Festsetzung von Pflegevergütungen durch Schiedsspruch; Grundsätze für die Bemessung der Pflegesätze für die teil- oder vollstationären
Pflegeleistungen eines Pflegeheims bzw der Vergütung der ambulanten Pflegeleistungen
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über einen Schiedsspruch der beklagten Schiedsstelle vom 25.5.2005, mit dem eine Vergütungsregelung
zu ambulanten Pflegeleistungen für die Zeit vom 1.9.2005 bis zum 31.8.2006 getroffen worden ist.
Klägerin ist eine von vier Trägern der Wohlfahrtspflege gebildete Arbeitsgemeinschaft, die unter der Bezeichnung "Paritätische
Sozialstation G. Südwest" einen nach §
72 SGB XI für ambulante Pflegeleistungen zugelassenen Pflegedienst betreibt. Bis zum 31.8.2005 wurden die erbrachten Leistungen nach
dem sog Schwaneweder Leistungskatalog (SLK) mit einem Punktwert von 4,12 Cent für die Grundpflege vergütet. Dieser Katalog
war von der Beklagten mit Beschluss vom 13.11.1995 in Anlehnung an ein hessisches Modell eingeführt worden und galt Mitte
2005 für ca 40 % der Pflegebedürftigen in der Stadt und im Landkreis G.. Daneben kamen, ebenso wie in anderen Teilen des Landes
Niedersachsen, aber auch andere Leistungskataloge zur Anwendung, insbesondere der sog "Niedersächsische Leistungskomplexkatalog
2002" (Nds LKK 2002), der seinerzeit einen Marktanteil von ca 37 % hatte, mittlerweile aber flächendeckend in allen Teilen
von Niedersachsen gilt. In einem Mediationsverfahren wurde im Jahr 2002 für den Nds LKK 2002 im Großraum G. ein Punktwert
von 3,5 Cent festgelegt. Im Mai 2004 forderten die beigeladenen Pflegekassen bzw Pflegekassenverbände die Klägerin zu Vergütungsverhandlungen
auf, die aber scheiterten, weil die Beigeladenen auf der Anwendung des Nds LKK 2002 bestanden, während die Klägerin weiter
nach dem SLK abrechnen wollte.
In dem am 5.7.2004 eingeleiteten Schiedsverfahren (§
85 Abs
5 SGB XI) entschied die Beklagte mit Schiedsspruch vom 25.5.2005, es sei ein Punktwert von 3,9 Cent entsprechend dem Nds LKK 2002
für die Zeit vom 1.9.2005 bis zum 31.8.2006 zu vergüten. Sie gab damit hinsichtlich des anzuwendenden Leistungskataloges dem
Antrag der Beigeladenen statt, ging aber über den von diesen angebotenen Punktwert von 3,5 Cent hinaus. Die Klägerin hatte
im Schiedsverfahren 4,2 Cent auf Basis des SLK begehrt, hilfsweise 4,08 Cent auf Grundlage des Nds LKK 2002 bei Erhaltung
der bisherigen Wegepauschale bzw 4,28 Cent bei Absenkung der Wegepauschale. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Anwendung
nur eines einzigen Vergütungskatalogs im Großraum G. diene der verbesserten Transparenz und Vergleichbarkeit der Leistungen.
Die Zusammenfassung der Pflegeleistungen zu vorgegebenen Leistungskomplexen verhindere zudem die einseitige Ausweitung des
Leistungsumfanges und die Annäherung an das Selbstkostendeckungsprinzip. Hinsichtlich der Höhe des festzusetzenden Punktwertes
sei der Marktpreis zu ermitteln; insoweit seien die vom Bundessozialgericht (BSG) in der Entscheidung vom 14.12.2000 entwickelten
Grundsätze zur Festlegung der stationären Pflegesätze entsprechend heranzuziehen (externer Vergleich). Der danach ermittelte
Marktpreis von 3,51 Cent erscheine angesichts der inzwischen eingetretenen veränderten Marktgegebenheiten aber nicht mehr
angemessen. Ein Punktwert von 3,9 Cent sei für den fraglichen Zeitraum angebracht, zumal die notwendige Umstellung des Abrechnungssystems
Mehrkosten verursache.
