Anerkennung einer Erkrankung als Quasi-Berufskrankheit in der gesetzlichen Unfallversicherung; Folgen der Aufnahme in die
Berufskrankheitenliste der Berufskrankheitenverordnung
Gründe:
I
Umstritten ist die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) und die Gewährung einer Verletztenrente.
Die Klägerin ist die Witwe des im Jahre 1931 geborenen und am 26.12.2000 verstorbenen Versicherten (im Folgenden V), mit dem
sie zu diesem Zeitpunkt in häuslicher Gemeinschaft lebte. Nachdem im Rahmen eines Verfahrens wegen Entschädigung einer Silikose
in einem Gutachten als Ursache der chronischen obstruktiven Bronchitis und des Lungenemphysems des V dessen Tätigkeit im Steinkohlebergbau
unter Tage vom Jahr 1947 bis zum Jahr 1954 angesehen worden war, wurde von der beklagten Bergbau-Berufsgenossenschaft am 7.12.1995
ein Feststellungsverfahren eingeleitet. In diesem wurde das Vorliegen einer Wie-BK nach § 551 Abs 2
Reichsversicherungsordnung (
RVO) geprüft, weil der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten am 4.4.1995 empfohlen hatte, die
Berufskrankheiten-Verordnung (
BKV) wie folgt zu ergänzen: "Chronische obstruktive Bronchitis oder Emphysem der Bergleute unter Tage im Steinkohlebergbau bei
Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von in der Regel 100 Feinstaubjahren". Die Beklagte zog Auskünfte des V, ihres
Technischen Aufsichtsdienstes (TAD), der bei V schließlich 68,4 Staubjahre errechnete, sowie ärztliche Unterlagen über diesen
bei. Die Gewährung von Entschädigungsleistungen lehnte sie ab, weil die arbeitstechnische Voraussetzung für die Anerkennung
der Atemwegserkrankung des V als BK nach § 551 Abs 1
RVO oder als Wie-BK nach § 551 Abs 2
RVO nicht vorlägen (Bescheid vom 5.7.1996).
Mit seinem Überprüfungsantrag vom 18.11.1996 machte V geltend, dass er einer höheren Staubbelastung ausgesetzt gewesen sei.
Nachdem der TAD der Beklagten eine Dosis von 78,72 Staubjahre berechnet hatte, lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides
vom 5.7.1996 ab (Bescheid vom 12.3.1997, Widerspruchsbescheid vom 23.7.1997).
Aufgrund von weiteren Angaben des V in seinem anschließenden Klageverfahren hat die Beklagte dessen Staubdosis mit 107,2 Staubjahren
berechnet. Nachfolgend hat das Sozialgericht (SG) ein medizinisches Gutachten eingeholt. Nach dem Tod des V und Aufnahme des Verfahrens durch die Klägerin als Rechtsnachfolgerin
hat das SG die Beklagte verurteilt, der Klägerin unter Anerkennung der Atemwegserkrankung des V wie eine BK nach § 551 Abs 2
RVO eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 40 vH vom 1.9.1995 bis zum 26.12.2000 zu gewähren (Urteil
vom 31.10.2006). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, das Lungenemphysem
und die chronische obstruktive Bronchitis des V gemäß § 551 Abs 2
RVO wie eine BK anzuerkennen und der Klägerin eine Rente nach einer MdE von 40 vH für die Zeit vom 1.9.1995 bis zum 31.12.2000
zu zahlen. Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte sei verpflichtet, den ablehnenden Bescheid
vom 5.7.1996 aufzuheben und die beantragte Rente infolge einer Wie-BK zu gewähren. Der Versicherungsfall im Sinne einer BK
Nr 4111 nach der Anlage zur
Berufskrankheiten-Verordnung vom 31.10.1997 (BGBl I 2623, im Folgenden: BK 4111 und
BKV 1997) sei vor dem 1.1.1993 eingetreten, sodass V aufgrund der Rückwirkungsklausel in §
6 Abs
1 BKV 1997 keinen Anspruch auf Anerkennung seiner Erkrankung nach der mit dieser
BKV neu eingeführten BK 4111 gehabt habe. Es bleibe jedoch bei dem Anspruch des V auf Anerkennung seiner Erkrankung als Wie-BK.
