Anspruch auf Kostenerstattung für eine Hyperthermiebehandlung zur Behandlung einer Brustkrebserkrankung
Divergenzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Die Kläger sind Sonderrechtsnachfolger (Ehemann und Kinder) einer - inzwischen verstorbenen - Versicherten der beklagten Krankenkasse.
Sie sind mit ihrem Begehren auf Kostenerstattung in Höhe von 48 359,59 Euro für eine Hyperthermiebehandlung bei S (F) zur
Behandlung der Brustkrebserkrankung der verstorbenen Versicherten ohne Erfolg geblieben. Zuvor hatte die Krankenkasse die
Kostenübernahme abgelehnt. Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Es habe kein Sachleistungsanspruch bestanden.
Soweit die Kläger Kostenerstattung für vertragsärztliche schulmedizinische Leistungen geltend machten, bestehe ein Anspruch
bereits deswegen nicht, weil S nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sei. Für die Hyperthermiebehandlung fehle
es an einer befürwortenden Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) nach §
135 Abs
1 Satz 1
SGB V. Der GBA habe die Hyperthermiebehandlung vielmehr ausdrücklich aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV) ausgeschlossen (Anlage II Nr 42 der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung). Ein Systemversagen liege nicht vor, da keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich seien, dass die Prüfung, auf der der Beschluss
des GBA vom 18.1.2005 beruhe, fehlerhaft gewesen oder inzwischen überholt sei. Ein Leistungsanspruch folgt auch nicht aus
§
2 Abs
1a SGB V, da keine auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliativen Standardtherapien hinausreichenden Erfolg bestanden
habe (Urteil vom 17.3.2020).
Mit ihrer Beschwerde wenden sich die Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II
Die Kläger rügen mit ihrer Beschwerde die Revisionszulassungsgründe der Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) und des Verfahrensmangels (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG). Die Beschwerde ist unzulässig, soweit sie die Verletzung rechtlichen Gehörs rügen (dazu 1.). Sie ist jedenfalls unbegründet, soweit die Divergenz eines vom LSG aufgestellten Rechtssatzes mit einem Rechtssatz in einem
Urteil des BVerfG und einem Urteil des BSG geltend gemacht wird (dazu 2.), und daher insgesamt zurückzuweisen.
1. Nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ist eine Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen
kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von §
109 und §
128 Abs
1 Satz 1
SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des §
103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende
Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet
werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; vgl zB BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36 mwN). Die Kläger richten ihr Vorbringen hieran nicht aus.
Das Vorbringen der Kläger, das LSG habe die Aussagen des behandelnden Arztes in dessen Befundberichten vom 29.7.2012 nebst
Anlagen und vom 18.1.2018 nebst Anlagen teilweise übergangen, genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Darlegung
einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art
103 Abs
1 GG, §
62 SGG). Für die Darlegung einer Gehörsrüge müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich gemacht werden, dass tatsächliches Vorbringen
eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (stRspr; vgl zB BVerfG vom 22.11.1983 - 2 BvR 399/81 - BVerfGE 65, 293, 295 f = SozR 1100 Art 103 Nr 5 S 3 f; BSG vom 15.4.2019 - B 13 R 233/17 B - juris RdNr 18). Im Rahmen dieser sogenannten Erwägensrüge gilt die tatsächliche Vermutung, dass ein Gericht das Vorbringen der Beteiligten
und den Akteninhalt zur Kenntnis genommen und erwogen hat, zumal es nach Art
103 Abs
1 GG nicht verpflichtet ist, auf jeden Gesichtspunkt einzugehen, der im Laufe des Verfahrens von der einen oder anderen Seite
zur Sprache gebracht worden ist (vgl BVerfG vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205, 216). Die Kläger führen selbst aus, das LSG habe sich in seinem Urteil ausdrücklich auf die genannten Befundberichte bezogen,
deren Inhalt dann aber übergangen. Dass Vorbringen gänzlich übergangen oder nicht erwogen worden sei, zeigen diese Ausführungen
gerade nicht auf. Letztlich wenden sich die Kläger damit lediglich gegen die inhaltliche Richtigkeit des LSG-Urteils. Die
Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, kann aber nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB BSG vom 19.6.2018 - B 1 KR 87/17 B - juris RdNr 7; BSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).
