Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren; Bezeichnung des Verfahrensmangels einer Verletzung
rechtlichen Gehörs
Gründe:
I
Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte Kläger ist mit seinem Begehren, 14 660,63 Euro Kosten einer privatärztlichen
Immuntherapie von Dr K. für die Behandlung eines Tumorleidens erstattet zu erhalten, bei der Beklagten und in den Vorinstanzen
ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat zur Begründung ua ausgeführt, die Vorinstanz habe umfassend und zutreffend begründet, dass
teilweise schon mangels Beachtung des Beschaffungswegs und im Übrigen mangels Naturalleistungsanspruchs kein Kostenerstattungsanspruch
bestehe. Die verwendete Methode habe der Gemeinsame Bundesausschuss entweder ausgeschlossen (ATC-Methode) oder als neue Methode
nicht positiv zugelassen. Sie sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch nicht wirksam, wohingegen schulmedizinische Behandlungen
zur Verfügung gestanden hätten. Der Kläger habe seine Berufung trotz mehrfacher Erinnerung und Fristsetzung nicht begründet
und sich auch nach Ablauf der von Dr K. erbetenen Stellungnahmefrist nicht zum Verfahren gemeldet (Beschluss vom 22.12.2011).
Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision.
II
Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig und daher gemäß §
160a Abs
4 S 1 iVm §
169 S 3
SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus §
160a Abs
2 S 3
SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 SGG.
Nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen
kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von §
109 SGG und §
128 Abs
1 S 1
SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des §
103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende
Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf den Zulassungsgrund des Verfahrensfehlers stützt, muss
zu seiner Bezeichnung (§
160a Abs
2 S 3
SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen,
die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 36). Daran fehlt es.
1. Der Kläger beruft sich - ohne eine Rechtsnorm zu benennen - auf eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs (Art
103 Abs
1 GG, Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention, §
62 SGG), legt dies aber nicht schlüssig dar. Er trägt lediglich vor, das LSG habe ihm unter Fristsetzung zum 24.10.2011 Gelegenheit
gegeben, zu einer Zurückweisung der Berufung durch Beschluss Stellung zu nehmen. Das LSG habe seinem Prozessbevollmächtigten
- nach Fristablauf - mit Schreiben vom 26.10.2011 ein auf den 24.10.2011 datiertes, am 23.10.2011 beim LSG eingegangenes Schreiben
von Dr K. zugeleitet, in dem dieser angekündigt habe, innerhalb von sechs Wochen zur Begründetheit der Berufung vorzutragen.
Am 15.12.2011, mehr als eine Woche nach fruchtlosem Verstreichen der bezeichneten sechs Wochen, habe Dr K. den Prozessbevollmächtigten
des Klägers informiert, bis "Ende nächster Woche" sei mit der Fertigstellung einer ausführlichen medizinischen Stellungnahme
zu rechnen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers habe unter dem 15.12.2011 daraufhin das Schreiben von Dr K. vom 15.12.2011
dem LSG übersandt und ihm den Zugang der angekündigten ausführlichen Stellungnahme bis zum 23.12.2011 in Aussicht gestellt.
Es habe aber am 22.12.2011 entschieden.
Der Kläger legt indessen nicht dar, dass das Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 15.12.2011 dem LSG überhaupt zugegangen
ist. Dessen hätte es aber bedurft. Voraussetzung für den Erfolg einer Rüge eines Gehörsverstoßes ist es nämlich ua, dass der
Beschwerdeführer darlegt, seinerseits alles ihm Zumutbare getan zu haben, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl zB
BSG Beschluss vom 5.10.1998 - B 13 RJ 285/97 B - juris RdNr 22; BSG Beschluss vom 1.6.2011 - B 4 AS 82/11 B - juris RdNr 14). Diese Grundsätze gelten auch bei Anwendung des hier einschlägigen §
153 Abs
4 S 2
SGG.
Gemäß §
153 Abs
4 S 1
SGG kann das LSG die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung
nicht für erforderlich hält. Nach S 2 der Vorschrift sind die Beteiligten vorher zu hören. Die Anhörungspflicht nach §
153 Abs
4 S 2
SGG ist Ausdruck des verfassungsrechtlichen Gebots des rechtlichen Gehörs. Es darf bei Anwendung des vereinfachten Verfahrens
im Berufungsrechtszug nicht verkürzt werden (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 4 S 11 f mwN; BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 5 RdNr 5). Ist - wie vorliegend - eine korrekte erste Anhörung gemäß §
153 Abs
4 S 2
SGG erfolgt, wird eine erneute Anhörung lediglich dann erforderlich, wenn sich die Prozesssituation entscheidungserheblich ändert
(vgl zB BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 4 S 12; BSG Beschluss vom 25.5.2011 - B 12 KR 81/10 B - juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 12.12.2011 - B 7 AL 29/11 BH - juris RdNr 7 mwN).
Kündigt ein Rechtsmittelführer zunächst die Begründung seines Rechtsmittels an, ohne anschließend trotz richterlich gesetzter
Fristen und zutreffender Anhörungsmitteilung nach §
153 Abs
4 S 2
SGG sein Rechtsmittel tatsächlich zu begründen, und lässt er anschließend eine selbst dem Gericht angekündigte weitere Frist
zur Begründung des Rechtsmittels ungenutzt verstreichen, muss er damit rechnen, dass das Gericht nicht von einer entscheidungserheblichen
Änderung der Prozesssituation ausgeht und ohne erneute Anhörungsmitteilung nach §
153 Abs
4 S 1
SGG entscheidet. Will er dennoch ein Zuwarten des Gerichts für weiteres Vorbringen erreichen, muss er zumindest sicherstellen,
dass dieser Wunsch dem Gericht zugeht.
Stützt das Rechtsmittelgericht nach korrekter Anhörungsmitteilung gemäß §
153 Abs
4 S 2
SGG und weiterem Zeitablauf seine Entscheidung nach §
153 Abs
4 S 1
SGG ua auch darauf, dass nach Ablauf einer vom Kläger selbst angekündigten Begründungsfrist trotz weiteren Zuwartens des Gerichts
keine Äußerungen des Rechtsmittelführers bei ihm eingegangen sind, ist für die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde
wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs zumindest darzulegen, dass dem Rechtsmittelgericht die Bitte des Rechtsmittelführers
zugegangen ist, mit seiner angekündigten Entscheidung bis zum Zugang der Begründung des Rechtsmittels zu warten. Daran fehlt
es.
Im Übrigen legt der Kläger auch nicht dar, dass er nach Eingang der angeblichen Stellungnahme von Dr K. bei seinem Prozessbevollmächtigten
am 24.12.2011 diese unverzüglich dem LSG übermittelt hat. Auch insoweit fehlt es an einem Vorbringen, dass der Kläger alles
Zumutbare getan hat, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen.
2. Der Kläger bezeichnet mit seinem Vorbringen auch keine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes in der gebotenen Weise.
Er bezieht sich entgegen den dargelegten gesetzlichen Voraussetzungen nicht auf einen Beweisantrag, dem das LSG ohne hinreichende
Begründung nicht gefolgt ist.
3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.