Im Klageverfahren hat die Klägerin geltend gemacht, der Schiedsspruch sei formell und materiell rechtswidrig. Die Stadt G.
hätte als Sozialhilfeträger im Schiedsverfahren als Partei und nicht nur als Beigeladene beteiligt werden müssen. Der Schiedsspruch
als Verwaltungsakt sei auch zu unbestimmt, weil der Nds LKK 2002 nicht beigefügt worden sei. In materieller Hinsicht sei der
Schiedsspruch rechtswidrig, weil das Gesetz von einer Pluralität der Vergütungsmodelle ausgehe (§
7 Abs
3 und §
89 Abs
3 SGB XI), solange der Verordnungsgeber nicht von seinem Recht Gebrauch mache, eine Gebührenordnung zu erlassen (§
90 SGB XI). Ihr habe das von den Beigeladenen favorisierte Abrechnungssystem nicht aufgezwungen werden dürfen, zumal sie bereits seit
zehn Jahren nach dem SLK abgerechnet habe. Weshalb dem Antrag der Beigeladenen auf Heranziehung des Nds LKK 2002 stattgegeben
worden sei, habe die Beklagte im Schiedsspruch auch nicht hinreichend begründet. Außerdem seien die Grundlagen des externen
Vergleichs unklar geblieben.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 27.1.2006). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen
(Urteil vom 15.2.2007): Der Schiedsspruch vom 25.5.2005 sei rechtmäßig. Die Beklagte habe das zwingende Gesetzesrecht beachtet
und den ihr eingeräumten Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Insbesondere sei nicht zu beanstanden, dass der Nds LKK
2002 zur Vergütungsfeststellung herangezogen worden sei. Zwar habe der Gesetzgeber den Vertragsparteien in §
89 Abs
3 SGB XI eine Variationsbreite für die inhaltliche Gestaltung von Vergütungsregelungen eröffnet, es gebe insoweit aber kein einseitiges
Bestimmungsrecht einer Partei. Das Prinzip der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sei ebenso zu beachten wie die Transparenz
und Vergleichbarkeit der Leistungsangebote. Auch verfassungsrechtlich sei der Schiedsspruch nicht zu beanstanden. Die Festlegung
des Punktwertes auf 3,9 Cent entspreche dem gesetzlichen Gebot auf Gewährung einer leistungsgerechten Vergütung. Die Ermittlung
des Marktpreises über einen externen Vergleich sei rechtmäßig.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die fehlende inhaltliche Bestimmtheit des Schiedsspruches und Begründungsmängel, vor
allem aber die Verletzung materiellen Bundesrechts (§§ 33 Abs 1 und 35 Abs 1 SGB X; §§
7 Abs
3, 11 Abs
2,
89 Abs
3 und
90 SGB XI; Art
12 und
14 GG). Die Nivellierung des Leistungsangebots durch den Vergleich mit Marktpreisen widerspreche dem Gebot des §
11 Abs
2 SGB XI und behindere einen funktionsfähigen Wettbewerb unter den Anbietern. Zudem verstoße der Schiedsspruch gegen §
90 SGB XI, weil die Vereinheitlichung von Vergütungsregelungen im Sinne einer Gebührenordnung allein dem Verordnungsgeber vorbehalten
sei.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des LSG Niedersachsen-Bremen vom 15.2.2007 und des SG Hildesheim vom 27.1.2006 zu ändern, den Schiedsspruch der
Beklagten vom 25.5.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über den Antrag auf Festsetzung der Vergütung für ambulante
Pflegeleistungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats erneut zu entscheiden.
Die Beklagte und die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Der Schiedsspruch der Beklagten vom 25.5.2005 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin
nicht in ihren Rechten.
A) Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor.
