an (vgl Begründung zum Entwurf der Bundesregierung des Gesundheits-Reformgesetzes [GRG], BT-Drucks 11/2237 S 180 "Zu § 43
... Zu Absatz 2"). Nach ständiger Rechtsprechung des BSG kann generell kein Schutz des Vertrauens darauf anerkannt werden,
dass das Satzungsrecht für alle Zukunft unverändert so bestehen bleiben wird, wie es bei der Begründung der freiwilligen Mitgliedschaft
bestand (vgl BSGE 42, 244, 246 = SozR 2200 § 213 Nr 2 S 7; BSG, Urteil vom 4.11.1992 - 1 RK 12/92; BSG SozR 3-2500 § 44 Nr 4 S 11; zum Ganzen vgl zuletzt BSG, Urteil vom 30.5.2006 - B 1 KR 15/05 R).
b) Demgemäß durfte auch die Beklagte § 20 Abs 3 ihrer Satzung streichen. Diese Vorschrift führte dazu, dass bei wiederholter
krankheitsbedingter AU die sofortige Entstehung eines Krg-Anspruchs von der Art der Erkrankung abhing. War ein Versicherter
auf Grund einer bestimmten Krankheit bereits innerhalb der letzten sechs Monate arbeitsunfähig und erhielt er deswegen ab
dem 29. Tag der AU Krg, so erhielt er bei erneuter Erkrankung wegen derselben Krankheit bereits ab dem ersten Tag der AU Krg,
während bei einer AU auf Grund einer anderen Krankheit der Krg-Anspruch erst ab dem 29. Tag der AU entstand. Ein sachlicher
Grund für diese Ungleichbehandlung ist nicht erkennbar, zumal es nach dem Gesetz für den Wegfall des Arbeitseinkommens, den
das Krg ausgleichen soll auf den Grund der jeweiligen Erkrankung nicht ankommt. Diese Ungleichbehandlung wurde durch die Streichung
des § 20 Abs 3 der Satzung der Beklagten beseitigt. Die genannte Satzungsregelung konnte, weil der Beginn des Krg-Anspruchs
von der Art der Erkrankung abhing, zudem zu schwierigen, verwaltungsintensiven und beim Erfordernis ärztlicher Begutachtung
auch zu kostenträchtigen Abgrenzungsproblemen führen. Versicherte konnten nämlich ein erhebliches wirtschaftliches Interesse
daran haben, dass als Grund der AU die bereits früher zur AU führende Krankheit festgestellt bzw anerkannt wurde. Unbeschadet
der Frage, ob die Beklagte überhaupt berechtigt gewesen war, das gesetzlich geregelte Krg-Recht in ihrer Satzung derart auszugestalten,
stellten sich solche Abgrenzungsfragen für den Zeitpunkt der Entstehung des Krg-Anspruchs nach Streichung des § 20 Abs 3 jedenfalls
nicht mehr. Die Streichung der Vorschrift führt auch nicht zu einer Verkürzung der gesetzlichen Anspruchsdauer, denn auch
für chronisch und langfristig kranke Versicherte wird der Krg-Anspruch zeitlich nicht verkürzt, sondern die Entstehung des
Krg-Anspruchs zeitlich nur hinausgeschoben (vgl §
48 SGB V).
Schließlich durfte sich die Beklagte auf ihre Erfahrungen mit der vom Kläger gewählten Versicherung stützen. Sie war zu der
Überzeugung gelangt, die Häufigkeit der Krg-Zahlungen gerade in der Versichertengruppe der Selbstständigen mit einem Krg-Anspruch
ab dem 29. Tag der AU habe sich gegenüber anderen Versichertengruppen überproportional entwickelt; eine Deckung der Krg-Kosten
innerhalb der ersten 28-Tage-Frist sei zudem durch den erhöhten Beitrag dieser Versicherten nicht gedeckt. Mit der Streichung
des § 20 Abs 3 wollte die Beklagte somit verhindern, dass diese Gruppe der freiwillig versicherten Selbstständigen mit dem
an sie gezahlten Krg bei typisierender und pauschalierender Betrachtung dauerhaft durch andere Versichertengruppen "subventioniert"
wurde.
2. Entgegen der Auffassung des LSG widerspricht die Aufhebung des § 20 Abs 3 der Satzung mit Wirkung vom 1.1.2002 nicht dem
Verfassungsrecht, insbesondere verstößt die Neuregelung weder gegen den Schutz des Eigentums noch gegen das Rechtsstaatsprinzip.
a) Die Satzungsänderung zum 1.1.2002 hat die Eigentumsrechte des Klägers (Art
14 Abs
1 GG) nicht verletzt (zum Ganzen vgl zuletzt bereits BSG, Urteil vom 30.5.2006 - B 1 KR 15/05 R). Es bedarf keiner Vertiefung, inwieweit freiwillig versicherte Krankenkassenmitglieder auf Grund der gesetzlichen und satzungsrechtlichen
Regelungen einer Anwartschaft auf Krg überhaupt eine durch die Eigentumsgarantie des Art
14 Abs
1 GG geschützte sozialversicherungsrechtliche Position erwerben (vgl grundsätzlich bejahend Senat SozR 3-2500 § 44 Nr 4 S 9 unter Hinweis auf Vorlagebeschluss des Senats vom 10.12.1991 - 1/3 RK 9/90 - SGb 1992, 508, betreffend das Wiederaufleben des Krg-Anspruchs eines Pflichtversicherten; offen gelassen von BVerfG SozR 3-2500 § 47 Nr
8 und BVerfGE 97, 378 = SozR 3-2500 § 48 Nr 7; vgl allgemein zur Erfassung sozialversicherungsrechtlicher Positionen von der Eigentumsgarantie
zuletzt Senat, Urteil vom 13.12.2005 - B 1 KR 4/05 R - SozR 4-2500 § 58 Nr 1, RdNr 13 mwN - Sterbegeld). Zweifel an der Eigentumsqualität einer Anwartschaft freiwillig Versicherter
auf Krg könnten daraus erwachsen, dass der Gesetzgeber - wie dargelegt - diese Anwartschaft mit Blick auf die geringere Schutzbedürftigkeit
Selbstständiger verfassungskonform zur Disposition des Satzungsgebers gestellt hat. Er darf sie - im Wege der Satzungsänderung
- mit Wirkung für die Zukunft gesetzeskonform (vgl oben) vollständig beseitigen. Es könnte mithin fraglich erscheinen, ob
der Gesetzgeber dieser Anwartschaft auf Krg überhaupt eine existenzsichernde Funktion unter Berücksichtigung der typischerweise
anderweitig vorhandenen Vorsorgemöglichkeiten freiwillig Versicherter beimisst.
Geht man trotz dieser Bedenken vom Schutz der Anwartschaft freiwillig Versicherter auf Krg durch die Eigentumsgarantie des
Art
14 Abs
1 GG aus, hat die Beklagte indes mit ihrer Satzungsregelung für die freiwilligen Mitglieder nicht in verfassungswidriger Weise
in die Rechtsposition des Klägers eingegriffen.
Nach der Rechtsprechung des Senats ergibt sich in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG)
die konkrete Reichweite der Bestandsgarantie des Eigentums aus der Bestimmung von dessen Inhalt und Schranken (BVerfGE 53,
257, 292 = SozR 7610 § 1587 Nr 1; BVerfGE 58, 81, 109 = SozR 2200 § 1255a Nr 7; BVerfGE 74, 203, 214 = SozR 4100 § 120 Nr 2; 75, 78, 97 = SozR 2200 § 1246 Nr 142; BSG SozR 3-2500 § 44 Nr 4 S 9 mwN). Die Inhalts- und Schrankenbestimmung
ist nach Art
14 Abs
1 Satz 2
GG Sache des Gesetzgebers. Er kann grundsätzlich auch sozialversicherungsrechtliche Ansprüche beschränken und umgestalten (BVerfGE
74, 203, 214 = SozR 4100 § 120 Nr 2; BVerfG SozR 3-2500 § 47 Nr 8 S 19; BVerfGE 97, 378, 385 ff = SozR 3-2500 § 48 Nr 7 S 31 ff; vgl auch BSG, Urteil vom 13.12.2005 - B 1 KR 4/05 R, RdNr 18 mwN zur grundsätzlichen Veränderbarkeit sozial-versicherungsrechtlicher Positionen), wobei ihm eine beträchtliche
Gestaltungsfreiheit zusteht. Denn in sozialversicherungsrechtlichen Positionen ist von vornherein in gewissen Grenzen die
Möglichkeit von Änderungen angelegt. So hat die Rechtsprechung des BVerfG herausgestellt, dass selbst derjenige, welcher als
Pflichtversicherter Mitglied der GKV wird, von Beginn an nicht erwarten darf, die gesetzlichen Vorschriften über die Leistung
bestünden auf Dauer unverändert fort und er werde bei notwendigen Änderungen besser gestellt sein als andere Pflichtversicherte.
