Bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS als Berufskrankheit
Gründe:
I
Der Kläger begehrt die Anerkennung und Entschädigung seiner Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit (BK) nach Nr 2108 der
Anlage 1 zur
Berufskrankheiten-Verordnung - BKVO - (BK 2108).
Der im Jahre 1938 geborene Kläger war von 1953 bis 1995 durchgehend als Maurer beschäftigt. Er hat diese Tätigkeit im Januar
1995 aufgegeben und bezieht seit Februar 1996 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
Nachdem der Orthopäde Dr. S. im Januar 1995 eine BK-Anzeige erstattet, der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten
die sog arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 2108 als erfüllt angesehen und der Chirurg Dr. H.
wegen des Vorliegens eines schicksalhaften monosegmentalen Befalls der Lendenwirbelsäule (LWS) ohne Funktionseinschränkungen
die medizinischen Voraussetzungen für eine solche BK nicht als gegeben angesehen hatte, lehnte die Beklagte die Gewährung
einer Entschädigung ab (Bescheid vom 20. Juni 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 1997).
Das Sozialgericht (SG) Hamburg hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, bei dem Kläger liege eine derartige Fehlhaltung der Wirbelsäule vor,
dass die Bandscheibe L5/S1 auch ohne wirbelsäulenbelastende Tätigkeit geschädigt wäre und so die Kausalität mit der beruflichen
Tätigkeit zu verneinen sei (Urteil vom 26. Oktober 1998). Das Landessozialgericht Hamburg (LSG) hat die Berufung des Klägers
zurückgewiesen (Urteil vom 2. März 2004). Zwar erfülle der Kläger die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer ausreichend
hohen und langen beruflichen Exposition durch Heben und Tragen schwerer Lasten während seiner mehr als 40-jährigen durchgehenden
beruflichen Tätigkeit als Maurer, jedoch liege bei ihm eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS nicht vor. Voraussetzung
hierfür sei neben einem objektivierten Schaden, der durch Veränderungen an der Bandscheibe verursacht sei, ein chronisches
oder chronisch-rezidivierendes Krankheitsbild mit Funktionseinschränkungen. Demgegenüber reiche das Vorliegen allein einer
Osteochondrose, einer Spondylose oder einer Spondylarthrose ohne ursächlichen Bezug zu einer Bandscheibendegeneration und
ohne ein dadurch bedingtes klinisches Beschwerdebild nicht aus. Aufgrund der vorliegenden Befundberichte und medizinischen
Sachverständigengutachten liege bei dem Kläger ein mit bildgebenden Verfahren nachgewiesener Bandscheibenschaden im Bereich
L5/S1 iS einer Osteochondrose vor, der jedoch nicht zu einem klinischen Beschwerdebild mit Funktionseinschränkungen geführt
habe. Darüber hinaus bestehe eine primäre Spondylarthrose ohne vorangehende Bandscheibendegeneration in den Segmenten L3/L4
und L4/L5 mit einer Einengung des Wirbelsäulenkanals ohne Schädigungen oder Vorwölbungen der Bandscheiben in diesen Abschnitten.
Eine Osteochondrose habe somit in diesen Segmenten zum damaligen Zeitpunkt nicht vorgelegen. Die von dem Sachverständigen
Dr. N. nunmehr beschriebene Osteochondrose auch im Segment L3/L4, die im Zeitpunkt der Aufgabe der belastenden
Tätigkeit im Januar 1995 eindeutig nicht vorgelegen habe, stelle keine bandscheibenbedingte Erkrankung dar, weil ihr ebenfalls
ein entsprechender Segmentbefund nicht zugeordnet werden könne. Da in Würdigung der gesamten Aktenlage eine bandscheibenbedingte
Erkrankung der LWS nicht anzunehmen sei, habe der Senat die Fragen unbeantwortet lassen können, ob eine solche mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Exposition des Klägers durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten zurückzuführen
wäre. Dies gelte auch für die Frage, ob die von Dr. B. vertretene Auffassung, nach der die bisher zur Feststellung
der Berufsbedingtheit des bandscheibenbedingten Schadens von medizinischen Sachverständigen, insbesondere auch Dr. N.
, herangezogenen Kriterien wie Vorliegen eines belastungskonformen Schadensbildes, einer "Linksverschiebung" und Abwesenheit
konkurrierender Ursachen nicht mehr geeignet seien, zutreffe. Die Revision werde zugelassen, weil die Rechtsfrage, wie der
Begriff der bandscheibenbedingten Erkrankung iS der BK 2108 auszulegen sei, grundsätzliche Bedeutung habe.
