Zulässigkeit des Sozialrechtswegs im sozialgerichtlichen Verfahren; Klage einer Krankenkasse gegen einen Dritten auf Schadensersatz
wegen des Vorwurfs einer gemeinschaftlich mit dem Leistungserbringer zu Lasten der Krankenkasse begangenen Straftat
Gründe:
I
Im Streit steht ein Zahlungsanspruch der Beklagten gegen die Klägerin in Höhe von 30 157,85 Euro.
Die Klägerin ist die Mutter des im Jahre 1998 geborenen, bei der Beklagten gesetzlich familienversicherten Kindes R.. Die
Tochter leidet ua an einem Hypoventilationssyndrom mit der Folge, dass sie beatmungspflichtig und schwerstpflegebedürftig
ist. Nach dem
SGB XI ist sie der Pflegestufe III zugeordnet. Bereits seit 1999 gewährte ihr die Beklagte häusliche Krankenpflege. Ab 1.5.2001
hat die Beklagte einen Rahmenvertrag nach §
132a SGB V für Leistungen der häuslichen Krankenpflege (§
37 Abs
1 SGB V) zur Erfüllung dieser Sachleistung mit dem Inhaber des Pflegedienstes C., Dr. L., geschlossen.
Die Beklagte forderte von der Klägerin zunächst den Gesamtbetrag von 38 196,84 Euro, der sich aus nicht erbrachten Leistungen
der Krankenpflege für die Tochter im Zeitraum vom 1.5.2001 bis 30.11.2001 (24 940 Euro), aus Verzugszinsen (6622,51 Euro)
und aus Schadensermittlungskosten (6634,33 Euro) zusammensetzte (Bescheid vom 19.10.2005; Widerspruchsbescheid vom 28.4.2006).
Zur Begründung führte sie aus, dass die Klägerin gemeinsam mit dem Inhaber des Pflegedienstes Dr. L. im maßgeblichen Zeitraum
sowohl über den Umfang der geleisteten Pflegestunden als auch über die Qualifikation der eingesetzten Pflegekräfte für die
Krankenpflege der Versicherten getäuscht habe. Nach den staatsanwaltlichen Ermittlungen habe Dr. L. einen Teil der ihm von
der Beklagten gezahlten Vergütungen für die Erbringung der Krankenpflegeleistungen auf das Konto der Klägerin in Höhe der
Hauptforderung (von 24 940 Euro) überwiesen. Die Klägerin habe in rechtswidriger Weise Leistungen erschlichen, die ihr nicht
zugestanden hätten. Sie sei aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs zur Rückzahlung dieses Betrags verpflichtet.
Die Nebenforderungen wie Verzugszinsen und Schadensermittlungskosten richteten sich nach den Vorschriften des
BGB.
Das Strafverfahren gegen die Klägerin ist gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 2000 Euro eingestellt worden (§
153a StPO, Amtsgericht München Beschluss vom 6.6.2003 - 821 Cs 315 Js 31865/03).
Auf die von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage hat das SG München den Bescheid vom 19.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 28.4.2006 mangels Rechtsgrundlage aufgehoben. Ein Rückforderungsbescheid (§ 50 SGB X) hätte gegenüber der Versicherten ergehen müssen, an dem es hier fehlte. Im Übrigen hätten keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen
zwischen der Klägerin und der Beklagten bestanden, die mittels Verwaltungsakt hätten geregelt werden können (Urteil vom 18.5.2010).
Im Berufungsverfahren hat die Beklagte Widerklage erhoben und beantragt, die Klägerin zur Zahlung von 30 157,85 Euro zu verurteilen.
