Anspruch auf Feststellung einer Berufskrankheit aufgrund bandscheibenbedingter Schäden der Wirbelsäule in der gesetzlichen
Unfallversicherung
Feststellung der arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für den erforderlichen Ursachenzusammenhang
Anwendbarkeit der sog. Konsensempfehlungen aus dem Jahre 2005
Gründe:
I
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr 2108 der Anlage 1 zur
Berufskrankheiten-Verordnung (
BKV vom 31.10.1997, BGBl I 2623; in Zukunft BK 2108) im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X streitig. Die BK 2108 lautet: "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen
schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen
haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können".
Der im Jahre 1955 geborene Kläger war nach seiner Ausbildung als Maschinenschlosser überwiegend als Zweiradmechaniker bei
verschiedenen Firmen beschäftigt. Danach arbeitete er als Elektromechaniker, mitarbeitender Abteilungsleiter sowie als Haustechniker,
als Aufzug- und Fördertechnikmonteur und in einem Autohaus. Am 27.4.1998 beantragte er die Anerkennung einer BK 2108, nachdem
im März 1998 ein Bandscheibenvorfall zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbelkörper aufgetreten war. Die Rechtsvorgängerin der
Beklagten lehnte dies sowie Ansprüche auf Leistungen durch Bescheid vom 10.11.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 21.4.1999 ab, weil der Kläger nach dem 31.3.1988 (Stichtag iS des §
6 Abs
2 BKV) keine wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten mehr verrichtet habe. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 21.9.2004 abgewiesen, das LSG die Berufung mit Urteil vom 18.8.2009 zurückgewiesen.
Am 7.10.2010 stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag. Diesen lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 30.11.2010 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.3.2011 ab. Die hiergegen erhobene Klage hat das SG durch Urteil vom 26.3.2013 abgewiesen. Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung seines Urteils
vom 22.11.2016 hat es ausgeführt, die Beklagte habe das Recht bei Erlass der ablehnenden Bescheide nicht unrichtig angewandt.
Der Kläger leide zwar an einer bandscheibenbedingten LWS-Erkrankung iS der BK 2108. Auch erfülle der Kläger die arbeitstechnischen
Voraussetzungen. Der Kläger habe während seines Arbeitslebens einer Gesamtbelastungsdosis in Höhe von 17,3 x 10 MNh unterlegen,
was den vom BSG festgesetzten unteren Grenzwert von 12,5 MNh überschreite. Es liege damit eine ausreichende Hebe- und Tragebelastung sowie
eine plausible zeitliche Korrelation zwischen Exposition und Entwicklung der Bandscheibenerkrankung - der Vorwölbungen bzw
Vorfälle in den Segmenten L4/5 und L5/S1 - vor. Schließlich sei der Kläger langjährig, nämlich mehr als zehn Jahre, belastend
tätig gewesen. Insgesamt sei jedoch ein wesentlich beruflicher Entstehungszusammenhang der bandscheibenbedingten LWS-Erkrankung
des Klägers nicht mit Wahrscheinlichkeit festzustellen. Die B1-Konstellation der sog Konsensempfehlungen (U. Bolm-Audorff
et al, Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule, Trauma und Berufskrankheit
2005/3, S 211, 216 ff, 228 ff, im Folgenden Konsensempfehlungen) scheide aus, weil die LWS keine Begleitspondylose aufweise.
Das Zusatzkriterium 3 der B2-Konstellation (Befundkonstellation "B2", 3. Spiegelstrich - 3. Zusatzkriterium: Besonderes Gefährdungspotenzial
durch hohe Belastungsspitzen, "Anhaltspunkt" das Erreichen der Hälfte des "MDD-Tagesdosis-Richtwertes" durch hohe Belastungsspitzen
"Frauen ab 4 ½ kN, Männer ab 6 kN") liege nicht vor, weil der Kläger die Hälfte der Tagesdosis von 6 kN allein durch die Einwirkung
hoher Spitzenbelastungen erreicht habe. Es fehle für das Kriterium 3 der B 2 an der notwendigen Regelmäßigkeit, weil der Kläger
die Belastung nur an ein bis zwei Tagen monatlich erreicht habe. Eine Belastung an nur wenigen Tagen im Monat sei nicht ausreichend,
um einen beruflichen Zusammenhang mit Wahrscheinlichkeit begründen zu können. Nach der Rechtsprechung des BSG seien mindestens 60 Arbeitsschichten pro Jahr erforderlich (Hinweis auf BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R - Juris RdNr 27). Es bedürfe keiner weiteren Aufklärung, ob 616 Tage mit hohen Belastungsspitzen vorlägen, wie der Kläger
behaupte oder nur 218 Tage, wovon die Beklagte ausgehe, denn die Zahl von mindestens 60 Schichten iS des 3. Zusatzkriteriums
werde ohnehin nicht erreicht. Der Kläger habe auch keiner besonders intensiven Belastung iS des Zusatzkriteriums 2 der Konstellation
B2 im Hinblick auf das Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als zehn Jahren unterlegen. Selbst im 13-Jahres-Zeitraum
der höchsten Hebe- und Tragebelastung habe die Exposition des Klägers mit 11,1 MNh deutlich unterhalb des Orientierungswerts
von 12,5 MNh gelegen. Schließlich erfülle der Kläger auch nicht die Voraussetzungen des Zusatzkriteriums 1 der Konstellation
B2 (Befundkonstellation "B2", 1. Spiegelstrich - 1. Zusatzkriterium - 1. Alt "Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren
Bandscheiben"), da lediglich zwei Segmente L4/5 und L5/S1 durch Bandscheibenvorfälle betroffen seien. Ein lediglich bisegmentaler
Bandscheibenschaden könne nicht als Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben im Sinne der B2-Konstellation
angesehen werden. Der bisegmentale Bandscheibenschaden sei in der B-Konstellation geregelt, erfordere aber das Bestehen einer
Begleitspondylose, die beim Kläger nicht vorliege. Der beim Kläger festgestellte Bandscheibenschaden an beiden unteren LWS-Segmenten