1) Zutreffende Klageart ist die - hier auch so erhobene - Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§
54 Abs
1 SGG). Es handelt sich bei dem angefochtenen Schiedsspruch um einen Verwaltungsakt iS des § 31 Satz 1 SGB X zur Gestaltung des Vertrages über eine Vergütungsregelung für ambulante Pflegeleistungen nach §
89 SGB XI. Auch der gesetzlichen Regelung in §
89 Abs
3 Satz 4 iVm §
85 Abs
5 Satz 4
SGB XI, wonach ein Vorverfahren nicht stattfindet und die Klage keine aufschiebende Wirkung hat, liegt diese Vorstellung zugrunde
(vgl BSG, Urteil vom 14.12.2000 - B 3 P 19/00 R -, BSGE 87, 199, 201 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1).
2) Die Klage ist zutreffend von der "Arbeitsgemeinschaft Paritätische Sozialstation G. Südwest" als Trägerin des ambulanten
Pflegedienstes erhoben worden. Kläger waren nicht etwa die vier Hilfsorganisationen, die sich zu dieser Arbeitsgemeinschaft
zusammengeschlossen haben, wie es die auf eine Streitgenossenschaft der vier Träger hindeutende Fassung des Aktivrubrums des
erst- und zweitinstanzlichen Urteils vermuten lassen könnte. Der erkennende Senat hat, im Einverständnis aller Beteiligten,
das Aktivrubrum durch den Zusatz "als Arbeitsgemeinschaft" klarstellend neu gefasst, um die Stellung der Arbeitsgemeinschaft
als Klägerin zu verdeutlichen. Die von den Hilfsorganisationen gebildete Träger-Arbeitsgemeinschaft stellt eine Gesellschaft
bürgerlichen Rechts (GbR) dar, die als solche im Rechtsverkehr (als Außengesellschaft) auftritt und deshalb als besondere
"Wirkungseinheit" bzw "Zuordnungsobjekt" bei der Verfolgung eigener Rechte selbst als Kläger oder Beklagter fungieren kann
(vgl BSG SozR 4-5425 §
24 Nr 5; BGHZ 146, 341; BGH NJW 2002, 1207, stRspr; Palandt/Spree,
BGB, 68. Aufl 2009, §
705 RdNr 24 und
37). Im Schiedsverfahren sind die Hilfsorganisationen auch nicht separat, sondern gemeinschaftlich als Arbeitsgemeinschaft aufgetreten;
der Schiedsspruch ist dementsprechend gegen die Arbeitsgemeinschaft ergangen. Die Klage ist ersichtlich von der Arbeitsgemeinschaft
als Adressatin des Schiedsspruches und nicht separat von den sie tragenden Hilfsorganisationen erhoben worden. Die Beteiligtenfähigkeit
einer solchen Arbeitsgemeinschaft im Sozialgerichtsverfahren ergab sich schon immer aus §
70 Nr 2
SGG. Die Frage, ob seit der Anerkennung der Parteifähigkeit einer als Außengesellschaft im Rechtsverkehr auftretenden GbR die
Beteiligtenfähigkeit sich aus der "natürliche und juristische Personen" erfassenden Regelung des §
70 Nr 1
SGG ergibt oder weiterhin §
70 Nr 2
SGG (nichtrechtsfähige Personenvereinigungen) anzuwenden ist, kann hier offenbleiben.
3) Die Schiedsstelle ist richtiger Klagegegner. Sie ist beteiligtenfähig (vgl §
70 Nr 4
SGG) und auch passiv legitimiert (vgl BSGE 87, 199, 201 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1).
4) Die Stadt G. als Sozialhilfeträger war zu dem Rechtsstreit nicht beizuladen (§
75 SGG). Die Klägerin hatte im ersten und zweiten Rechtszug eingewandt, die Stadt G. als Sozialhilfeträger hätte im Schiedsverfahren
als Vertragspartei und nicht nur als Beigeladene beteiligt werden müssen. Diesen Einwand haben die Vorinstanzen zu Recht zurückgewiesen.
Zu Recht hat die Klägerin diesen Einwand im Revisionsverfahren auch nicht wiederholt.