Sie hat den Antrag mit zu Unrecht vom Pflegedienst erhaltenen Geldern (24 940 Euro) und mit Schadensermittlungskosten: externe
Ermittlungskosten (4181,35 Euro), An- und Abreisekosten (652,80 Euro) und Hotelkosten (383,70 Euro) beziffert. Daraufhin hat
das LSG die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG München zurückgewiesen und die Widerklage der Beklagten als unzulässig
verworfen (Urteil vom 18.11.2014). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Zutreffend sei das SG von einer fehlenden Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ausgegangen. Leistungsberechtigte und Leistungsempfängerin
der häuslichen Krankenpflege sei die versicherte Tochter und nicht die Klägerin gewesen. Die Versicherte habe in einem eigenen,
rechtlich selbstständigen gesetzlichen Versicherungsverhältnis zur Beklagten gestanden (§
10 SGB V). Da die Klägerin nicht in das Vertragsverhältnis mit dem Pflegedienst einbezogen gewesen sei, habe die Beklagte auch keine
Zahlungen an die Klägerin geleistet. Bislang sei nicht erwiesen, dass der Pflegedienst Zahlungen an die Klägerin geleistet
habe. Die im Berufungsverfahren erhobene Widerklage (§
100 SGG) sei unzulässig, weil der geltend gemachte Anspruch nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Über-/Unterordnungsverhältnis
und auch nicht auf öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen beruhe. Allenfalls komme ein zivilrechtlicher Anspruch gegen die
Klägerin in Frage, für den der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nicht eröffnet sei. Das Klagebegehren beurteile sich nach
zivilrechtlichen Vorschriften, die den gesamten Sachverhalt und auch die Forderung entscheidend prägten.
Mit der Beschwerde wendet sich die Beklagte gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG. Sie beruft sich auf einen
Verfahrensmangel und auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 und
3 SGG). Das LSG hätte den Rechtsstreit nach §
202 SGG iVm §
17a Abs
2 GVG an das zuständige Landgericht nach Anhörung der Parteien von Amtswegen verweisen müssen, anstatt die Widerklage als unzulässig
zu verwerfen. Überdies hält die Beklagte sinngemäß für grundsätzlich bedeutsam die Rechtsfrage, ob der Rechtsweg zu den Sozialgerichten
eröffnet ist für einen Schadensersatzanspruch der Krankenkasse, der ihr gegen den Versicherten oder gegen einen Dritten wegen
einer gemeinschaftlich mit einem Leistungserbringer zu Lasten der Krankenkasse begangenen Straftat zusteht. Das BSG habe bislang lediglich über die Klage einer Krankenkasse gegen einen Leistungserbringer auf Rückzahlung der Vergütung wegen
Abrechnungsbetrugs entschieden und den Sozialrechtsweg für einschlägig gehalten (Hinweis auf BSG SozR 4-1720 § 17a Nr 3). Über die vorliegende Konstellation, dass ein Dritter am Geschehen beteiligt gewesen sei, liege jedoch noch keine Rechtsprechung
des BSG vor.
II
Auf die Beschwerde der Beklagten war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung
an das LSG zurückzuverweisen.
Die Beklagte hat formgerecht (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG) und auch in der Sache zutreffend einen Verfahrensfehler (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) gerügt. Anstatt die Widerklage durch Prozessurteil als unzulässig zu verwerfen, hätte ein Sachurteil über den geltend gemachten
Anspruch ergehen müssen. Es handelt sich um einen Rechtsstreit, für den der Sozialrechtsweg (§
51 Abs
1 Nr
2 SGG) bestimmt ist.
1. Gegenstand des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde ist allein, ob das LSG die von der Beklagten im Berufungsverfahren
mit der Widerklage (§
100 SGG) gegen die Klägerin (Widerbeklagte) erhobene allgemeine Leistungsklage (§
54 Abs
5 SGG) zu Recht als unzulässig verwerfen durfte. Der Senat hat hingegen nicht die Entscheidung des LSG über die Berufung der Beklagten
hinsichtlich der Aufhebung des Bescheids (vom 19.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.4.2006) aus Anlass
der ursprünglich erhobenen Anfechtungsklage (§
54 Abs
1 SGG) zu überprüfen. Die Beklagte hat sich im Beschwerdeverfahren gegen die Aufhebung ihres Bescheids nicht gewandt und hat innerhalb
der gesetzlichen Frist keine Zulassungsgründe geltend gemacht (§
160 Abs
2 Nr
1 bis
3 iVm §
160a Abs
2 Satz 1 und
3 SGG). Insoweit hat das LSG unangefochten und damit rechtskräftig entschieden, dass die Beklagte nicht befugt war, ihren geltend
gemachten Zahlungsanspruch durch Verwaltungsakt festzusetzen.