Die Voraussetzungen des § 551 Abs 2
RVO zur Anerkennung der chronischen obstruktiven Bronchitis mit Emphysem als Wie-BK seien bei V ab dem 1.9.1995 und damit vor
dem Inkrafttreten der
BKV am 1.12.1997 objektiv gegeben und ein Feststellungsverfahren eingeleitet gewesen. Ausgehend von dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts
(BVerfG) vom 23.6.2005 (1 BvR 235/00, SozR 4-1100 Art 3, 32 = SGb 2006, 94 mit Anmerkung P. Becker) und dem Urteil des 2. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27.6.2006 (B 2 U 5/05 R, BSGE 96, 297 = SozR 4-4671 § 6 Nr 2 = SGb 2007, 354 mit zustimmender Anmerkung von Rüfner) sei die Rückwirkungsregelung des §
6 Abs
1 BKV 1997 einschränkend auszulegen und erfasse keine Sachverhalte, in denen ein Feststellungsverfahren vor dem Inkrafttreten der
BKV eingeleitet worden sei. Die Rente sei bis zum Ablauf des Todesmonats des V zu zahlen (§ 631
RVO, jetzt §
73 Abs
6 SGB VII) und damit bis zum 31.12.2000.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts und trägt vor: Zur Beurteilung des von V geltend gemachten
Rücknahmeanspruchs nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren (SGB X) sei auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Überprüfungsantrag abzustellen. Zum Zeitpunkt
der mündlichen Verhandlung vor dem SG sei die
BKV vom 31.10.1997 in Kraft getreten gewesen. In deren Anlage sei die BK 4111 neu aufgenommen und in §
6 Abs
1 BKV 1997 mit einer Rückwirkungsregelung verbunden worden, nach der die neue BK 4111 nur anzuerkennen sei, wenn der Versicherungsfall
nach dem 31.12.1992 eingetreten sei. Der Versicherungsfall sei bei V jedoch spätestens im Jahre 1984 eingetreten.
Nach Aufnahme der BK 4111 in die BK-Liste und dieser Rückwirkungsklausel scheide auch eine nachträgliche Anerkennung der Erkrankung
des V als Wie-BK nach § 551 Abs 2
RVO nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG und des BVerfG aus, weil die Entscheidung des Verordnungsgebers Vorrang gegenüber
der der Verwaltung habe. Nach dieser Rechtsprechung (zuletzt BSG Urteile vom 30.9.1999 - B 8 KN 1/98, B 8 KN 4/98, B 8 KN
5/98 - BSGE 85, 24 = SozR 3-2200 § 551 Nr 13; BVerfG Beschluss vom 23.6.2005, aaO) überlagere die Rückwirkungsklausel ab ihrem Inkrafttreten
den zeitlich unbeschränkten Anspruch auf Anerkennung einer Wie-BK. Der Entscheidung des 2. Senats des BSG vom 27.6.2006 (aaO)
könne aus den aufgezeigten Gründen nicht gefolgt werden, weil neue Ungleichbehandlungen entstehen würden. Allein der Zeitpunkt
der Antragstellung könne kein hinreichender Differenzierungsgrund sein. Des Weiteren stelle sich die Frage, wann die Unfallversicherungsträger
von Hinweisen auf eine Erkrankung nach §
9 Abs
2 SGB VII auszugehen hätten. Die Beklagte habe den Verordnungsgeber regelmäßig über den Stand der laufenden und der abgeschlossenen
Verfahren auf Anerkennung einer chronischen obstruktiven Bronchitis als Wie-BK informiert, sodass ihm die Folgen des von ihm
gewählten Stichtags bekannt gewesen seien.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20. Mai 2008 und des Sozialgerichts Freiburg vom 31. Oktober 2006
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die Revision ist zulässig. Sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. Der die revisionsführende,
beklagte Bergbau-Berufsgenossenschaft gerichtlich vertretende (§ 36 Abs 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeine Vorschriften
[SGB IV]) Geschäftsführer der Beklagten hat zwar nicht selbst gehandelt, sich aber ordnungsgemäß durch eine bei der Beklagten
beschäftigten und bevollmächtigten Volljuristin vertreten lassen.
