Anspruch auf Krankengeld
Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Rüge einer Gehörsverletzung
Gründe
I
Das LSG hat durch den angefochtenen Beschluss vom 11.5.2020 festgestellt, dass die Berufung des Klägers gegen das Urteil des
SG durch die fingierte Rücknahme der Berufung erledigt ist.
Zur Begründung hat es ausgeführt: Das SG habe die Klage auf Zahlung von Krankengeld ab 25.12.2008 abgewiesen und der Kläger habe hiergegen rechtzeitig Berufung eingelegt,
jedoch das Berufungsverfahren nicht betrieben. Mit Schreiben des Gerichts vom 11.9.2019 sei er unter Hinweis auf die Rücknahmefiktion
nach §
156 Abs
2 SGG und Setzung einer Dreimonatsfrist aufgefordert worden, die Berufung zu begründen. Dieses Schreiben sei ihm ausweislich der
Postzustellungsurkunde am 14.9.2019 zugestellt worden. Mit Beschluss vom 17.12.2019 habe der Senatsvorsitzende nach §
156 Abs
2 SGG deklaratorisch festgestellt, dass die Berufung als zurückgenommen gelte. Auf das gegen diesen Beschluss eingelegte Rechtsmittel
des Klägers sei das Verfahren als Streit über die Wirksamkeit der fingierten Berufungsrücknahme und Fortsetzung des Berufungsverfahrens
weiterzuführen gewesen. Insoweit sei die Berufung zwar zulässig, aber unbegründet. Entgegen der Auffassung des Klägers komme
es für den Beginn der Dreimonatsfrist auf das in der Postzustellungsurkunde beurkundete Zustellungsdatum 14.9.2019 an, weshalb
die Frist am 16.12.2019 (Montag) geendet habe und die am 18.12.2019 eingegangene Berufungsbegründung verspätet sei. Das Vorbringen
des Klägers, das Schreiben des Gerichts vom 11.9.2019 sei ihm ausweislich der Vermerke auf dem Briefumschlag erst am 19.9.2019
zugegangen, weshalb die Dreimonatsfrist erst am 19.12.2019 geendet habe, sei unerheblich. Mit der in der Postzustellungsurkunde
ausgewiesenen Einlegung des gerichtlichen Schreibens vom 11.9.2019 in einen zur Wohnung gehörenden Briefkasten gelte das Schreiben
nach §
63 Abs
2 Satz 1
SGG iVm §
180 Satz 2
ZPO am 14.9.2019 als zugestellt. Hierbei handele es sich um eine unwiderlegbare Vermutung.
Gegen die Nichtzulassung der Revision durch das LSG im vorgenannten Beschluss hat der Kläger selbst Beschwerde eingelegt sowie
Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt. Er beruft sich auf eine grundsätzliche Bedeutung der
Rechtssache und einen Verfahrensmangel (§
160 Abs
2 Nr
1 und
3 SGG).
II
Dem PKH-Antrag ist nicht stattzugeben. Nach §
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
114 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet; das ist hier
nicht der Fall. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§
73 Abs
4 SGG) in der Lage wäre, die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in der Entscheidung des LSG erfolgreich
zu begründen. Da der Kläger keinen Anspruch auf Bewilligung von PKH hat, ist auch sein Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts
abzulehnen (§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
121 ZPO).
1. Nach §
160 Abs
2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat(Nr 1), die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung
beruht (Nr 2)oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist weder nach dem Vorbringen des Klägers noch nach summarischer Prüfung des Streitstoffs aufgrund
des Inhalts der beigezogenen Verfahrensakte ersichtlich. Das bloße Geltendmachen der inhaltlichen Unrichtigkeit der LSG-Entscheidung
führt nicht zur Zulassung der Revision (vgl zB BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 15, stRspr).
a) Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) ist nicht gegeben. Sie ist nur dann anzunehmen, wenn eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die über den Einzelfall hinaus aus
Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Es
ist nicht erkennbar, dass sich wegen der hier streitigen Frage nach den Rechtswirkungen einer Postzustellungsurkunde mit Blick
auf die hierzu bereits vorliegende Rechtsprechung Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen (vgl zur Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten, zum Zustellungsvermerk und zur Zustellungsurkunde sowie zur Führung
eines Gegenbeweises durch den Zustellungsadressaten - jeweils mwN - Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl 2020, §
63 RdNr 14 ff und 19 ff mwN auch zur Rspr).
b) Es ist auch nicht erkennbar, dass die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht, weshalb eine Divergenzrüge keine Aussicht auf Erfolg verspricht (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG). Insbesondere hat das LSG keinen abstrakten Rechtssatz formuliert, mit dem es einem abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG im Grundsätzlichen widersprochen hat.
c) Schließlich ist nicht erkennbar, dass der Kläger mit Erfolg einen Verfahrensmangel geltend machen könnte, auf dem die angefochtene
Entscheidung des LSG beruhen kann (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 1
SGG). Insbesondere steht die Entscheidung des LSG durch Beschluss im Einklang mit den Vorgaben des §
153 Abs
4 SGG (vgl dazu Keller, aaO, §
153 RdNr
14 und §
156 RdNr 6).
Soweit der Kläger eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt, zielt diese Rüge letztlich darauf, dass das
LSG seinem Vorbringen zum Zugang des gerichtlichen Schreibens vom 11.9.2019 statt am 14.9.2019 erst am 19.9.2019 nicht gefolgt
sei und deshalb die Berufungsbegründung vom 18.12.2019 als verspätet gewertet habe. Damit, dass das Gericht einem zur Kenntnis
genommenem Vorbringen nicht gefolgt sei, lässt sich indes eine Gehörsverletzung von vornherein nicht begründen. Denn der Anspruch
auf rechtliches Gehör gewährleistet nur, dass die Beteiligten "gehört", nicht jedoch auch "erhört" werden (vgl nur BSG Beschluss vom 3.6.2020 - B 3 KR 36/19 B - juris RdNr 40).
2. Die vom Kläger selbst eingelegte Beschwerde entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Formvorschriften und ist deshalb
als unzulässig zu verwerfen (§
160a Abs
4 Satz 1 iVm §
169 Satz 2
SGG).
3. Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des §
169 Satz 3
SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von §
193 SGG.