2. Die Widerklage ist zulässig. Sie kann nach §
100 SGG bei dem Gericht erhoben werden, bei dem die Klage anhängig ist. Im sozialgerichtlichen Verfahren kann eine Widerklage auch
noch im Berufungsverfahren (§
153 Abs
1 SGG) erhoben werden. Einer Einwilligung der Klägerin bedurfte es hierfür nicht (vgl BSGE 17, 139, 143 = SozR Nr 5 zu §
100 SGG, Da 3; 53, 212, 213 = SozR 4100 § 145 Nr 2 S 8; BSG SozR 4-5562 §
8 Nr 5 RdNr
14; anders im Zivilprozess vgl §
530 Abs
1 ZPO). Die Widerklage gibt der Beklagten die Möglichkeit, einen selbstständigen Gegenanspruch gegen die Klägerin im selben Verfahren
aus prozessökonomischen Gründen geltend zu machen (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ders,
SGG, 11. Aufl 2014, §
100 RdNr 1). Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Widerklage ist, dass ein rechtlicher Zusammenhang mit dem Klageanspruch
besteht. Das ist hier der Fall. Die Klägerin hatte sich mit der Anfechtungsklage gegen den Zahlungsanspruch gewandt. Mit der
Widerklage macht die Beklagte nun den - betragsmäßig reduzierten - Zahlungsanspruch aus demselben Lebenssachverhalt geltend.
Hierfür besteht ein Rechtsschutzbedürfnis, weil sie diesen Anspruch nicht durch Verwaltungsakt geltend machen kann, sondern
nur durch die allgemeine Leistungsklage (§
54 Abs
5 SGG). Es fehlt an einem öffentlich-rechtlichen Über- und Unterordnungsverhältnis (vgl dazu BSGE 53, 212, 213 = SozR 4100 § 145 Nr 2 S 8 mwN).
3. Allgemeine Prozessvoraussetzung für die Widerklage ist, dass der Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit eröffnet ist (vgl
BSGE 18, 293, 298 = SozR Nr 2 zu §
839 BGB, Aa 3 R). Dies ist entgegen der Ansicht des LSG, das den ordentlichen Rechtsweg (§
13 GVG) angenommen hat, hier der Fall. Der vorliegende Rechtsstreit ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten
der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
a) Nach §
51 Abs
1 Nr
2 SGG entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlichrechtliche Streitigkeiten ua in Angelegenheiten der GKV,
auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen sind. Eine Ausnahme ist insoweit für Streitigkeiten in Angelegenheiten
nach §
110 SGB V aufgrund einer Kündigung von Versorgungsverträgen vorgesehen, die für Hochschulkliniken oder Plankrankenhäuser gelten. Von
der Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind ferner Streitigkeiten in Verfahren nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die Rechtsbeziehungen nach §
69 SGB V betreffen, ausgenommen (vgl §
51 Abs
3 SGG idF des Gesetzes vom 22.12.2010, BGBl I 2262 mWv 1.1.2011). Die aufgezeigten Ausnahmen liegen nicht vor.
Die Zuständigkeitsvorschriften des
SGG einschließlich des §
51 SGG sind zwingend und begründen ausschließliche Zuständigkeiten. Im Regelfall sind daher sämtliche Rechtsstreitigkeiten aus dem
öffentlich-rechtlichen Rechts- und Pflichtenkreis der Krankenkassen, der unmittelbar ihre öffentlichen Aufgaben betrifft,
den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesen (vgl nur BSG SozR 4-1500 § 51 Nr 9 RdNr 15 mwN).
