Festsetzung von Pflegevergütungen in der sozialen Pflegeversicherung durch Schiedsspruch; Grundsätze der Bemessung der Pflegesätze
für die teil- oder vollstationären Pflegeleistungen eines Pflegeheims
Gründe:
I
Streitig ist ein Schiedsspruch der Beklagten über die leistungsgerechte Vergütung für allgemeine Pflegeleistungen und über
ein angemessenes Entgelt für Unterkunft und Verpflegung bei stationärer Pflege.
Die Klägerin betreibt ein 1996 eröffnetes Pflegeheim in C. mit 63 Pflegeplätzen; die Vergütung der Beschäftigten erfolgt in
Anlehnung an den TVöD (früher: BAT). Bis Januar 2002 waren Pflegevergütungen von 35,39 Euro (Pflegeklasse I), 44,24 Euro (Pflegeklasse II) und 60,90 Euro (Pflegeklasse
III) sowie als Entgelt für Unterkunft und Verpflegung ein Betrag von 17,07 Euro täglich vereinbart worden. Für den hier streitigen
Zeitraum vom 10.1. bis 31.12.2002 verlangte die Klägerin Vergütungen und Entgelte von 43,24 Euro (Pflegeklasse I), 54,05 Euro
(Pflegeklasse II), 67,02 Euro (Pflegeklasse III) sowie 18,05 Euro täglich für Unterkunft und Verpflegung. Zur Begründung trug
sie vor, die 1996 vereinbarten Vergütungen und Entgelte seien schon damals nicht auskömmlich gewesen, weshalb die seither
in Fortschreibung festgelegten Sätze nicht ausreichend seien, um das angebotene Leistungsniveau zu halten. Verhandlungen zwischen
der Klägerin und den Beigeladenen über die Höhe und Angemessenheit dieser Ansätze blieben erfolglos. Die daraufhin von der
Klägerin angerufene Beklagte folgte dem Erhöhungsverlangen nur zum Teil und setzte mit Schiedsspruch vom 19.3.2002 die Vergütungen
und Entgelte auf 37,16 Euro (Pflegeklasse I), 46,99 Euro (Pflegeklasse II) und 63,95 Euro (Pflegeklasse III) sowie 17,93 Euro
täglich für Unterkunft und Verpflegung fest. Auf den Umstand, in der Vergangenheit nicht auskömmliche Entgelte vereinbart
zu haben, könne sich die Klägerin heute nicht mehr berufen. Für einen konkreten Leistungsvergleich mit anderen Einrichtungen
seien von den Beteiligten keine aussagekräftigen Kriterien vorgetragen worden. Da sich der Anteil der gerontopsychiatrisch
erkrankten Bewohner in der Vergangenheit erhöht habe und auch die Zahl der in Pflegestufe II eingruppierten Pflegeheimbewohner
mit ca 38 % verhältnismäßig hoch liege, sei es angemessen, nicht nur die allgemein für den Kreis C. für das Jahr 2001 errechnete
Erhöhung von 2,2 % zu Grunde zu legen, sondern eine Steigerung um insgesamt 5 % vorzunehmen. Dies werde dem Grundsatz der
Sozialverträglichkeit gerecht, denn eine solche Anpassung nehme Rücksicht auf die Interessenlage der Heimbewohner und sei
im Vergleich mit anderen Einrichtungen im Landkreis C. immer noch günstig.
Die hiergegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) abgewiesen (Urteil vom 24.3.2005). Das Landessozialgericht (LSG) hat das erstinstanzliche Urteil geändert, den Schiedsspruch
aufgehoben und die Beklagte zur Neubescheidung unter Beachtung seiner Rechtsauffassung verurteilt, soweit sie den weitergehenden
Antrag der Klägerin zurückgewiesen hat (Urteil vom 7.12.2007). Zu Unrecht habe die Beklagte keinen Vergleich mit anderen Einrichtungen
durchgeführt (sog externer Vergleich). Dass die Beigeladenen entsprechende Daten nicht zur Verfügung gestellt hätten, stehe
dem nicht entgegen, denn die Klägerin hätte selbst die nach ihrer Auffassung vergleichbaren Einrichtungen benennen können
und müssen. Sodann hätte es den Beigeladenen oblegen, die Einrichtungen zu bezeichnen, die aus deren Sicht nicht mit dem Pflegeheim
der Klägerin vergleichbar seien. Zu einem solchermaßen gestaffelten Sachvortrag hätte die beklagte Schiedsstelle die Beteiligten
- notfalls durch entsprechende Auflagen - anhalten müssen; dies sei hier nicht geschehen. Zudem habe sich die Schiedsstelle
auf Erfahrungswerte mit anderen Einrichtungen bezogen, ohne in gerichtlich nachprüfbarer Form in den Entscheidungsgründen
darzulegen, woher sie ihre Erkenntnisse gewonnen habe. Nicht nachvollziehbar sei im Übrigen auch die Einschätzung der Beklagten,
die Klägerin erbringe zwar überdurchschnittliche Pflegeleistungen, eine Vergütung nach üblichen Durchschnittssätzen könne
ihr aber nicht zugebilligt werden.
Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten. Sie beanstandet, dass ein externer Vergleich zur
Feststellung leistungsgerechter Entgelte und Vergütung ungeeignet sei. Maßgeblich seien vielmehr die prospektiven Gestehungskosten
einer Einrichtung unter Berücksichtigung der Größe, Struktur und Leistungsstandards von Vergleichseinrichtungen. Zudem seien
die Begründungsanforderungen des LSG überspannt. Im Übrigen hätte der Landkreis C. als örtlicher Sozialhilfeträger beigeladen
werden müssen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 7.12.2007 zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Karlsruhe
vom 24.3.2005 zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision ist unbegründet. Im Ergebnis zutreffend hat das LSG entschieden, dass der angefochtene Schiedsspruch rechtswidrig
und der Schiedsantrag der Klägerin neu zu bescheiden ist. Hierbei wird die Rechtsauffassung des erkennenden Senats zu beachten
sein.
1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt. Einer Sachentscheidung
steht insbesondere nicht entgegen, dass der Landkreis C. nicht nach §
75 Abs
2 Satz 1, 1. Alt
SGG zum Rechtsstreit beigeladen worden ist; dessen bedurfte es nicht. Allerdings ist der Landkreis C. als örtlicher Sozialhilfeträger
in der Rechtsnachfolge des für den hier streitigen Zeitraum im Jahr 2002 noch zuständig gewesenen Landeswohlfahrtsverbandes
B. für etwaige Hilfen zur Pflege von Bewohnern im Heim der Klägerin zuständig geworden (vgl § 12 Abs 1 Satz 1 Gesetz zur Auflösung
der Landeswohlfahrtsverbände Baden-Württemberg vom 1.7.2004, GBl BW 469, 570 iVm § 2 Gesetz zur Ausführung des Zwölften Buches
Sozialgesetzbuch Baden-Württemberg vom 1.7.2004, GBl BW 469, 534 iVm § 8 Nr 5, 61 ff SGB XII in der Ursprungsfassung vom 27.12.2003,
BGBl I 3022). Gleichwohl bestand weder die Notwendigkeit einer Beteiligung des Landeswohlfahrtsverbandes B. an dem Schiedsverfahren
noch die Pflicht zur Beiladung zunächst jenes Sozialhilfeträgers und später des Landkreises C. als Rechtsnachfolger im gerichtlichen
Verfahren. Notwendig zum Rechtsstreit beizuladen ist ein Dritter nach §
75 Abs
2 Satz 1, 1. Alt
SGG, soweit er an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt ist, dass die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich
ergehen kann. Parteien der Pflegesatzvereinbarung und deshalb im Rechtsstreit über den Schiedsspruch ggf notwendig beizuladen
sind neben dem Träger des Pflegeheims und den Pflegekassen die sonstigen Sozialversicherungsträger oder von ihnen gebildete
Arbeitsgemeinschaften sowie der für den Sitz des Pflegeheims zuständige - örtliche oder überörtliche - Träger der Sozialhilfe,
soweit auf ihn im Jahr vor Beginn der Pflegesatzverhandlungen jeweils mehr als 5 % der Berechnungstage des Pflegeheimes entfallen
(vgl §
85 Abs
2 Satz 1 Nr
2 SGB XI, hier in der für den angefochtenen Schiedsspruch maßgeblichen und bis zum 30.6.2008 geltenden Fassung von Art 1 Nr 31 Buchst a des Ersten
SGB XI-Änderungsgesetzes vom 14.6.1996, BGBl I 830). Dieses Quorum war nach Auskunft des Landkreises C. vom 10.11.2008 nicht erreicht,
weshalb der zuständige Sozialhilfeträger weder Partei des Schiedsverfahrens noch notwendig Beigeladener des nachfolgenden
Rechtsstreits sein konnte.
2. Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidung in formeller Hinsicht sind §
76 SGB XI iVm §
85 Abs
5 Satz 1 und §
87 Satz 3 Halbsatz 1
SGB XI - jeweils idF des Pflegeversicherungsgesetzes - PflegeVG - vom 26.5.1994 (BGBl I 1014). Danach setzt die Schiedsstelle mit der Mehrheit ihrer Mitglieder (§
76 Abs
3 Satz 4
SGB XI) die Pflegesätze bzw die Entgelte für Unterkunft und Verpflegung auf Antrag einer Vertragspartei unverzüglich fest, wenn
eine Vereinbarung darüber innerhalb von sechs Wochen nach schriftlicher Aufforderung zur Verhandlung nicht zustande gekommen
ist. Angestrebt wird damit eine zügige Konfliktlösung, soweit sich die Vertragsparteien über die Pflegesätze und die Vergütung
für Unterkunft und Verpflegung in der Pflegeeinrichtung nicht verständigen können (vgl BT-Drucks 12/5262 S 146 zu § 94 Abs
5). Verfahrensziel ist ein weitgehender Interessenausgleich zwischen Leistungserbringern sowie Leistungsverpflichteten und
Pflegeheimbewohnern. Auf der einen Seite hat die Schiedsstelle dem Interesse der Leistungserbringer an der angemessenen Vergütung
ihrer Leistungen und damit mittelbar auch dem öffentlichen Interesse an einer ausreichenden Versorgung mit Pflegeeinrichtungen
Rechnung zu tragen. Auf der anderen Seite trägt sie die Verantwortung für eine kostengünstige Leistungserbringung; dies betrifft
neben der Solidargemeinschaft aller Beitragszahler insbesondere auch die Heimbewohner, die den von der sozialen Pflegeversicherung
mit den Pauschalbeträgen nach §
43 SGB XI nicht abgedeckten Anteil der Pflegevergütung sowie das Entgelt für Unterkunft und Verpflegung selbst zu tragen haben. Dies
sind erhebliche Belastungen, die etwa im Jahr 2007 zusammen mit den ebenfalls auf die Pflegebedürftigen entfallenden Investitionskostenanteilen
(§
82 Abs
3 Satz 1
SGB XI) durchschnittlich pro Monat von 1.244 Euro in Pflegestufe I bis zu 1.647 Euro in Pflegestufe III betragen haben (vgl Statistisches
Bundesamt, Pflegestatistik 2007: Pflege im Rahmen der Pflegeversicherung, 4. Bericht: Ländervergleich: Pflegeheime S 15 und
Rothgang/Borchert/Müller/Unger, GEK-Pflegereport 2008, S 75 mit FN 26). Mittelbar ist auch das Interesse von Angehörigen und
Sozialhilfeträgern betroffen, soweit Heimbewohner die Lasten nicht tragen können; alleine für die öffentliche Hand ist dadurch
im Jahre 2006 eine Nettobelastung von 1.929 Mrd Euro entstanden (vgl Statistisches Bundesamt, Fachserie 13 Reihe 2, Sozialhilfe,
Ausgabe 2006, S 1257).
3. Materielle Grundlage der angefochtenen Entscheidung ist §
84 Abs
2 Satz 1 und
4 SGB XI iVm §
82 Abs
1 und
2 sowie §
85 Abs
3 SGB XI - jeweils in der bis Jahresende 2002 gültigen Fassung. Nach diesen Vorschriften hat sich das Vergütungsregime für stationäre
Pflegeleistungen bis zum heutigen Stand wie folgt entwickelt:
a) Dem Grundkonzept nach ist das Vergütungsrecht für Pflegeeinrichtungen seit Einführung des
SGB XI durch das PflegeVG vom 26.5.1994 (BGBl I 1014) maßgeblich von der Erwartung bestimmt, durch eine Wettbewerbsorientierung Anreize für möglichst
kostengünstige Leistungen setzen zu können. Grundlage hierfür ist die mit dem Ersten SGB XIÄnderungsgesetz vom 14.6.1996 (BGBl
I 830) eingefügte Regelung des §
85 Abs
2 Satz 2
SGB XI, wonach - anders als im kollektivvertraglichen System der vertragsärztlichen Versorgung (vgl §
82 Abs
2 SGB V) - für jedes zugelassene Pflegeheim die Vergütung gesondert festzulegen ist. Hierdurch soll anstelle einer für alle Einrichtungen
einheitlichen Preisgestaltung eine im Preiswettbewerb ausdifferenzierte Preisbildung befördert werden (vgl BT-Drucks 13/3696
S 16 zu § 85). Getragen ist dies von der Erwartung, dass die Einrichtungen ihre Leistungen in einer Wettbewerbssituation aus
eigenem Interesse möglichst kostengünstig anbieten werden (dieser Einschätzung ist auch der Senat in seinen Entscheidungen
vom 14.12.2000 zum bis dahin erreichten Rechtsstand gefolgt, vgl BSGE 87, 199, 203 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 6; dazu näher unter 4.). Dies wird weiter dadurch unterstützt, dass nach Maßgabe des Bundesrechts
die Zulassung ua zur stationären Pflegeversorgung - anders als in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) die Versorgung
durch Vertragsärzte (vgl §§
99 ff
SGB V) und durch Krankenhäuser (vgl §
109 SGB V) - gemäß §
72 Abs
3 Satz 1 Halbsatz 2
SGB XI unabhängig vom Versorgungsbedarf zu erfolgen hat. Deshalb ist - von den faktischen Zugangsschranken aufgrund der Investitionsförderung
auf Landesebene nach §
9 SGB XI einmal abgesehen (vgl §
82 Abs
3 Satz 1
SGB XI) - ungeachtet des tatsächlichen Bedarfs jede Pflegeeinrichtung durch Versorgungsvertrag zur Erbringung von Pflegeleistungen
zuzulassen, wenn sie nur den inhaltlichen Anforderungen nach §
72 Abs
3 Satz 1 Halbsatz 1
SGB XI genügt. Ausdrücklich soll hierdurch ein geschlossener Markt von Pflegeeinrichtungen verhindert und neuen innovativen Leistungsanbietern
der Zugang zum Pflegemarkt offen gehalten und so der Wettbewerb unter den Pflegeeinrichtungen gefördert werden (vgl BT-Drucks
12/5262 S 136 zu §
81 Abs
3). Als flankierende Maßnahme hat der Gesetzgeber die Pflegekassen durch das Erste
SGB XI-Änderungsgesetz schließlich zusätzlich verpflichtet, den Versicherten bei Inanspruchnahme von Pflegeleistungen eine Leistungs-
und Preisvergleichsliste zur Verfügung zu stellen (vgl §
72 Abs
5 SGB XI idF des Ersten
SGB XI-Änderungsgesetzes; seit dem 1.1.2002 geregelt in §
7 Abs
3 SGB XI idF des Pflege-Qualitätssicherungsgesetzes - PQsG - vom 9.9.2001, BGBl I 2320; zu den Motiven vgl BT-Drucks 13/3696 S 15).
Auch das zielte auf die Verstärkung des Wettbewerbs unter den Einrichtungen.
b) Von diesem Wettbewerbskonzept ist auch das Vergütungsregime des
SGB XI für die stationäre Pflege maßgeblich geprägt. Schon nach der Ursprungsfassung des §
82 Abs
1 Satz 1
SGB XI hatten zugelassene Pflegeheime und Pflegedienste Anspruch auf eine "leistungsgerechte Vergütung" der allgemeinen Pflegeleistungen
(Pflegevergütung) und bei stationärer Pflege auf ein "angemessenes Entgelt" für Unterkunft und Verpflegung; dem entsprechend
müssen die Pflegesätze zur Vergütung der Pflegeleistungen "leistungsgerecht" sein (§
84 Abs
2 Satz 1
SGB XI) und das Entgelt für Unterkunft und Verpflegung "in einem angemessenen Verhältnis zu den Leistungen" stehen (§
87 Satz 2
SGB XI). Vorbild hierfür waren entsprechende Regelungen zur Vergütung von Krankenhäusern und von Einrichtungen nach dem BSHG. In beiden Bereichen war der Gesetzgeber vor der Verabschiedung des PflegeVG von dem dort bis dahin geltenden Kostendeckungsprinzip (vgl § 4 Satz 2 KHG in der bis zum 31.12.1992 geltenden Fassung; dies ausformend § 17 Abs 1 Satz 1 KHG und § 93 Abs 2 Satz 1 BSHG in der bis zum 31.12.1993 geltenden Fassung) abgerückt und hatte ähnliche Vergütungsvorschriften wie in §
84 Abs
2 Satz 1 und
4 SGB XI eingeführt (vgl § 17 Abs 1 Satz 3 KHG in der bis zum 29.4.2002 geltenden Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes - GSG - vom 21.12.1992 [BGBl I 2266], nunmehr inhaltlich im Wesentlichen gleichlautend § 17 Abs 2 Satz 1 KHG idF des Fallpauschalengesetzes vom 23.4.2002 [BGBl I 1412]; vgl auch § 93 Abs 2 Satz 2 BSHG idF von Art 1 Nr 9 des Zweiten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms - 2. SKWPG - vom 21.12.1993 [BGBl I
2374]). Leitend dafür war die Einschätzung des damaligen Gesetzgebers, dass sich das Kostendeckungsprinzip nicht bewährt habe
und einer wirtschaftlichen Leistungserbringung entgegenstehe. Die bis dahin geltende Selbstkostendeckungsgarantie habe eine
"grundsätzliche Fehlsteuerung" bewirkt; sie habe die Erstattung nachgewiesener Betriebskosten zur nahezu automatischen Folge
und biete keinen Anreiz für eine wirtschaftliche Betriebsführung. In Zukunft müssten deshalb nicht die Kosten, sondern die
Leistungen maßgeblich sein (vgl BT-Drucks 12/3608 S 130 ff zum GSG; ähnlich BT-Drucks 12/5510 S 10 ff zu § 93 BSHG). Diese Einschätzung hat sich auch der Gesetzgeber des PflegeVG ausdrücklich zu eigen gemacht. Seine Vorgabe der leistungsgerechten Vergütung bedeutet deshalb eine "klare Absage an jegliche
Form der Kostenerstattung" (vgl BT-Drucks 12/5262 S 144 zu § 93 Abs 2).
c) Diese Intention des Gesetzgebers zur Vergütung von stationären Pflegeleistungen wird durch Mitwirkungspflichten der jeweiligen
Pflegeheime nach §
85 Abs
3 SGB XI ergänzt. Deren Obliegenheiten waren in der ursprünglichen Fassung vor allem auf Nachweise zum Leistungsinhalt konzentriert;
erforderlich waren Angaben zu "Art, Inhalt und Umfang der Leistungen" unter Einschluss der personellen und sachlichen Ausstattung
des Pflegeheimes (vgl §
85 Abs
3 Satz 2 und
3 SGB XI idF des PflegeVG). Durch das Erste
SGB XI-Änderungsgesetz wurden diese Nachweisobliegenheiten nach Inhalt und der Form ausgeweitet. In dieser - inhaltlich seither
im Wesentlichen unveränderten - Fassung lautet §
85 Abs
3 Satz 2 bis
4 SGB XI: "Das Pflegeheim hat Art, Inhalt, Umfang und Kosten der Leistungen, für die es eine Vergütung beansprucht, durch Pflegedokumentationen
und andere geeignete Nachweise rechtzeitig vor Beginn der Pflegesatzverhandlungen darzulegen. Soweit dies zur Beurteilung
seiner Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit im Einzelfall erforderlich ist, hat das Pflegeheim auf Verlangen einer Vertragspartei
zusätzliche Unterlagen vorzulegen und Auskünfte zu erteilen. Hierzu gehören auch pflegesatzerhebliche Angaben zum Jahresabschluss
nach der Pflege-Buchführungsverordnung, zur personellen und sachlichen Ausstattung des Pflegeheims einschließlich der Kosten
sowie zur tatsächlichen Stellenbesetzung und Eingruppierung." Damit sollten die Nachweispflichten über die Personalbesetzung
und Personaleingruppierung im Hinblick auf den hohen Anteil der Personalkosten an den Pflegesätzen erhöht werden (vgl BT-Drucks
13/4091 S 42 zu Nr 28).
d) Diese Grundsätze zur Vergütung von stationären Pflegeleistungen hat der Gesetzgeber in der Folgezeit noch mehrfach modifiziert.