Die Revision ist im Wesentlichen unbegründet. Soweit das LSG die Berufung der Beklagten gegen das klagestattgebende Urteil
des SG zurückgewiesen hat, folgt dies daraus, dass bei V entsprechend seinem Überprüfungsantrag eine chronische obstruktive Bronchitis
mit Emphysem als Wie-BK anzuerkennen ist (dazu 1.). Auch ist der Klägerin als seiner Sonderrechtsnachfolgerin die ursprünglich
dem V zustehende Verletztenrente vom 1.9.1995 bis zum 26.12.2000 zu zahlen; hinsichtlich der weiteren vom LSG ausgesprochenen
Rentengewährung vom 27. bis zum 31.12.2000 ist die Revision jedoch begründet (zur Verletztenrente unter 2.).
Nach § 44 Abs 1 Satz 1, Abs 2 SGB X ist ein Verwaltungsakt zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig
angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen
zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich des zu überprüfenden Bescheides vom 5.7.1996
erfüllt.
1. Bei V ist eine chronische obstruktive Bronchitis mit Emphysem als Wie-BK anzuerkennen. Rechtsgrundlage hierfür ist § 551 Abs 2
RVO (dazu a), dessen Voraussetzungen sind hinsichtlich der chronischen obstruktiven Bronchitis mit Emphysem des V erfüllt (dazu
b), aus der zwischenzeitlichen Bezeichnung dieser Erkrankung als BK 4111 folgt nichts Anderes (dazu c).
a) Rechtsgrundlage für die Anerkennung dieser Wie-BK im Jahr 1995 ist § 551 Abs 2
RVO in der bis zum 31.12.1996 geltenden Fassung, obwohl die
RVO zum 1.1.1997 von dem
SGB VII abgelöst wurde und die
BKV vom 31.10.1997 (BGBl I2623 [BKV 1997]) am 1.12.1997 in Kraft getreten ist. Denn nach § 44 Abs 1 SGB X ist zu prüfen, ob das beim Erlass des umstrittenen Ausgangsbescheides vom 5.7.1996 geltende Recht unrichtig angewandt wurde.
Und dies war die damals noch geltende
RVO, nicht aber die noch nicht geltenden Vorschriften des
SGB VII und der
BKV 1997.
b) Die tatsächlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der chronischen obstruktiven Bronchitis mit Emphysem des V als Wie-BK
nach § 551 Abs 2
RVO sind nach den von keinem Beteiligten in Zweifel gezogenen Feststellungen des LSG zum Zeitpunkt der Einleitung des Feststellungsverfahrens
durch die Beklagte am 7.12.1995 gegeben gewesen. Nach § 551 Abs 2
RVO sollen die Träger der Unfallversicherung im Einzelfall eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der
BKV bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK entschädigen, sofern nach neuen Erkenntnissen
die übrigen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Listen-BK nach § 551 Abs 1
RVO erfüllt sind. Obstruktive Bronchitis und Lungenemphysem waren im Jahr 1995 noch nicht in der
BKV bezeichnet worden (vgl die damals geltende 7.
Berufskrankheiten-Verordnung vom 20.6.1968, BGBl I 721 idF der 2. Änderungsverordnung vom 18.12.1992, BGBl I 2343). Die generellen Voraussetzungen für
die Bezeichnung dieser Erkrankungen als Listen-BK waren mit der Anerkennungsempfehlung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats
Berufskrankheiten vom 4.4.1995 gegeben (vgl Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung vom 1.8.1995,
BArbBl 1995 Heft 10, S 39 ff). Die individuellen Voraussetzungen für die Anerkennung dieser Wie-BK bei dem Versicherten waren
nach den unangefochtenen Feststellungen des LSG gegeben, weil er nach der Stellungnahme des TAD des Beklagten einer Dosis
von über 100 Feinstaubjahren im Steinkohlebergbau ausgesetzt war, an einer chronischen obstruktiven Bronchitis mit Emphysem
litt und auch der Ursachenzusammenhang zwischen diesen Einwirkungen und der Erkrankung trotz des Abstandes von ca 30 Jahren
zwischen Tätigkeitsaufgabe und Krankheitsdiagnose aufgrund entsprechender Brückensymptome zu bejahen ist.