Sollte im Vorbringen der Kläger konkludent eine Sachaufklärungsrüge liegen, hätten sie auch deren Voraussetzungen nicht substantiiert
dargetan. Die Anforderungen an die Sachaufklärungsrüge dürfen nicht durch ein Ausweichen auf die Gehörsrüge umgangen werden
(vgl BSG vom 14.4.2009 - B 5 R 206/08 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 18 RdNr 6; BSG vom 18.5.2016 - B 5 RS 10/16 B - juris RdNr 8), weil anderenfalls die Beschränkungen des §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG im Ergebnis ins Leere liefen.
2. Ob die Kläger, die sich auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) berufen, entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze im Urteil des Berufungsgerichts einerseits und in einem Urteil des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG andererseits in der gebotenen Weise gegenüberstellen und ausführen, weshalb beide miteinander
unvereinbar sein sollen und das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht, ist fraglich (vgl zu den Darlegungserfordernissen zB BSG vom 19.9.2007 - B 1 KR 52/07 B - juris RdNr 6; BSG vom 9.5.2018 - B 1 KR 55/17 B - juris RdNr 8; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Darlegungsanforderungen vgl BVerfG <Dreierausschuss> vom 8.9.1982 - 2 BvR 676/81 - juris RdNr 8). Jedenfalls findet sich der von den Klägern behauptete Rechtssatz des BVerfG und des BSG nicht in den benannten Entscheidungen.
Die Kläger rügen, das LSG weiche von der Entscheidung des BVerfG vom 6.12.2005 (1 BvR 347/98 - BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 = juris RdNr 62) und der darauf aufbauenden Entscheidung des BSG vom 4.4.2006 (B 1 KR 7/05 R - BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4) ab, nach denen ein Leistungsanspruch aus grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungsrechts bereits dann bestehe, "wenn
der behandelnde Arzt eine Methode zur Anwendung bringt, die nach seiner Einschätzung im Einzelfall den Krankheitsverlauf positiv
zugunsten des Versicherten beeinflusst". Soweit die Kläger meinen, dass das BVerfG und dem folgend das BSG den entscheidungstragenden Rechtssatz aufgestellt hätten, dass es in Bezug auf die Bewertung der Erfolgsaussichten einer
Behandlungsmethode im Rahmen der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungsrechts allein oder zumindest vorrangig auf
die Einschätzung des behandelnden Arztes (und des Versicherten) ankomme, findet sich ein solcher Rechtssatz in den benannten
Entscheidungen nicht. Das BVerfG knüpft die Unvereinbarkeit eines Leistungsausschlusses in der GKV mit Art
2 Abs
1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip vielmehr daran, dass "die vom Versicherten gewählte andere Behandlungsmethode eine
auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung
auf den Krankheitsverlauf versprechen" muss (vgl BVerfG, aaO, RdNr 64).
Der von den Klägern in Bezug genommene Satz aus der Entscheidung des BVerfG bezieht sich nicht auf die Voraussetzungen der
Unvereinbarkeit eines Leistungsausschlusses mit dem
Grundgesetz, sondern auf die Rechtsprechung des BSG. Auch soweit das BVerfG im Weiteren ausführt, "weitere Bedeutung kommt der fachlichen Einschätzung der Wirksamkeit der Methode
im konkreten Einzelfall durch die Ärzte des Erkrankten zu, die die Symptome seiner Krankheit behandeln" (BVerfG, aaO, RdNr 66), hat das BVerfG damit keinen rein subjektiven Maßstab eingeführt, sondern den Fachgerichten die Überprüfung aufgeben, "ob
es für die vom Arzt nach gewissenhafter fachlicher Einschätzung vorgenommene oder von ihm beabsichtigte Behandlung ernsthafte
Hinweise auf einen nicht ganz entfernt liegenden Erfolg der Heilung oder auch nur auf eine spürbare positive Einwirkung auf
den Krankheitsverlauf im konkreten Einzelfall gibt" (BVerfG, aaO), dh, ob es für die fachliche Einschätzung des behandelnden Arztes auch objektive Hinweise gibt. Auch das BSG hat in der benannten Entscheidung keinen hiervon abweichenden Rechtssatz aufgestellt (vgl BSG vom 4.4.2006 - B 1 KR 7/05 R - BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 43).
Hieran hat sich auch das LSG orientiert. Es hat keinen davon abweichenden Rechtssatz aufgestellt. Vielmehr hat es solche ernsthaften
Hinweise verneint und dafür im Rahmen seiner Beweiswürdigung als Hauptargument auf die Ausführungen des Medizinischen Dienstes
der Krankenversicherung verwiesen.
3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.