Kein Anspruch auf Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung in der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem DRG-System
für die Behandlung einer Anämie beim vorsorglichen Bereitstellen gekreuzter Blutkonserven ohne Transfusion
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über Krankenhausvergütung.
Das für die Behandlung Versicherter zugelassene Krankenhaus der Klägerin behandelte den bei der beklagten Krankenkasse (KK)
versicherten Karl M. (im Folgenden: Versicherter) vom 12. bis 24.11.2008 vollstationär operativ wegen peripherer arterieller
Verschlusskrankheit (PAVK) links. Die Klägerin stellte vorsorglich zwei Blutkonserven bereit und veranlasste eine sog "Blutkreuzung".
Hierzu werden Blutproben des Patienten und des vorgesehenen Spenderbluts aus einem der Konserve beigefügten Pilotröhrchen
vermischt, um zu testen, ob es zu Verklumpungen kommt. Eine anderweitige Verwendung der Konserve ist bei Nichtgebrauch möglich.
Die Klägerin gab dem Versicherten bei der Operation 3000 ml Kochsalzlösung (NaCl) zum Volumenausgleich bei Blutverlust und
später Sauerstoff. Postoperativ kam es am gleichen Tag zu einer Nachblutung mit Hämoglobinabfall. Die Klägerin stillte die
Blutung, räumte das Hämatom aus und verabreichte dem Versicherten 1000 I.E. Protamin (Mittel zur schnellen Aufhebung der Heparinwirkung
zwecks Blutstillung) sowie intravenös 1000 ml NaCl. Eine Bluttransfusion erfolgte nicht. Die Klägerin berechnete für die Behandlung
5612,34 Euro (24.11.2008; Fallpauschale DRG - Diagnosis Related Group - 2008 [DRG] F59A: Komplexe Gefäßeingriffe ohne komplizierende
Prozeduren, ohne Revision, ohne komplexe Diagnose, Alter über 2 Jahre, mit äußerst schweren CC oder mäßig komplexe Gefäßeingriffe
mit äußerst schweren CC oder Rotationsthrombektomie; alle Diagnosen gemäß ICD-10-GM Version 2008: Hauptdiagnose I70.21 li:
PAVK, Stadium IIb; Nebendiagnosen ua D62: akute Blutungsanämie, Anämie nach intra- und postoperativer Blutung; T81.0: Blutung
und Hämatom als Komplikation eines Engriffes, andernorts nicht klassifiziert). Die Beklagte zahlte lediglich 4208,43 Euro:
Abrechenbar sei nur die DRG F54Z (komplexe oder mehrfache Gefäßeingriffe ohne komplizierende Prozeduren, ohne Revision, ohne
komplexe Diagnose, Alter über 2 Jahre oder mäßig komplexe Gefäßeingriffe mit komplizierender Diagnose, ohne äußerst schwere
CC, ohne Rotationsthrombektomie). Die Nebendiagnose D62 sei nicht zu kodieren. Die Klägerin habe keine Blutkonserve verabreicht,
sondern lediglich die Konserve bereitgestellt und gekreuzt. Das SG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, der Klägerin weitere 1503,17 Euro nebst Zinsen zu zahlen: Die DRG F59A sei wegen
zulässiger Kodierung von D62 als Nebendiagnose abrechenbar (Urteil vom 20.9.2011). Das LSG hat dagegen die Klage abgewiesen:
Die Klägerin dürfe D62 nur kodieren, wenn sie Therapien spezifisch zur Behandlung einer akuten Anämie und nicht nur allgemein
zur Unterbindung einer akuten Blutung einsetze. Hieran habe es gefehlt. Die erfolgte Gabe von Sauerstoff, Kochsalzlösung und
Protamin sei unspezifisch, die bloße Bereitstellung gekreuzter Blutkonserven unzureichend (Urteil vom 30.10.2014).
Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung von §
109 Abs
4 S 3
SGB V iVm §
1 Abs
6 S 1 Fallpauschalenvereinbarung (FPV) 2008 nebst Anlagen zur FPV 2008, speziell D003d DKR, DRG F59A und ICD-10-GM (2008) D62
sowie von Verfahrensrecht.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 30. Oktober 2014 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil
des Sozialgerichts Fulda vom 20. September 2011 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
II
Die zulässige Revision der klagenden Krankenhausträgerin ist unbegründet (§
170 Abs
1 S 1
SGG). Das LSG hat zu Recht das SG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die von der Klägerin erhobene (echte) Leistungsklage (§
54 Abs
5 SGG) ist im hier bestehenden Gleichordnungsverhältnis zulässig (vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9 mwN; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 12), aber unbegründet. Der Klägerin steht wegen der stationären Behandlung des Versicherten
neben den von der beklagten KK gezahlten 4208,43 Euro jedenfalls kein weitergehender Vergütungsanspruch in Höhe der darüber
hinaus geltend gemachten 1503,17 Euro und hierfür auch kein Zinsanspruch zu; die Verfahrensrügen greifen nicht durch (dazu
1. bis 3.).