unterfalle der Konstellation B3, für die die Konsensarbeitsgruppe kein Einvernehmen erzielt habe. Auch die vom BSG für die Konstellation B3 geforderte Einzelfallprüfung mit Bewertung aller relevanten Kriterien führe nicht zu einer positiven
Entscheidung. Insgesamt ergebe sich kein deutliches Überwiegen der für den beruflichen Zusammenhang sprechenden Gesichtspunkte.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision. Er rügt eine Verletzung des §
9 Abs
1 SGB VII iVm BK 2108. Es sei zu klären, ob hohe Belastungsspitzen an 616 Tagen für die erforderliche Regelmäßigkeit der Druckbelastung
ausreichend seien. Dabei sei zu berücksichtigen, dass diese Belastungsspitzen dann an den entsprechenden Tagen nicht nur einmal,
sondern öfter aufgetreten seien. Deswegen betrügen die Belastungsspitzen durch das mehrfache tägliche Anheben von Motorrädern
mit einem Gewicht von 150 kg nahezu drei Jahre.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. November 2016 sowie das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main
vom 26. März 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 30. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 31. März 2011 zu verpflichten, den Bescheid vom 10. November 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. April
1999 zurückzunehmen und beim Kläger ab dem 1. April 1998 eine BK Nr 2108 der Anlage 1 zur
BKV festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung der Sache
an das LSG begründet (§
170 Abs
2 S 2
SGG). Die vom LSG festgestellten Tatsachen reichen für eine abschließende Entscheidung über den Anspruch des Klägers durch den
Senat nicht aus. Weder lässt sich danach beurteilen, ob hinsichtlich der beiden Bandscheibenvorfälle des Klägers die in der
Konstellation B2 genannten Zusatzkriterien (Befundkonstellation "B2", 1. Spiegelstrich - 1. Zusatzkriterium - 1. Alt: "Höhenminderung
und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben"; Befundkonstellation "B2", 2. Spiegelstrich - 2. Zusatzkriterium: "Besonders intensive
Belastung", sowie die Befundkonstellation "B2", 3. Spiegelstrich - 3. Zusatzkriterium "Besonderes Gefährdungspotenzial durch
hohe Belastungsspitzen") vorliegen, noch ob die erforderliche Regelmäßigkeit der Einwirkungen gegeben ist.
Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 S 1 Var 1 und
3, §
55 Abs
1 Nr
3, §
56 SGG. Die Anfechtungsklage zielt auf die gerichtliche Aufhebung der Ablehnungsentscheidung in dem Bescheid vom 30.11.2010 und
dem Widerspruchsbescheid vom 31.3.2011 (§
95 SGG), die Verpflichtungsklage auf die behördliche Rücknahme der bestandskräftigen (§
77 SGG) Ablehnungsentscheidung in dem Bescheid vom 10.11.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.4.1999 sowie die Feststellungsklage
auf die gerichtliche Feststellung einer BK 2108 ab dem 1.4.1998 (vgl BSG vom 26.10.2017 - B 2 U 6/16 R - SozR 4-2200 § 547 Nr 1 RdNr 10; BSG vom 26.4.2016 - B 2 U 14/14 R - SozR 4-2700 § 90 Nr 4 RdNr 15; BSG vom 13.2.2014 - B 4 AS 22/13 R - BSGE 115, 126 = SozR 4-1300 § 44 Nr 28, RdNr 11; BSG vom 19.12.2013 - B 2 U 17/12 R - SozR 4-2700 § 73 Nr 1 RdNr 12; BSG vom 11.4.2013 - B 2 U 34/11 R - SozR 4-2700 §
200 Nr 4 RdNr 15; Bieresborn in Roos/Wahrendorf,
SGG, 2014, § 54 RdNr
232). Anspruchsgrundlage für das Rücknahmebegehren des Klägers ist § 44 Abs 1 S 1 SGB X (dazu A.). Ob dessen Voraussetzungen erfüllt sind, lässt sich anhand der tatrichterlichen Feststellungen nicht abschließend
entscheiden. Zwar hat die Beklagte bei Erlass der (nichtbegünstigenden) Ablehnungsentscheidung in dem Bescheid vom 10.11.1998
in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.4.1999 das Recht unrichtig angewandt und deshalb keine Sozialleistungen aus
Anlass des Vorliegens einer BK 2108 erbracht (dazu B.). Das Urteil des LSG enthält jedoch keine ausreichenden tatsächlichen
Feststellungen, um die Frage zu beantworten, ob die Nichterbringung von Sozialleistungen "zu Unrecht" erfolgt ist (dazu C.).
A. Die erstrebte Rücknahme richtet sich nach § 44 Abs 1 SGB X. Danach ist ein (iS von § 45 Abs 1 SGB X) nicht begünstigender Verwaltungsakt zurückzunehmen, soweit er (anfänglich) rechtswidrig ist. Der Verwaltungsakt ist immer
mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen (Abs 2 S 1 aaO), soweit er noch Rechtswirkungen hat, also noch nicht iS des § 39 Abs 2 SGB X erledigt ist. Die Rücknahme hat (gebundene Entscheidung) für die Vergangenheit zu erfolgen, wenn wegen der Rechtswidrigkeit
des Verwaltungsaktes "Sozialleistungen" zu Unrecht nicht erbracht worden sind (§ 44 Abs 1 S 1 SGB X). Das Gebot zur rückwirkenden Rücknahme gilt nicht in bestimmten Fällen der Bösgläubigkeit (Abs 1 S 2 aaO). Im Übrigen "kann"
(Ermessen) der anfänglich rechtswidrige Verwaltungsakt auch in sonstigen Fällen, dh außerhalb des Abs 1 S 1 aaO, für die Vergangenheit
zurückgenommen werden (Abs 2 S 2 aaO).
Ein "sonstiger Fall" iS des nachrangigen § 44 Abs 2 S 2 SGB X liegt nicht vor, weil sich der Kläger für sein Rücknahmebegehren bereits auf den vorrangigen § 44 Abs 1 S 1 SGB X berufen kann, der sich - neben zu Unrecht erhobener Beiträge - nur auf solche bindenden Verwaltungsakte bezieht, die unmittelbar
Ansprüche auf nachträglich erbringbare "Sozialleistungen" (§
11 S 1
SGB I) iS der §§
3 ff und 18 ff
SGB I betreffen (BSGE 69, 14, 16 = SozR 3-1300 § 44 Nr 3; BSG SozR 4-8570 § 6 Nr 6). Im Ausgangsbescheid vom 10.11.1998 hatte die Rechtsvorgängerin der Beklagten nicht nur die Wirbelsäulenerkrankung
als BK, sondern auch Ansprüche "auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung" verneint, sodass Sozialleistungen abgelehnt
worden sind. Dadurch ist der Anwendungsbereich des § 44 Abs 1 S 1 SGB X insoweit eröffnet.
