Kostenübernahme der gesetzlichen Krankenversicherung für eine Krankenbehandlung in einer Privatklinik, Wahlrecht des Versicherten
Gründe:
I
Der Kläger erlitt bei einem Motorradunfall am 16.4.2004 erhebliche Verletzungen des rechten Kniegelenks (Riss des Innenbandes
und Teilriss des hinteren Kreuzbandes), deren Behandlung in zwei Vertragskrankenhäusern in G. und Bad M. nicht den angestrebten
Heilungserfolg erbrachte. Zur notwendigen operativen Rekonstruktion des hinteren Kreuzbandes befand sich der Kläger in der
Zeit vom 6. bis zum 16.3.2005 in der Privatklinik St. W. in Bad Griesbach, wo er von Prof. Dr. S., einem Spezialisten für
Kreuzband-Ersatzplastiken, erfolgreich operiert wurde. Er machte geltend, mit diesem Arzt verbinde ihn ein Vertrauensverhältnis.
Andere Ärzte in Deutschland seien nicht ausreichend qualifiziert, den Eingriff sicher zum Erfolg zu führen. Eine Behandlung
im E. -Krankenhaus (Vertragskrankenhaus) in Straubing, in dem Prof. Dr. S. als Belegarzt behandele, sei wegen der angekündigten
Wartezeit von mindestens zwei Jahren unzumutbar gewesen. Die begehrte Erstattung der Kosten der Privatbehandlung in Höhe von
6.000 Euro lehnte die Beklagte ab.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 18.6.2007). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen
(Urteil vom 4.9.2008). Es hat ausgeführt, die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 SGB seien
nicht erfüllt. Der Eingriff sei weder unaufschiebbar gewesen noch habe die Beklagte die Kostenübernahme zu Unrecht abgelehnt.
Die Behandlung hätte ebenso gut in einem der fünf von der Beklagten vor dem Eingriff benannten zugelassenen Krankenhäuser
im Rhein-Main-Gebiet zeitnah stattfinden können. Mangels Verletzung von Aufklärungs- oder Beratungspflichten (§§
13,
14 SGB I) scheide auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch aus.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG wendet sich der Kläger mit der - fristgerecht eingelegten - Beschwerde.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht in der durch die §§
160 Abs
2,
160a Abs
2 Satz 3
SGG normierten Form begründet worden ist. Sie ist deshalb ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§§ 160a Abs
4 Satz 1,
169 SGG).
1. Der Kläger macht in erster Linie geltend, die angegriffene Entscheidung betreffe eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung
(§
160 Abs
2 Nr
1 SGG). Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist es erforderlich, die grundsätzliche Rechtsfrage klar zu formulieren und aufzuzeigen,
dass sie über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt (BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 und SozR 1500 § 160a Nr 39) und dass sie klärungsbedürftig sowie klärungsfähig ist (BSG SozR 1500
§ 160a Nr 13 und 65), sie also im Falle der Revisionszulassung entscheidungserheblich wäre (BSG SozR 1500 § 160a Nr 54). In
der Regel fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage, wenn diese höchstrichterlich bereits entschieden ist (BSG
SozR 1500 § 160 Nr 51, § 160a Nr 13 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8) oder sich ihre Beantwortung eindeutig aus dem Gesetz
ergibt (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl 2008, Kap IX, RdNr 66 mwN). Diese Erfordernisse
betreffen die gesetzliche Form iS des §
169 Satz 1
SGG (vgl BVerfG SozR 1500 §
160a Nr 48 und BVerfG SozR 4-1500 § 160a Nr 12). Deren Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
a) Es fehlt bereits an der Formulierung einer konkreten Rechtsfrage, über die das Bundessozialgericht (BSG) in dem angestrebten
Revisionsverfahren eine grundsätzliche Entscheidung treffen könnte. In der Beschwerdebegründung übt der Kläger lediglich in
allgemeiner Form Kritik am prozessualen Vorgehen des LSG im Berufungsverfahren sowie am Ergebnis der getroffenen Berufungsentscheidung.