1. Die Klägerin erfüllte die Grundvoraussetzungen eines Anspruchs auf Krankenhausvergütung, indem sie den Versicherten vom
12. bis 24.11.2008 stationär behandelte. Die Zahlungsverpflichtung einer KK entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage -
unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem
zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von §
39 Abs
1 S 2
SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (stRspr, vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 11; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 11; BSG SozR 4-5565 § 14 Nr 10 RdNr 11; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 13; alle mwN). Diese Voraussetzungen waren nach den unangegriffenen, den Senat bindenden Feststellungen
des LSG (§
163 SGG) erfüllt.
2. Der Vergütungsanspruch für die stationäre Behandlung der Versicherten überstieg jedenfalls nicht 4208,43 Euro. Die Beklagte
erkannte den Anspruch nach Überprüfung in dieser Höhe an, er steht insoweit außer Streit. Die Klägerin erfüllte die Voraussetzungen
einer um 1503,17 Euro höheren Vergütung dagegen nicht. Zu Recht sind die Beteiligten darüber einig, dass der Anspruch auf
die höhere Vergütung nach der DRG F59A voraussetzt, dass neben der Hauptdiagnose I70.21 li und den Nebendiagnosen - ua T81.0
- die Nebendiagnose D62: akute Blutungsanämie zu kodieren war. Daran fehlt es.
Die von der Klägerin geltend gemachte Krankenhausvergütung bemisst sich nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher
Grundlage (dazu a). Nebendiagnosen sind neben einer Hauptdiagnose für die Zuordnung zu einer DRG nur bedeutsam, soweit ihnen
die Vertragsbeteiligten zur angemessenen Bewertung von Versorgungsbesonderheiten Abrechnungsrelevanz beigemessen haben (dazu
b). Die Klägerin durfte nach diesen Grundsätzen die Nebendiagnose D62 nicht kodieren (dazu c).
a) Die Vergütung für Krankenhausbehandlung der Versicherten bemisst sich bei DRG-Krankenhäusern wie jenem der Klägerin nach
vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Die Fallpauschalenvergütung für Krankenhausbehandlung Versicherter
in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich aus §
109 Abs
4 S 3
SGB V (idF durch Art 1 Nr
3 Fallpauschalengesetz vom 23.4.2002, BGBl I 1412) iVm § 7 Krankenhausentgeltgesetz ([KHEntgG] idF durch Art 2 Nr 5 Zweites Fallpauschalenänderungsgesetz [2. FPÄndG] vom 15.12.2004, BGBl I 3429) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz ([KHG] idF durch Art 18 Nr 4 GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz [GKV-WSG] vom 26.3.2007, BGBl I 378; vgl entsprechend BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 15 f; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 14 RdNr 15). Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge, Fallpauschalenvereinbarungen)
konkretisiert. Der Spitzenverband Bund der KKn und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach
§ 9 Abs 1 S 1 Nr 1 KHEntgG (idF durch Art 19 Nr 3 GKV-WSG) mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien nach
§ 11 KHEntgG (idF durch Art 2 Nr 8 2. FPÄndG) einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen
zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner
vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in den FPV auf der Grundlage des § 9 Abs 1 S 1 Nr 3 KHEntgG (idF durch Art 19 Nr 3 GKV-WSG).
b) Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich aus der Eingabe und Verarbeitung von Daten in einem
automatischen Datenverarbeitungssystem, das auf einem zertifizierten Programm basiert (vgl § 1 Abs 6 S 1 FPV 2008; zur rechtlichen
Einordnung des Groupierungsvorgangs vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 19 ff). Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auch auf Dateien
zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind (zB die Zuordnung von ICD-10-Diagnosen und
Prozeduren zu bestimmten Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum) oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen
wiedergeben. Zu letzteren gehören die Fallpauschalen selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10)
in der jeweiligen vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums
für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung (hier in der Version 2008 idF der Bekanntmachung des BMG gemäß §§
295 und
301 SGB V zur Anwendung des Diagnosenschlüssels vom 25.10.2007, BAnz Nr 207 vom 7.11.2007, S 7937, in Kraft getreten am 1.1.2008 [ICD-10-GM
2008]), die Klassifikation des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssels (hier in der Version 2008 idF der Bekanntmachung des BMG gemäß §§
295 und
301 SGB V zur Anwendung des Operationen- und Prozedurenschlüssels vom 25.10.2007, BAnz Nr 207 vom 7.11.2007, S 7937, in Kraft getreten
am 1.1.2008 [OPS 2008]; zur Grundlage der Rechtsbindung vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 24) sowie die von den Vertragspartnern auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den DKR
für das Jahr 2008 (Vereinbarung zu den DKR Version 2008 für das G-DRG-System gemäß § 17b KHG; zu deren normativer Wirkung vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 18).