Die Stadt G. konnte nicht gemäß §
89 Abs
2 Satz 1 Nr
2 SGB XI Vertragspartei der Vergütungsvereinbarung sein, weil sie nicht für einen Anteil von mehr als 5 % der Pflegebedürftigen im
Jahr vor Beginn der Vergütungsverhandlungen Kostenträger war, sondern ihr Anteil nach der - nicht angegriffenen und daher
für das Revisionsverfahren verbindlichen (§
163 SGG) - Feststellung des LSG nur bei 3,38 % gelegen hatte. Sogar die von der Schiedsstelle veranlasste Beiladung der Stadt G.
war nicht erforderlich, sondern entbehrlich - wenn auch formell unschädlich. Die Bindungswirkung des Schiedsspruchs als Verwaltungsakt
(§ 31 SGB X) ergab sich für die Stadt G. als Sozialhilfeträger nicht erst aus der Beiladung, sondern unmittelbar aus dem Gesetz (§
89 Abs
3 Satz 2 iVm §
85 Abs
6 Satz 1
SGB XI in der bis zum 30.6.2008 gültigen Fassung des Gesetzes vom 26.5.1994, BGBl I 1014; nunmehr §
89 Abs
3 Satz 4 iVm 85 Abs
6 Satz 1
SGB XI). Das Gesetz sieht in den Schiedsstellenverfahren nach §
85 und §
89 SGB V eine Beiladung von Kostenträgern, die mangels Erfüllung der 5 %-Quorums nicht selbst Vertragspartei sein können, nicht vor.
Ebenso wie bei den Heimbewohnern (dazu BSGE 87, 199, 201 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1) geht der Gesetzgeber auch bei den nicht am Vertrag zu beteiligenden Kostenträgern davon aus,
dass ihre Interessen durch die Vertragspartner und die Schiedsstelle angemessen berücksichtigt werden.
Im Bereich der stationären Pflege gibt es eine detaillierte Regelung, welche "Verbände" sich an den Verhandlungen über eine
Pflegesatzvereinbarung beteiligen dürfen (§
85 Abs
2 Satz 3
SGB XI). Diese Regelung sieht ein Beteiligungsrecht der "kleinen" Kostenträger, die nicht selbst Vertragspartner sein können, nicht
vor. Stattdessen bestimmt §
85 Abs
6 Satz 1
SGB XI, dass Pflegesatzvereinbarungen und Schiedsstellenentscheidungen für das Pflegeheim sowie die in dem Heim versorgten Pflegebedürftigen
und deren Kostenträger unmittelbar verbindlich sind. Im hier interessierenden Bereich der ambulanten Pflege gibt es überhaupt
kein Beteiligungsrecht von "Verbänden", weil §
89 Abs
3 SGB XI nicht auf §
85 Abs
2 SGB XI verweist und §
89 Abs
2 SGB XI selbst keinerlei Beteiligung Dritter vorsieht. Demgemäß können auch nur die Vertragspartner, deren missglückte Einigung durch
den Schiedsspruch ersetzt worden ist, den Schiedsspruch anfechten. Eine Ausnahme davon macht auch nicht §
85 Abs
5 Satz 2
SGB XI, der den Sozialhilfeträgern ein Anfechtungsrecht gegen eine Pflegesatzvereinbarung einräumt: Sie können die Schiedsstelle
nur anrufen, wenn sie "überstimmt" worden sind (vgl Vogel/Schmähing, LPK-
SGB XI, 3. Aufl 2008, §
85 RdNr 17 mwN), nicht aber, wenn sie gar nicht zu beteiligen waren.
Aus diesen Regelungen folgt, dass im gerichtlichen Verfahren die am Vertrags- und Schiedsstellenverfahren nicht zu beteiligenden
Kostenträger - ebenso wie die Heimbewohner - auch nicht beizuladen sind (§
75 SGG). Die Rechte der "kleinen" Kostenträger können im Rechtsstreit nicht weiter gehen als im Vertrags- und Schiedsverfahren.
Im vorliegenden Verfahren ist die Stadt G. als Sozialhilfeträger daher zu Recht nicht beigeladen worden.