b) Die Zulässigkeit des Rechtswegs richtet sich nach dem Streitgegenstand. Dieser wird durch den geltend gemachten prozessualen
Anspruch, dh durch den Klageantrag und den Klagegrund im Sinne eines bestimmten Sachverhalts festgelegt (stRspr, zB BSG SozR 4-1500 § 51 Nr 4 RdNr 26; vgl auch BSG SozR 4-1500 § 51 Nr 9 RdNr 17 mwN). Die Frage, ob eine Streitigkeit öffentlich- oder bürgerlich-rechtlicher Art ist, richtet sich nach der
Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird, wenn eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung des
Gesetzgebers fehlt (stRspr, vgl nur GmSOGB SozR 1500 § 51 Nr 53 S 108 = BGHZ 108, 284, 286). Deshalb ist entscheidend darauf abzustellen, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete
Rechtsfolge von Rechtssätzen des Zivil- oder des Sozialrechts geprägt wird (vgl BSG SozR 3-1500 § 51 Nr 24; BGHZ 89, 250, 252; BGHZ 103, 255, 256). Die in dieser Weise vorzunehmende Abgrenzung weist das Streitverhältnis in diejenige Verfahrensordnung, die ihm nach
der gesetzgeberischen Wertung in der Sache am besten entspricht, und bewirkt zugleich, dass regelmäßig diejenigen Gerichte
anzurufen sind, die durch ihre Sachkunde und Sachnähe zur Entscheidung über den in Frage stehenden Anspruch besonders geeignet
sind (vgl BSG SozR 4-1720 § 17a Nr 3 RdNr 9; vgl auch BGHZ 89, 250, 252).
Nach diesen Maßstäben ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Die Beklagte erhebt gegenüber
der Klägerin den Vorwurf, dass sie entsprechend einem gemeinsam mit dem Pflegedienstleiter Dr. L. gefassten Plan vorgegangen
sei. Die Klägerin habe wahrheitswidrig Leistungsnachweise über die Krankenpflege ihrer Tochter unterschrieben, die zur Rechnungslegung
an die Beklagte weitergereicht worden seien. Tatsächlich seien mindestens 40 % weniger Pflegestunden als abgerechnet und zudem
nichtexaminierte Pflegekräfte eingesetzt worden. Die Unrechtsabrede habe auch umfasst, dass Dr. L. die von der Beklagten erhaltenen
Vergütungen an die Klägerin weitergeleitet habe. Allein für die Monate Mai bis Juli 2001 hätten Ermittler "Buchhaltungsbelege"
sichergestellt, die Zahlungen von Dr. L. an die Klägerin in Höhe von insgesamt 24 940 Euro ausgewiesen hätten (Berufungsbegründung
vom 10.10.2010, S 14 ff, 17 LSG-Akte). Aus diesem Sachvortrag leitet die Beklagte einen Erstattungs- bzw Schadensersatzanspruch
her und erhebt den Vorwurf einer von einem Versicherten bzw einem Dritten zusammen mit einem Leistungserbringer zu Lasten
der Krankenkasse gemeinschaftlich begangenen Straftat.
Auch wenn die Beteiligung eines Dritten an dem Vertragsbruch einer Vertragspartei beim Vorliegen besonderer Umstände eine
zum Schadensersatz verpflichtende sittenwidrige Schädigung des anderen Vertragspartners im Sinne von §
826 BGB sein kann (stRspr, BGHZ 12, 308, 317 f mwN; vgl auch BGH vom 19.2.1979 - II ZR 186/77 - NJW 1979, 1704), wird deshalb vorliegend nicht der Zivilrechtsweg eröffnet. Denn der behauptete Lebenssachverhalt ist maßgeblich von Rechtsvorschriften
des Rechts der GKV (
SGB V) geprägt, für die die Sozialgerichte die Sach- und Entscheidungskompetenz haben.