Im ersten Schritt hat er zunächst durch das PQsG mit Wirkung zum 1.1.2002 als § 80a
SGB XI das Instrument der Leistungs- und Qualitätsvereinbarung (LQV) eingefügt, die nunmehr gemäß §
84 Abs
5 SGB XI idF des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes - PflegeWEG - vom 28.5.2008 (BGBl I 874) Bestandteil der Pflegesatzvereinbarung
selbst geworden ist. In dieser letzten Fassung gilt nunmehr, dass die Pflegesatzvereinbarung die wesentlichen Leistungs- und
Qualitätsmerkmale einer Einrichtung festzulegen hat. Hierzu gehören insbesondere (§
84 Abs
5 Satz 2
SGB XI idF des PflegeWEG) "1. die Zuordnung des voraussichtlich zu versorgenden Personenkreises sowie Art, Inhalt und Umfang der
Leistungen, die von der Einrichtung während des nächsten Pflegesatzzeitraums erwartet werden, 2. die von der Einrichtung für
den voraussichtlich zu versorgenden Personenkreis individuell vorzuhaltende personelle Ausstattung, gegliedert nach Berufsgruppen,
sowie 3. Art und Umfang der Ausstattung der Einrichtung mit Verbrauchsgütern (§ 82 Abs 2 Nr 1)." Durch diese gesetzliche Differenzierung
ist die bis dahin in den Pflegesatzverhandlungen - jedenfalls formal - in einem Schritt zusammengefasste Festlegung der Leistungsinhalte
und der Vergütung auf zwei Teilelemente aufgeteilt und die Festlegung der von dem Pflegeheim erwarteten Leistung verselbstständigt
worden. Motiv für die Modifizierungen des PQsG war zum einen das Ziel, die Vorhaltung des erforderlichen Personals überprüfbar
zu machen und dadurch die Situation der Pflegebedürftigen zu verbessern. Zum anderen zielte die Neuregelung auf Korrekturen
bei der Vergütungsfindung: Maßgebend war für den Gesetzgeber die Einschätzung, dass sich die Kostenträger entgegen der gesetzlichen
Intention häufig an einem "Durchschnittswertemodell" orientieren und auf Vergütungen zu durchschnittlichen Vergütungssätzen
hinwirkten. Dies laufe dem Anspruch der Heime auf eine leistungsgerechte Vergütung zuwider und sei zudem Kosten treibend.
Denn wenn nur Durchschnittswerte maßgebend seien, könne nach der systemimmanenten Logik auch günstigen Einrichtungen die Anpassung
an das arithmetische Mittel nicht verwehrt werden. Deshalb sei ein Vergleich mit solchen Einrichtungen geboten, die in ihren
individuellen Leistungen konkret vergleichbar seien - ua als Grundlage dafür würden separate LQV benötigt (vgl BT-Drucks 14/5395
S 20).
e) Diese kritische Bewertung der Vergütung stationärer Pflegeleistungen nur anhand von Durchschnittswerten hat den Gesetzgeber
zuletzt auch bei der Änderung der Vergütungsregelungen durch das PflegeWEG geleitet. Demzufolge können bei der Bemessung der
Pflegesätze nun diejenigen Pflegeeinrichtungen "angemessen berücksichtigt werden, die nach Art und Größe sowie hinsichtlich
der in §
84 Abs
5 SGB XI genannten Leistungs- und Qualitätsmerkmale im Wesentlichen gleichartig sind" (so §
84 Abs
2 Satz 7
SGB XI idF des PflegeWEG). Bezweckt wurde damit die Klarstellung, dass für den Vergleich von Pflegeeinrichtungen im Hinblick auf
die Bemessung der Pflegesätze nur die in den wesentlichen Vergleichskriterien gleichartigen und nicht auch die wesensfremden
Einrichtungen herangezogen werden können. Dies bedeute - so der Gesetzgeber - eine Einschränkung der Rechtsprechung des erkennenden
Senats vom 14.12.2000 (Hinweis auf BSGE 87, 199 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1, dazu nachfolgend 3.). Die dort entwickelten Grundsätze und Maßstäbe dürften "nicht gegen den Willen
einer Vertragspartei, sondern nur noch auf gemeinsamen Wunsch aller Vertragsparteien zur Anwendung kommen" (vgl BT-Drucks
16/7439 S 71 zu Nr 50 Buchstabe a bb).
4. Mit Urteilen vom 14.12.2000 (vgl BSGE 87, 199 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1) hatte der erkennende Senat auf der Grundlage der damaligen Gesetzeslage entschieden, dass als leistungsgerechte
Vergütung iS von §
84 Abs
2 Satz 1
SGB XI in erster Linie der für vergleichbare Leistungen verlangte Marktpreis anzusehen ist. Den Gestehungskosten hatte er dagegen
Bedeutung nur für den Fall beigemessen, dass ein üblicher Marktpreis nicht ermittelt werden kann, weil entweder eine hinreichend
große Zahl von vergleichbaren Angeboten nicht vorliegt oder weil die zu vergleichenden Einrichtungen Unterschiede der Qualität
nach aufweisen. Leitend dafür war die Einschätzung, dass der Gesetzgeber des PflegeVG einen freien Wettbewerb der Einrichtungen angestrebt habe. Dies sei zwar nicht konsequent durchgehalten; insbesondere hätten
die Kassen eine starke Verhandlungsposition. Der Wettbewerb zwischen den Pflegeeinrichtungen und das natürliche Gewinnstreben
der Unternehmer würden jedoch dafür sorgen, dass die Pflegeleistungen unter dem Blickwinkel ihrer Gestehungskosten möglichst
kostengünstig angeboten würden. Kontrollinteressen der Kassen könnten nur dahin bestehen, dass die erbrachten Leistungen dem
Angebot und den zu stellenden Qualitätsanforderungen entsprächen. Regelmäßig sei es deshalb ausreichend, zur Bestimmung der
leistungsgerechten Vergütung den jeweiligen Marktpreis zu ermitteln (BSGE 87, 199, 203 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 6).
5. In der Literatur ist diese Rechtsprechung auf Kritik gestoßen. Methodisch richtet sie sich vor allem gegen die Annahme,
dass Pflegevergütungen unter Wettbewerbsbedingungen zustande kommen. Ein funktionierender Pflegemarkt bestehe nicht, deshalb
könne die Vergütung nicht nach Angebot und Nachfrage bestimmt werden (vgl zB Igl in: Igl/Klie, Pflegeversicherung auf dem
Prüfstand, 2000, S 29, 54; Pezina, PKR 2002, 23, 25; Riege, SozVers 2001, 292, 293; Bröcheler in: Köbl/Brünner, Die Vergütung von Einrichtungen und Diensten nach
SGB XI und BSHG, 2001, S 61, 72 f). Dem stehe bereits das Kräfteungleichgewicht zwischen Pflegeeinrichtungen und Pflegekassen entgegen (so
Neumann, SGb 2007, 521, 524 f; ferner Brünner, Vergütungsvereinbarungen für Pflegeeinrichtungen nach
SGB XI, 2001, S 166 f; skeptisch auch Vogel/Schmäing in: Klie/Krahmer,
SGB XI, 3. Aufl 2009, §
84 RdNr 9). Unvereinbar mit der Annahme eines rein wirtschaftlich agierenden Pflegemarkts seien auch die weitgehende Ermächtigung
der Pflegekassen zu Wirtschaftlichkeitsprüfungen (§
79 SGB XI) und zur Einholung von Kostennachweisen (§
85 Abs
3 SGB XI) sowie die Kartellierung der Pflegekassen beim Vertragsabschluss (§
85 Abs
2 Satz 1
SGB XI; vgl dazu Mayer, NZS 2008, 639, 642; Neumann, SGb 2001, 405, 409 und 2007, 521, 524 f; ders in: Köbl/Brünner, aaO, S 25, 33 ff; Neumann/Bieritz-Harder, Die leistungsgerechte Pflegevergütung,
2002, 33 f; Brünner, aaO, S 167; Riege, ZfS 2001, 268, 273; zurückhaltender Udsching in: Schnapp, Handbuch des sozialrechtlichen Schiedsverfahrens, 2004, S 171 f RdNr 417). Offen
sei des Weiteren, welches die leistungsbezogenen Vergleichsmerkmale sein sollen (Plantholz, Sozialrecht aktuell 2008, 163,
164 f). Problematisch sei schließlich auch noch die Bewertung von Tarifbindungen: Insoweit könnte sich eine Schere zwischen
Gestehungskosten und Refinanzierung öffnen, die existenzgefährdend sei; entsprechende Streitigkeiten würden auf dem Rücken
der Mitarbeiter ausgetragen (Mayer, NZS 2008, 639, 644 f; Plantholz, aaO, 163 ff; Bröcheler in: Köbl/Brünner, aaO, 61, 72 f; ähnlich Philipp, Sozialrecht aktuell 2008, 112;
Riege, aaO, 268, 270 f; Brünner, aaO, S 178 ff).