B) Rechtsgrundlage des Schiedsspruchs ist §
89 Abs
3 Satz 2 iVm §
85 Abs
5 Satz 1
SGB XI in der bis zum 30.6.2008 gültigen Fassung des Gesetzes vom 26.5.1994 (BGBl I 1014), die hier - als alte Fassung (aF) - anwendbar
ist, weil der Schiedsspruch am 25.5.2005 ergangen ist. Nicht anwendbar ist §
89 Abs
3 SGB XI in der ab 1.7.2008 geltenden Fassung des Gesetzes vom 28.5.2008 (BGBl I 874), durch die der bisherige Satz 2 zu Satz 4 geworden
ist, nachdem der Gesetzgeber die jetzigen Sätze 2 und 3 eingefügt hat. Die Schiedsstelle hatte nach §
89 Abs
3 Satz 4
SGB XI aF iVm §
85 Abs
5 Satz 1
SGB XI über die Vergütung von ambulanten Pflegeleistungen der Paritätischen Sozialstation G. Südwest für die Zeit vom 1.9.2005 bis
zum 31.8.2006 zu entscheiden, weil die Vertragsverhandlungen zwischen der Klägerin und den Beigeladenen erfolglos geblieben
waren.
1) Der Schiedsspruch vom 25.5.2005 hält der revisionsrechtlichen Prüfung in formeller und materieller Hinsicht stand. Den
Gerichten steht bei der Überprüfung von Schiedsstellenentscheidungen nur ein eingeschränkter Prüfungsrahmen zu, weil die Schiedsstelle
aufgrund ihrer paritätischen Zusammensetzung, des Mehrheitsprinzips und ihrer fachlichen Weisungsfreiheit vom Gesetzgeber
dazu in die Lage versetzt wird, Entscheidungen auf der Grundlage einer sachnahen vermittelnden Zusammenführung verschiedener
Interessen zu finden. Die Gerichte sind deshalb nur befugt zu prüfen, ob die Ermittlung des Sachverhalts in einem fairen Verfahren
unter Wahrung des rechtlichen Gehörs erfolgt ist, der bestehende Beurteilungsspielraum eingehalten und zwingendes Gesetzesrecht
beachtet worden ist, wozu eine hinreichende Begründung erforderlich ist (BSGE 87, 199 ff = SozR 3-3300 § 85 Nr 1).
a) Der Schiedsspruch verstößt als Verwaltungsakt nicht gegen § 33 Abs 1 SGB X, weil er inhaltlich hinreichend bestimmt ist. Der Verfügungssatz des Schiedsspruchs ist eindeutig, weil das anzuwendende
Vergütungsmodell (Nds LKK 2002), der abzurechnende Punktwert (3,9 Cent) und der Geltungszeitraum (1.9.2005 bis 31.8.2006)
genannt werden. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Nds LKK nach dem Stand vom 24.9.2002 schon damals veröffentlicht worden
war, weil alle Beteiligten Kenntnis von diesem LKK hatten. Da die Beigeladenen den Nds LKK 2002 bereits ihrer an die Klägerin
gerichteten Aufforderung zur Aufnahme von Vergütungsverhandlungen beigefügt hatten, war er auch der Klägerin bekannt. Zudem
zeigt die Stellungnahme der Klägerin im Schiedsverfahren und insbesondere die Fassung ihrer Hilfsanträge, dass sie dieses
Vergütungsmodell in allen Einzelheiten kannte.
