Leistungen der häuslichen Krankenpflege
Divergenzrüge
Begriff der Abweichung
Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze
Genügen der Darlegungspflicht
1. Divergenz liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht
übereinstimmen.
2. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen
abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat.
3. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn das Urteil des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat.
4. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die
Zulassung der Revision wegen Abweichung.
5. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht; bezogen
auf die Darlegungspflicht bedeutet dies: Die Beschwerdebegründung muss erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in der
in Bezug genommenen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht;
ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das BSG die oberstgerichtliche Rechtsprechung im Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird.
Gründe:
I
Das LSG Rheinland-Pfalz hat mit Urteil vom 4.5.2017 einen Anspruch der Klägerin, die einen ambulanten Kranken- und Fachkrankenpflegedienst
betreibt, auf ungekürzte Zahlung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege (HKP) in Höhe von weiteren 544,48 Euro gegen
die beklagte Krankenkasse verneint.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin. Sie rügt die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und
Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
1 und Nr
2 SGG).
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Klägerin die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht formgerecht dargetan
hat (§
160a Abs
2 S 3
SGG). Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 S 2 und 3
SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung
des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren
Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese
noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts
erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).
Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit,
ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von
ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin trägt vor, dass Gegenstand des Berufungsverfahrens die Abrechenbarkeit der Hausbesuchspauschalen im Bereich der
HKP nach dem
SGB V gewesen sei. Für die ambulanten Pflegedienste und die gesetzlichen Kostenträger in Rheinland-Pfalz bestehe eine vertragliche
Vereinbarung über die Leistungen der HKP nach dem
SGB V, die für die Klägerin einschlägig sei. Zwischen den Beteiligten sei streitig, ob die vertraglich vereinbarten Hausbesuchspauschalen
auf der Grundlage der Vergütungsvereinbarung nach §
132a Abs
2 (jetzt Abs
4)
SGB V in chronologischer Reihenfolge beginnend mit dem ersten Tag des Einsatzes abzurechnen seien oder ob insoweit keine Reihenfolge
vertraglich vorgegeben sei. Die Beklagte habe der Klägerin aufgegeben, die Einsätze in chronologischer Abfolge, beginnend
mit dem Anfang des Tages und nicht mehr als drei Hausbesuchspauschalen pro Tag, abzurechnen. Dadurch sei es zu wiederholten
Leistungskürzungen gekommen.
Dieser Vortrag genügt nicht den Darlegungserfordernissen an die Klärungsbedürftigkeit einer abstrakten Rechtsfrage, über die
im angestrebten Revisionsverfahren zu entscheiden wäre. Es fehlt bereits an einer solchen Rechtsfrage zur Auslegung und Anwendung
revisiblen Bundesrechts (§
162 SGG). Soweit sich die Klägerin auf das von ihr zitierte vertragliche Regelwerk bezieht, hat sie dessen Revisibilität nicht hinreichend
aufgezeigt. Revisibles Recht läge hier nur vor, wenn sich der Geltungsbereich der vertraglichen Regularien über den Bezirk
des Berufungsgerichts hinaus erstreckte (§
162 Fall 2
SGG). Ausreichend ist dafür nicht schon, dass inhaltlich gleiche Vorschriften in Bezirken verschiedener LSGe gelten; das (Vertrags-)Recht
muss vielmehr bewusst zum Zwecke der Vereinheitlichung übereinstimmend erlassen worden sein oder auf bundesgesetzlicher Rahmengesetzgebung
beruhen (stRspr vgl BSGE 105, 1 = SozR 4-2500 §
125 Nr 5, RdNr 19 und vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/derselbe/Schmidt,
SGG, 12. Aufl 2017, § 162 RdNr 5, 5a mwN für die Rspr des BSG).
Vorliegend fehlt es an hinreichender Darlegung einer solchen, über den Geltungsbereich des Landes hinausgehenden Wirkung des
vertraglichen Regelwerks. Dafür reicht es nach den aufgezeigten Maßstäben nicht aus vorzutragen, dass dieser Rechtsstreit
allein aufgrund der für das Bundesland Rheinland-Pfalz geltenden vertraglichen Regelung zu den Hausbesuchspauschalen eine
grundsätzliche Bedeutung habe, da hiervon alle gegenwärtig zugelassenen ambulanten Pflegedienste in Rheinland-Pfalz unmittelbar
betroffen seien. Ebenso wenig genügt der Vortrag, dass in anderen Bundesländern Gebührenvereinbarungen abgeschlossen seien,
die die Abrechenbarkeit der Haus- und Wegepauschalen ebenfalls auf eine maximale Zahl begrenzten, während andere Bundesländer
keine explizite Abrechnungsmöglichkeit von Hausbesuchspauschalen vorsehen. Im Übrigen fehlt es auch an Vortrag hinsichtlich
der Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Problematik, da die Beschwerdebegründung keine Ausführungen zu ihrer Entscheidungserheblichkeit
enthält.
2. Die Klägerin hat auch eine Rechtsprechungsabweichung nicht hinreichend aufgezeigt. Divergenz liegt vor, wenn die tragenden
abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht,
wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn das Urteil des LSG
nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat.
Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die
Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene
Urteil auf der Abweichung beruht (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG). Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet dies: Die Beschwerdebegründung muss erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz
in der in Bezug genommenen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch
steht. Ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das BSG die oberstgerichtliche Rechtsprechung im Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (stRspr, vgl
zum Ganzen: BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 10 RdNr 4; BSG SozR 1500 § 160a Nr 67 S 89 ff; BSG SozR 1500 § 160a Nr 14 S 22).
Hierzu trägt die Klägerin vor, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts von der Rechtsprechung des BSG in den Urteilen vom 13.12.2001 (B 3 KR 1/01 R - SozR 3-5565 § 14 Nr 2) sowie vom 21.2.2002 (B 3 KR 30/01 R - SozR 3-5565 § 15 Nr 1) "abweiche". Vergütungsregelungen seien stets eng nach ihrem Wortlaut auszulegen. Hätte das LSG diese
Entscheidungen berücksichtigt, wäre der Wortlaut der Gebührenvereinbarung streng nach den getroffenen Regelungen zur Hausbesuchspauschale
auszulegen gewesen. Die hier gefundene Auslegung der Abrechnung nach der zeitlichen Abfolge der Einsätze sei aber vom Wortlaut
der Gebührenvereinbarung nicht gedeckt.
Mit diesem Vortrag hat die Klägerin keine Abweichung des LSG von einem abstrakten Rechtssatz des BSG iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG aufgezeigt. Es fehlt an der Gegenüberstellung zweier einander widersprechender Rechtssätze aus den Urteilen des BSG und aus dem Berufungsurteil. Insofern geht das Vorbringen der Klägerin lediglich dahin, dass sie das vom LSG gefundene Ergebnis
der Auslegung des vertraglichen Regelwerks und der daraufhin erfolgten Kürzungen der Leistungen der HKP für "unzutreffend"
hält. Damit ist aber keine Divergenz dargetan. Es handelt sich vielmehr um das Aufzeigen der vermeintlichen Unrichtigkeit
des angefochtenen Berufungsurteils auf der Basis der Rechtsprechung des BSG. Dies stellt aber keinen gesetzlichen Revisionszulassungsgrund dar (stRspr, vgl nur BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 S 1 Teils 3
SGG iVm §
154 Abs
2 VwGO, diejenige über den Streitwert auf §
197a Abs
1 S 1 Teil 1
SGG iVm §
63 Abs
2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.