6. Die mit den Urteilen vom 14.12.2000 (BSGE 87, 199 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1) begründete Rechtsprechung führt der erkennende Senat nur noch teilweise fort. Allerdings hält er
daran fest, dass ausschließlich auf Gestehungskosten gestützte Vergütungsansprüche im geltenden Recht keine Grundlage finden.
Jedoch gibt er die Auffassung auf, dass sich die Vergütung im Allgemeinen ausschließlich nach Marktpreisen bestimmt und die
kalkulatorischen Gestehungskosten regelmäßig außer Betracht bleiben.
a) Im Ausgangspunkt hält der Senat daran fest, dass die Pflegevergütung auf einem marktorientierten Versorgungskonzept beruhen
muss und Ansprüche nach einem reinen Selbstkostendeckungsprinzip nicht bestehen. Das belegen Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte
des §
84 Abs
2 Satz 1 und
4 SGB XI, wonach die Pflegesätze leistungsgerecht sein und es einem Pflegeheim bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen müssen,
seinen Versorgungsauftrag zu erfüllen. Schon nach dem Wortlaut dieser Vorschrift besteht kein Anspruch auf eine ausschließlich
nach den Gestehungskosten bemessene Vergütung. Maßgeblich ist vielmehr, welche Leistungen die Einrichtung erbringt und welcher
Aufwand "einem" Pflegeheim bei wirtschaftlicher Betriebsführung dafür "im Allgemeinen" entsteht. Ein Abstellen allein auf
die voraussichtlichen Kosten des jeweiligen Trägers reicht dazu nicht aus, wie sich zudem aus Systematik und Entstehungsgeschichte
der Norm ergibt. Die Anlehnung an die Neufassung des § 17 Abs 1 Satz 3 KHG idF des GSG (dazu oben unter 3.b) besagt nämlich, dass die Pflegevergütung nicht schlechterdings auf die Erstattung nachgewiesener Selbstkosten
gerichtet sein darf (Knittel in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand November 2008, §
84 SGB XI RdNr 4; Mühlenbruch in: Hauck/Noftz,
SGB XI, Stand August 2008, K §
84 RdNr 14; Vogel/Schmäing in: Klie/Krahmer, aaO, §
84 RdNr 8; Wigge in: Wannagat,
SGB XI, Stand Dezember 2003, §
84 RdNr 9; Udsching,
SGB XI, 2. Aufl 2000, §
84 RdNr 5). Dies belegen schließlich auch die Gesetzesmaterialien mit dem Hinweis, dass die Regelung eine "klare Absage" an
jegliche Form der Kostenerstattung bedeute (vgl BT-Drucks 12/5262 S 144 zu § 93 Abs 2). Diese Systementscheidung des Gesetzgebers
wäre missachtet, würde §
84 Abs
2 Satz 1 und
4 SGB XI als Grundlage für Vergütungsansprüche auf Kostendeckungsbasis verstanden.
b) Der Senat hält aber nicht daran fest, dass die Höhe der Gestehungskosten für die zu vereinbarende Vergütung grundsätzlich
bedeutungslos ist und es regelmäßig nur auf die "Feststellung von Marktpreisen" ankommt (so die Urteile vom 14.12.2000, vgl
BSGE 87, 199, 203 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 6). Dem stehen die Regelungen des §
85 Abs
3 Satz 2 bis
4 SGB XI für das Pflegesatzverfahren entgegen, wonach das Pflegeheim vor Beginn der Pflegesatzverhandlungen geeignete Nachweise für
Art, Inhalt, Umfang und Kosten der Leistungen, für die eine Vergütung beansprucht wird, darzulegen hat, ggf ergänzt durch
zusätzliche Unterlagen bis hin zum Jahresabschluss nach der Pflege-Buchführungsverordnung. Diese Verpflichtung galt zwar im
Kern nach Ergänzung des §
85 Abs
3 SGB XI durch das Erste
SGB XI-Änderungsgesetz (vgl dazu oben 3.c) bereits zum Zeitpunkt der Senatsentscheidungen vom 14.12.2000. Ihr musste aus damaliger
Sicht jedoch noch keine solch entscheidende Bedeutung beigemessen werden. Für die Urteile vom 14.12.2000 war vielmehr die
Einschätzung des Senats maßgebend, dass Pflegeleistungen weitgehend standardisiert sind und ein Einrichtungsträger aus Gründen
des Wettbewerbs nur daran interessiert sein kann, seine Leistungen möglichst kostengünstig anzubieten (vgl BSGE 87, 199, 203 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 6). Den voraussichtlichen Gestehungskosten hat der Senat damals hingegen keine wesentlich
eigenständige Bedeutung zugemessen, weil die am Markt durchsetzbare Vergütung als Korrektiv für überhöhte Kosten gesehen wurde
und deshalb wohl nicht vorhersehbar war, dass Einrichtungen zB auch bei unterdurchschnittlichen Gestehungskosten eine durchschnittliche
Vergütung beanspruchen würden. Dem entsprechend schien auch dem Gesetzgeber ursprünglich der Nachweis der voraussichtlichen
Gestehungskosten als entbehrlich (vgl BT-Drucks 12/5262 S 145 zu § 94 Abs 3).
Diese Erwartungen haben sich im weiteren Verlauf so nicht bestätigt. In der Literatur sind sie ohnehin skeptisch beurteilt
worden (dazu oben unter 5.). Auch ist nicht zu übersehen, dass die Anwendung des externen Vergleichs in der Schiedsstellenpraxis
erhebliche Umsetzungsprobleme bereitet hat (Griep, PflR 2008, 153, 162). Vor allem haben sich die dem Pflegevergütungsrecht zu Grunde liegenden Einschätzungen des Gesetzgebers seither
gewandelt. Zunächst hat er sich bei Einführung der LQV durch das PQsG zum 1.1.2002 (dazu oben unter 3.d) von der Erkenntnis
leiten lassen, dass das bisherige Vergütungsregime in der Praxis der stationären Pflege nicht zu der erwarteten wettbewerbsorientierten
Ausdifferenzierung geführt, sondern nur Kosten treibend gewirkt und eine unerwünschte Vereinheitlichung der Pflegesätze befördert
hat. Zudem wurde festgestellt, dass Heimbewohnern Pflegesätze und Entgelte in Rechnung gestellt wurden, denen keine entsprechende
Personalausstattung zu Grunde lag (vgl BT-Drucks 14/5395 S 19 f zu 4 c und 6). Eine ähnlich kritische Wertung des Gesetzgebers
liegt den gesetzlichen Modifizierungen im PflegeWEG zu Grunde (dazu oben unter 3.b; vgl auch BT-Drucks 16/7439 S 71 zu Nr
50 Buchstabe a bb). Hierin kommt zum Ausdruck, dass sich die ursprünglichen Erwartungen des Gesetzgebers an ein wettbewerbsorientiertes
Leistungserbringungsrecht nicht wie gewünscht bestätigt haben. Unter diesen Umständen kann auch der Senat nicht unverändert
von der - früheren - Einschätzung ausgehen, dass der Markt überhöhten Vergütungsforderungen und mangelhafter Pflegequalität
hinreichend entgegenwirken wird und es deshalb - ohne Berücksichtigung der prognostischen Gestehungskosten nach Maßgabe von
§
85 Abs
3 Satz 2 bis
4 SGB XI - in erster Linie auf die Feststellung von Marktpreisen ankommen kann.
7. Die spätestens mit Inkrafttreten des PQsG zum 1.1.2002 in das geltende Recht eingeführten Ansätze zu stärker ausdifferenzierten
Pflegevergütungen geben dem Senat Anlass, seine Rechtsprechung zu modifizieren. Grundlage hierfür sind die Regelung des Pflegesatzverfahrens
in §
85 Abs
3 Satz 2 Halbsatz 1, Satz 3 und 4
SGB XI sowie die Bemessungsgrundsätze des §
84 Abs
2 Satz 1 und
4 SGB XI, jeweils idF des PflegeWEG, die der Sache nach aber auch schon für den hier streitigen Vergütungszeitraum von Januar bis
Ende 2002 entsprechend galten. Grundsätzlich sind Pflegesatzverhandlungen und evtl nachfolgende Schiedsstellenverfahren nach
einem zweigliedrigen Prüfungsmuster durchzuführen: Grundlage der Verhandlung über Pflegesätze und Entgelte ist zunächst die
Abschätzung der voraussichtlichen Kosten der in der Einrichtung erbrachten Leistungen nach §
85 Abs
3 Satz 2 Halbsatz 1 und Satz 3
SGB XI (Prognose - näher dazu unter 8.). Daran schließt sich in einem zweiten Schritt die Prüfung der Leistungsgerechtigkeit nach
§
84 Abs
2 Satz 1 und
4 SGB XI an. Maßgebend hierfür sind die Kostenansätze vergleichbarer Leistungen in anderen Einrichtungen (externer Vergleich - näher
dazu unter 9.). Im Ergebnis sind Pflegesätze und Entgelte dann leistungsgerecht iS von §
84 Abs
2 Satz 1
SGB XI, wenn erstens die voraussichtlichen Gestehungskosten der Einrichtung nachvollziehbar und plausibel dargelegt werden und sie
zweitens in einer angemessenen und nachprüfbaren Relation zu den Sätzen anderer Einrichtungen für vergleichbare Leistungen
stehen. Geltend gemachte Pflegesätze und Entgelte sind dann nicht angemessen, wenn Kostenansätze und erwartete Kostensteigerungen
nicht plausibel erklärt werden können oder wenn die begehrten Sätze im Verhältnis zu anderen stationären Pflegeeinrichtungen
unangemessen sind.
