Höherstufungsantrag für eine Pflegestufe
Übergehen von Beweisanträgen
Beweisanregung und Verfahrensrüge
1. Nach §
160 Abs.
2 Nr.
3 SGG kann ein Verfahrensmangel auf die Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist.
2. Eine Beweisanregung reicht dazu nicht aus.
3. Das Übergehen von Beweisanträgen soll die Revisionsinstanz nur dann eröffnen, wenn das Berufungsgericht ausdrücklich darauf
hingewiesen worden ist, dass ein Beteiligter die Sachaufklärungspflicht noch nicht als erfüllt ansieht.
4. Deshalb muss ein Beweisantrag grundsätzlich in der letzten mündlichen Verhandlung ausdrücklich aufrechterhalten werden.
Gründe:
I
Die 1951 geborene, bei der Beklagten pflegeversicherte Klägerin begehrt Leistungen nach der Pflegestufe II ab März 2007. Sie
bezieht seit 1996 Leistungen der Pflegeversicherung, zunächst nach der Pflegestufe II, seit 1998 nach der Pflegestufe I. Ihren
Höherstufungsantrag vom 26.3.2007 lehnte die Beklagte auf der Grundlage von zwei eingeholten Gutachten des Medizinischen Dienstes
der Krankenversicherung (MDK) ab, nach denen die Klägerin einen Hilfebedarf für die Verrichtungen der Grundpflege von 91 Minuten
bzw 51 Minuten täglich hat (Bescheid vom 2.7.2007 idF des Widerspruchsbescheides vom 27.11.2007). Die dagegen gerichtete Klage
blieb nach Einholung eines weiteren Gutachtens vom MDK, in dem ein Grundpflegebedarf von 62 Minuten täglich festgestellt wurde,
vor dem SG Osnabrück erfolglos (Gerichtsbescheid vom 14.2.2012).
In einem weiteren Gutachten des MDK, das im Laufe des Berufungsverfahrens aufgrund eines erneuten Höherstufungsantrags der
Klägerin eingeholt wurde, wurde der Grundpflegebedarf auf 98 Minuten täglich eingeschätzt. Auf Veranlassung der Klägerin hat
das Berufungsgericht ein Gutachten nach §
109 SGG eingeholt, in welchem die von der Klägerin benannten Gutachter einen Grundpflegebedarf von 134,5 Minuten täglich für erforderlich
hielten.
Auf Basis dieser Gutachten hat das LSG Niedersachsen-Bremen die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 23.9.2014)
und zur Begründung dargelegt, warum es die Ausführungen der von der Klägerin benannten Sachverständigen in verschiedenen Punkten
für nicht nachvollziehbar halte. Nach angemessener Reduzierung der von ihnen angeführten Zeitwerte sei ein Hilfebedarf im
Bereich der Grundpflege von allenfalls 104 Minuten täglich plausibel und nachvollziehbar.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde vom 20.11.2014 wendet sich die Klägerin gegen die Entscheidung des LSG, die Revision zum
BSG nicht zuzulassen.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht in der durch §
160 Abs
2 iVm §
160a Abs
2 SGG normierten Form begründet worden ist. Sie ist deshalb ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§
160a Abs
4 Satz 1 iVm §
169 SGG).
Nach §
160a Abs
2 Satz 3
SGG ist die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zu begründen und in der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung
der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung von der das Urteil des LSG abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet
werden.
Die Klägerin macht einen Verfahrensfehler geltend, der darin liege, dass das LSG keine weitere Begutachtung angeordnet habe,
obwohl eine eklatante Verschlechterung ihrer gesundheitlichen Situation mit einem offensichtlichen Pflegemehrbedarf nach dem
Abschluss der ersten Instanz eingetreten sei. Sie weist darauf hin, dass ihr wegen der Verschlechterung seit 1.11.2014 Leistungen
nach der Pflegestufe II gewährt werden.
Nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG kann ein Verfahrensmangel auf die Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist. Eine Beweisanregung reicht dazu nicht aus. Das Übergehen von Beweisanträgen soll die Revisionsinstanz nur dann eröffnen,
wenn das Berufungsgericht ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass ein Beteiligter die Sachaufklärungspflicht noch
nicht als erfüllt ansieht. Deshalb muss ein Beweisantrag grundsätzlich in der letzten mündlichen Verhandlung ausdrücklich
aufrechterhalten werden (vgl hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, §
160 RdNr 18a ff mwN).
Die vor dem Berufungsgericht anwaltlich vertretene Klägerin hat in der letzten mündlichen Verhandlung ausweislich des Sitzungsprotokolls
keinen Beweisantrag gestellt oder aufrechterhalten. Die Klägerin hat auch nach der Begutachtung durch die von ihr benannten
Sachverständigen keine weitere Begutachtung mehr seitens des Gerichts angeregt, sondern die Sache selbst für ausgeschrieben
gehalten und um Terminierung gebeten. Diese ist nach Einholung einer ergänzenden Stellungnahme der von der Klägerin benannten
Ärzte am 14.7.2014 mit der Terminierung des Rechtsstreits auf den 23.9.2014 zeitnah erfolgt. Für eine in diesem Zeitraum eingetretene
erhebliche Verschlechterung gibt es keine Anhaltspunkte.
Schließlich wird daraufhin gewiesen, dass auch nach dem außerhalb des Verfahrens erneut eingeholten Pflegegutachten, in dem
die von der Klägerin angegebenen Verschlechterungen berücksichtigt wurden, eine Einstufung in die Pflegestufe II erst ab 1.11.2014
gerechtfertigt ist, also erst für einen Zeitpunkt nach der letzten mündlichen Verhandlung am 23.9.2014.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.