Mit seiner - vom LSG zugelassenen - Revision macht der Kläger geltend, die vom LSG aufgeworfene Rechtsfrage sei weder klärungsbedürftig
noch klärungsfähig noch entscheidungserheblich, weil die Antwort auf sie praktisch außer Zweifel stehe, so gut wie unbestritten
und zudem zu pauschal gestellt sei. Mit seinem Argument, bei dem Kläger liege nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen
eine typische bandscheibenbedingte Erkrankung nicht vor, verstoße das LSG gegen die Vorschrift der Nr 2108 der Anlage 1 zur
BKVO. Darin gebe es keine Unterscheidung in typische und untypische bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS bzw in solche im
engeren und im weitesten Sinne, wie sie hier sämtliche gerichtlich bestellten medizinischen Gutachter anführten. Indem sich
das Gericht diese Auffassungen der Sachverständigen zu Eigen mache, verkenne es die juristisch vorzunehmende Subsumtion der
Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift.
Als Verfahrensmängel seien ein Verstoß gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§
128 Abs
1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes >SGG<), das rechtliche Gehör (§
62 SGG, Art 103 Abs 1 des Grundgesetzes >GG<), den Grundsatz der Untersuchungsmaxime (§
103 SGG) und das Recht auf Anhörung eines bestimmten Arztes (§
109 SGG) zu rügen. Indem das LSG sich fehlerhaft auf eine im Jahre 2002 erhobene Diagnose stütze, die zum maßgeblichen Zeitpunkt
(Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit) im Jahre 1995 noch nicht vorgelegen habe, nehme es eine fehlerhafte Beweiswürdigung vor.
Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liege darin, dass das Gericht die Frage der sog haftungsausfüllenden Kausalität offen
gelassen habe, obwohl gerade hierzu sämtliche Gerichtsgutachter beider Instanzen umfangreich vorgetragen hätten. Sein Prozessbevollmächtigter
habe schriftsätzlich um rechtliches Gehör beim LSG nachgesucht, indem er für den Fall, dass das Gericht eine weitere Sachaufklärung
nicht für notwendig halte, um Angabe der "tragenden medizinischen Gründe" hierfür gebeten habe. Hierauf sei "keinerlei sachgerechte
Aufklärung" erfolgt, und in der letzten mündlichen Verhandlung sei er durch die Mitteilung des LSG überrascht worden, dass
die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werde und sein Sachvortrag nebst Beweisanträgen und Anfragen obsolet
geworden sei. Hiervon habe sich das Berufungsgericht auch nicht durch die von seinem Prozessbevollmächtigten mündlich vorgebrachte
von der des Dr. N. abweichende Auffassung abbringen lassen. Hierin liege gleichzeitig ein Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz,
da hinreichender Anlass bestanden habe, von Amts wegen weitere Sachverhaltsermittlungen vorzunehmen.
Hätte das LSG weitere Amtsermittlungen unter Bezugnahme auf die vorliegenden medizinischen Gutachten abgelehnt und auf dieser
Basis eine ablehnende Entscheidung gefällt, läge ein Verstoß gegen §
109 SGG vor. Dem ersten Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach §
109 SGG habe das LSG stattgegeben, jedoch habe er der Auflage zur Zahlung eines Kostenvorschusses wegen der erst nach Vorlage des
Gutachtens von Dr. B. erteilten Deckungszusage durch seine Rechtsschutzversicherung nachkommen können. Wegen
der nach seiner Auffassung noch notwendigen Aufklärung von Amts wegen habe der Antrag nach §
109 SGG nur für den Fall der Ablehnung weiterer Amtsermittlung wieder zur Geltung kommen bzw als neu gestellt gelten sollen. Hierzu
sei es jedoch nicht gekommen. Selbst wenn der ursprünglich bewilligte Antrag untergegangen sein sollte, wäre seinem Schriftsatz
vom 16. Februar 2004 ein neuer Antrag zu entnehmen, der nicht verspätet oder in Verschleppungsabsicht gestellt worden sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 2. März 2004 sowie das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 26. Oktober 1998
aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Juni 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom
29. Januar 1997 zu verurteilen, ihn wegen der Folgen einer Berufskrankheit nach Nr 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankeiten-Verordnung
zu entschädigen,
hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Er hat keinen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung seiner Wirbelsäulenerkrankung
als BK 2108, wie SG und LSG zutreffend entschieden haben. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger
nicht in seinen Rechten.