c) Der Sachleistungsanspruch des familienversicherten Kindes auf häusliche Krankenpflege wird dadurch sichergestellt, dass
Leistungen der häuslichen Krankenpflege durch geeignete Pflegekräfte erbracht werden (§
37 Abs
1 SGB V). Im Bereich der häuslichen Krankenpflege schließen daher die Krankenkassen über die Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher
Krankenpflege, über die Preise und deren Abrechnung Verträge mit den Leistungserbringern nach §
132a Abs
2 Satz 1
SGB V (in der hier relevanten Vorläuferfassung des Gesetzes vom 23.6.1997, BGBl I 1520). Die zwischen den Krankenkassen und den
Leistungserbringern geschlossenen Verträge sind öffentlich-rechtlicher Natur.
Seit dem 1.1.2000 sind die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten dem öffentlich-rechtlichen Regime unterworfen. Die vertraglichen
Beziehungen im Bereich der häuslichen Krankenpflege waren bis Ende 1999 noch dem Privatrecht zugeordnet (vgl GmSOGB SozR 1500
§
51 Nr 39 = BGHZ 97, 312). Mit der Neufassung des §
69 SGB V (idF des Gesetzes vom 22.12.1999, BGBl I 2626) hat der Gesetzgeber klargestellt, dass ab 1.1.2000 die Rechtsbeziehungen der
Krankenkassen und der Leistungserbringer in Zukunft insgesamt nur noch nach öffentlichem Recht zu bewerten sein sollten (vgl
BSG SozR 3-2500 § 132a Nr 1 S 3 mwN). Die Vorschriften des Zivilrechts bleiben aber weiterhin entsprechend anwendbar, soweit sie mit den Vorgaben
des §
70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach dem Vierten Kapitel des
SGB V (Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern) vereinbar sind (§
69 Abs
1 Satz 3
SGB V). Daher sind für alle Streitigkeiten aus dem Leistungserbringerrecht - bis auf die unter a) genannten Ausnahmen - ausschließlich
die Sozialgerichte zuständig (vgl auch BSGE 89, 24 = SozR 3-2500 § 69 Nr 1; BSG SozR 4-1720 § 17a Nr 3). Nach §
69 Abs
1 Satz 4
SGB V gilt dies auch, soweit durch diese Rechtsbeziehungen Rechte Dritter berührt sind. Im Verhältnis zwischen Krankenkassen bzw
ihren Verbänden und Dritten soll ausschließlich öffentliches Recht Anwendung finden. Eine Doppelqualifizierung von Handlungen
der Krankenkassen in diesem Bereich ist damit nicht mehr möglich (vgl BSG aaO; vgl auch BT-Drucks 14/1245 S 67 f).
Für die Rechtswegfrage ist nicht entscheidend, dass die auch bei der Beklagten versicherte Klägerin nicht selbst Partei des
öffentlich-rechtlichen Vertrags nach §
132a SGB V ist, sondern nur der Pflegedienst, der den Sachleistungsanspruch der familienversicherten Tochter (§
37 Abs
1 SGB V) für die Beklagte erfüllt. Die gesetzlich familienversicherte Tochter (§
10 SGB V) steht in einem eigenständigen Versicherungsverhältnis zur Beklagten, wenngleich sie als minderjähriges Kind nur durch den
gesetzlichen Vertreter - die Klägerin - handlungsberechtigt ist. Die Ausgestaltung der Familienversicherung in §
10 SGB V hat zur Folge, dass Leistungsansprüche nicht mehr dem Stammversicherten, sondern dem Familienangehörigen selbst zustehen
(vgl BSG SozR 3-2500 § 10 Nr 16 S 65 f).