Dem steht nicht entgegen, dass das LSG bereits mit rechtskräftigem Urteil vom 18.8.2009 über das Vorliegen einer BK 2108 entschieden
hatte. § 44 SGB X lässt eine Durchbrechung der Bindungswirkung von gerichtlichen und behördlichen Entscheidungen zu und vermittelt einen einklagbaren
Anspruch auf Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts auch dann, wenn dieser bereits durch ein rechtskräftiges Urteil
bestätigt wurde (BSG vom 26.10.2017 - B 2 U 6/16 R - SozR 4-2200 § 547 Nr 1 RdNr 16; BSG vom 10.12.2013 - B 13 R 91/11 R - SozR 4-2600 § 249b Nr 1 RdNr 18; BSG vom 5.9.2006 - B 2 U 24/05 R - BSGE 97, 54 = SozR 4-2700 § 8 Nr 18, RdNr 12; vom 23.5.2006 - B 13 RJ 14/05 R - BSGE 96, 227 = SozR 4-2600 § 315a Nr 3, RdNr 14).
B. Ein Anspruch des Klägers auf Aufhebung der ablehnenden Bescheide und Verpflichtung der Beklagten zur Rücknahme der ursprünglichen
Bescheide sowie auf Feststellung einer BK 2108 besteht nicht deshalb, weil die Beklagte in dem zur Überprüfung gestellten
Bescheid das Recht unrichtig angewandt hat. Die Beklagte hat durch Bescheid vom 10.11.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 21.4.1999 die Feststellung einer BK 2108 sowie Leistungen mit der Begründung abgelehnt, dass der Kläger nach dem 31.3.1988
keine wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten mehr ausgeübt habe. Hierbei ist offensichtlich der Begriff des Versicherungsfalls
in §
6 Abs
2 BKV idF vom 31.10.1997 verkannt worden, der voraussetzt, dass sämtliche Tatbestandsmerkmale der jeweiligen BK iS der
BKV vorliegen (BSG vom 27.7.1989 - 2 RU 54/88 - SozR 2200 § 551 Nr 35 RdNr 18), weshalb alleine das Fehlen von Einwirkungen nach dem in §
6 Abs
2 BKV genannten Stichtag die BK nicht ausschließt, wenn - wie hier - der Gesundheitsschaden als notwendige Voraussetzung der Anerkennung
einer BK (§
9 Abs
1 SGB VII) erst danach eingetreten ist. Gleichwohl besteht gemäß § 44 Abs 1 S 1 SGB X ein Anspruch auf Rücknahme des ursprünglichen Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit nur, soweit deshalb Sozialleistungen
"zu Unrecht" nicht erbracht worden sind (§ 44 Abs 1 S 1 SGB X). Bei mehrgliedrigen Tatbeständen wie der BK 2108 ist eine Sozialleistung auch dann zu Recht nicht erbracht worden, wenn
eine weitere notwendige Anspruchsvoraussetzung fehlt, die der Unfallversicherungsträger ursprünglich nicht geprüft hatte,
weil er bereits eine andere Tatbestandsvoraussetzung abgelehnt hat. § 44 SGB X setzt mithin voraus, dass die Beklagte eine Sozialleistung abgelehnt hat, deren Anspruchsvoraussetzungen bei Erlass des Verwaltungsakts
vollumfänglich bestanden. Den ursprünglichen Rechtsanwendungsfehler hat die Beklagte bereits in dem Überprüfungsbescheid vom
30.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.3.2011 korrigiert. Seitdem lehnt sie das Vorliegen der arbeitsmedizinischen
Voraussetzungen ab. Ein Anspruch des Klägers gemäß § 44 Abs 1 SGB X ist damit nur gegeben, wenn sämtliche tatbestandlichen Voraussetzungen und damit auch die medizinischen Voraussetzungen für
die Feststellung der BK 2108 zum Zeitpunkt des Ausgangsbescheids im Jahre 1998/1999 vorlagen.
C. Anhand der Feststellungen des LSG kann der Senat nicht abschließend darüber befinden, ob die Beklagte im Jahre 1998/1999
die Feststellung einer BK 2108 "zu Unrecht" abgelehnt und der Kläger damit einen Anspruch auf Aufhebung aller entgegenstehenden
Bescheide und Feststellung des Vorliegens einer BK 2108 hat. Rechtsgrundlage für die Anerkennung der streitigen BK ist §
9 Abs
1 SGB VII iVm Nr
2108 der Anlage 1 zur
BKV vom 31.10.1997 (BGBl I 2623). Nach §
9 Abs
1 S 1
SGB VII sind BKen nur diejenigen Krankheiten, die durch die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats
als solche bezeichnet sind (sog Listen-BK) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist für die Feststellung einer Listen-BK erforderlich,
dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen,
Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) sowie dass eine Krankheit vorliegt (dazu unter
I.). Des Weiteren muss die Krankheit durch die Einwirkungen verursacht worden sein (haftungsbegründende Kausalität [dazu unter
II.]). Schließlich ist Anerkennungsvoraussetzung, dass der Versicherte deshalb seine Tätigkeit aufgeben musste sowie alle
gefährdenden Tätigkeiten unterlässt. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, ist die BK nicht anzuerkennen (BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R - BSGE 118, 255 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 6, RdNr 11; BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162, 164 RdNr 17). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende
Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK. Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen"
und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die
nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit,
allerdings nicht die bloße Möglichkeit (BSG vom 4.7.2013 -B2U 11/12 R - BSGE 114, 90; BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4, RdNr 16 mwN; BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 9/08 R - BSGE 103, 59 = SozR 4-2700 § 9 Nr 14, RdNr 9 mwN; zuletzt BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R - UV-Recht Aktuell 2012, 412; BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 22/10 R - NZS 2012, 151; BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3).