8. Zunächst ist - im ersten Prüfungsschritt - die Plausibilität der einzelnen Kostenansätze festzustellen. Die Vergütungsforderung
einer Einrichtung ist nicht ausreichend belegt, wenn sie nicht auf einer plausiblen und nachvollziehbaren Darlegung der voraussichtlichen
Gestehungskosten beruht.
a) Wie bereits dargestellt, sollen sich die Pflegesätze und Entgelte trotz ihrer Wettbewerbsorientierung nicht nur an der
marktüblichen Vergütung für solche Leistungen orientieren, sondern auch an den voraussichtlichen Gestehungskosten. Eine Vergütung
für stationäre Pflegeleistungen ist deshalb im Grundsatz erst dann leistungsgerecht (zur wirtschaftlichen Betriebsführung
vgl unten unter 9.), wenn sie die Kosten einer Einrichtung hinsichtlich der voraussichtlichen Gestehungskosten unter Zuschlag
einer angemessenen Vergütung ihres Unternehmerrisikos und eines etwaigen zusätzlichen persönlichen Arbeitseinsatzes sowie
einer angemessenen Verzinsung ihres Eigenkapitals deckt.
Die voraussichtlichen Gestehungskosten müssen plausibel und nachvollziehbar sein, also die Kostenstruktur des Pflegeheims
erkennen und eine Beurteilung seiner Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit im Einzelfall zulassen (§
85 Abs
3 Satz 2 Halbsatz 1 und Satz 3
SGB XI). Deshalb hat das Pflegeheim zunächst geeignete Nachweise beizubringen; die Vorlage einer reinen Kostenkalkulation ohne weitere
Angaben reicht in aller Regel nicht aus. Die Kostenkalkulation ist vielmehr hinreichend zu belegen und muss tatsächlich nachvollziehbar
sein. Diesem Plausibilitätserfordernis wird etwa genügt, wenn Kostensteigerungen zB auf erhöhte Energiekosten zurückzuführen
sind oder im Personalbereich auf die normale Lohnsteigerungsrate begrenzt bzw durch Veränderungen im Personalschlüssel oder
bei der Fachkraftquote bedingt sind. Nicht von vornherein als unplausibel ausgeschlossen ist auch die Erhöhung von Kostenansätzen,
die - wie im vorliegenden Fall - in den Vorjahren aufgrund fehlerhafter Kalkulation oder sogar bewusst - etwa um Marktsegmente
zu erobern - zu niedrig angesetzt worden sind; im letzteren Fall besteht allerdings eine besonders substanziierte Begründungspflicht
des Pflegeheims. Für eine erfolgreiche Plausibilitätsprüfung ist es indes nicht ausreichend, wenn eine erhebliche und nicht
durch konkrete Fakten belegte Erhöhung der Personalkosten mit der Begründung begehrt wird, diese Beträge seien an dem durchschnittlichen
tariflichen Arbeitgeberaufwand pro Vollzeitstelle orientiert, den die beklagte Schiedsstelle ohne Nachweis der konkreten Gestehungskosten
regelmäßig anerkenne (zu einer solchen Begründung vgl Senatsurteil vom 29.1.2009 - B 3 P 7/08 R -, Umdruck S 3 und 12).
Reichen die Angaben des Pflegeheims für eine abschließende Plausibilitätskontrolle der Kostenansätze nicht aus, sind nach
§
85 Abs
3 Satz 3 und
4 SGB XI zusätzliche Unterlagen vorzulegen und/oder Auskünfte zu erteilen. Dies kann von der weiteren Konkretisierung der zu erwartenden
Kostenlast über die Angabe von Stellenbesetzungen und Eingruppierungen bis zu pflegesatzerheblichen Auskünften zum Jahresabschluss
entsprechend den Grundsätzen ordnungsgemäßer Pflegebuchführung reichen und besteht auf Verlangen einer Vertragspartei (dazu
unten unter 10.), soweit dies zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit eines Pflegeheims im Einzelfall
erforderlich ist. Aber auch insoweit kommt es nur auf eine Plausibilitätsprüfung an, selbst im Hinblick auf die am 1.1.1996
in Kraft getretene und zuletzt durch das Achte Euro-Einführungsgesetz vom 23.10.2001 (BGBl I 2702) geänderte Pflege-Buchführungsverordnung
vom 22.11.1995 (BGBl I 1528). Nach deren § 7 Satz 1 und 2 haben die zugelassenen Pflegeeinrichtungen eine Kosten- und Leistungsrechnung
zu führen, die ua die Ermittlung und Abgrenzung der Kosten der jeweiligen Betriebszweige sowie die Erstellung der Leistungsnachweise
nach den Vorschriften des Achten Kapitels des
SGB XI ermöglichen muss. Bei Zweifeln über die voraussichtlichen künftigen Gestehungskosten kann die Nachweispflicht der Einrichtung
deshalb bis zum Nachweis der in der Vergangenheit angefallenen Kosten reichen. Dies folgt mittelbar auch aus der Schutznorm
des §
85 Abs
3 Satz 5
SGB XI, wonach personenbezogene Daten zu anonymisieren sind; die Pflegeeinrichtung kann also im Zweifelsfall zu einer weitgehenden
Offenlegung ihrer betriebswirtschaftlichen Berechnungsgrundlagen verpflichtet sein. Zusammengefasst folgt daraus, dass das
Pflegeheim seine Vergütungsforderung in tatsächlicher Hinsicht so zu belegen hat, dass die für die Zukunft geltend gemachte
Entwicklung seiner Gestehungskosten plausibel und nachvollziehbar ist.
b) Diese Anforderungen an die Plausibilitätsprüfung stehen nicht im Widerspruch zu dem wettbewerbsorientierten Vergütungsregime
des
SGB XI. Sie sind vielmehr Rechtfertigung dafür, dass im Pflegesatzverfahren mit der Mehrheit der Kostenträger (§
85 Abs
4 Satz 1
SGB XI) bzw der Schiedsstellenmitglieder (§
76 Abs
3 Satz 4
SGB XI) gemäß §
85 Abs
6 Satz 1
SGB XI verbindliche Entscheidungen zu Lasten der Heimbewohner und aller Kostenträger getroffen werden können. Dies setzt eine hinreichende
Tatsachengrundlage für die Einschätzung voraus, dass die von der Einrichtung geltend gemachten Pflegesätze und Entgelte angemessen
und den Heimbewohnern sowie der Versichertengemeinschaft bzw der Allgemeinheit deshalb entsprechende Zahlungen zuzumuten sind.
Dass der Gesetzgeber die dafür erforderliche Vergewisserung gemäß §
85 Abs
3 Satz 2 bis
4 SGB XI an die nachvollziehbare Darlegung der voraussichtlichen Gestehungskosten der Einrichtung geknüpft hat, ist nicht zu beanstanden.
Im Gegenteil liegt eine solche Vorgehensweise nahe, weil die Pflegesatzvereinbarungen gemäß §
85 Abs
2 Satz 2
SGB XI einrichtungsindividuell auszuhandeln sind und das Vergütungsregime des
SGB XI damit - im Interesse von Kostenträgern und Einrichtungen gleichermaßen - auf möglichst ausdifferenzierte und den Einrichtungsbesonderheiten
Rechnung tragende Vergütungen zielt. Soweit danach Angaben über Kostenstrukturen und betriebswirtschaftliche Kennzahlen verlangt
werden, die im allgemeinen Geschäftsverkehr üblicherweise nicht zu offenbaren sind, hält der Senat dies wegen der sozialrechtlichen
Bindung aller Beteiligter (§
1 SGB XI) für hinnehmbar. Zu beachten ist jedoch, dass die Anforderung solch weitgehender Auskünfte durch die Pflegekassen bzw die
Schiedsstellen einen besonders intensiven Eingriff in die Rechtssphäre einer Pflegeeinrichtung darstellt und deshalb auf Ausnahmen
zu beschränken ist, in denen die prognostische Angemessenheit der geltend gemachten Kostenansätze anders nicht ermittelbar
ist.
9. Auch nachvollziehbare prognostische Gestehungskosten rechtfertigen den geltend gemachten Vergütungsanspruch nur, soweit
er - im zweiten Prüfungsschritt - dem Vergütungsvergleich mit anderen Einrichtungen standhält und sich insoweit als leistungsgerecht
iS von §
84 Abs
2 Satz 1
SGB XI erweist. Das folgt aus §
84 Abs
2 Satz 4 und Satz 7
SGB XI idF des PflegeWEG (vgl oben unter 3.d und e), wonach die Pflegesätze wirtschaftlicher Betriebsführung entsprechen müssen
und hierbei die Pflegesätze derjenigen Einrichtungen angemessen berücksichtigt werden können, die im Wesentlichen gleichartig
sind; diese Grundsätze galten auch schon in dem hier streitbefangenen Zeitraum Januar bis Dezember 2002. Wirtschaftlicher
Betriebsführung entspricht der Vergütungsanspruch danach regelmäßig ohne weitere Prüfung, wenn der geforderte Pflegesatz nebst
Entgelt für Unterkunft und Verpflegung im unteren Drittel der zum Vergleich herangezogenen Pflegevergütungen liegt. Ist dies
nicht der Fall, sind die von der Einrichtung geltend gemachten Gründe auf ihre wirtschaftliche Angemessenheit zu überprüfen.