Ausschlaggebend für die Rechtswegzuweisung ist vielmehr, dass nach dem Vorwurf der Beklagten die Klägerin Täuschungshandlungen
gemeinsam mit dem nach §
132a SGB V vertragsverpflichteten Inhaber des Pflegedienstes vorgenommen haben soll im Hinblick auf die Erfüllung der Leistungen, die
Gegenstand dieses öffentlich-rechtlichen Vertrags gewesen sind. Damit steht der geltend gemachte Anspruch in unmittelbarem
Sachzusammenhang mit der behaupteten Verletzung des öffentlich-rechtlichen Vertrags nach §
132a SGB V. Der Schwerpunkt des Rechtsstreits liegt daher in der Prüfung von Ansprüchen aus dem Leistungserbringer-Vertragsrecht (vgl
dazu BSG SozR 3-1500 § 51 Nr 15 S 27), von dem die Klägerin als Dritte bzw als gesetzliche Vertreterin der leistungsberechtigten Versicherten betroffen
ist.
d) Wenn das LSG mangels eines Über-/Unterordnungsverhältnisses und wegen Fehlens vertraglicher Beziehungen zur Klägerin den
Zivilrechtsweg für einschlägig gehalten hat, übersieht es, dass nach §
17 Abs
2 GVG das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten entscheidet,
selbst wenn die Norm einem anderen Rechtsgebiet zugehörig ist (vgl BSG SozR 3-1500 §
51 Nr 15 S 27; vgl auch Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann,
ZPO, 73. Aufl 2015,
GVG §
17 RdNr 5 mwN).
Ebenso wie die Rückforderung einer Leistung der Rechtsnatur dieser Leistung folgt, folgen auch Ersatz- oder Schadensersatzansprüche
sowie Unterlassungsansprüche wegen Verletzung besonderer Verpflichtungen der Rechtsnatur, in die das Rechtsverhältnis eingebettet
ist und dem die besondere Verpflichtung entnommen ist. Daher sind Sozialgerichte als zuständig anerkannt worden, wenn Leistungsträger
Schadensersatzansprüche auf unerlaubte Handlungen gestützt haben, sofern dieser Schadensersatzanspruch aus einem Sozialrechtsverhältnis
hervorgegangen war (vgl BSGE 66, 176 = SozR 3-4100 § 155 Nr 1 im Anschluss an BGHZ 103, 255). Dem steht auch nicht entgegen, dass nach der ausdrücklichen Rechtswegzuweisung (§
40 Abs
2 Satz 1
VwGO) für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen
Vertag beruhen, der ordentliche Rechtsweg gegeben ist. Zweck dieser Regelung ist, den Rechtsweg zu den Zivilgerichten für
solche öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten zu erhalten, in denen ein enger Sachzusammenhang mit der Amtshaftung (§
839 BGB iVm Art
34 GG) besteht. Keineswegs sind damit aber alle Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten den
Zivilgerichten zugewiesen worden (stRspr, vgl nur BSGE 70, 186 = SozR 3-1200 § 53 Nr 4 mwN).
4. Das LSG wird daher im zurückverwiesenen Berufungsverfahren die Widerklage unter allen nach dem vorgetragenen Sachverhalt
in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen haben. Ob der geltend gemachte Anspruch letztlich nach den Vorschriften
des Deliktsrechts oder aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs berechtigt ist, ist eine Frage der Begründetheit
der Klage. Für die Einordnung des Klagebegehrens als zivilrechtliche oder öffentlich-rechtliche Streitigkeit ist dies nach
den aufgezeigten Maßstäben nicht von maßgeblicher Relevanz (vgl auch BSG SozR 4-1720 § 17a Nr 3 mwN).
5. Gemäß §
160a Abs
5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung
und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn die Beschwerde zusätzlich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
(§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) gestützt wird, der Verfahrensmangel (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) aber selbst bei Zulassung der Revision voraussichtlich zu einer Zurückverweisung führen würde (vgl nur BSG vom 9.12.2010 - B 13 R 170/10 B - Juris RdNr 21 mwN).
6. Das LSG wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.