I.1. Der Kläger gehörte zum versicherten Personenkreis. Er war nach den bindenden Feststellungen des LSG (§
163 SGG) im Anschluss an seine Ausbildung zum Maschinenschlosser von September 1971 bis März 1998 in verschiedenen Tätigkeiten als
Beschäftigter "Versicherter" im Sinne des §
2 Abs
1 Nr
1 SGB VII.
2. Nach den weiteren Feststellungen des LSG (§
163 SGG) hat der Kläger auch "schwer" gehoben und getragen im Sinne der BK 2108. Er unterlag während seiner versicherten Tätigkeit
im Zeitraum vom September 1971 bis März 1998 einer kumulativen Einwirkungsbelastung in Form von Hebe- und Tragevorgängen in
Höhe von 17,3 x 10 MNh (zur Bestimmung des Ausmaßes der beruflichen Einwirkungen bei der BK 2108 vgl auch BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5, RdNr 17 f, sowie zur Feststellung der tatbestandlich vorausgesetzten Einwirkung in Form
von Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 20/14 R - BSGE 118, 255 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 8).
3. Diese Belastungen erfolgten - wie der Tatbestand der Nr 2108 voraussetzt - auch langjährig, nämlich von September 1971
bis jedenfalls März 1998 und damit mehr als 26 Jahre. Langjährig bedeutet, dass zehn Berufsjahre als im Durchschnitt untere
Grenze der belastenden Tätigkeit zu fordern sind (so wörtlich das aktuelle Merkblatt 2108, BArbBl 2006, Heft 10, S 30, Abschnitt
IV; BSG Urteil vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R - BSGE 118, 255 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 6, RdNr 14; vgl zum Merkmal "langjährig" bei der BK 2109 BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 11/12 R - BSGE 114, 90 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2109 Nr 1, RdNr 15; s zur BK 2108 bereits BSG vom 18.3.2003 - B 2 U 13/02 R - BSGE 91, 23 = SozR 4-2700 § 9 Nr 1, RdNr 10; BSG vom 22.6.2004 - B 2 U 22/03 R - USK 2004-101; vgl auch Römer in Hauck/Noftz,
SGB VII, Anh zu K §
9 Anl zu
BKV BK Nr 2108-2110 RdNr 7 mwN; "mindestens 10 Jahre" fordern Ricke in Kasseler Kommentar, §
9 SGB VII RdNr 43a, Stand 09/18; Mehrtens/Brandenburg,
BKV, M 2108 Anm 2.2.2).
4. Nach den weiteren bindenden Feststellungen des LSG leidet der Kläger seit 1998 an einer bandscheibenbedingten Erkrankung
der LWS. Es liegen zwei Bandscheibenvorfälle in den Segmenten L4/5 und L5/S1 mit einer Bandscheibenvorwölbung von mehr als
5 mm mit einer radikulären Kompression für das Segment L4/5 und einer Chondrose von zumindest Grad II für das Segment L5/S1
mit klinischen Symptomen in Gestalt einer Entfaltungsstörung der LWS und eines lokalen Lumbalsyndroms mit Zeichen der Reizung
und Schädigung der Nervenwurzeln an den veränderten Segmenten L4/5 und L5/S 1 vor.
II. Der Senat kann aber mangels hinreichender Tatsachengrundlage nicht entscheiden, ob das LSG zu Recht den Ursachenzusammenhang
zwischen den gefährdenden Einwirkungen im Sinne der BK 2108 und der Bandscheibenerkrankung des Klägers verneint hat. Für die
Anerkennung einer BK ist neben der Kausalität zwischen versicherter Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen (Einwirkungskausalität)
ein Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkungen und der Erkrankung erforderlich. Für die BK 2108 bedeutet dies, dass die LWS-Erkrankung
des Klägers durch langjähriges schweres Heben und Tragen bzw Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung im Rahmen seiner versicherten
Tätigkeit verursacht worden sein muss. Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung gilt im Berufskrankheitenrecht,
wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung, die Theorie der wesentlichen Bedingung (s zum Arbeitsunfall die Entscheidungen
des erkennenden Senats vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 34 ff sowie BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 37; zu BKen s BSG vom 30.3.2017- B 2 U 6/15 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgemerkt; BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R - UV-Recht Aktuell 2012, 412; BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 13 sowie - B 2 U 26/04 R - UV-Recht Aktuell 2006, 497), die zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie beruht, nach der jedes Ereignis (jede Bedingung)
Ursache eines Erfolgs ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Steht
die versicherte Tätigkeit als eine der Ursachen im naturwissenschaftlich-kausalen Sinne fest, muss auf der zweiten Stufe die
Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen die
Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestands fallenden Gefahr sein. Die Wesentlichkeit
der Ursache ist zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung zu beurteilen
(zur Theorie der wesentlichen Bedingung: zuletzt eingehend BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 37 f sowie BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1, RdNr 28 ff; Spellbrink, SGb 2017, 1 ff; Bieresborn in Francke/Gagel/Bieresborn, Der Sachverständigenbeweis im Sozialrecht, 2. Aufl 2017, § 4 RdNr 15 ff).
1. Vorliegend hat das LSG zunächst unter Zugrundelegung des bindend festgestellten Einwirkungswerts iHv 17,3 MNh ausgehend
von dem sog Mainz-Dortmunder Dosismodell (MDD) zutreffend angenommen, dass die versicherten Einwirkungen durch schweres Heben
und Tragen ausreichten, um einen Bandscheibenschaden zu verursachen. Der erkennende Senat geht seit 2003 davon aus (BSG vom 18.3.2003 - B 2 U 13/02 R - BSGE 91, 23 = SozR 4-2700 § 9 Nr 1, RdNr 11 ff; BSG vom 19.8.2003 -B2U 1/02 R - USK 2003-219; BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5, RdNr 18; BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 14/07 R - UV-Recht Aktuell 2009, 295 und zuletzt Senatsurteile vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R, B 2 U 20/14 R, B 2 U 10/14 R), dass dieses Modell eine geeignete Grundlage zur Konkretisierung der im Text der BK 2108 mit den unbestimmten Rechtsbegriffen
"langjähriges" Heben und Tragen "schwerer" Lasten oder "langjährige" Tätigkeit in "extremer Rumpfbeugehaltung" nur ungenau
und allenfalls nur richtungsweisend umschriebenen Einwirkungen ist.