Die Anwendung der DKR und der FPV-Abrechnungsbestimmungen einschließlich des ICD-10-GM und des OPS erfolgt eng am Wortlaut
orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (vgl
allgemein bereits BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 17 mwN; BSG SozR 4-5562 § 9 Nr 3 RdNr 17; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 27; BSG SozR 4-2500 § 301 Nr 1 RdNr 14; BSGE 116, 165 = SozR 4-2500 § 301 Nr 4, RdNr 12). Nur dann kann eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen
Behandlungsfällen vorgesehen ist, ihren Zweck erfüllen. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich
weiter zu entwickelndes (§ 17b Abs 2 S 1 KHG) und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie
die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (vgl zum Ganzen BSGE 107, 140 = SozR 4-2500 § 109 Nr 21, RdNr 18 mwN; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 11 RdNr 18; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 18 mwN; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 27; zur
Bundespflegesatzverordnung: BSG SozR 4-5565 § 14 Nr 10 RdNr 14; BSG SozR 3-5565 § 14 Nr 2 S 15; BSG SozR 3-5565 § 15 Nr 1 S 6). Rechtsähnlich verfahren der erkennende 1. und der 6. Senat des BSG bei der Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsregelungen (vgl BSG SozR 4-2500 § 28 Nr 4 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 4 RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 10 RdNr 13).
c) Zu Recht streiten die Beteiligten nicht darüber, dass die Klägerin die DRG F59A statt der DRG F54Z abrechnen durfte, wenn
sie zulässig neben der zutreffenden Hauptdiagnose (I70.21 li) ua die Nebendiagnose D62 kodieren konnte. Das zeigt auch die
Überprüfung anhand von Eingaben in den Grouper. Die Klägerin durfte nach den Vorgaben für die Kodierung von Nebendiagnosen
(dazu aa) die Nebendiagnose D62 aber nicht kodieren (dazu bb).
aa) Die Kodierrichtlinien bestimmen, ob und welche Nebendiagnosen für die Abrechnung zusätzlich zur Hauptdiagnose zu kodieren
sind (vgl auch BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 45 mwN). Das ist nach den DKR dann der Fall, wenn die fragliche Diagnose überhaupt als Nebendiagnose
zu kodieren ist und sich zudem auf das Versorgungsgeschehen tatsächlich im Sinne eines zusätzlichen Aufwands ausgewirkt hat.
In diesem Sinne definieren die DKR in Abschnitt D002f die Hauptdiagnose und unter D003d die Nebendiagnose: "Eine Krankheit
oder Beschwerde, die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose besteht oder sich während des Krankenhausaufenthaltes entwickelt.
Für Kodierungszwecke müssen Nebendiagnosen als Krankheiten interpretiert werden, die das Patientenmanagement in der Weise
beeinflussen, dass irgendeiner der folgenden Faktoren erforderlich ist: therapeutische Maßnahmen, diagnostische Maßnahmen,
erhöhter Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand. Krankheiten, die zB durch den Anästhesisten während der präoperativen
Beurteilung dokumentiert wurden, werden nur kodiert, wenn sie den oben genannten Kriterien entsprechen. Sofern eine Begleitkrankheit
das Standardvorgehen für eine spezielle Prozedur beeinflusst, wird diese Krankheit als Nebendiagnose kodiert. Anamnestische
Diagnosen, die das Patientenmanagement gemäß obiger Definition nicht beeinflusst haben, wie zB eine ausgeheilte Pneumonie
vor 6 Monaten oder ein abgeheiltes Ulkus, werden nicht kodiert. Symptome als Nebendiagnose: Ein Symptom wird nicht kodiert,
wenn es im Regelfall als eindeutige und unmittelbare Folge mit der zugrunde liegenden Krankheit vergesellschaftet ist. Stellt
ein Symptom jedoch ein eigenständiges, wichtiges Problem für die medizinische Betreuung dar, so wird es als Nebendiagnose
kodiert (siehe auch ICD-10-GM Kapitel XVIII). ... Abnorme Befunde: Abnorme Labor-, Röntgen-, Pathologie- und andere diagnostische
Befunde werden nicht kodiert, es sei denn, sie haben eine klinische Bedeutung im Sinne einer therapeutischen Konsequenz oder
einer weiterführenden Diagnostik (nicht allein Kontrolle der abnormen Werte)."
