Parallelentscheidung zu BSG B 1 KR 30/21 B v. 28.07.2021
Gründe
I
Die klagende Krankenhausträgerin begehrt, die beklagte Krankenkasse (KK) zur Zahlung weiterer 2782,12 Euro Vergütung für die
Behandlung eines bei der KK Versicherten zu verurteilen. Damit ist sie in beiden Instanzen erfolglos geblieben. Das LSG hat
zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der geltend gemachte Restanspruch stehe der Klägerin nicht zu, da die Voraussetzungen
für eine Vergütung nach der Fallpauschale (Diagnosis Related Group - DRG) E42Z (geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung bei Krankheiten und Störungen der Atmungsorgane) nicht vorlägen. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen des Operationen- und Prozedurenschlüssels (OPS) 8-550.1 seien nicht
erfüllt. Dessen Kodierung setze ua mindestens 14 Behandlungstage und 20 Therapieeinheiten voraus. Hier seien jedoch nur 19
Therapieeinheiten berücksichtigungsfähig. Das logopädische Screening stelle eine reine Befunderhebung dar; die Notwendigkeit
einer logopädischen Behandlung sei dabei als nicht erforderlich dokumentiert worden und habe auch nicht stattgefunden (Urteil vom 16.2.2021).
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.
II
Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig und gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2
SGG iVm §
169 Satz 3
SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus §
160a Abs
2 Satz 3
SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen
Bedeutung (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG).
1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren
und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig
und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 14.4.2010 -
1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 ff mwN). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.
a) Das klagende Krankenhaus formuliert die Frage,
"ob eine diagnostische Einheit, die therapeutische Aspekte beinhaltet, als Therapieeinheit im Sinne des OPS 8-550.1 zu werten
ist".
Es legt jedoch die grundsätzliche Bedeutung dieser Frage - ihre Qualität als Rechtsfrage unterstellt - nicht ausreichend dar.
Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage erwächst daraus, dass ihre Klärung nicht nur für den Einzelfall, sondern im
Interesse der Fortbildung des Rechts oder seiner einheitlichen Auslegung erforderlich ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 9 RdNr 7 mwN). Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist eine Rechtsnorm, bei der es sich wie hier (OPS 2015) um ausgelaufenes Recht handelt, deshalb regelmäßig nicht von grundsätzlicher
Bedeutung (vgl BSG vom 15.3.2012 - B 3 KR 13/11 R - BSGE 110, 222 = SozR $-2500 § 116b Nr 3, RdNr 17). Im Falle des DRG-basierten Vergütungssystems kommt hinzu, dass es vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes (§ 17b Abs 2 Satz 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz - KHG; s ferner § 17b Abs 7 Satz 1 Nr 1 und 2 KHG) und damit als ein "lernendes" System angelegt ist. Bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen sind in erster
Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (vgl zum Ganzen BSGE 107, 140 = SozR 4-2500 § 109 Nr 21, RdNr 18). Dieser Anpassungsmechanismus betrifft auch die Begriffsbestimmungen im OPS (vgl dazu BSG vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 14 f).
Bezogen auf die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung bedeutet dies, dass im Streit über die Anwendbarkeit einer bestimmten
OPS darzulegen ist: (1) Die betroffene Einzelvorschrift hat im konkreten Fall auf die zur Ermittlung der DRG durchzuführende
Groupierung Einfluss. (2) Die betroffene Einzelvorschrift gilt in späteren Vergütungsregelungen im Wortlaut unverändert erlöswirksam
für die Groupierung fort. (3) Ein sich daraus in einer Vielzahl von Behandlungsfällen bereits ergebender und zukünftig zu
erwartender Streit konnte von den am Abschluss der Vergütungsregelungen mitwirkenden Vertragsparteien bislang nicht einvernehmlich
gelöst werden. (4) Alternativ ist darzulegen, dass der Auslegungsstreit über eine Einzelvorschrift eine strukturelle Frage
des Vergütungssystems betrifft, deren Beantwortung - ungeachtet der Fortgeltung der konkret betroffenen Vorschrift - über
die inhaltliche Bestimmung der Einzelvorschrift hinaus für das Vergütungssystem als Ganzes oder für einzelne Teile zukünftig
von struktureller Bedeutung ist (vgl BSG vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32).
An entsprechenden Darlegungen fehlt es im vorliegenden Fall. Die Klägerin zeigt weder auf, dass sich das Problem auch tatsächlich
für andere Krankenhäuser stelle, noch führt sie an, dass es nicht gelungen sei, dieses Problem unter den Vertragsparteien
einvernehmlich zu lösen. Auch dass ein strukturelles Problem des Vergütungssystems insgesamt betroffen sei, legt die Klägerin
nicht dar. Ihr pauschaler Verweis darauf, dass das BSG die Rechtsfrage noch nicht entschieden habe und die Auslegung von OPS 8-550.1 für eine Vielzahl von Krankenhäusern von grundsätzlicher
Bedeutung sei, genügt insoweit nicht.
Die Klägerin legt zudem die Klärungsfähigkeit ihrer Frage nicht dar. Ihre Frage unterstellt, dass das durchgeführte Logopädie-Screening,
das sie als weitere Therapieeinheit berücksichtigt wissen will, diagnostische Elemente enthalte. Dabei verweist die Klägerin
selbst auf den Inhalt der Entscheidung des LSG, wonach im Rahmen des logopädischen Screenings das Erfordernis einer logopädischen
Behandlung ausgeschlossen worden ist und auch nicht stattgefunden hat. Diese für den Senat bindenden Feststellungen (§
163 SGG) hat die Klägerin nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen. Weshalb gleichwohl ihre Frage nach der Relevanz einer diagnostischen
Einheit mit therapeutischen Elementen für ihren Fall streitentscheidend sein soll, zeigt sie nicht auf.
Letztlich wendet sich die Klägerin gegen die Richtigkeit der Entscheidung im Einzelfall. Dies vermag die Revisionsinstanz
jedoch nicht zu eröffnen. Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig
entschieden hat (stRspr; vgl BSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7; BSG vom 31.10.2012 - B 13 R 107/12 B - juris RdNr 21).
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm §
154 Abs
2 VwGO, diejenige über den Streitwert auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 1
SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.