a) Der Senat hat 2007 seine Rechtsprechung zur Anwendbarkeit des MDD auf der Grundlage der Erkenntnisse der "Deutschen Wirbelsäulenstudie"
(https://www.dguv.de/ifa/fachinfos/ergonomie/deutsche-wirbelsaeulenstudien/index.jsp) weiterentwickelt und in mehreren Punkten
modifiziert. Dabei hat er als unteren Grenzwert, bei dessen Unterschreitung nach gegenwärtigem Wissensstand ein Kausalzusammenhang
zwischen beruflichen Einwirkungen und bandscheibenbedingter Erkrankung der LWS ausgeschlossen und deshalb auf einzelfallbezogene
medizinische Ermittlungen verzichtet werden kann, die Hälfte des im MDD vorgeschlagenen Orientierungswertes für die Gesamtbelastungsdosis
bei Männern von 25 MNh, also 12,5 MNh, zugrunde gelegt (grundlegend BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5, RdNr 25; s zuletzt Senatsurteile vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R, B 2 U 20/14 R, B 2 U 10/14 R; s zur Handhabung der hälftigen Orientierungswerte als Mindestbelastungswerte BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 14/07 R - UV-Recht Aktuell 2009, 295; BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5, RdNr 25; sowie BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 und B 2 U 20/14 R - BSGE 118, 267, RdNr 26). Der auf 12,5 MNh abgesenkte Orientierungswert kann auch auf den vorliegenden Fall angewandt werden, obwohl Gegenstand
der Klage die Überprüfung eines Bescheids gemäß § 44 Abs 1 SGB X aus einem Zeitraum vor der erst seit 2007 geltenden Rechtsprechung ist. Das BSG hat im Jahr 2007 (aaO) lediglich die Anwendung eines Dosismodells modifiziert, das der Konkretisierung der im Text der BK
2108 enthaltenen Begriffe unter Anwendung des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands dient. Ein solcher wissenschaftlicher
Erkenntnisstand bildet aber jeweils nur das ab, was bereits vorher in der Realität ("objektiv") vorhanden war, bislang aber
nur noch nicht erkannt worden ist. Damit kann eine diesen Erkenntnisprozess nachvollziehende Rechtsprechung auch auf Sachverhalte
und Entscheidungen Anwendung finden, die zuvor getroffen wurden.
Das LSG hat mithin zur Berechnung der erforderlichen Mindestbelastungsdosis das MDD zutreffend unter Berücksichtigung der
Modifikationen durch das BSG angewandt. Mit einer festgestellten Gesamtbelastungsdosis iHv 17,3 MNh wurde der untere Grenzwert von 12,5 MNh erheblich
überschritten. Es kommt daher auch in diesem Fall nicht darauf an, ob eine weitere Absenkung im Lichte der Ergebnisse der
DWS-Richtwertestudie [DWS II] (korrekte Bezeichnung des Forschungsvorhabens: "Erweiterte Auswertung der Deutschen Wirbelsäulenstudie
mit dem Ziel der Ableitung geeigneter Richtwerte", Kurztitel: "DWS-Richtwerteableitung", veröffentlicht unter https://www.dguv.de/ifa/Forschung/Projektverzeichnis/FF-FB_0155A.jsp)
angezeigt ist oder mit den Voraussetzungen des §
9 Abs
1 SGB VII unvereinbar wäre (BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 20/14 R - BSGE 118, 267 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 8, RdNr 27; vgl zur Mindestbelastungsdosis bei Frauen, BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7).
b) Allerdings lässt sich den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht entnehmen, ob der Kläger die wirbelsäulenbelastenden
Tätigkeiten mit der erforderlichen Regelmäßigkeit verrichtet hat. Die Regelmäßigkeit der Einwirkung durch Heben und Tragen
bzw Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung ist kein geschriebenes Tatbestandsmerkmal der BK 2108, sondern lässt sich als
Bestandteil der arbeitstechnischen Voraussetzungen dem Merkblatt 2006 (BArbBl 2006 Nr 10, S 30 ff, Abschnitt IV) entnehmen.
Hintergrund ist, dass bei nicht regelmäßiger Belastung den Bandscheiben genügend Zeit zur Regeneration bleibt und deshalb
keine Ursächlichkeit zwischen Druckbelastung und Schädigung besteht. Hierfür reicht es aber aus, dass die wirbelsäulenbelastenden
Tätigkeiten in der ganz überwiegenden Anzahl der Arbeitsschichten erfolgten, ohne dass eine genaue Zeitgrenze pro Arbeitsschicht
genannt werden kann. Vorausgesetzt wird, dass der Betroffene mindestens 60 Schichten im Jahr mit relevanter Wirbelsäulenbelastung
ausgesetzt war. Wie bei der Belastungsdauer können geringere oder fehlende Einwirkungen in einer Arbeitsschicht durch stärkere
oder länger dauernde Belastungen in anderen Schichten ausgeglichen werden (zum Verzicht auf eine Mindesttagesdosis bei BK
2108 auch BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5, RdNr 24; Römer in Hauck/Noftz,
SGB VII, Stand 08/2012, Anh zu K §
9 Anl zu
BKV BK Nr 2108-2110 RdNr 11a, sowie zur BK 2109: BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 11/12 R - BSGE 114, 90 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2109 Nr 1, RdNr 15). In tatsächlicher Hinsicht hat das LSG insoweit nur festgestellt, dass die wirbelsäulenbelastenden
Tätigkeiten im genannten Umfang erfolgten. Feststellungen zur Regelmäßigkeit hätten indes nahegelegen, weil zumindest in der
Beschäftigung seit 1982 der Kläger nicht ausschließlich Tätigkeiten als Zweiradmechaniker mit den genannten Hebe- und Trageeinwirkungen
verrichtet hat, sondern er auch als Abteilungsleiter, Kundenberater und Haustechniker tätig war.
Die Feststellungen des LSG zur Regelmäßigkeit betreffen nur das Zusatzkriterium 3 der B2-Konstellation (s unten 2.b)cc) und
damit das regelmäßige Erreichen der hälftigen Tagesdosis des MDD iHv 2,75 kNh. Da aber der Senat für die arbeitstechnischen
Voraussetzungen das Erreichen einer Mindesttagesdosis nach dem Ergebnis der DWS (I) nicht für erforderlich hält, kann aus
dem Fehlen der regelmäßigen Belastungsspitzen nicht auf das Fehlen der Regelmäßigkeit der gefährdenden Tätigkeit als solcher
geschlossen werden (grundlegend BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - RdNr 23 f; BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 14/08 R - RdNr 29, Juris).