b) Der Schiedsspruch der Beklagten ist rechtmäßig, soweit er ein Vergütungsmodell zwischen den Beteiligten festlegt. Die Beklagte
ist nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet gewesen, ein Vergütungsmodell zu bestimmen. Nach §
89 Abs
1 Satz 1
SGB XI wird die Vergütung der ambulanten Pflegeleistungen und der hauswirtschaftlichen Versorgung, soweit nicht die - bisher nicht
erlassene - Gebührenordnung nach §
90 SGB XI Anwendung findet, zwischen dem Träger des Pflegedienstes und den Kostenträgern nach Abs 2 für alle Pflegebedürftigen nach
einheitlichen Grundsätzen vereinbart. Deshalb müssen die Vertragsparteien der Vergütungsvereinbarung nicht nur den für die
Höhe der Vergütung entscheidenden Berechnungsfaktor (den Punktwert), sondern auch den einheitlichen Abrechnungsmodus, dh das
Vergütungsmodell, bestimmen. Da die Beteiligten hier keine Einigung über das Vergütungsmodell erzielen konnten, weil die Klägerin
am SLK festhalten und die Beigeladenen den Nds LKK 2002 zur Berechnungsgrundlage machen wollten, ersetzt der Schiedsspruch
auch insoweit gemäß §
85 Abs
5 Satz 1
SGB XI die fehlgeschlagene Vereinbarung der Beteiligten. Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber in §
89 Abs
3 SGB XI eine Vielfalt von Vergütungsmodellen zulässt. Den Pflegediensten wird - ebenso wie den Pflegekassen - kein einseitiges Bestimmungsrecht
zum Vergütungsmodell eingeräumt. Erforderlich ist stets eine Einigung der Vertragsparteien über das Vergütungsmodell. Bei
deren Fehlschlagen ersetzt der Spruch der Schiedsstelle den Vertragsabschluss auch in dieser Hinsicht.
c) Die Entscheidung der Beklagten, den Nds LKK 2002 als Vergütungsmodell zu bestimmen, ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
Insbesondere ist diese Entscheidung von der Beklagten auch hinreichend begründet worden (§ 35 SGB X). Es standen im Schiedsverfahren nur zwei Vergütungsmodelle zur Debatte, von denen sich die Beklagte für den Nds LKK 2002
entschieden hat. Sie hat in den Gründen des Schiedsspruchs erläutert, weshalb aus ihrer Sicht dieses Vergütungsmodell den
Vorzug verdiente. Dies reicht als "Begründung" aus. Ob die Begründung aus Sicht eines Beteiligten überzeugt oder nicht, berührt
die formelle Rechtmäßigkeit nach § 35 SGB X nicht.
d) Die Schiedsstelle hat sich auch insoweit im Rahmen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums bewegt, als sie den bis dahin
zwischen den Beteiligten vereinbarten SLK durch den Nds LKK 2002 ablöste. Gemäß §
89 Abs
1 Satz 2 und
3 SGB XI muss die Vergütung leistungsgerecht sein und es einem Pflegedienst bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen, seinen
Versorgungsauftrag zu erfüllen. Die Beklagte hat dazu ausgeführt, die Berechnung der Vergütung anhand des Nds LKK 2002 führe
zu einer weiteren Verbreitung dieses Vergütungsmodells, die wiederum zu mehr Transparenz und Vergleichbarkeit der von den
einzelnen Pflegediensten zur Verfügung gestellten Leistungen führe. Dies sei insbesondere im Interesse der Pflegebedürftigen
gerechtfertigt, die - nach Bewilligung der Pflegeleistungen durch die Pflegekassen - die freie Auswahl unter den zugelassenen
Anbietern hätten. Diese Erwägungen sind nicht zu beanstanden, denn sie orientieren sich an §
7 Abs
3 SGB XI, wonach die Pflegekassen den Pflegebedürftigen bei der Auswahl des Pflegedienstes insbesondere in der Weise zu informieren
haben, dass sie ihm sog Leistungs- und Preisvergleichslisten über die Pflegeeinrichtungen zur Verfügung zu stellen und ihn
darüber zu beraten haben. Damit soll den Pflegebedürftigen die Übersicht über die zT schwer vergleichbaren Leistungsangebote
erleichtert werden.