Der vom Kläger verfolgte Anspruch richtet sich noch nach den bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Vorschriften der
Reichsversicherungsordnung (
RVO), weil die geltend gemachte BK vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB VII) am 1. Januar 1997 eingetreten sein soll (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, §
212 SGB VII).
Nach § 547
RVO gewährt der Träger der Unfallversicherung nach Eintritt des Arbeitsunfalls nach Maßgabe der ihm folgenden Vorschriften Leistungen,
insbesondere bei Vorliegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um wenigstens 20 vH Verletztenrente in der dem Grad der Erwerbsminderung
entsprechenden Höhe (§ 581 Abs 1 Nr 2
RVO). Als Arbeitsunfall gilt gemäß § 551 Abs 1 Satz 1
RVO auch eine BK. BKen sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates
(BR) bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545
RVO genannten Tätigkeiten erleidet (§ 551 Abs 1 Satz 2
RVO). Eine solche Bezeichnung nimmt die BKVO mit den sog Listenkrankheiten vor. Hierzu gehören nach Nr 2108 bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges
Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller
Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich
waren oder sein können.
Für die Anerkennung einer Erkrankung als BK 2108 müssen folgende Tatbestandsmerkmale gegeben sein: Bei dem Versicherten muss
eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vorliegen, die durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch
langjährige Arbeit in extremer Rumpfbeugehaltung entstanden ist. Die Erkrankung muss den Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden
Tätigkeiten herbeigeführt haben, und der Versicherte darf eine solche Tätigkeit tatsächlich nicht mehr ausüben. Für das Vorliegen
des Tatbestandes der BK ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung
und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit
und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß iS des "Vollbeweises", also mit
an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung
der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen
ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (BSG SozR 3-5670
Anl 1 Nr 2108 Nr 2 mwN).
Es mangelt bereits am Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS. Nach den Feststellungen des LSG liegt bei
dem Kläger ein mit bildgebenden Verfahren nachgewiesener Bandscheibenschaden im Bereich L5/S1 iS einer Osteochondrose vor,
der nicht zu einem klinischen Beschwerdebild mit Funktionseinschränkungen geführt hat. Darüber hinaus besteht eine primäre
Spondylarthrose ohne vorangehende Bandscheibendegeneration in den Segmenten L3/L4 und L4/L5 mit einer Einengung des Wirbelsäulenkanals
ohne Schädigungen oder Vorwölbungen der Bandscheiben in diesen Abschnitten.
Diese Feststellungen sind für den Senat bindend (§
163 SGG), da sie nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen sind. Soweit der Kläger einen Verstoß des LSG
gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung rügt, ist diese Rüge unzulässig. Der Grund-satz der freien richterlichen Beweiswürdigung
beinhaltet sowohl die Befugnis als auch die Pflicht des Tatsachengerichts, nachdem der Sachverhalt vollständig und abschließend
ermittelt ist, das Gesamtergebnis des Verfahrens einschließlich der erhobenen Beweise frei nach der inneren Überzeugungskraft
der jeweiligen Beweismittel und des Beteiligtenvortrages unter Abwägung aller Umstände darauf, ob die maßgebenden Tatsachen
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bzw im Falle geringerer Anforderungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit
feststehen, zu würdigen. Die Beweiswürdigung steht grundsätzlich im Ermessen des Tatsachengerichts. Das Revisionsgericht kann
nur prüfen, ob das Tatsachengericht bei der Beweiswürdigung gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen hat,
und ob es das Gesamtergebnis des Verfahrens ausreichend und umfassend berücksichtigt hat (stRspr vgl BSG, Urteil vom 6. April
1989 - 2 RU 69/87 - HV-Info 1989, 1368; BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 19; BSG, Urteil vom 27. Januar 1994 - 2 RU 3/93 - HVBG-Info 1994, 943; BSG SozR 3-2200 § 551 Nr 16; Meyer-Ladewig,
SGG, 7. Aufl, §
128 RdNr 10 bis 13 mwN). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen muss im Einzelnen dargelegt werden. Diesen Anforderungen entspricht
das diesbezügliche Vorbringen des Klägers nicht. Mit seinem Vortrag, das LSG habe sich auf eine im Jahre 2002 erhobene Diagnose
gestützt, die im Jahre 1995 noch nicht vorgelegen habe, bezeichnet der Kläger weder ein Denkgesetz noch einen Erfahrungssatz,
gegen den das Gericht verstoßen haben soll, noch nennt er eine nicht ausreichende Berücksichtigung des Gesamtergebnisses des
Verfahrens.
Auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs hat der Kläger nicht schlüssig dargetan. Sein Vortrag, das LSG habe die Frage
der sog haftungsausfüllenden Tätigkeit offen gelassen, obwohl gerade hierzu sämtliche Gerichtsgutachter umfangreich vorgetragen
hätten, bezeichnet keinen Verstoß gegen §
62 SGG bzw Art
103 GG. Zwar kann als Verfahrensmangel gerügt werden, das Gericht habe wesentliches Vorbringen der Prozessbeteiligten nicht in Erwägung
gezogen (vgl ua BVerfGE 63, 177, 179, 180), doch betrifft dies nicht den vorliegenden Fall, dass Sachverständige zu Problemen Stellung nehmen, auf die es
- wie hier - nach der Auffassung des Gerichts nicht in entscheidungserheblicher Weise ankommt. Auch soweit der Kläger vorträgt,
das LSG habe ihn nicht entsprechend dem von seinem Prozessbevollmächtigten vorgebrachten Wunsch nach Mitteilung der "tragenden
medizinischen Gründe" für das Absehen von weiteren Ermittlungen sachgerecht aufgeklärt, legt er damit keinen Verstoß gegen
das rechtliche Gehör dar. Insbesondere gegenüber rechtskundig vertretenen Beteiligten besteht nämlich weder eine allgemeine
Aufklärungspflicht des Gerichts über die Rechtslage noch die Pflicht, bei der Erörterung der Sach- und Rechtslage bereits
die endgültige Beweiswürdigung darzulegen, denn es kann und darf das Ergebnis der Entscheidung, die in der nachfolgenden Beratung
des Gerichts erst gefunden werden soll, nicht vorwegnehmen (vgl BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 1). Darauf aber läuft der Vortrag
des Klägers hinaus, das Gericht sei zur Angabe der genannten Gründe für seine Auffassung, eine weitere medizinische Aufklärung
sei nicht erforderlich, verpflichtet, denn es müsste so seine endgültige Würdigung der bisher erhobenen Beweise darlegen.
Soweit der Kläger eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darin sieht, dass er durch die in der letzten mündlichen Verhandlung
vom LSG mitgeteilte Auffassung, es werde die Revision wegen grund-sätzlicher Bedeutung zulassen und sein Sachvortrag nebst
Beweisanträgen sei obsolet geworden, überrascht worden sei, mangelt es ebenfalls an der schlüssigen Darlegung eines solchen
Verstoßes. Es ist nicht dargetan, inwieweit die Absicht der Revisionszulassung sich überhaupt in entscheidungserheblicher
Weise ausgewirkt habe und inwiefern hier etwa sein Vorbringen vom Gericht nicht entgegengenommen und gewürdigt worden sein
soll. Das Vorbringen des Klägers, das LSG habe sich durch den mündlichen Vortrag seines Prozessbevollmächtigten nicht von
seiner Auffassung abbringen lassen, reicht dafür jedenfalls nicht aus.
Auch mit seinem Vortrag, ein Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht gemäß §
103 SGG liege vor, weil nach seiner Auffassung noch weitere Aufklärung erforderlich gewesen sei, die das LSG nicht betrieben habe,
legt der Kläger keinen entsprechenden Verfahrensmangel in schlüssiger Weise dar. Es mangelt an einer hinreichenden Darstellung,
inwiefern sich das Gericht auf der Grundlage seiner materiellen Rechtsauffassung zu weiteren und ggf welchen Ermittlungen
hätte gedrängt fühlen müssen und zu welchem die Entscheidung beeinflussenden Ergebnis die für erforderlich gehaltene weitere
Beweisaufnahme voraussichtlich geführt hätte.