2. Darüber hinaus kann der Senat auch nicht beurteilen, ob die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer
BK 2108 vorliegen. Während die sog arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK zum einen das Vorhandensein der tatbestandlich
vorausgesetzten Einwirkungen und zum anderen die Kausalität zwischen diesen Einwirkungen und einer Erkrankung beinhalten,
betreffen die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen ebenfalls zwei Aspekte der Anerkennungsvoraussetzungen, nämlich zum einen
das Vorliegen der tatbestandlich vorausgesetzten Krankheit und zum anderen das Vorliegen eines Schadensbildes, welches mit
der rechtlich-wesentlichen Verursachung dieser Krankheit durch die beruflichen Einwirkungen zumindest im Einklang steht (Bieresborn,
SGb 2016, 379). Aus dem Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen kann angesichts der multifaktoriellen Entstehung der bandscheibenbedingten
Erkrankungen der LWS (BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5, RdNr 26) nicht automatisch auf das Bestehen der Anspruchsvoraussetzungen der BK 2108 geschlossen
werden; vielmehr müssen medizinische Kriterien hinzukommen (BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, RdNr 19; BSG vom 30.1.2007 - B 2 U 15/05 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4104 Nr 2, RdNr 23; vgl BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 7/05 R - UV-Recht Aktuell 2006, 510 zur BK nach Nr 4302 der Anlage zur
BKV; BSG vom 7.9.2004 - B 2 U 34/03 R - USK 2004-107). Zutreffend hat das Berufungsgericht bei der Bestimmung des maßgeblichen aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands
die Konsensempfehlungen aus dem Jahre 2005 zugrunde gelegt (dazu unter a). Der Senat kann jedoch nicht entscheiden, ob das
LSG auch das festgestellte Schadensbild den Konsensempfehlungen zutreffend zugeordnet hat (dazu unter b).
a) Nicht zu beanstanden ist, dass das LSG die Konsensempfehlungen aus dem Jahre 2005 unter Berufung auf das eingeholte Sachverständigengutachten
des Dr. F. zugrunde gelegt hat. Der Senat geht nach wie vor davon aus, dass die Heranziehung der Konsensempfehlungen durch
das LSG als Orientierungshilfe bei der Beurteilung, ob der Bandscheibenschaden des Klägers nach dem aktuellen wissenschaftlichen
Erkenntnisstand durch die festgestellten beruflichen Einwirkungen verursacht wurde, revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden
ist. Denn die Konsensempfehlungen aus dem Jahre 2005 stellen nach wie vor eine hinreichende Grundlage für die Bestimmung des
aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands dar, wie der Senat zuletzt 2015 klargestellt hat (BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R - BSGE 118, 255 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 6, RdNr 22; BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7; BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 20/14 R - BSGE 118, 267 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 8). Auch die Anwendung der Konsensempfehlungen scheitert im vorliegenden Fall im Übrigen nicht
daran, dass Gegenstand der Klage die Überprüfung von Bescheiden aus der Zeit vor der Veröffentlichung der Konsensempfehlungen
im Jahr 2005 ist, weil auch die Konsensempfehlungen als schriftliche Manifestation des (aktuellen) wissenschaftlichen Erkenntnisstands
lediglich das abbilden, was bereits vorher in der Realität vorhanden war.
b) Letztlich kann der Senat anhand der Feststellungen des LSG aber nicht beurteilen, ob das LSG zu Recht die Berufung zurückgewiesen
hat, weil es davon ausging, dass beim Kläger keine Konstellation vorliege, bei der die Konsensempfehlungen eine Anerkennungsempfehlung
aussprechen.
Das BSG ist im Recht der BKen nicht gehindert, die einzelnen Tatbestandsmerkmale der jeweiligen BK unterfütternden allgemeinen (generellen)
Tatsachen, die für alle einschlägigen BK-Fälle gleichermaßen von Bedeutung sind, anhand des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands
zu Verursachungszusammenhängen festzustellen (grundlegend: BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 5/05 R - BSGE 96, 297 = SozR 4-5671 § 6 Nr 2, RdNr 19 sowie BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, RdNr 23; BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3 RdNr 23). Ebenso wenig ist der erkennende Senat gehindert, die korrekte Zuordnung des Sachverhalts
durch das Berufungsgericht unter diesen einschlägigen Erkenntnisstand zu überprüfen. Dies gilt umso mehr, wenn dieser in Konsensempfehlungen
verdichtet ist (BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7).
So wie es dem Tatsachengericht aber bei fehlender Sachkunde verwehrt ist, medizinische Beurteilungen selbst vorzunehmen, sondern
es sich regelmäßig sachverständiger Hilfe bedienen muss, um den medizinischen Sachverhalt zu ermitteln (BSG vom 17.4.2013 - B 9 V 1/12 R - BSGE 113, 205-221 = SozR 4-3800 §
1 Nr 20, RdNr 45; Müller in Roos/Wahrendorf,
SGG, 2014, §
103 RdNr 24; Bieresborn in Francke/Gagel/Bieresborn, Der Sachverständigenbeweis im Sozialrecht, 2. Aufl 2017, § 2 RdNr 11), muss
es auch bei der Bestimmung und Auslegung der Quellen des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands weiteren sachkundigen
Rat bei einem (medizinischen) Sachverständigen einholen. Eine bloße Literaturauswertung durch auf dem einschlägigen Gebiet
nicht fachgerecht ausgebildete Richter genügt zur Feststellung des (nicht allgemeinkundigen oder gerichtsbekannten) aktuellen
wissenschaftlichen Erkenntnisstands über Kausalbeziehungen in der Regel nicht. Vielmehr wird dessen Klärung im Rahmen des
ohnehin benötigten Gutachtens zu erfolgen haben (BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44, RdNr 69). Diese Grundsätze gelten ebenso für die Interpretation der hier maßgeblichen Konsensempfehlungen.
Insoweit hat das LSG zwar noch in nicht zu beanstandender Weise die B1-Konstellation im Falle des Klägers abgelehnt (dazu
unter aa) sowie die Voraussetzungen der "besonders intensiven Belastung" (Befundkonstellation "B2", 2. Spiegelstrich - 2.
Zusatzkriterium) verneint (dazu unter bb). Das LSG hat aber die Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung (§
128 Abs
1 S 1
SGG) überschritten, als es insofern ohne die Hilfe eines Sachverständigen die in den Konsensempfehlungen niedergelegte Befundkonstellation
"B2", 1. Spiegelstrich - 1. Zusatzkriterium - 1. Alt "Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben" (dazu unter
cc) sowie die Befundkonstellation "B2", 3. Spiegelstrich - 3. Zusatzkriterium "besonderes Gefährdungspotenzial durch hohe
Belastungsspitzen", selbst interpretiert hat (dazu unter dd).
aa) Nicht zu beanstanden ist zunächst der Schluss des Berufungsgerichts, dass die mit Hilfe des Sachverständigen festgestellte
fehlende Begleitspondylose trotz gesicherter bandscheibenbedingter Erkrankung in den unteren LWS-Segmenten die Befundkonstellation
B1, bei der der Zusammenhang als wahrscheinlich gilt, ausschließt.