e) Ein Verstoß gegen §
11 Abs
2 SGB XI ist ebenfalls nicht ersichtlich. Das Gebot, bei der Durchführung des
SGB XI die Vielfalt von Pflegeeinrichtungen zu wahren sowie deren Selbstständigkeit, Selbstverständnis und Unabhängigkeit zu achten,
ist zwar beim Abschluss von Versorgungsverträgen (§
72 SGB XI) zu berücksichtigen, hat aber auf die Auswahl der Vergütungsmodelle im ambulanten Bereich keine Bedeutung. Das Diversifikationsgebot
wird nicht berührt, wenn alle privaten, kirchlichen und freien Träger ambulanter Pflegedienste ihre Leistungen nach einem
einheitlichen Vergütungsmodell abrechnen, zumal die Höhe der Vergütungen nicht in erster Linie von dem Modell, sondern den
für die Leistungen bzw Leistungsmodule angesetzten Punktwerten bestimmt wird, die individuell auszuhandeln sind.
f) Der Schiedsspruch verstößt bezüglich der Festlegung des Vergütungsmodells auch nicht gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit
der Klägerin gemäß Art
12 Abs
1 Satz 1
GG und das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, das durch Art
14 GG geschützt ist. Ein Grundrechtsverstoß könne nur diskutiert werden, wenn die Kostenträger ermächtigt wären, einseitig - durch
Verwaltungsakt - das Vergütungssystem festzulegen. Das Gesetz stellt insoweit aber auf das Konsensprinzip ab, weil das Vergütungsmodell
zwischen den Vertragsparteien einvernehmlich zu regeln ist. Der Schiedsspruch ersetzt aber nur die fehlgeschlagene Einigung
und kann von den Vertragsparteien angefochten und im Übrigen auch jederzeit einvernehmlich geändert werden.
g) Auf Vertrauensschutz kann sich die Klägerin nicht berufen. Sie hat zwar seit rund zehn Jahren nach dem SLK abgerechnet,
verfügte insoweit aber nicht über eine dauerhaft gesicherte Rechtsposition, weil die jährlichen Vergütungsvereinbarungen den
SLK stets nur für den jeweiligen Geltungszeitraum fortgeschrieben haben, die Klägerin also das Einvernehmen mit den Kostenträgern
jeweils neu herbeiführen musste.
2) Anhaltspunkte dafür, dass der Schiedsspruch vom 25.5.2005 nicht rechtmäßig sein könnte, soweit der Punktwert auf 3,9 Cent
festgesetzt worden ist, sind nicht ersichtlich.
Die Beklagte hat - wie bei der "Preisfindung" im stationären Bereich - einen "Marktpreis" für den Großraum G. ermittelt und
dabei einen rein externen Vergleich vorgenommen, der Punktwerte für Leistungen der Grundpflege zwischen 3,14 und 3,9 Cent
ergab. Sie hat ihren Beurteilungsspielraum dahingehend ausgeübt, für die Leistungen der Klägerin den obersten am Markt vorzufindenden
Punktwert von 3,9 Cent festzusetzen und den Beginn der Vergütungsregelung im Kosteninteresse der Klägerin auf einen späteren
Zeitpunkt zu legen. Nachdem der festgelegte Geltungszeitraum (1.9.2005 bis 31.8.2006) von Anfang an nicht umstritten war,
hat die Klägerin im Revisionsverfahren gegen die festgesetzte Höhe des Punktwertes von 3,9 Cent ebenfalls keine Einwände mehr
erhoben. Der Streit betraf nur noch das anzuwendende Vergütungsmodell (Nds LKK 2002 oder SLK). Deshalb brauchte der Senat
nicht über die Frage zu entschieden, ob und in welchem Umfang das mit Urteil vom 14.12.2000 (BSGE 87, 199 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1) entwickelte und mit den Urteilen vom 29.1.2009 (B 3 P 9/07 R, B 3 P 6/08 R, B 3 P 7/08 R und B 3 P 9/08 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 bestimmt) modifizierte Modell zur Festlegung einer angemessenen, leistungsgerichteten
Vergütung für stationäre Pflegeleistungen im ambulanten Bereich anzuwenden ist.
D) Die Streitwertfestsetzung für das Revisionsverfahren folgt aus § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 Gerichtskostengesetz. Es erschien angemessen, den Regelstreitwert von 5.000 Euro in Ansatz zu bringen, weil keine greifbaren Anhaltspunkte für
einen anderen Wert ersichtlich sind.