c) Aus der zwischenzeitlichen Bezeichnung der chronischen obstruktiven Bronchitis und des Emphysems als BK 4111 in der am
1.12.1997 in Kraft getretenen
BKV 1997 ergibt sich entgegen der Ansicht der Beklagten nichts Anderes. Denn die
BKV 1997 entfaltet erst ab diesem Tag ihres Inkrafttretens Rechtswirkungen, und für die Rechtslage im Jahr 1995, in dem die Voraussetzungen
für die Anerkennung der Wie-BK bei V vorlagen, können aus ihr keine Rechtsfolgen hergeleitet werden. Denn nicht der Anerkennungsbescheid
des Versicherungsträgers ist "konstitutiv" für die Feststellung einer Wie-BK, sondern das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen
für den Eintritt des Versicherungsfalls (vgl auch BVerfG 30, 367, 386 f; Jarras,
GG, Art
20 RdNr 68).
Die
BKV 1997 bewirkt nur, dass ab ihrem Inkrafttreten am 1.12.1997 eintretende, mit dem vorliegenden Sachverhalt ansonsten vergleichbare
Fälle nicht mehr als Wie-BK anerkannt werden können, zumal das Nichtvorliegen einer Listen-BK ein (negatives) Tatbestandsmerkmal
für eine Wie-BK ist. Die mit "Rückwirkung" überschriebene Übergangsregelung in §
6 BKV 1997 regelt ebenso lediglich ab ihrem Inkrafttreten am 1.12.1997 eine Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereichs der
BKV 1997 auf Sachverhalte, die vor ihrem Inkrafttreten eingetreten sind und am 1.12.1997 noch andauern.
Dass eine zeitlich später in Kraft getretene Rechtsverordnung des Verordnungsgebers, wie die
BKV 1997, einen bereits früher aufgrund eines förmlichen (Parlaments-)Gesetzes entstandenen Feststellungsanspruch, wie hier den
Anspruch auf Anerkennung einer Wie-BK nach § 551 Abs 2
RVO, nicht zum Erlöschen bringen kann, folgt aus dem Vorrang des Gesetzes. Im Übrigen hat der Verordnungsgeber der
BKV 1997 auch nicht ausgesprochen, dass er aufgrund von § 551 Abs 2
RVO bis zum 30.11.1997 entstandene Ansprüche entziehen wolle.
Dies hat der Senat bereits mit Urteil vom 27.6.2006 (Az B 2 U 5/05 R - BSGE 96, 297 = SozR 4-4671 § 6 Nr 2 = SGb 2007, 354 mit zustimmender Anmerkung von Rüfner) entschieden und dargelegt, wieso entgegen der früheren Rechtsprechung aus der
BKV 1997 nichts gegen die Anerkennung einer Wie-BK nach § 551 Abs 2
RVO für die Zeit vor dem Inkrafttreten der
BKV 1997 hergeleitet werden kann. Dieses Urteil des Senats hat - soweit ersichtlich - in der Rechtsprechung (vgl nur das vorliegende
LSG-Urteil und die LSG-Entscheidungen in den Parallelverfahren B 2 KN 2/07 U R, B 2 KN 3/07 U R) sowie in der Literatur (vgl
Rüfner in seiner Anmerkung in SGb 2007, 354 ff; Jung in Wannagat,
SGB VII, Stand April 2007, §
9 RdNr 31; Plagemann/Radtke-Schwenzer, Unfallversicherung, 2. Aufl, Kapitel 3 RdNr 11; Römer in Hauck/Noftz,
SGB VII, Stand Mai 2008, §
9 RdNr 39b; Mehrtens/Perlebach,
Berufskrankheitenverordnung, Stand April 2008, G §
6 Anm 2.4) durchweg Zustimmung erfahren, zumal die früheren erheblichen Bedenken gegen die Rückwirkungsklausel bzw Stichtagsregel
dadurch ausgeräumt sind (vgl zusammenfassend nur Becker in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand März 2008, §
9 RdNr 125, 325.). Die Kritik von Koch (in Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand Mai 2008, § 9 RdNr 295e) vermag
nicht zu überzeugen, weil die von ihm befürchteten neuen Ungleichbehandlungen nicht entstehen bzw mit Art
3 Abs
1 GG vereinbar sind und die von ihm angeführte, ältere Entscheidung des Senats vom 25.8.1994 (2 RU 42/93 - BSGE 75, 51, 55 = SozR 3-2200 § 551 Nr 6) durch die klare Trennung von Versicherungsfall und darauf aufbauenden Leistungsfällen, die
auch der Systematik des
SGB VII zugrunde liegt, überholt ist.