In diesem Fall wird der Zusammenhang nach den Konsensempfehlungen ua dann als wahrscheinlich betrachtet, wenn eine Höhenminderung
und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben besteht (Befundkonstellation "B2", 1. Spiegelstrich - 1. Zusatzkriterium - 1. Alt).
Alternativ müssen bei nur monosegmentaler/m Chondrose/Vorfall in L5/S1 oder L4/L5 im Magnetresonanztomogramm in mindestens
zwei angrenzenden Segmenten "black discs" vorliegen (Befundkonstellation "B2", 1. Spiegelstrich - 1. Zusatzkriterium - 2.
Alt). Als weitere Alternativen genügt für die Konstellation B2 entweder das Bestehen einer besonders intensiven Belastung,
wobei hierfür als "Anhaltspunkt" das Erreichen des "Richtwertes für die Lebensdosis" in weniger als zehn Jahren (Befundkonstellation
"B2", 2. Spiegelstrich - 2. Zusatzkriterium) gilt, oder eines besonderen Gefährdungspotenzials durch hohe Belastungsspitzen,
wofür als "Anhaltspunkt" das Erreichen der Hälfte des "MDD-Tagesdosis-Richtwertes" durch hohe Belastungsspitzen (Frauen ab
4 ½ kN, Männer ab 6 kN [Befundkonstellation "B2", 3. Spiegelstrich - 3. Zusatzkriterium]) verlangt wird (BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R - BSGE 118, 255 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 6, RdNr 24).
bb) Das LSG ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass beim Kläger die Befundkonstellation
"B2" - 2. Zusatzkriterium - das Erreichen des "Richtwertes für die Lebensdosis" in weniger als zehn Jahren - nicht vorlag.
Es hat für den erkennenden Senat bindend festgestellt, dass selbst im Zeitraum mit der größten Hebe- und Tragebelastung zwischen
Februar 1975 bis März 1988 die Exposition des Klägers nur 11,1 MNh betrug und damit noch unterhalb des um die Hälfte reduzierten
Orientierungswertes des MDD iHv 12,5 MNh Stunden lag, den der Senat zumindest nicht als offenkundig dem aktuellen Erkenntnisstand
widersprechend angesehen hat (BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R - BSGE 118, 255 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 6, RdNr 27).
cc) Das LSG hat hingegen die Grenzen richterlicher Beweiswürdigung überschritten, als es die Voraussetzungen der Befundkonstellation
"B2", 1. Spiegelstrich - 1. Zusatzkriterium - 1. Alt "Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben" (offengelassen
in BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R - BSGE 118, 255 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 6, RdNr 30) mit der Begründung verneint hat, dass dieses Zusatzkriterium die Schädigung von
mindestens drei Bandscheiben voraussetze (dies noch offengelassen in BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R - BSGE 118, 255 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 6, RdNr 30). Das LSG hat diese Erkenntnis durch eine eigene Interpretation der Konsensempfehlungen
gewonnen, ohne seine Interpretation dieser Konstellation durch einen sachkundigen Sachverständigen bestätigen zu lassen. Das
LSG ist vielmehr aufgrund einer Textanalyse der Konsensempfehlungen davon ausgegangen, dass der beim Kläger festgestellte
bisegmentale Bandscheibenschaden für diese Alternative nicht genüge. Bei den Konsensempfehlungen handelt es sich jedoch -
wie bereits mehrfach ausgeführt (s oben) - nicht um einen verbindlichen normativen Text, weil diese ihre Geltung nicht auf
den demokratisch legitimierten Gesetzgeber zurückführen können. Die Konsensempfehlungen sind für Verwaltung, Gerichte oder
Gutachter folglich nicht unmittelbar verbindlich (Siefert, ASR 2011, 45, 48), sodass sich deren Auslegung unter strikter Anwendung der Regeln der juristischen Methodenlehre verbietet (vgl Bieresborn,
Die Umsetzung der BK 2108 aus sozialrechtlicher Sicht, in Grosser/Schiltenwolf/Thomann, Berufskrankheit "Bandscheibenbedingte
Erkrankungen der Lendenwirbelsäule" [BK 2108], 2014, 193, 199, ders, SGb 2016, 379, 382). Konsensempfehlungen dienen lediglich zur Erleichterung der Beurteilung im Einzelfall, um typische Befundkonstellationen
im Hinblick auf die Kausalbeziehungen unter Zugrundelegung des aktuell wissenschaftlichen Erkenntnisstands einordnen zu können
(Duell, Kranig, Palfner, BK-Begutachtungsempfehlungen - Wissen von Experten für Experten, DGUV Forum 2012, Nr 4 S 14, 16).
Ihre Interpretation als im wesentlichen medizinisch- naturwissenschaftlicher Text ist daher zuvorderst sachkundigen Medizinern
vorbehalten. Eine rein am Wortlaut und den klassischen juristischen Auslegungsmethoden orientierte Interpretation eines solchen
primär naturwissenschaftlichen Textes ist nicht zielführend. So ließe sich nach dem allgemeinem Sprachverständnis der Wortlaut
"mehrere Bandscheiben" auch dahin auslegen, dass es genüge, wenn der Betroffene mehr als einen Bandscheibenvorfall aufweist.