Die gesetzlichen Sozialversicherungen sind Solidargemeinschaften auf Dauer, die sich im Laufe der Zeit vielfachen Veränderungen
anpassen müssen. Wer Mitglied einer so geprägten Gemeinschaft ist, erwirbt nämlich nicht nur die damit verbundenen Chancen,
sondern trägt mit den anderen Versicherten auch ihre Risiken (BVerfGE 69, 272, 314 = SozR 2200 § 165 Nr 81 S 135). Erst recht gilt dies für sozialversicherungsrechtliche Positionen, die der Gesetzgeber
- wie hier - von Anfang an zur Disposition des Satzungsgebers gestellt hat.
Aber selbst wenn man es als erforderlich ansähe, dass auch bei einschränkenden Änderungen satzungsrechtlicher Positionen legitimierende
Gründe gegeben sind (vgl zur Reform eines gesetzlich ausgestalteten Rechtsgebiets BVerfGE 31, 275, 290; BSG SozR 3-2500 § 47 Nr 3 und Urteil des Senats vom 4.11.1992 - 1 RK 12/92 -), genügt die Satzungsänderung - Aufhebung des § 20 Abs 3 Satzung aF - den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Gesetzliche
Regelungen iS des Art
14 Abs
1 Satz 2
GG, die zu solchen Eingriffen führen, sind nur zulässig, wenn sie durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung
des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sind (vgl BVerfGE 31, 275, 290; 36, 281, 293; 58, 81, 121 f = SozR 2200 § 1255a Nr 7 S 18). Solche liegen hier mit den oben aufgeführten Gründen (vgl
II 1 b) vor.
b) Die Satzungsänderung verstößt auch nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art
20 Abs
1 GG). Die Satzungsänderung wirkte allein für die Zukunft, sodass die Prüfmaßstäbe anzulegen sind, die für die sog unechte Rückwirkung
oder tatbestandliche Rückanknüpfung gelten. Ein solcher Fall liegt vor, wenn - wie hier - eine Norm auf gegenwärtige, noch
nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffenen Rechtspositionen
nachträglich entwertet (BVerfGE 101, 239, 263; BVerfGE 69, 272, 309 f = SozR 2200 § 165 Nr 81 S 132; BVerfGE 51, 356, 362 = SozR 2200 § 1233 Nr 12 mwN) oder wenn eine Norm künftige Rechtsfolgen von Gegebenheiten aus der Zeit vor ihrer Verkündung
abhängig macht (BVerfGE 79, 29, 45 f; BVerfGE 72, 141, 154 = SozR 2200 § 1265 Nr 78).
Die von der Verfassung für eine solche rechtliche Ausgestaltung gezogene Grenze wurde beim Wegfall der Bestandsschutzregelung
des § 20 Abs 3 Satzung aF nicht überschritten. Das durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes gesicherte Vertrauen wird bei
der unechten Rückwirkung nämlich nur enttäuscht, wenn das Gesetz einen entwertenden Eingriff vornimmt, mit dem der Berechtigte
nicht zu rechnen brauchte, den er also bei seinen Dispositionen nicht berücksichtigen konnte (BVerfGE 69, 272, 309 = SozR aaO mwN; BSGE 69, 76, 79 f = SozR 3-2500 § 59 Nr 1 S 4 mwN; Urteil des Senats vom 13.9.2005 - B 1 KR 4/05 R - RdNr 21 mwN). Ein schützenswertes Vertrauen in die dauerhafte Aufrechterhaltung der genannten Satzungsregelung konnte beim
Kläger nicht entstehen.