Die Einhaltung der Tarifbindung und die Zahlung ortsüblicher Gehälter sind dabei immer als wirtschaftlich angemessen zu werten.
a) Obergrenze der Vergütungsforderung ist - auch bei nachvollziehbar prognostischen Gestehungskosten - das Maß des auch im
Vergleich mit der Vergütung anderer Einrichtungen wirtschaftlich Angemessenen. Das folgt insbesondere aus §
84 Abs
2 Satz 4 und 7
SGB XI, mit dem der Gesetzgeber die Pflegevergütung in Abkehr vom Selbstkostendeckungsprinzip am Leitbild der Leistungsgerechtigkeit
(§
84 Abs
2 Satz 1
SGB XI) ausgerichtet hat. Leistungsgerecht sind die Pflegesätze danach, soweit sie es einem Pflegeheim bei wirtschaftlicher Betriebsführung
ermöglichen, seinen Versorgungsauftrag zu erfüllen (§
84 Abs
2 Satz 4
SGB XI). Insoweit sind Pflegesätze und Entgelte einerseits an den individuellen Besonderheiten des Pflegeheims auszurichten, als
es um "seinen Versorgungsauftrag" geht; Bezugspunkt hierfür ist der einrichtungsindividuelle Versorgungsauftrag, wie er sich
aus dem Versorgungsvertrag und weiteren Vereinbarungen - insbesondere den LQV nach §
84 Abs
5 SGB XI idF des PflegeWEG - im Einzelfall ergibt. Maßstab der Wirtschaftlichkeit der Betriebsführung ist andererseits nicht der im
Einzelfall, sondern der dazu allgemein erforderliche Betriebsaufwand. Augenfälliger Ausdruck dessen ist zunächst, dass die
Pflegesätze nach §
84 Abs
2 Satz 4
SGB XI "einem" Pflegeheim bei wirtschaftlicher Betriebsführung die Erfüllung seines Versorgungsvertrages ermöglichen müssen. Zum
Maßstab erhoben ist dadurch der generalisierte Vergütungsbedarf eines idealtypischen und wirtschaftlich operierenden Pflegeheimes
(ebenso BVerwGE 108, 47, 55 zur inhaltsgleichen Klausel des § 93 Abs 2 Satz 2 BSHG idF des 2. SKWPG). Bestätigt wurde dies zuletzt durch die mit dem PflegeWEG eingefügte Regelung des §
84 Abs
2 Satz 7
SGB XI, wonach bei Bemessung der Pflegevergütung die Pflegesätze derjenigen Pflegeeinrichtungen angemessen berücksichtigt werden
können, die nach Art und Größe sowie hinsichtlich der Leistungs- und Qualitätsmerkmale im Wesentlichen gleichartig sind. Das
zielt zwar einerseits auf eine Korrektur der Urteile des erkennenden Senats vom 14.12.2000 (vgl BT-Drucks 16/7439 S 71 zu
Nr 50 Buchstabe a bb); andererseits drückt sich darin aber auch aus, dass die Leistungsgerechtigkeit der Pflegesatzforderung
nicht alleine nach einrichtungsindividuellen Kosten zu beurteilen ist, sondern dazu auch ein Vergleich mit anderen Einrichtungen
erforderlich ist. Diese Wertung lag den Vergütungsregelungen des
SGB XI schon vor der Verabschiedung des PflegeWEG zu Grunde (vgl nur BT-Drucks 14/5395 S 20 zu § 80a
SGB XI idF des PQsG).
b) Methode der Wahl zur Beurteilung der Leistungsgerechtigkeit einer Vergütungsforderung für stationäre Pflegeleistungen ist
weiterhin, wie vom Senat bereits mit den Urteilen vom 14.12.2000 entschieden (BSGE 87, 199, 203 f = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 6 f), der externe Vergleich mit anderen Einrichtungen; allerdings nach dem modifizierten
Prüfungsansatz des Senats nunmehr mit anderer Grundlage und Zielrichtung (dazu unten unter c). Rechtsgrundlage hierfür ist
seit dem Inkrafttreten des PflegeWEG am 1.7.2008 die Regelung des §
84 Abs
2 Satz 7
SGB XI. Für den Zeitraum davor (hier: Januar bis Dezember 2002) gilt dies entsprechend; von der Notwendigkeit des Vergleichs mit
den Pflegesätzen anderer Einrichtungen war der Gesetzgeber in Übereinstimmung mit dem Regelungskonzept einer leistungsgerechten
Vergütung schon zuvor ausgegangen (vgl BT-Drucks 14/5395 S 20 zu § 80a
SGB XI idF des PQsG). Dem können sich die Einrichtungsträger auch nicht unter Verweis auf die Gesetzesmaterialien deshalb entziehen,
weil die Grundsätze der Senatsentscheidungen vom 14.12.2000 "nicht gegen den Willen einer Vertragspartei, sondern nur noch
auf gemeinsamen Wunsch aller Vertragsparteien zur Anwendung kommen dürfen" (so BT-Drucks 16/7439 S 71 zu Nr 50 Buchstabe a
bb). Damit ist lediglich zum Ausdruck gebracht, dass die in den Urteilen vom 14.12.2000 herausgestellte Orientierung an durchschnittlichen
Marktpreisen nur mit Zustimmung auch der Kostenträger zur Grundlage der Pflegesatzbemessung erhoben werden darf; an der gegenteiligen
Meinung hält der Senat indes - wie dargelegt - ohnehin nicht fest. Nicht frei sind Einrichtungs- und Kostenträger hingegen,
ob die Pflegesatzforderung auf wirtschaftliche Angemessenheit überprüft und insoweit auch einem Fremdvergleich unterzogen
wird; das ist nach dem Vergütungskonzept des
SGB XI mit den Vorgaben insbesondere des §
84 Abs
2 Satz 1 und
4 SGB XI vielmehr rechtlich geboten (zu den daraus resultierenden Darlegungsanforderungen vgl unten 10.). Insoweit unterscheidet sich
die vorstehende Regelung in ihren rechtlichen Wirkungen nicht von der vergleichbaren Norm des § 17 Abs 2 Satz 2 KHG, wonach bei der Beachtung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität die Vergütungen vergleichbarer Krankenhäuser angemessen
zu berücksichtigen sind. Zu einer entsprechenden Pflicht verdichtet sich das nach §
84 Abs
2 Satz 7
SGB XI eingeräumte Ermessen, weil anders nicht zu beurteilen ist, ob die beanspruchte Vergütung den Grundsätzen wirtschaftlicher
Betriebsführung entspricht.
c) Allerdings bestimmt das Ergebnis des externen Vergleichs die angemessene Pflegevergütung nicht abschließend. Davon war
der Senat noch in den Urteilen vom 14.12.2000 ausgegangen. Danach sollte auf diesem Weg der - durchschnittliche - Marktpreis
als regelmäßig verbindliche Richtgröße der leistungsgerechten Vergütung ermittelt werden, soweit ein solcher Marktpreis feststellbar
und er nicht aus Gründen mangelnder Pflegequalität unverwertbar war (vgl BSGE 87, 199, 203 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 6 f). Diese rechtlich verbindliche Wirkung kann dem externen Vergleich im Rahmen der modifizierten
Senatsrechtsprechung zur leistungsgerechten Pflegevergütung heute nicht mehr zukommen. Leistungsgerecht ist eine Pflegevergütung
- wie dargelegt - nur dann, wenn sie erstens mit nachvollziehbaren prognostischen Gestehungskosten unterlegt ist und sich
zweitens im Hinblick auf die Vergütung anderer Einrichtungen nicht als unwirtschaftlich erweist. Die Pflegesätze anderer Einrichtungen
können demzufolge nur eine Vergleichsgröße im Rahmen der Angemessenheitskontrolle nach §
84 Abs
2 Satz 4 und 7
SGB XI darstellen, nicht aber eine unmittelbar verbindliche Bemessungsgröße für Pflegesatz und Entgelt sein. Insoweit ist der externe
Vergleich kein Ersatz für die von den Pflegesatzparteien und ggf der Schiedsstelle vorzunehmende Bewertung der Pflegesatzforderung
auf ihre wirtschaftliche Angemessenheit, sondern Grundlage dieser Bewertung.
d) Materieller Maßstab der auf der Grundlage des externen Vergleichs vorzunehmenden Bewertung ist §
84 Abs
2 Satz 4
SGB XI. Danach ist die Pflegesatzforderung leistungsgerecht iS von §
84 Abs
2 Satz 1
SGB XI, wenn der von der Vergütung abzudeckende - und hinreichend nachvollziehbare - Aufwand der Einrichtung den Grundsätzen wirtschaftlicher
Betriebsführung entspricht. Das ist dann nicht der Fall, wenn der Aufwand zur Erfüllung des Versorgungsauftrages gerade dieser
Einrichtung und nach Maßgabe der Kriterien des §
84 Abs
2 Satz 7
SGB XI im Vergleich zu den Pflegesätzen anderer Einrichtungen als unwirtschaftlich anzusehen ist. Insoweit sind drei Fallgruppen
zu unterscheiden:
(1) Stets als leistungsgerecht anzusehen sind Pflegesätze und Entgelte für Unterkunft und Verpflegung, die über die günstigsten
Eckwerte vergleichbarer Einrichtungen nicht hinausreichen. Insoweit ist mit dem niedrigsten Pflegesatz/Entgelt derjenige Betrag
bezeichnet, der zur Erfüllung des Versorgungsauftrages als noch ausreichend angesehen wird. Entspricht die Pflegesatzforderung
dem günstigsten Pflegesatz vergleichbarer Einrichtungen oder bleibt sie gar darunter, kann der Einrichtung eine unwirtschaftliche
Betriebsführung deshalb schon im Ansatz nicht entgegengehalten werden. Weitere Prüfungen im Hinblick auf die wirtschaftliche
Betriebsführung und die Leistungsgerechtigkeit der Vergütung sind in diesem Fall entbehrlich.