Sofern das LSG aus dem Kontext und insbesondere der Befundkonstellation "B2", 1. Spiegelstrich - 1. Zusatzkriterium - 2. Alt
bei nur monosegmentaler/m Chondrose/Vorfall in L5/S1 oder L4/L5 im Magnetresonanztomogramm in mindestens zwei angrenzenden
Segmenten "black discs" ableitet, dass auch bei einem bi-segmentalen Befall zumindest ein weiteres Segment zumindest eine
black disc aufweisen müsse, handelt es sich zwar um eine schlüssige Argumentation. Da aber für das Verständnis solch mehrdeutiger
Textstellen der Konsensempfehlungen besondere medizinische Fachkunde erforderlich ist, hätte das Berufungsgericht konkret
hierzu einen Sachverständigen - wie zB den ohnehin konsultierten Dr. F. - eigens befragen müssen. Eine solche Bestätigung
durch Sachverständige, dass die vom Rechtsanwender bevorzugte Lesart der Konsensempfehlungen auch dem aktuellen wissenschaftlichen
Erkenntnisstand entspricht, lässt sich aber der Urteilsbegründung nicht entnehmen (anders in dem der Parallelentscheidung
vom heutigen Tag - B 2 U 13/17 R - zugrunde liegenden Urteil des dortigen LSG). Eine solche fachkundige Bestätigung der Interpretation der Konsensempfehlungen
als aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisstand ist hier umso mehr erforderlich, als in der medizinischen Fachliteratur auch
eine andere Auffassung als die des Berufungsgerichts vertreten wird (Seidler und Bolm-Audorff in Grosser ua, aaO, S 134, 138).
dd) Auch bei der Verneinung des Zusatzkriteriums 3 der B2-Konstellation - besonderes Gefährdungspotenzial durch hohe Belastungsspitzen,
"Anhaltspunkt" das Erreichen der Hälfte des "MDD-Tagesdosis-Richtwertes" durch hohe Belastungsspitzen (Frauen ab 4 ½ kN, Männer
ab 6 kN [Befundkonstellation "B2", 3. Spiegelstrich - 3. Zusatzkriterium]) - mit der Begründung, dass weder mit 218 Tagen
noch mit den vom Kläger errechneten 616 Tagen dem Erfordernis der Regelmäßigkeit genügt sei, hat das Berufungsgericht die
Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung (§
128 Abs
1 S 1
SGG) überschritten. Das LSG wendet insoweit einen Erfahrungssatz an, ohne diesen naturwissenschaftlich zu fundieren, zumal ein
solcher Erfahrungssatz sich noch nicht einmal dem Text der Konsensempfehlungen entnehmen lässt.
Das LSG geht davon aus, dass ein solcher Wert nur an 218 Tagen erreicht worden und damit dem Erfordernis der Regelmäßigkeit
nicht genügt sei. Vielmehr sei erforderlich, dass in mindestens 60 Arbeitsschichten hohe Belastungsspitzen vorliegen müssten,
wobei sich das LSG auf die Rechtsprechung des Senats vom 23.4.2015 beruft. Hierbei verkennt das LSG jedoch, dass das dort
(BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R - Juris RdNr 27) genannte Erfordernis der Regelmäßigkeit weder ein geschriebenes Tatbestandsmerkmal der BK 2108 ist, noch
sich dem Wortlaut der B2-Befundkonstellation entnehmen lässt. Vielmehr handelt es sich bei der Regelmäßigkeit nach dem Merkblatt
2006 (BArbBl 2006 Nr 10, S 30 ff, Abschnitt IV) um eine ungeschriebene Voraussetzung der arbeitstechnischen Voraussetzungen.
Das dritte Zusatzkriterium der B2-Konstellation verlangt hingegen lediglich, dass - abgesehen von einer ausreichenden regelmäßigen
Belastung durch Heben und Tragen - besonders hohe Belastungsspitzen vorhanden waren, wofür als "Anhaltspunkt" das Erreichen
der Hälfte des "MDD-Tagesdosis-Richtwertes" angegeben wird. Nicht ansatzweise entnehmen lässt sich demgegenüber den Konsensempfehlungen
- auch ohne dass dies einer Interpretation durch einen Sachverständigen bedürfte -, dass auch die besonders hohen Belastungsspitzen
mit einer Regelmäßigkeit von mindestens 60 Schichten im Jahr vorliegen müssen. Ebenso wenig lässt sich den Konsensempfehlungen
entnehmen, ob das bloße Vorhandensein solcher Belastungsspitzen an einer geringeren Anzahl von Tagen genügt, solange regelmäßig
eine Hebe- und Tragebelastung stattfindet. Dem Urteil des LSG kann auch nicht entnommen werden, dass ein die erforderliche
Sachkunde aufweisender Sachverständiger diese Voraussetzung explizit so aufgestellt bzw deren allgemein akzeptierte wissenschaftliche
Basis begründet hätte. Das LSG bezieht sich insoweit lediglich auf Dr. F., der die Herkunft des 3. Zusatzkriteriums der B2-Konstellation
aus "häufig wiederkehrenden kurzzeitigen Einzelbelastungsspitzen" erklärt hat. Dann hätte es dem LSG oblegen, zumindest durch
eine weitere ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen aufzuklären, was sich hinter dem Postulat der Häufigkeit verbirgt
und was eine solche Häufigkeit nach aktueller wissenschaftlicher Erkenntnis in quantitativer Hinsicht voraussetzt. Dabei hätte
das LSG dann auch aufklären müssen, ob die Ansicht des Sachverständigen nur eine Einzelmeinung ist oder ob sie dem aktuellen
wissenschaftlichen Erkenntnisstand entspricht.
Im Übrigen erscheint schon der vom LSG zugrunde gelegte "hälftige Tagesdosisrichtwert von mindestens 6 kN" auch rein rechnerisch
fragwürdig: Dieses 3. Zusatzkriterium gibt lediglich vor, dass das in kN berechnete Mindestgewicht, das angehoben werden muss,
mindestens 6 kN beträgt. Die nach dem MDD erforderliche, in der Einheit kNh berechnete Mindesttagesdosis beträgt demgegenüber
5,5 kNh, weshalb zur Erfüllung des 3. Zusatzkriteriums, das das Erreichen des hälftigen Tagesdosisrichtwertes verlangt, bei
Männern 2,75 kNh durch Heben und Tragen von Gewichten mit einer jeweiligen Druckkraft von mindestens 6 kN erreicht sein müssen.
Das LSG wird daher einen Sachverständigen zu befragen haben, wie das Attribut "mehrsegmental" im 1. Zusatzkriterium der B2-Konstellation
zu verstehen ist und ob das vorgetragene Verständnis dem allgemein anerkannten wissenschaftlichen Standard entspricht. Des
Weiteren wird durch Sachverständige zu klären sein, ob die hohen Belastungsspitzen nach dem 3. Zusatzkriterium in einer bestimmten
Sequenz erfolgen müssen, um die Anerkennungsempfehlung auslösen zu können. Auch hier wird festzustellen sein, ob die geäußerte
Interpretation dem aktuellen Erkenntnisstand entspricht.
Das LSG wird auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden haben.