Ergänzend ist zum Vorbringen der Beklagten auf Folgendes hinzuweisen: Durch das Abstellen auf das Inkrafttreten der
BKV 1997 am 1.12.1997 entsteht keine Ungleichbehandlung im Wesentlichen gleicher Sachverhalte, die einen Verstoß gegen Art
3 Abs
1 GG zu begründen vermag (vgl nur mwN: Jarras,
GG, Art
3 RdNr
32; Osterloh in Sachs,
GG, Art
3 RdNr 113), weil die anderen Rechtsfolgen die Konsequenz der Änderung der Rechtsgrundlagen zu diesem Zeitpunkt sind. Trotz
der Verpflichtung der Unfallversicherungsträger von Amts wegen tätig zu werden (§
19 Satz 2
SGB IV), kann zwischen Versicherten, die Anträge gestellt haben oder bei denen Feststellungsverfahren vor dem 1.12.1997 eingeleitet
wurden, und solchen, bei denen dies nicht der Fall war, unterschieden werden. Von der Beklagten für möglich gehaltene Unzuträglichkeiten
aufgrund des Zeitablaufs zwischen der Ankündigung der Aufnahme einer neuen BK in die Anlage zur
BKV und der tatsächlichen Aufnahme können durch die vom Senat schon angemahnte Änderung des Verfahrens zur Bezeichnung von BKen
seitens des Verordnungsgebers (vgl Urteil des Senats vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R, RdNr 28 ff) behoben werden.
2. Der Klägerin ist aufgrund dieser bei V anzuerkennenden Wie-BK eine Verletztenrente nach einer MdE von 40 vH vom 1.9.1995
bis zum 26.12.2000 zu zahlen. Denn ihr stehen als Sonderrechtsnachfolgerin des V dessen Ansprüche auf Verletztenrente zu (§
56 Abs 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch).
Anspruchsgrundlage für die Zahlung der Verletztenrente ist § 580 Abs 1
RVO, weil die Leistung nicht erstmals nach dem 1.1.1997 festzustellen ist, wie es §
214 Abs
3 Satz 1
SGB VII für eine Anwendung des
SGB VII fordert, und auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in dem die Voraussetzungen für die Leistung erfüllt sind (Krasney in Brackmann,
Band 3, §
214 RdNr 7; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand Mai 2008,
SGB VII, §
213 RdNr 13).
Die Voraussetzungen des § 580 Abs 1
RVO waren - auch hinsichtlich der Höhe der MdE - nach den auf medizinischen Äußerungen beruhenden, rügelosen Feststellungen des
LSG zum Zeitpunkt des vom SG ausgesprochenen Rentenbeginns am 1.9.1995 gegeben, weil von einem Erkrankungsbeginn bei V im Jahre 1984 auszugehen ist und
am 1.9.1995 aufgrund der Empfehlung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats Berufskrankheiten vom 4.4.1995 die generellen Erkenntnisse
iS des § 551 Abs 1 Satz 2
RVO vorlagen. Über einen früheren Rentenbeginn ist nicht zu entscheiden, weil die Klägerin kein Rechtsmittel eingelegt hat. Aus
den Feststellungen des LSG ergibt sich außerdem, dass die Rente entsprechend dem Urteil des SG bis zum Tode des V am 26.12.2000 zu zahlen ist.
Soweit das LSG die Beklagte über den Urteilsausspruch des SG hinausgehend auch zur Zahlung einer Verletztenrente für die Zeit vom 27. bis zum 31.12.2000 verurteilt hat, ist die Revision
begründet. Ein Urteil des SG darf vom LSG nur dann zum Nachteil des Berufungsführers geändert werden, wenn auch die Gegenseite Berufung eingelegt hat
(vgl nur Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, §
157 RdNr 1a; Eckertz in Lüdtke, Handkomm-
SGG § 141 RdNr 121). Demgemäß durfte das LSG das Urteil des SG nicht mit der Maßgabe ändern, dass die Beklagte der Klägerin über den 26.12.2000 hinaus Verletztenrente zu zahlen hat. Denn
das SG hat der Klägerin eine Verletztenrente nur bis zum 26.12.2000 zugesprochen und die Klägerin hat keine Berufung eingelegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG in der bis zum Inkrafttreten des 6.
SGG-Änderungsgesetzes vom 17.08.2001 (BGBl I 2144) am 2.1.2002 geltenden Fassung, weil die Klage vorher erhoben wurde (BSG SozR
3-2500 § 116 Nr 24), und berücksichtigt das geringfügige Obsiegen der Beklagten.