(2) Ebenfalls regelmäßig ohne weitere Prüfung als leistungsgerecht anzusehen sind Pflegesatzund Entgeltforderungen im unteren
Drittel der vergleichsweise ermittelten Pflegesätze/Entgelte. Das entnimmt der Senat dem Rechtsgedanken des §
35 Abs
5 Satz 4
SGB V idF von Art 1 Nr
23 Buchstabe d des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190). Danach soll der Festbetrag für Arzneimittel
in einer der Festbetragsgruppen nach §
35 Abs
1 Satz 2
SGB V "den höchsten Abgabepreis des unteren Drittels des Intervalls zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Preis einer Standardpackung
nicht übersteigen". Ziel ist es, hierdurch Wirtschaftlichkeitsreserven auszuschöpfen, einen wirksamen Preiswettbewerb auszulösen
und sich an möglichst preisgünstigen Versorgungsmöglichkeiten auszurichten (§
35 Abs
5 Satz 2 Halbsatz 1
SGB V idF von Art 1 Nr
6 des GKV-Solidaritätsstärkungsgesetzes - GKV-SolG - vom 19.12.1998 [BGBl I 3853]) und dabei zugleich eine im Allgemeinen ausreichende,
zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung zu gewährleisten (§
35 Abs
5 Satz 1
SGB V idF des Gesundheitsreformgesetzes - GRG - vom 20.12.1988 [BGBl I 2477]). Insoweit ist mit der auf das GKV-SolG zurückgehenden DrittelRegelung die bis dahin geltende
Maßgabe ersetzt worden, wonach die Festbetragsfestsetzung an den preisgünstigen Apothekenabgabepreisen auszurichten war (§
35 Abs
5 Satz 3 Halbsatz 1
SGB V idF des GRG). Nach der hierfür maßgeblichen Einschätzung erschien das Tatbestandsmerkmal "preisgünstig" als nicht hinreichend konkret
und deshalb als Hindernis bei der praktischen Umsetzung der Festbetragsregelung (vgl BT-Drucks 14/24 S 17 zu Nr 6). Getragen
ist die Drittel-Regelung danach von der gesetzlichen Wertung, dass eine Versorgung - dort: mit Arzneimitteln - im unteren
Drittel des Preissegments als "preisgünstig" und damit als hinreichend wirtschaftlich anzusehen ist. Weder Versicherte noch
Leistungserbringer sind danach insoweit - anders hingegen nunmehr etwa bei der Hilfsmittelversorgung nach §
127 Abs
1 Satz 1
SGB V idF des GKV-OrgWG vom 15.12.2008 (BGBl I 2426) - darauf verwiesen, notwendig die preisgünstigste Versorgung zu wählen bzw
anzubieten, solange sie nur im unteren Drittel des relevanten Preissegments bleiben.
Dieser Rechtsgedanke ist nach Interessenlage und Systematik auf die Beurteilung von Pflegesatzforderungen übertragbar. Einerseits
zielt das Vergütungsrecht des
SGB XI mit dem Maßstab der wirtschaftlichen Betriebsführung auf eine möglichst kostengünstige und Wirtschaftlichkeitsreserven ausschöpfende
Versorgung. Das entspricht auch den Interessen von Heimbewohnern und Kostenträgern. Deshalb ist ein höherer Pflegesatz bei
vergleichbarer Pflegeleistung stets der Rechtfertigung bedürftig und nach §
84 Abs
2 Satz 4
SGB XI nur dann leistungsgerecht iS von §
84 Abs
2 Satz 1
SGB XI, wenn sich der von der Vergütung abgedeckte Aufwand der Einrichtung im Rahmen des wirtschaftlich Angemessenen hält. Andererseits
ist es den Heimträgern innerhalb dieses Rahmens auch nicht verwehrt, ihre Pflegeleistungen zu höheren Pflegesätzen anzubieten.
Zudem sind zuletzt in das
SGB XI eingefügte Regelungen von dem Bestreben getragen, eine Vergütungsspirale nach unten zu Lasten der Pflegequalität und auf
Kosten einer unter das ortsübliche Maß abgesunkenen Arbeitsvergütung zu vermeiden (vgl §§
72 Abs
3 Satz 1 Nr
2,
84 Abs
2 Satz 7
SGB XI und hierzu BT-Drucks 16/7439 S 67 zu Nr 40 Buchstabe c aa sowie S 71 zu Nr 50 Buchstabe a bb). Wie bei der Arzneimittelversorgung
unter dem Regime von Festbetragsregelungen nach §
35 SGB V - anders indes bei Rabattverträgen gemäß §
130a Abs
8 SGB V idF von Art 1 Nr 97 Buchstabe i) des GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 378) - lässt das Recht der stationären Pflegevergütung sonach eine Bandbreite von Pflegevergütungen
zu, innerhalb derer sich wirtschaftlich angemessene Pflegesätze ausbilden können und die jeweils - iS von §
35 Abs
5 Satz 2 Halbsatz 1
SGB V - als hinreichend kostengünstig anzusehen sind. Dies rechtfertigt es, die Pflegesätze analog §
35 Abs
5 Satz 4
SGB V jedenfalls im unteren Drittel des beim externen Vergleich ermittelten Vergütungsbereichs in aller Regel ohne weitere Prüfung
als wirtschaftlich angemessen und deshalb leistungsgerecht anzusehen.
(3) Auch oberhalb des unteren Drittels vergleichbarer Pflegevergütungen kann sich eine Forderung als leistungsgerecht erweisen,
sofern sie auf einem - zuvor nachvollziehbar prognostizierten - höheren Aufwand der Pflegeeinrichtung beruht und dieser nach
Prüfung im Einzelfall wirtschaftlich angemessen ist. Das ist der Fall, soweit die Einrichtung Gründe für einen höheren Pflegesatz
oder ein höheres Entgelt für Unterkunft und Verpflegung aufzeigt und diese den Grundsätzen wirtschaftlicher Betriebsführung
entsprechen. Gründe für einen in diesem Sinne als wirtschaftlich angemessen anzusehenden höheren Aufwand können sich insbesondere
aus Besonderheiten im Versorgungsauftrag der Einrichtung ergeben, etwa aus besonders personalintensiven Betreuungserfordernissen,
aus besonderen Leistungsangeboten zugunsten der Heimbewohner oder einem in der Pflegequalität zum Ausdruck kommenden höheren
Personalschlüssel (vgl BT-Drucks 16/7439 S 71 zu Nr 50 Buchstabe a bb). Rechtfertigende Gründe für einen höheren Pflegesatz
können auch aus Lage und Größe einer Einrichtung folgen, wenn sich daraus wirtschaftliche Nachteile gegenüber der Lage oder
dem Zuschnitt anderer Einrichtungen ergeben und der Sicherstellungsauftrag der Pflegekassen (vgl §
69 Satz 1
SGB XI idF des PflegeVG) ohne die vergleichsweise teure Einrichtung nicht erfüllt werden kann. Schließlich genügen auch die Einhaltung einer Tarifbindung
und ein deswegen höherer Personalkostenaufwand stets den Grundsätzen wirtschaftlicher Betriebsführung; dies ergibt sich nunmehr
als ausdrückliche Folge der Regelung des §
72 Abs
3 Satz 1 Nr
2 SGB XI idF des Art 1 Nr
40 Buchstabe c aa des PflegeWEG, galt aber - als Rechtfertigung für eine höhere Vergütungsforderung - entsprechend schon zuvor,
wenn die Tarifbindung einen höheren Personalkostenaufwand der Einrichtung bedingte. An der auf anderer Grundlage beruhenden
Einschränkung in den Urteilen vom 14.12.2000 (BSGE 87, 199, 203 f = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 6 f) hält der Senat nicht mehr fest. Entscheidend kommt es jeweils in der Gesamtbewertung
darauf an, ob der von der Einrichtung geforderte Vergütungssatz im Vergleich mit günstigeren Pflegesätzen und Entgelten anderer
Einrichtungen im Hinblick auf die Leistungen der Einrichtung und die Gründe für ihren höheren Kostenaufwand (dennoch) als
insgesamt angemessen und deshalb leistungsgerecht iS von §
84 Abs
2 Satz 1
SGB XI anzusehen ist. Ist diese Frage zu bejahen, dann sind Pflegesatz- und Entgeltforderungen auch oberhalb des unteren Vergleichsdrittels
wirtschaftlich angemessen.
e) Der Senat geht davon aus, dass in diesen neu strukturierten externen Vergleich grundsätzlich alle Pflegeeinrichtungen eines
bestimmten Bezirks - Stadt, Landkreis oä - einzubeziehen sind, ohne dass es auf deren Größe oder sonstige äußere Beschaffenheit
ankommt. Er lässt aber ausdrücklich offen, ob sich nicht im Einzelfall abweichende Kriterien ergeben können, die die Vergleichbarkeit
lokal oder regional benachbarter Einrichtungen gleichwohl beeinträchtigen und denen durch Differenzierungen Rechnung zu tragen
ist. Dies könnten etwa Besonderheiten im Versorgungsauftrag einer Einrichtung sein, aber auch sehr personalintensive Betreuungserfordernisse
oder besondere Leistungsangebote; fehlende oder bestehende Tarifbindungen, die religiöse, weltanschauliche und sozialpolitische
Ausrichtung der Trägerinstitutionen oder deren Organisationsform gehören jedenfalls nicht dazu.