Die vom LSG festgestellten Veränderungen der Wirbelsäule des Klägers stellen keine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS
iS der BK 2108 dar. Zwar ist - worauf der Kläger wohl auch hinweist - dem Wortlaut der BK 2108 nicht unmittelbar zu entnehmen,
dass der Bandscheibenschaden zu einer Erkrankung mit chronisch wiederkehrenden Beschwerden mit Funktionseinschränkungen der
LWS geführt haben muss, wie es etwa im Merkblatt für die ärztliche Untersuchung für diese BK (BArBl 3/1993 S 50) dargetan
wird. Allein nach dem Wortlaut einer Nummer der Anlage 1 zur BKVO kann indes der Inhalt einer bestimmten BK oftmals nicht bestimmt werden. Im Laufe der Jahrzehnte hat der Verordnungsgeber
der BKVO BKen in unterschiedlicher Fassung in die Anlage aufgenommen; wegen der oftmals recht unbestimmten Fassung der Tatbestände
dieser BKen sind die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und die Gerichte verpflichtet, deren Inhalt über den Wortlaut
hinaus zu bestimmen, wobei hierfür die allgemein anerkannten juristischen Methoden anzuwenden sind. Dabei kommt für die Auslegung
dem Willen des Verordnungsgebers bzw dem Sinn und Zweck der Vorschrift besondere Bedeutung zu, so dass auch eine Einschränkung
des Anwendungsbereichs einer Norm gegenüber ihrem Wortlaut ("teleologische Reduktion") möglich ist (zur Auslegung der BK-Tatbestandsvoraussetzungen
s Senatsurteil vom 12. April 2005 - B 2 U 6/04 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Zu der Frage, was unter einer bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS zu verstehen sein soll, hat der Verordnungsgeber in
der Begründung zur Zweiten Änderungsverordnung (2. ÄndVO), durch welche die BK 2108 in die Berufskrankheitenliste aufgenommen
worden ist (BR-Drucks 773/92 S 8), eingehende Ausführungen gemacht. Danach sind unter bandscheibenbedingten Erkrankungen zu
verstehen: Bandscheibendegeneration (Diskose), Instabilität im Bewegungssegment, Bandscheibenvorfall (Prolaps), degenerative
Veränderungen der Wirbelkörperabschlussplatten (Osteochondrose), knöcherne Ausziehungen an den vorderen seitlichen Randleisten
der Wirbelkörper (Spondylose), degenerative Veränderungen der Wirbelgelenke (Spondylarthrose) mit den durch derartige Befunde
bedingten Beschwerden und Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule.
Aus dem Wortlaut des Verordnungstextes und diesen Ausführungen ist zu entnehmen, dass ein objektivierter Bandscheibenschaden
vorliegen muss, der in einer kausalen Beziehung zu einer Erkrankung der LWS oder HWS iS der in der Begründung genannten Krankheitsbilder
steht (s LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 2. September 1998 - L 2 U 4279/97 = E-LSG U - 106 = NZS 1999, 93; Brandenburg BG 1993, 791, 794). Der Senat hat es bisher offen gelassen, ob auch Erkrankungen geringeren Ausmaßes - etwa
bloße röntgenologisch feststellbare Veränderungen der LWS ohne Funktionsbeeinträchtigung - zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals
der bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS ausreichen (BSG Urteil vom 22. August 2000 - B 2 U 34/99 R = SozR 3-5670 Anl 1 Nr 2108 Nr 2). Dass dies der Fall ist, folgt nicht nur aus den genannten Materialien, sondern auch aus
einer sinnorientierten Auslegung der Regelung unter Beachtung des Gesamtzusammenhangs. Die Erkrankung iS der Nr 2108 der Anlage
1 zur BKVO muss zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben
der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Dies ist nur bei einem Krankheitsbild möglich, das über einen längeren Zeitraum
andauert, also chronisch oder zumindest chronisch wiederkehrend ist, und das zu Funktionseinschränkungen führt, die eben eine
Fortsetzung der genannten Tätigkeit unmöglich machen (vgl Brandenburg BG 1993, 791, 794; LSG Baden-Württemberg aaO; zustimmend
Peter Becker SGb 2000, 116, 118 mwN). Da die Erkrankung der LWS des Klägers zwar auf einem nachgewiesenen Bandscheibenschaden beruht, aber nicht zu
einem klinischen Beschwerdebild mit Funktionseinschränkungen geführt hat, erfüllt sie die Tatbestandsvoraussetzungen für eine
BK 2108 nicht. Das LSG hat daher in zutreffender Weise die Frage der Kausalität zwischen der belastenden Tätigkeit und der
Wirbelsäulenerkrankung offen gelassen, weil es hierauf für die Entscheidung nicht mehr ankommt.
Nach alledem war die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.