Freistellung von Kosten für ein Hörgerät
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage in einem angestrebten Revisionsverfahren
Gründe:
I
Die 1925 geborene, bei der beklagten Krankenversicherung versicherte Klägerin leidet ua an einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit
auf beiden Ohren und begehrt die Freistellung von Kosten in Höhe von 3403,51 Euro für die beidseitige Versorgung mit dem Hörgerät
"Phonak Bolero Q 90 SP Komfort". Mit diesem Begehren ist sie bei dem Beklagten und in den Vorinstanzen erfolglos geblieben.
Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe ohne wesentlichen Gebrauchsnachteil mit vom Hörgeräteakustiker getesteten
eigenanteilsfreien Geräten versorgt werden können, und zwar mit dem Hörsystem "Phonak Naida S I SP Komfort". Hierbei stützt
sich das LSG auf ein Gutachten des Arztes N.. Die von der Klägerin subjektiv empfundenen Vorteile des von ihr beschafften
Hörsystems begründeten keinen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber dem getesteten eigenanteilsfreien Gerät.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt und beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG).
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Klägerin den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen
Bedeutung nicht formgerecht dargetan hat (§
160a Abs
2 S 3
SGG). Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 S 2 und 3
SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung
des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren
Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese
noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts
erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).
Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit,
ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von
ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Entscheidung des LSG beruhe auf der Rechtsfrage,
"ob der unmittelbare Behinderungsausgleich im Sinne des gesetzlichen Versorgungsauftrags nach §
33 i. V. m. §
27 Abs.
1 Satz 2 Nr.
3 SGB V auch insoweit zu bewirken ist, als Art und Schwere der Hörbeeinträchtigung eines Versicherten, wie sie vorliegend in Form
einer gesteigerten Lärmempfindlichkeit gegeben ist, es im Sinne der Herstellung eines vollständigen, funktionellen Ausgleichs
erfordern, dass ein Hilfsmittel / Hörsystem übernommen wird, das den im Vertrag mit den Hörgeräteakustikern vereinbarten Bedingungen
im Sinne der funktionalen und technischen Anforderungen bzw. Parameter zwar nicht entspricht, unter Hinnahme jedoch gewisser
- technischer - Einschränkungen zuletzt aber das funktionell einzige Hilfsmittel / Hörsystem ist, das - aufgrund seiner qualitativen
Hörvermittlung - die bestehende Behinderung tatsächlich und überhaupt auszugleichen imstande ist und den Versicherten mithin
hierdurch am öffentlichen Leben wieder teilhaben lässt,
mit anderen Worten, ob ein Gebrauchsvorteil im Rahmen eines unmittelbaren Behinderungsausgleichs auch darin bestehen kann,
dass er zugleich mit gewissen, insbesondere technischen Einschränkungen einhergeht."
Unabhängig vom Vorliegen der übrigen Darlegungsanforderungen hat die Klägerin jedenfalls die Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen
Frage nicht hinreichend dargelegt. Im Rahmen der Klärungsfähigkeit ist der Schritt darzulegen, der die Entscheidung der als
grundsätzlichen bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31), dh es ist darzulegen, dass das angestrebte Revisionsverfahren die Klärung der Frage erwarten lässt. Hieran fehlt
es, denn die Frage geht von der - tatsächlich nicht vorliegenden - Prämisse aus, das selbst beschaffte Hörsystem sei funktionell
das einzige, das "die bestehende Behinderung tatsächlich und überhaupt auszugleichen imstande ist." Die Entscheidung des Berufungsgerichts
basiert aber im Gegensatz dazu im Wesentlichen auf der Überzeugungsbildung des Gerichts, dass die Klägerin ohne wesentlichen
Gebrauchsnachteil mit dem eigenanteilsfreien Hörsystem "Phonak Naida S I SP Komfort" hätte versorgt werden können. Deshalb
wird auch durch die Umstellung der aufgeworfenen Rechtsfrage ("ob ein Gebrauchsvorteil im Rahmen eines unmittelbaren Behinderungsausgleichs
auch darin bestehen kann, dass er zugleich mit gewissen, insbesondere technischen Einschränkungen einhergeht") ihre Klärungsfähigkeit
in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht hinreichend dargelegt. Denn das Berufungsgericht hat ausdrücklich ausgeführt,
es vermöge nicht festzustellen, dass das von der Klägerin selbst beschaffte Gerät gegenüber dem eigenanteilsfreien Gerät wesentliche
Vorteile biete. Auch insoweit geht die Frage von der Prämisse eines Gebrauchsvorteils des von der Klägerin selbst beschafften
Hörgerätes aus, die sich ausgehend von dem Vorbringen der Klägerin den Feststellungen des berufungsgerichtlichen Urteils nicht
entnehmen lässt (vgl aber §
163 SGG).
Für seine Überzeugung einer im wesentlichen gleichwertigen eigenanteilsfreien Versorgungsmöglichkeit stützt sich das Berufungsgericht
auf ein ärztliches Gutachten, in welchem eine vom Hörgeräteakustiker durchgeführte Testung sowie die Lärmempfindlichkeit der
Klägerin und die qualitative Hörvermittlung der verschiedenen Hörsysteme berücksichtigt worden sind. Die Klägerin wendet sich
deshalb im Kern mit ihrer Beschwerde gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Beweiswürdigung. Nach §
128 Abs
1 S 1
SGG entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Auf eine Verletzung
dieser Vorschrift kann aber ein Verfahrensmangel nicht gestützt werden (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG). Deshalb kann die Beweiswürdigung als solche auch nicht unter Umgehung dieses Ausschlusses zum Gegenstand einer grundsätzlich
bedeutsamen Rechtsfrage gemacht werden.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von §
193 SGG.