10. Grundlage der Vergütung von stationären Pflegeeinrichtungen sind die von den Betreibern beizubringenden Angaben über die
voraussichtlichen Gestehungskosten der Einrichtung einerseits und ihrer Einordnung im Vergütungsgefüge der übrigen Einrichtungen
andererseits. Hieraus ergeben sich wechselseitige Darlegungslasten auf beiden Ebenen der vorstehend skizzierten Prüfung:
a) Für die 1. Prüfungsstufe - Nachvollziehbarkeit der prognostizierten Kostenansätze (vgl oben unter 8.) - hat zunächst die
Einrichtung ihre voraussichtlichen Gestehungskosten zu benennen und ggf durch Unterlagen zu belegen. Daraus erwächst für die
Pflegekassen aus der im Rechtsverhältnis zu den Versicherten bestehenden Treuhänderstellung (vgl BSGE 87, 199, 201 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 4) bereits auf dieser ersten Prüfungsstufe die Rechtspflicht, die von der Einrichtung vorgelegte
Kalkulation in sich und ggf auch im Vergleich mit den Werten anderer Einrichtungen auf Schlüssigkeit und Plausibilität in
dem Sinne zu überprüfen, ob diese Kostenkalkulation eine nachvollziehbare Grundlage für die vergleichende Bewertung auf der
zweiten Prüfungsstufe sein kann. Ist das nicht der Fall, haben die Pflegekassen den Einrichtungsträger bereits in dieser Phase
der Prüfung substanziiert auf Unschlüssigkeiten im eigenen Vorbringen hinzuweisen oder durch geeignete Unterlagen anderer
Einrichtungen mit Verweis auf deren Kostenstruktur konkret darzulegen, dass die aufgestellte Kalkulation der voraussichtlichen
Gestehungskosten nicht plausibel erscheint. Wird die Kostenprognose der Einrichtung durch ein solch substanziiertes Bestreiten
der Kostenträger erschüttert, muss die Einrichtung wiederum im Nachweisverfahren nach §
85 Abs
3 Satz 3 und
4 SGB XI weitere Belege dafür beibringen, dass ihre Vergütungsforderung auf einer plausiblen Kalkulation der voraussichtlichen Gestehungskosten
beruht. Entsprechendes gilt für das Schiedsstellenverfahren (vgl unten unter 11.).
b) Für die 2. Prüfungsstufe - externer Vergütungsvergleich (vgl oben unter 9.) - haben zunächst die Kostenträger dem Pflegeheim
und - soweit die Schiedsstelle angerufen ist - dieser alle notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen, die einen Vergleich
der von der Einrichtung geforderten Vergütung mit den Pflegesätzen anderer Einrichtungen nach den vorstehend dargelegten Kriterien
erlaubt. Dazu sind die Pflegekassen im Rahmen ihrer Sachwalterstellung im Verhältnis zu den Versicherten verpflichtet, weil
die notwendige Kenntnis über die Pflegevergütungen der vergleichbaren Einrichtungen ausschließlich bei ihnen anfällt und die
Angaben unschwer von ihnen aufbereitet werden können. Zu erstrecken haben sich die Angaben auf Pflegesätze und Entgelte aller
Einrichtungen in dem einschlägigen räumlichen Markt, also ohne Unterscheidung nach der Tarifbindung. Diese hat für den Vergleich
von Pflegevergütungen als solche keine rechtliche Relevanz; Bedeutung kann der Tarifbindung nur zukommen, soweit dies höhere
Gestehungskosten bedingt und im Rahmen der Angemessenheitskontrolle einen Pflegesatz auch oberhalb des unteren Preisdrittels
rechtfertigen kann (vgl oben unter 9.d - 3. Fallgruppe). Besteht hiernach - auf der Grundlage des externen Vergleichs - Rechtfertigungsbedarf
für einen Pflegesatz und/oder Entgelte oberhalb des unteren Vergleichsdrittels, so hat zunächst die Einrichtung die Gründe
anzugeben und nachvollziehbar zu belegen, die - aus ihrer Sicht - die höhere Pflegesatzforderung angemessen erscheinen lassen.
Dazu haben wiederum die Kostenträger nach Maßgabe ihrer - notfalls noch zu beschaffenden - Marktkenntnis Stellung zu nehmen,
sodass sowohl dem Einrichtungsträger als auch - bei ihrer Anrufung - der Schiedsstelle eine sachgerechte Beurteilung der Pflegesatzforderung
möglich ist.
11. Im Hinblick auf den im Prüfverfahren bestehenden Beurteilungsspielraum der Schiedsstelle sind die Vorinstanzen im Anschluss
an die Urteile des Senats vom 14.12.2000 (aaO) zutreffend von einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrollmöglichkeit des
Schiedsspruchs ausgegangen. Der Schiedsspruch stellt seiner Natur nach einen Interessenausgleich durch ein sachnahes und unabhängiges
Gremium dar. Insbesondere mit der paritätischen Zusammensetzung, dem Mehrheitsprinzip und der fachlichen Weisungsfreiheit
(§
76 Abs
4 SGB XI) will der Gesetzgeber die Fähigkeit dieses Spruchkörpers zur vermittelnden Zusammenführung unterschiedlicher Interessen und
zu einer Entscheidungsfindung nutzen, die nicht immer die einzig sachlich vertretbare ist und häufig Kompromisscharakter aufweist.
Gleichwohl haben die Schiedsstellen eine umfassende Aufklärungspflicht und dürfen Aufklärungsermittlungen auf beiden Seiten
durchführen. Sie müssen aber das Beschleunigungsgebot beachten (§
85 Abs
5 Satz 1
SGB XI) und sollten Auflagen zur Sachverhaltsklärung möglichst schon mit der Ladung zum Schiedstermin verbinden. Die Möglichkeit
zum Erlass von sog Beweislastentscheidungen ist nicht ausgeschlossen, falls eine der Schiedsparteien den gemachten Auflagen
nicht oder nicht rechtzeitig nachkommt, in der Praxis aber durch den Umstand beschränkt, dass ein Schiedsspruch auch unmittelbare
Wirkung für die am Verfahren nicht direkt beteiligten Heimbewohner besitzt (§
85 Abs
6 Satz 1
SGB XI) und sie nicht "Opfer" von Beweislastentscheidungen werden dürfen. Den Abschluss des Verfahrens bildet bei fehlender Einigung
der Schiedsspruch, der mit einer hinreichenden Begründung zu versehen ist (vgl BSGE 87, 199, 202 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 5 mwN).
Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze und des Entscheidungsspielraums der Schiedsstelle ist gerichtlich ausschließlich
zu überprüfen, ob die Ermittlung des Sachverhalts in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs erfolgt ist,
ob zwingendes Gesetzesrecht beachtet und ob der bestehende Beurteilungsspielraum eingehalten worden ist. Dies setzt voraus,
dass die gefundene Abwägung durch die Schiedsstelle Eingang in die Begründung des Schiedsspruchs gefunden hat. Die Anforderungen
hieran dürfen im Hinblick auf Stellung und Funktion der Schiedsstelle jedoch nicht überspannt werden. Die Schiedsstelle unterhält
- jedenfalls im Wesentlichen - keinen eigenen Verwaltungsunterbau und ist deshalb in besonderer Weise auf die Mitwirkung der
Beteiligten angewiesen. Es ist deshalb in der Regel nicht zu beanstanden, wenn sich die Schiedsstellenbegründung auf die in
diesem Rahmen vorgebrachten Angaben der Beteiligten oder von ihren Mitgliedern selbst eingeführte Hinweise bezieht. Dies kann
auch in knapper Form erfolgen, soweit dies für die Beteiligten verständlich ist und sich nicht auf Tatsachen bezieht, die
in der Schiedsstellenverhandlung selbst in Zweifel gezogen worden sind.
12. Hiervon ausgehend erweist sich der angefochtene Schiedsspruch als rechtswidrig, wie vom LSG im Ergebnis richtig entschieden.
Ausschlaggebend ist dafür allerdings nicht die unzureichende Durchführung des externen Vergütungsvergleichs, also der 2. Stufe
der vorstehend skizzierten Prüfung (vgl oben unter 9.). Auf dessen korrekte Durchführung kommt es jedenfalls nach dem gegenwärtigen
Verfahrensstand nicht an, weil die beklagte Schiedsstelle die Angaben der Klägerin zur Steigerung der Kostenansätze bereits
auf der 1. Prüfungsstufe - Nachvollziehbarkeit der Kostenprognose (vgl oben unter 8.) - als rechtlich unbeachtlich und deshalb
das Erhöhungsverlangen jedenfalls nach Maßgabe des konkreten Antrags der Klägerin schon im Ansatz als ungerechtfertigt angesehen
hat. Diese Einschätzung ist indes verfahrensfehlerhaft. Grundlage der Entscheidung über die Pflegevergütung sind die auf der
1. Prüfungsstufe abzuschätzenden voraussichtlichen Gestehungskosten der Einrichtung, so wie sie mutmaßlich im Vergütungszeitraum
tatsächlich entstehen werden. Bestehen daran Zweifel, weil - wie hier - erhebliche Steigerungen geltend gemacht werden, muss
der Einrichtung Gelegenheit gegeben werden, die Prognose durch Nachweise nach §
85 Abs
3 Satz 3 und
4 SGB XI näher zu unterlegen (vgl oben unter 10.a). Das gilt auch für das Schiedsstellenverfahren. Die Beklagte hätte deshalb dem
Vorbringen der Klägerin nachgehen müssen, dass sie im Jahr 1996 nur zu nicht kostendeckenden Pflegesätzen an der Versorgung
der Versicherten beteiligt worden ist und die Fortschreibungen der Pflegesätze seither einen kostendeckenden Betrieb ebenfalls
nicht ermöglicht hätten. Dieser Einwand ist nicht - wie von der Beklagten angenommen - von vorneherein unbeachtlich. Allerdings
wird die Einrichtung ihr Vorbringen in einem solchen Fall in besonderer Weise durch Vorlage von Buchführungsunterlagen oä
nachvollziehbar zu machen haben. Erst auf Grundlage und nach Auswertung solcher Unterlagen kann entschieden werden, ob und
inwieweit die geltend gemachte Pflegesatzforderung hinreichend verifizierbar ist. Das wird die Beklagte nachzuholen und auf
dieser Basis zu entscheiden haben, ob die geforderten Pflegevergütungen und Entgelte nach Maßgabe des Dargelegten (vgl oben
unter 9.) ggf auf der 2. Prüfungsstufe einem externen Vergleich mit den Vergütungen aller Einrichtungen im Umkreis zu unterziehen
sind.
13. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 SGG iVm §
154 Abs
1 und
2 Verwaltungsgerichtsordnung, die Streitwertfestsetzung auf § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und § 47 Abs 1 Gerichtskostengesetz. Der Senat folgt der Streitwertberechnung des LSG, hält aber die Festsetzung nur der Hälfte des Streitwerts für nicht angemessen.