Er bemängelt insbesondere die Entscheidung des Rechtsstreits ohne Durchführung einer Beweisaufnahme. Der Kläger spricht zwar
einige Punkte an (zB Qualifikation der in Betracht kommenden Krankenhäuser; Wartezeit im E. -Krankenhaus; Dringlichkeit des
Eingriffs; Systemversagen bzw Systemschwäche; keine höheren Kosten als bei Behandlung durch Sachleistung), ohne aber die Problematik
des Falles auf eine bestimmte Rechtsfrage zurückzuführen. Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, im Beschwerdeverfahren
nach §
160a SGG aus der Gesamtheit des unterbreiteten Beschwerdevorbringens die noch klärungsbedürftigen Rechtsfragen selbst herauszuarbeiten.
b) Selbst wenn hier aber die Formulierung einer konkreten Rechtsfrage unterstellt würde, fehlt es jedenfalls an der Darlegung
der Klärungsbedürftigkeit der in der Beschwerdebegründung angesprochenen Punkte. Der Kläger setzt sich nicht mit der bereits
vorhandenen, eine Vielzahl der denkbaren Fallgestaltungen ausleuchtenden Rechtsprechung des BSG zu den Kostenerstattungsansprüchen
nach §
13 Abs
3 SGB V auseinander, sodass nicht erkennbar wird, dass der Fall noch (oder wieder) klärungsbedürftige Fragen von allgemeinem Interesse
aufwirft. Außerdem weicht der Kläger vom festgestellten Sachverhalt ab, soweit er von einer "Notfalloperation" spricht. Das
LSG hat weder die äußerste Dringlichkeit des Eingriffs noch die medizinische Unvertretbarkeit einer Verschiebung der Behandlung
festgestellt. Im Übrigen ist festzuhalten, dass der Anspruch auf Krankenbehandlung (§
27 SGB V) zwar unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse und des medizinisch-technischen
Fortschritts (§
2 Abs
1 SGB V) zu erfüllen ist, er aber nicht darauf gerichtet ist, nur von einem ganz bestimmten - aus Sicht des Versicherten am besten
qualifizierten - Arzt behandelt zu werden. Das Wahlrecht eines Betroffenen bei der Krankenbehandlung beschränkt sich auf zur
Versorgung der Versicherten zugelassene Ärzte und Krankenhäuser, umfasst also nicht auch die Behandlung in Privatkliniken,
mag der behandelnde Arzt ansonsten auch vertragsärztlich tätig sein.
2. Ein Verfahrensfehler (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) ist nur dann formgerecht bezeichnet, wenn die ihn begründenden Tatsachen im Einzelnen angegeben sind und - in sich verständlich
- den behaupteten Verfahrensfehler ergeben; außerdem muss dargelegt werden, dass und warum die angefochtene Entscheidung darauf
beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht gerecht, weil
die - hier allein erhobene - Rüge eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§
103 SGG) gemäß §
160 Abs
2 Nr
3, 2. Halbsatz
SGG nur darauf gestützt werden kann, dass das LSG einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dies ist
nicht geschehen.
a) Der Kläger hat ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 4.9.2008 und des Tatbestandes des Berufungsurteils (Umdruck S
6) in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG hilfsweise beantragt, durch den zum Sachverständigen zu bestellenden Prof. Dr.
S. Beweis zu erheben zu der Behauptung, "dass eine sachgerechte und fristgerechte Behandlung in den von der Beklagten genannten
Kliniken nicht zu erwarten gewesen wäre". Soweit dieser protokollierte Beweisantrag eine Ungenauigkeit enthalten sollte, weil
nach der Behauptung des Klägers der Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens und alternativ auf die Vernehmung
von Prof. Dr. S. als sachverständiger Zeuge gerichtet gewesen sei, hätte der Kläger die Berichtigung der Sitzungsniederschrift
(§
122 SGG) oder des Urteilstatbestandes (§§
138,
139 SGG) beantragen müssen. Das LSG hat die Ablehnung des Hilfsantrages eingehend begründet (Urteilsumdruck S 8, letzter Absatz).
Der Kläger legt nicht nachvollziehbar dar, dass das LSG auf der Grundlage seiner Auffassung zur Sach- und Rechtslage den angebotenen
Beweis dennoch hätte erheben müssen.
b) Soweit der Kläger die Feststellung des LSG, die benannten fünf Kliniken aus dem Rhein-Main-Gebiet seien renommiert und
hätten den Eingriff ebenso sach- und fachgerecht ausführen können, als unzutreffend rügt, weil diese Kliniken selbst eingeräumt
hätten, die Operation könne nur durch einen Fachkundigen wie Prof. Dr. S. erfolgen, weicht der Kläger wiederum vom festgestellten
Sachverhalt ab. Der Kläger zeigt auch nicht auf, an welcher Stelle im Urteil oder in den Akten eine solche Mitteilung zu finden
sein soll. Gleiches gilt für seine Behauptung, es gebe für diese Art von Verletzungen "keinen besseren Operateur" als Prof.
Dr. S..
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.