Anspruch auf Krankengeld
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Das LSG Rheinland-Pfalz hat mit Urteil vom 20.2.2020 unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und Abgrenzung zur dortigen
Annahme eines Dauerverwaltungsaktes einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Krankengeld (Krg) für die Zeit vom 5.6.2016
bis zum 29.10.2016 (Höchstbezugsdauer) verneint. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin gemäß
§
46 SGB V (in der ab 23.7.2015 geltenden Fassung des Gesetzes vom 16.7.2015, BGBl I 1211) keinen Anspruch auf Zahlung von Krg gehabt habe, da am 6.6.2016 eine Lücke in der ärztlichen Feststellung von Arbeitsunfähigkeit
(AU) bestanden habe. An diesem Montag sei es der Klägerin möglich und zumutbar gewesen, einen Arzt aufzusuchen oder zumindest
aufgrund der vorgetragenen partiellen Geschäftsunfähigkeit wegen Durchfällen, Erbrechen und Depression einen Hausbesuch zu
vereinbaren, ggf einen anderen Arzt aufzusuchen. Jedenfalls mangele es an einem persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt. Hierfür
sei das von ihr selbst angegebene Telefonat mit der Arztpraxis am Vormittag des 6.6.2016 nicht ausreichend gewesen und auch
nicht der Umstand, dass erst am nächsten Tag ein Arzttermin vergeben werden konnte. Ein Ausnahmefall (unter Verweise auf BSG vom 11.5.2017 - B 3 KR 22/15 R - BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8), der die Klägerin wegen Erkrankung von der rechtzeitigen Terminwahrnehmung abgehalten habe, liege nicht vor.
Gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, auf Divergenz und auf Verfahrensfehler (§
160 Abs
2 Nr
1 bis
3 SGG).
II
Die Beschwerde der Klägerin ist als unzulässig zu verwerfen. Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Nach §
160 Abs
2 SGG ist die Revision ua zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr
3). Keinen der in §
160 Abs
2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe hat die Klägerin in der Begründung der Beschwerde schlüssig dargelegt oder bezeichnet
(§
160a Abs
2 Satz 3
SGG).
1. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den
Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird, um an ihr die weiteren Voraussetzungen für die Revisionszulassung nach
§
160 Abs
2 Nr
1 SGG prüfen zu können (vgl BSG vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 und Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. Kap, RdNr 181). Es ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und die
Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (vgl BSG vom 16.12.1993 - 7 BAr 126/93 - SozR 3-1500 § 160a Nr 16). Daher ist aufzuzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet worden sind
und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung
des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint (vgl Krasney/Udsching, aaO, IX. Kap, RdNr 65 f).
Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Klägerin hält die Rechtsfrage von grundsätzlicher
rechtlicher Bedeutung:
"ob eine Folge-Feststellung der fortdauernden Arbeitsunfähigkeit aufgrund derselben Krankheit durch den gleichen Behandler
auch fernmündlich erfolgen kann und der erforderliche Arzt-Patienten-Kontakt bei einem telefonischen Kontakt in diesem Fall
gewahrt ist."
Hierzu lassen sich indes der Beschwerdebegründung weder hinreichende Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit noch zur Klärungsfähigkeit
entnehmen. Insbesondere fehlt eine Auseinandersetzung mit der bereits zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts
(vgl BSG vom 16.5.2007 - B 11b AS 61/06 B - juris RdNr 7 mwN) vorliegenden Rechtsprechung des Senats dazu, unter welchen Voraussetzungen eine Lücke in den AU-Feststellungen einem Krg-Anspruch
nicht entgegensteht (BSG vom 11.5.2017 - B 3 KR 22/15 R - BSGE 123, 134 = SozR 4-2500 § 46 Nr 8; BSG vom 26.3.2020 - B 3 KR 9/19 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-2500 § 46 Nr 10). Die Beschwerdebegründung setzt sich nicht damit auseinander, was aus dieser Rechtsprechung für die als grundsätzlich bedeutend
erachtete Frage bereits an Maßstäben zu entnehmen ist, und sie legt nicht dar, inwieweit eine Fortentwicklung der Rechtsprechung
im angestrebten Revisionsverfahren erforderlich erscheint.