Auch die Nebendiagnosen sind - wie im Falle der Hauptdiagnosen nach DKR D002f ausdrücklich angeordnet - "nach Analyse" zu
kodieren, also nach Evaluation der Befunde am Ende des stationären Aufenthaltes. Hierbei sind vor dem Ende des stationären
Aufenthalts erhobene Befunde einzubeziehen, deren Auswertung erst später eingeht (stRspr, vgl BSG Urteil vom 21.4.2015 - B 1 KR 9/15 R - RdNr 19, für BSGE und SozR 4 vorgesehen; BSG Urteil vom 23.6.2015 - B 1 KR 13/14 R - RdNr 19, für SozR 4 vorgesehen). Die Maßgeblichkeit des Erkenntnishorizonts "nach Analyse" folgt aus dem Zusammenhang der
Neben- mit der Hauptdiagnose.
bb) Nach diesen Vorgaben war lediglich neben der Hauptdiagnose (I70.21) ua die Nebendiagnose (T81.0) zu kodieren, nicht aber
die Nebendiagnose akute Blutungsanämie (D62). Die bestehende akute Blutungsanämie bewirkte nämlich über die Stillung der Blutung
und das Ausräumen des Hämatoms hinaus keinen weiteren therapeutischen oder sonstigen relevanten Aufwand. Die Kodierung der
Nebendiagnose "Blutung und Hämatom als Komplikation eines Eingriffes, andernorts nicht klassifiziert" (T81.0) bildet den Aufwand
"Blutstillung und Ausräumen des Hämatoms" ab. Das präoperative Bereitstellen gekreuzter, später anderweitig verwendbarer Blutkonserven
ist lediglich ein allgemeiner, hier nicht ausgenutzter Vorsorgeaufwand. Zutreffend hat bereits das LSG darauf hingewiesen,
dass die Nebendiagnose akute Blutungsanämie (D62) ihre eigenständige Bedeutung verlöre, wollte man bei jeder blutungsbedingten
Anämie allein die Stillung der hierfür verantwortlichen Blutung und ggf das Ausräumen des Hämatoms als therapeutische Konsequenz
für die Kodierung ausreichen lassen. Operative oder postoperative massive Blutverluste, bei denen es der Therapie eines Hb-Abfalls
durch Erythrocyten-Substitution und/oder Eisengabe bedarf, ließen sich von anderen Fällen der bloßen Blutstillung nicht mehr
abgrenzen.
3. Die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. Sie meint schon im Ausgangspunkt unzutreffend, das
LSG habe eine akute Blutungsanämie in Abrede gestellt. Das LSG hat seine Entscheidung gerade ausgehend von der Feststellung
dieser Diagnose begründet und ausgeführt, eine bloße Stillung der Blutung genüge nicht als therapeutische Konsequenz, um die
Nebendiagnose D62 zu kodieren. Die Klägerin legt auch einen Verstoß gegen die Grenzen freier Beweiswürdigung (§
128 Abs
1 S 1
SGG) nicht schlüssig dar, wie es eine ordnungsgemäße Rüge erfordert (vgl §
164 Abs
2 S 3
SGG und hierzu zB BSG Urteil vom 21.4.2015 - B 1 KR 9/15 R - Juris RdNr 24 f, für BSGE und SozR 4 vorgesehen). Ein Verstoß gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung setzt die
Verletzung von Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen voraus (vgl zB BSG vom 19.12.2000 -B2U 49/99 R - HVBG-INFO 2001, 499; Zeihe/Hauck,
SGG, Stand 1.8.2015, §
128 Anm 3), den die Klägerin nicht geltend macht. Soweit sie rügt, das LSG habe nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens berücksichtigt,
bezeichnet sie den Mangel nicht hinreichend. Hierzu müsste sie zunächst die den Mangel begründenden Tatsachen substantiiert
dartun. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller
Rechtsauffassung - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl zB
BSG Beschluss vom 23.4.2013 - B 9 V 4/12 R - Juris RdNr 18; BSG Urteil vom 21.4.2015 - B 1 KR 9/15 R - Juris RdNr 25 mwN, für BSGE und SozR 4 vorgesehen). Die Klägerin setzt sich aber schon nicht hinreichend damit auseinander,
dass das LSG nach seiner oben (unter II. 2. c bb) dargelegten materiellen Rechtsauffassung eine über die Blutstillung und
Hämatomausräumung hinausgehende therapeutische Maßnahme für die Kodierung einer akuten Blutungsanämie als Nebendiagnose gefordert
hat.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Teils 3
SGG iVm §
154 Abs
2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §
197a Abs
1 Teils 1
SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG.