Überprüfung von Verwaltungsakten in der Pflegeversicherung, Rückwirkung des Schiedsspruchs, Preisvergleich zur leistungsgerechten
Vergütung
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten um die Höhe der durch Schiedsspruch festgesetzten Vergütungen für stationäre Leistungen im Pflegesatzzeitraum
1999. Der Geltungsbeginn (1. Januar 1999) ist nach Rücknahme der Revision der Klägerin zu 1) nicht mehr Streitgegenstand.
Für den Pflegesatzzeitraum 1998 hatte die beklagte Schiedsstelle für das von der Klägerin zu 2) betriebene Pflegeheim folgende
Entgelte festgesetzt:
Pflegestufe I: 68,95 DM
Pflegestufe II: 89,64 DM
Pflegestufe III: 124,41 DM
Unterkunft und Verpflegung: 40,97 DM
Die Klägerin zu 1), die beigeladenen Pflegekassen und der beigeladene Sozialhilfeträger boten der Klägerin zu 2) im Herbst
1998 an, ab 1. Januar 1999 Pflegesätze auf der Basis des Schiedsspruchs für 1998 zuzüglich einer einheitlichen Anhebung um
3 % zu zahlen. Die Verhandlungen scheiterten. Die Klägerin zu 2) rief am 15. Dezember 1998 die Schiedsstelle an. Diese setzte
in ihrem Schiedsspruch vom 3. Februar 1999 in Abweichung von der Berechnungsweise für das Vorjahr (Vergleich mit 23 anderen
Pflegeheimen aus dem Bereich der Stadt Hannover) die neuen Vergütungen in der Weise fest, daß sie von der Kostenaufstellung
der Klägerin zu 2) ausging, aber die Einwendungen der Unwirtschaftlichkeit in fünf Punkten (1. Betreuung von zwei Wachkomapatienten,
2. Handwerkerrechnungen für Instandhaltungsarbeiten, 3. Arbeitgeberbeiträge und betriebliche Altersvorsorge, 4. Wirtschaftsdienst
als Fremdleistung, 5. Gehalt des Geschäftsführers) als berechtigt ansah und dadurch gegenüber der Forderung der Klägerin zu
2) zu einem Abschlagsbetrag von täglich 20,90 DM je Heimplatz kam, der das Angebot der Pflegekassen noch unterschritt. Die
Beklagte sah sich allerdings rechtlich gehindert, das bisherige Angebot der Pflegekassen zu unterschreiten. Sie bestätigte
deshalb dieses Angebot dem Volumen nach, verteilte aber die Vergütungen für die Pflegestufen I bis III sowie für Unterkunft
und Verpflegung anders als die Pflegekassen und stellte als Beginn der Wirksamkeit den 1. Januar 1999 fest. Die Vergütungen
betrugen:
Pflegestufe I: 77,90 DM
Pflegestufe II: 99,21 DM
Pflegestufe III: 134,71 DM
Unterkunft und Verpflegung: 35,32 DM
Dagegen haben beide Klägerinnen Klage erhoben. Die Klägerin zu 1) hat sich gegen die angeordnete Rückwirkung des Schiedsspruchs,
die Klägerin zu 2) gegen die Höhe der Vergütungen und die unterbliebene Festsetzung eines Pflegesatzes für die Pflegestufe
0 gewandt.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 19. Oktober 1999), das Landessozialgericht (LSG) die Berufungen
der Klägerinnen zurückgewiesen (Urteil vom 30. Mai 2000).
Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin zu 2). Sie begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Festsetzung der von ihr
verlangten Pflegesätze und der geforderten Vergütung für Unterkunft und Verpflegung. Die Beklagte habe, anders als noch im
Jahre 1998, keinen Vergleich mit anderen Pflegeheimen vorgenommen, dem vorrangige Bedeutung zukomme. Ferner rügt sie Verfahrensfehler
des LSG.
Die Klägerin zu 2) beantragt,
1. den Schiedsspruch der Beklagten vom 3. Februar 1999 in Abänderung der Urteile des LSG Niedersachsen vom 30. Mai 2000 und
des SG Hannover vom 19. Oktober 1999 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verurteilen, zu Gunsten der Klägerin zu 2) für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 1999 folgende
Pflegesätze festzusetzen:
Pflegestufe 0: 52,88 DM
Pflegestufe I: 91,83 DM
Pflegestufe II: 119,78 DM
Pflegestufe III: 147,80 DM
Unterkunft und Verpflegung: 38,84 DM
3. hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladenen und die Klägerin zu 1) haben keinen Antrag gestellt.
II
Die Revision der Klägerin zu 2) ist - entsprechend ihrem Hilfsantrag - iS der Verurteilung der Beklagten zur Neubescheidung
begründet. Die weitergehende Revision ist hingegen unbegründet. Der angefochtene Schiedsspruch und die Urteile der Vorinstanzen
verstoßen gegen §
85 Abs
5 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB XI) als materielles Bundesrecht. Eine Verletzung revisiblen Prozeßrechts liegt dagegen nicht vor.
1. Richtiger Klagegegner ist, wie auch von den Vorinstanzen angenommen, die nicht rechtsfähige, aber in entsprechender Anwendung
von §
70 Nr
4 iVm §
51 Abs
2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) beteiligtenfähige Schiedsstelle. Die Schiedsstelle nach §
76
SGB XI zählt zwar nicht zu den in §
51 Abs
2 Satz 1 Nr
2
SGG aufgeführten gemeinsamen Gremien von Ärzten, Zahnärzten, Krankenhäusern oder anderen Leistungserbringern und Krankenkassen,
wohl aber das Schiedsamt nach §
89 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V), wie sich auch aus der ausdrücklichen Erwähnung in §
71 Abs
4
SGG schließen läßt. Es besteht kein sachlicher Grund, die Schiedsstelle nach §
76
SGB XI abweichend zu behandeln, und nicht sie, sondern etwa das Land Niedersachsen als allein beteiligtenfähig anzusehen, zumal
dieses nicht Träger der Schiedsstelle ist, sondern nur die Rechtsaufsicht führt ( §
76 Abs
4
SGB XI). Die Schiedsstelle im Bereich des Pflegeversicherungsrechts gleicht nach ihrer Funktion, ihrer Aufgabe und ihrer Zusammensetzung
derjenigen nach §
114
SGB V, die wiederum dem Schiedsamt nach §
89
SGB V nachgebildet worden ist (Hess in KassKomm Bd 1, Stand August 2000, §
114
SGB V, RdNrn 1 und 7; Udsching,
SGB XI, 2. Aufl 2000 §
76 RdNr 2; Knittel in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, Stand August 2000, §
85
SGB XI RdNr 15; Spellbrink in Hauck/Wilde,
SGB XI, Stand November 2000, §
76 RdNr 21). Ebenfalls zutreffend gehen die Vorinstanzen ferner gemäß §
70 Nr 2
SGG iVm §
52
SGB XI von der Beteiligtenfähigkeit der zu 3) beigeladenen Arbeitsgemeinschaft aus (hierzu näher Senatsurteil vom 6. August 1998
- B 3 P 8/97 R - BSGE 82, 252, 253f = SozR 3-3300 § 73 Nr 1).
2. Einer Beiladung der Heimbewohner bzw des Heimbeirats (§ 5
Heimgesetz) bedurfte es trotz der gemäß §
85 Abs
6 Satz 1 2. Halbsatz
SGB XI auch für sie unmittelbar geltenden Wirkung des Schiedsspruchs nicht. Bei einer notwendig einheitlichen Entscheidung schreibt
§
75 Abs
2
SGG zwar die Beiladung vor, um die Rechtskraft des Urteils auf alle Beteiligte zu erstrecken. Zur Rechtskrafterstreckung ist
eine Beiladung aber dann nicht erforderlich, wenn die Rechte Dritter dadurch gewahrt werden, daß ihre treuhänderische Vertretung
im Wege der Prozeßstandschaft erfolgt. Das ist hier der Fall. Die Interessen der Pflegebedürftigen bei der Festlegung des
Pflegesatzes werden von den Pflegekassen treuhänderisch mit wahrgenommen (vgl Udsching, aaO, §
85 RdNr 6; Vogel/Schmäing in Klie/Krahmer,
SGB XI, 1998, §
84 RdNr 11).
3. Verfahrensrechtlich sind SG und LSG zutreffend davon ausgegangen, daß das Begehren der Klägerin zu 2) als statthafte Anfechtungs-
und Verpflichtungsklage iS des §
54 Abs
1
SGG aufzufassen ist und innerhalb der Klagefrist des §
87
SGG geltend gemacht werden mußte. Es handelt sich bei dem angefochtenen Schiedsspruch um einen Verwaltungsakt iS des § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zur Gestaltung des Vertrages zwischen der Klägerin zu 2) und den Pflegekassen. Auch der gesetzlichen Regelung in §
85 Abs
5 Satz 4
SGB XI, wonach ein Vorverfahren nicht stattfindet und die Klage keine aufschiebende Wirkung hat, liegt erkennbar diese Vorstellung
zugrunde. Soweit es das Vorverfahrenserfordernis betrifft, hat der Gesetzgeber damit von dem Ausnahmevorbehalt in §
78 Abs
1 Satz 2 Nr
1
SGG Gebrauch gemacht; im übrigen handelt es sich um eine Klarstellung und Abgrenzung zu § 97
SGG. Für den Bereich des Kassenarztrechts hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seit jeher die Verwaltungsaktsqualität
des Schiedsspruchs bejaht (vgl BSGE 20, 73, 75).
4. Die Beklagte ist nicht nur beteiligtenfähig, sondern auch in dem Sinne passivlegitimiert, daß die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage
gegen sie zu richten ist. Wenn das Sozialhilferecht neuerdings (§ 93b Abs 1 Satz 4 Bundessozialhilfegesetz >BSHG<, eingefügt durch Gesetz vom 23. Juli 1996 - BGBl I 1088 -) eine abweichende Regelung vorsieht, indem dort die Klage gegen
eine der Vertragsparteien zu richten ist, nicht aber gegen die Schiedsstelle, kommt eine analoge Übertragung auf das Pflegeversicherungsrecht
nicht in Betracht. Zwingende sachliche Gründe dafür, von einer Verfahrensregelung abzusehen, die sich bislang im Kassenarzt-
und Krankenversicherungsrecht bewährt hat, sind nicht erkennbar. In der jetzigen sozialhilferechtlichen Konzeption bleibt
die prozessuale Rolle der Schiedsstelle unklar. Auch die Rechtsnatur des Schiedsspruches als Verwaltungsakt wird dadurch in
Frage gestellt. Der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, vgl BVerwGE 108,
47) dürfte nach der Gesetzesänderung die Grundlage entzogen sein.
5. In materieller Hinsicht halten der angefochtene Schiedsspruch und die Urteile der Vorinstanzen der revisionsrechtlichen
Prüfung anhand der §§
85 Abs
5 Satz 1 und Abs
5,
84 Abs
2,
82 Abs
1
SGB XI nicht stand. Der Anspruch der Klägerin zu 2) auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (§
54 Abs
2 Satz 2
SGG) ist verletzt, der Schiedsspruch damit rechtswidrig und aufzuheben; die Beklagte ist zur Neubescheidung zu verurteilen.
Nach §
85 Abs
5 Satz 1
SGB XI setzt die Schiedsstelle auf Antrag einer Vertragspartei die Pflegesätze unverzüglich fest, wenn die Vertragsverhandlungen
innerhalb von sechs Wochen zu keinem Abschluß geführt haben. Pflegesätze sind die Entgelte der Heimbewohner oder ihrer Kostenträger
für die voll- oder teilstationären Pflegeleistungen des Pflegeheims sowie für medizinische Behandlungspflege und soziale Betreuung
(§
84 Abs
1
SGB XI). Die Pflegesätze müssen leistungsgerecht sein (§
84 Abs
2 Satz 1
SGB XI) und es einem Pflegeheim bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen, seinen Versorgungsauftrag zu erfüllen (§
84 Abs
2 Satz 4
SGB XI). Das Pflegeheim darf Gewinne erzielen, es muß aber auch das Verlustrisiko tragen (§
84 Abs
2 Satz 5
SGB XI). Schließlich ist der Grundsatz der Beitragsstabilität zu beachten (§
84 Abs
2 Satz 6
SGB XI). Diese Vorgaben gelten für die vertraglichen Vereinbarungen ebenso wie für den Schiedsspruch, der sie ersetzt. Ihnen wird
der angefochtene Schiedsspruch nicht gerecht.
6. Zutreffend sind die Vorinstanzen im Anschluß an die Rechtsprechung des BSG (vgl schon BSGE 20, 73), der sich das BVerwG (BVerwGE 108, 47, 55 ff) angeschlossen hat, für den gerichtlichen Prüfungsmaßstab von einer eingeschränkten Kontrolldichte ausgegangen. Der
Schiedsspruch stellt seiner Natur nach einen Interessenausgleich durch ein sachnahes und unabhängiges Gremium dar. Insbesondere
mit der paritätischen Zusammensetzung, dem Mehrheitsprinzip und der fachlichen Weisungsfreiheit (§
76 Abs
4
SGB XI) will der Gesetzgeber die Fähigkeit dieses Spruchkörpers zur vermittelnden Zusammenführung unterschiedlicher Interessen und
zu einer Entscheidungsfindung nutzen, die nicht immer die einzig sachlich vertretbare ist und häufig Kompromißcharakter aufweist.
Bei Berücksichtigung dieses Entscheidungsspielraums sind gerichtlich zu überprüfen ausschließlich die Fragen, ob die Ermittlung
des Sachverhalts in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs erfolgt ist, der bestehende Beurteilungsspielraum
eingehalten und zwingendes Gesetzesrecht beachtet worden ist. Dies setzt voraus, daß die gefundene Abwägung auch hinreichend
begründet worden ist.
7. Danach ist die Entscheidung der Beklagten bereits im rechtlichen Ausgangspunkt nicht zutreffend. Die Höhe der leistungsgerechten
Vergütung iS der §§
82 Abs
1 Satz 2,
84 Abs
2 Satz 1
SGB XI ist in erster Linie über die Feststellung von Marktpreisen zu bestimmen. Das gilt für die erstmalige Festlegung der Vergütungen
(vgl Urteil des erkennenden Senats vom 14. Dezember 2000 - B 3 P 19/00 R - bezüglich des Schiedsspruchs für den Pflegesatzzeitraum 1998) und für alle Folgejahre gleichermaßen. Denn unter den Bedingungen
eines freien Wettbewerbs bestimmen beim Güteraustausch Angebot und Nachfrage den Preis einer Ware bzw Dienstleistung; dies
ist die leistungsgerechte Vergütung. Es kommt mithin weder auf die Gestehungskosten des Anbieters noch auf die soziale oder
finanzielle Lage des Nachfragers der Leistung an. Diese Umstände sind nur mittelbar von Bedeutung, weil nämlich der Anbieter
seinen Preis nicht - jedenfalls nicht auf Dauer - unterhalb seiner Gestehungskosten kalkulieren kann, der Nachfrager andererseits
im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten bleiben muß. Der sich bildende Marktpreis ist das Ergebnis eines Prozesses und
der Ausgleich der unterschiedlichen Interessenlagen.
Der Gesetzgeber des
SGB XI hat die Sicherstellung einer ausreichenden und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten in Pflegeeinrichtungen in erster
Linie von einem funktionierenden Wettbewerb unter den Pflegeeinrichtungen erwartet. Die Kassen haben den Wettbewerb durch
die Führung von Preisvergleichslisten noch zu fördern (§
72 Abs
5 Satz 1
SGB XI). Allerdings ist dieser Grundsatz im Gesetz nicht konsequent durchgehalten. So bedeutet die Regelung, daß der Grundsatz der
Beitragsstabilität zu beachten ist, eine Einschränkung des Verhandlungsspielraums der Pflegekassen (§
70
SGB XI). Die in §
79
SGB XI vorgesehenen Wirtschaftlichkeitsprüfungen sind bei unter freien Wettbewerbsbedingungen ausgehandelten Vergütungsvereinbarungen
entbehrlich, da der Wettbewerb und das natürliche Gewinnstreben des Unternehmers dafür sorgen, daß die Leistung von den Gestehungskosten
her gesehen möglichst kostengünstig angeboten wird. Ein Interesse der Pflegekasse kann nur daran bestehen, daß die erbrachte
Leistung dem Angebot und den zu stellenden Qualitätsanforderungen (§ 80
SGB XI) entspricht. Erst wenn ein üblicher Marktpreis nicht ermittelt werden kann, etwa weil es wegen Besonderheiten des Pflegeheims
nicht möglich ist, eine hinreichend große Zahl von vergleichbaren Angeboten zu erhalten, kann es von Belang sein, welche Kosten
der Heimträger bei wirtschaftlicher Betriebsführung hat, um unter Zuschlag einer angemessenen Vergütung des persönlichen Arbeitseinsatzes,
des zu tragenden Unternehmerrisikos sowie einer angemessenen Verzinsung des Eigenkapitals eine leistungsgerechte Vergütung
zu ermitteln. Letzteres dürfte aber wegen der weitgehend standardisierten Pflegeleistungen und einem weitgehend übereinstimmenden
Spektrum der den Pflegebedarf auslösenden Krankheiten und Behinderungen die Ausnahme sein. Ausnahmsweise wird ein Preisvergleich
auch dann nicht zulässig sein, wenn sämtliche in Betracht kommenden Vergleichseinrichtungen mit ihrem Leistungsangebot nicht
dem zu fordernden Qualitätsstandard entsprechen, somit also von einer pflegerischen Unterversorgung gesprochen werden muß.
Ein externer Vergleich der Einrichtungen bedeutet somit - wie auch vom BVerwG, aaO, bereits für den Bereich des BSHG entschieden - die Methode der Wahl, um für die angebotene Leistung die leistungsgerechte Vergütung zu ermitteln, dh die finanziellen
Gegenleistungen für die Grundversorgung (Unterkunft und Verpflegung iS des §
87
SGB XI) sowie für die allgemeinen Pflegeleistungen (§
84 Abs
4 Satz 1 iVm §
43 Abs
2
SGB XI) in Form der Grund- und Behandlungspflege nebst sozialer Betreuung.
Voraussetzung dafür ist zunächst, daß sowohl das betreffende Heim als auch die zum Vergleich herangezogenen Mitbewerber den
Pflegestandard fachgerechter und humaner Pflege, wie ihn das
SGB XI in §§
11 Abs
1,
28 Abs
4 und
29 Abs 1 definiert, nach den Kriterien der Struktur-, der Prozeß- und der Ergebnisqualität ohne Einschränkung erfüllen, dh nach
eingesetzten sächlichen und personellen Mitteln, den pflegerischen Verfahrensweisen sowie deren Kontrolle und Dokumentation
den Anforderungen genügen (siehe auch Punkt 1.2 der "Gemeinsamen Grundsätze und Maßstäbe zur Qualität und Qualitätssicherung
einschließlich des Verfahrens zur Durchführung von Qualitätsprüfungen in vollstationären Pflegeeinrichtungen durch den Medizinischen
Dienst der Krankenversicherung gemäß § 80
SGB X" vom 7. März 1996, BAnz 1996 Nr 213 S 12041, und - insoweit klarstellend - den neuen § 80a Abs 2
SGB XI E im Referentenentwurf eines Pflegequalitätssicherungsgesetzes, www.bmgesundheit.de). Angebote, die diesen Maßstäben nicht
entsprechen, dürfen in Pflegesatzverhandlungen nicht eingebracht oder zu (Preis-)Vergleichszwecken herangezogen werden, ebensowenig
wie ein Heimträger die Vergütungshöhe mit einer Pflegequalität jenseits des pflegerisch und wirtschaftlich Notwendigen begründen
kann.
Soweit wie im Fall der Klägerin zu 2) als besondere Gestehungskosten ein ungünstiger Alterskegel des Pflegepersonals, besondere
nicht für alle Einrichtungsträger geltende Tarifbindungen und übertarifliche Aufwendungen sowie eine teure Refinanzierung
geltend gemacht werden, kann dies nach der gesetzlichen Abkehr vom Kostenerstattungsprinzip keine Berücksichtigung mehr finden.
Die hiergegen in der Literatur geäußerten Bedenken (Plantholz/Rochon RsDE 2000, 30, 48) verkennen, daß alle Einrichtungen
nach den geltenden Bestimmungen des Arbeitsrechts wirtschaften; wer einen vergleichsweise zu hohen Personalaufwand hat, muß
diesen reduzieren, wenn er nicht das Ausscheiden aus dem Wettbewerb in Kauf nehmen will. Ebensowenig allerdings dürfen gegenüber
einem Heimträger Erfolge in der wirtschaftlichen Betriebsführung und entsprechend erzielte Überschüsse zum Anlaß genommen
werden, unter Einsatz der Nachfragemacht marktgerechte Pflegesatzangebote deswegen weiter abzusenken.
Der auf diese Weise durchzuführende und offenzulegende Vergleich mit anderen Einrichtungen, insbesondere des örtlichen Einzugsbereichs,
ist auch datenschutzrechtlich und verfahrenstechnisch unbedenklich durchführbar, denn derartige Daten - vergleichbar einem
"Heimspiegel "- werden zu Verbraucherschutzzwecken ohnehin von den Pflegekassen für deren Versicherte erhoben und vorgehalten.
Die im Schrifttum hiergegen erhobenen datenschutzrechtlichen Einwände (Plantholz/Rochon aaO S 44 ff) greifen nicht durch,
denn das Gesetz hat in §
72 Abs
5
SGB XI eine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage geschaffen. Personenbezogene Daten über Bewohner oder Personal sind zudem in dieser
Zusammenstellung nicht enthalten.
Die vom Gesetzgeber gemäß §
85 Abs
5 Satz 1
SGB XI gewünschte Verfahrensbeschleunigung wird durch diese Erfordernisse nicht gefährdet. Eine eigene Beweiserhebung der Schiedsstelle
jenseits präsenter Beweise ist nämlich nicht erforderlich, wenn dadurch der Abschluß des Verfahrens erheblich verzögert wird.
Es ist zunächst Aufgabe der Pflegekassen, die zum Vergleich heranzuziehenden Einrichtungen zu benennen und die maßgebenden
Kriterien darzulegen. Kommen sie dem nicht nach, kann es nicht Aufgabe der Schiedsstelle sein, Ermittlungen von Amts wegen
durchzuführen. Sie hat dann eine Entscheidung unter freier Würdigung des Angebots des Einrichtungsträgers zu treffen, wobei
durchaus auch eine Fortschreibung der bisherigen Pflegesätze unter Berücksichtigung der allgemeinen Kostenentwicklung in Betracht
kommen kann.
8. Zutreffend hat es die Beklagte - wie auch schon für das vorangegangene Jahr 1998 - abgelehnt, über die sogenannte Pflegestufe
0 eine Entscheidung zu treffen, denn die Pflegestufe 0 ist - wie auch von SG und LSG übereinstimmend entschieden - ausschließlich
Gegenstand des Rechts der Sozialhilfe, deren Festsetzung im Streitfall den dortigen Schiedsstellen mit dem Rechtsweg der Verwaltungsgerichtsbarkeit
(vgl § 68 Abs 1 Satz 2 iVm §§ 93, 93a, 93b und 94
BSHG) obliegt (ebenso Philip, Altenheim 5/98 S 14). Der abweichenden Auffassung von Leicht, RsDE 2000, 51, S 56, der eine Zuständigkeit
der Pflegekassen aus ihrer Sachwaltertätigkeit für die Versicherten ableitet, ist nicht zu folgen, weil sie der Regelung in
§
84 Abs
1
SGB XI widerspricht und die Sachwaltertätigkeit der Pflegekassen nur soweit reicht, wie das Gesetz sie mit der Anordnung der Bindungswirkung
der Vereinbarungen bzw Schiedssprüche für die Versicherten angeordnet hat.
9. Die Beklagte hat zutreffend berücksichtigt, daß das Angebot der Pflegekassen im Sinne einer verbindlichen Untergrenze für
den Gesamtrahmen der festzulegenden Pflegesätze auch im Schiedsspruch nicht unterschritten werden darf. Denn der Schiedsspruch
ersetzt nur die fehlende Einigung der Vertragspartner und hat lediglich eine ergänzende Funktion. Er kann jederzeit durch
eine vertragliche Einigung der Parteien gegenstandslos gemacht werden (vgl bereits für das Schiedsverfahren nach § 368h
RVO BSGE 51, 58, 61 = SozR 2200 § 368 Nr 9). Als streitschlichtendem Verwaltungsakt ist ihm der Streitgegenstand nach der originären Verhandlungs- und Entscheidungskompetenz
der Vertragsparteien bzw nach deren Dispositionsfreiheit vorgezeichnet (iE ebenso Plantholz/Rochon, aaO, S 34 ff). Bei der
Entscheidung der offenen Streitfragen ist die Schiedsstelle in der Umsetzung der gesetzlichen Bestimmungen des §
85
SGB XI allerdings frei, Einzelpositionen bzw Einzelentgelte anders als von den Vertragspartnern vorgesehen zu gestalten, wenn sich
das Gesamtvolumen innerhalb der Diskrepanz der Vertragsparteien bewegt.
10. Ebenso hat es die Beklagte mit Blick auf den gesetzlich bestimmten Rahmen für ihre Entscheidung auch für das Jahr 1999
zu Recht abgelehnt, die Aufwendungen für die beiden in der Einrichtung der Klägerin zu 2) versorgten Wachkomapatienten zu
berücksichtigen. Der pflegerische Aufwand für diese Personen liegt derartig stark außerhalb der Bandbreite des sonst in den
einzelnen Pflegeklassen anfallenden Pflegebedarfs, daß seine Einbeziehung etwa in die Gesamtkosten der Pflegeklasse III zu
einer deutlichen Anhebung des Pflegesatzes führen würde, die letztlich, sofern die Leistungsgrenzen der Pflegekasse - wie
im Regelfall - überschritten werden, eine zusätzliche Belastung der Heimbewohner bedeutet, die kaum in der Lage sein werden,
dem durch den Wechsel in ein kostengünstiges Pflegeheim auszuweichen. Das übersteigt das zuzumutende Maß an Solidarität auch
innerhalb einer Sozialversicherung und führt zu einer Ungleichbehandlung im Verhältnis zu den Versicherten in anderen Pflegeheimen.
Der Klägerin zu 2) bleibt es unbenommen, die Wachkomapatienten in einer selbständigen Pflegeabteilung mit eigenen Pflegesätzen
zu führen, sofern sie die hierfür erforderlichen sächlichen und personellen Voraussetzungen auf Dauer erfüllt und ihren Versorgungsauftrag
durch einen entsprechenden Versorgungsvertrag mit den Pflegekassen gemäß §
72 Abs
1
SGB XI ergänzt.
11. Aus dem Vorgesagten ergibt sich, daß die weitergehende Revision der Klägerin zu 2), deren Hauptantrag auf bestimmte Zahlbeträge
lautete, abzuweisen war, weil aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht davon ausgegangen werden kann, daß die geltend
gemachten Pflegesätze die leistungsgerechte Vergütung darstellen. Eine Ermessensschrumpfung auf Null für die Beklagte liegt
nicht vor. Die in dieser Hinsicht unzutreffend als Verfahrensfehler geltend gemachte Rüge der Klägerin zu 2) greift nicht
durch. Auf die weiteren "Verfahrensrügen" der Klägerin zu 2), das Urteil des LSG sei widersprüchlich und teilweise nicht nachzuvollziehen,
ist nicht mehr einzugehen, weil das Urteil ohnehin der Aufhebung unterliegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193
SGG.