Im Übrigen ist auch die Klärungsfähigkeit nicht dargelegt. Das BSG hat den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung auf der Tatsachengrundlage der Vorinstanz zu beurteilen, deren Feststellungen
es nach §
163 SGG binden. Nur auf dieser Grundlage kann das Revisionsgericht beurteilen, ob eine Rechtsfrage überhaupt entscheidungserheblich
und damit klärungsfähig ist (vgl BSG vom 6.4.2020 - B 10 EG 17/19 B - juris RdNr 6 mwN). Dies hat die Klägerin jedoch nicht aufgezeigt. Vielmehr unterstellt die gestellte Rechtsfrage Feststellungen, die vom LSG
nicht getroffen worden sind. Weder ein Arzt-Patienten-Kontakt am 6.6.2016 noch eine fernmündliche AU-Feststellung sind von
den Feststellungen des LSG getragen. Eine Sachaufklärungsrüge (§
103 SGG) gegen diese Feststellungen des LSG hat die Klägerin in ihrer Beschwerde nicht erhoben, sondern lediglich eine Verfahrensrüge
bezüglich der Frage der partiellen Geschäftsunfähigkeit. Zur Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit mangelt es daher schon
an einer klaren Sachverhaltsdarlegung.
2. Für die Bezeichnung einer Abweichung (Divergenz) ist aufzuzeigen, mit welchem genau bezeichneten entscheidungserheblichen
abstrakten Rechtssatz die angefochtene Entscheidung des LSG von welchem ebenfalls genau bezeichneten entscheidungserheblichen
abstrakten Rechtssatz des BSG im Grundsätzlichen abweicht (vgl BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34; Krasney/Udsching, aaO, IX. Kap, RdNr 196 mwN). Die Klägerin hat keinen im Gegensatz stehenden abstrakten Rechtssatz des LSG zu der von der Klägerin zitierten Rechtsprechung
des BSG (Urteil vom 22.6.1966 - 3 RK 14/64) formuliert. Eine Abweichung liegt nämlich nicht schon dann vor, wenn das Urteil des LSG nicht den Kriterien entspricht, die
das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat
(vgl beispielhaft BSG vom 20.5.2014 - B 13 R 49/14 B - juris RdNr 10). Anhaltspunkte hierfür bestehen nicht.
3. Die Beschwerdebegründung genügt schließlich nicht den Anforderungen an die Bezeichnung eines Verfahrensmangels. Die Geltendmachung
eines Verfahrensmangels wegen Verletzung des §
103 SGG - nur diese kommt nach der Beschwerdebegründung in Betracht - kann gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG nur darauf gestützt werden, dass das LSG einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Eine - wie hier
- in der Berufungsinstanz rechtsanwaltlich vertretene Beteiligte kann aber nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags
gehört werden, wenn dieser bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten
worden ist oder das Gericht den Beweisantrag in seiner Entscheidung wiedergibt (stRspr; vgl BSG vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 §
160 Nr 13 RdNr 11 mwN; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl 2020, §
160 RdNr 18c mwN). Dabei ist grundsätzlich allein anhand der Beschwerdebegründung das Vorliegen des geltend gemachten Verfahrensmangels zu prüfen
(vgl nur Leitherer, aaO, 160a RdNr 13e, 16, 19; Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGG, §
160a RdNr 136, 139 f, 235, 245, Stand 14.10.2020). Hiernach ist nicht dargetan, dass während des Berufungsverfahrens ein prozessordnungsgerechter Beweisantrag gestellt worden
wäre.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von §
193 SGG.