Warnfunktion eines Beweisantrages
Beweisantrag in einem vorbereitenden Schriftsatz
Hilfsweise Wiederholung eines Beweisantrages
Gründe:
Mit Urteil vom 23.10.2014 hat das LSG Niedersachsen-Bremen einen Anspruch des Klägers auf Feststellung, auch in der Zeit vom
1.6.2004 bis 3.9.2007 als nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson versicherungspflichtig gewesen zu sein, verneint.
Für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger die Bewilligung
von Prozesskostenhilfe beantragt.
Der Prozesskostenhilfeantrag des Klägers ist abzulehnen.
Nach §
73a Sozialgerichtsgesetz (
SGG) iVm §
114 Zivilprozessordnung (
ZPO) kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann Prozesskostenhilfe bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
Dies ist hier nicht der Fall. Es ist nicht zu erkennen, dass ein nach §
73 Abs
4 SGG zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen.
Es ist nicht erkennbar, dass eine Zulassung der Revision gegen das angegriffene Urteil auf §
160 Abs
2 Nr
1 SGG gestützt werden könnte. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine
Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig
sein. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn die Antwort darauf von vornherein praktisch außer Zweifel steht oder die
Frage bereits höchstrichterlich entschieden ist (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70). Rechtsfragen, die in diesem Sinne grundsätzliche Bedeutung haben könnten, sind nicht ersichtlich.
Der Zulassungsgrund der Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) könnte ebenfalls nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Divergenz (Abweichung) bedeutet Widerspruch im Rechtssatz oder
- anders ausgedrückt - das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die den miteinander zu vergleichenden Entscheidungen
zugrunde gelegt worden sind. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung
von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundeverfassungsgerichts aufgestellt hat (BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN). Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden.
Schließlich lässt sich auch kein Verfahrensmangel feststellen, der gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Nach Halbs 2 dieser Bestimmung kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht
auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 S 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist.
Der Kläger rügt, dass das SG Osnabrück den Termin zur mündlichen Verhandlung vom 30.4.2013 nicht aufgehoben habe, obwohl er
erkrankt gewesen sei und seine Prozessbevollmächtigten den Termin nicht wahrgenommen hätten. Mit diesem Vorbringen ist ein
Verfahrensmangel iS des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG nicht benannt.
Verfahrensmängel im Sinn der Norm sind Verstöße des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden
Rechtszug, so dass ein Verfahrensmangel, der dem SG unterlaufen ist, nur dann die Zulassung der Revision rechtfertigen kann, wenn dieser fortwirkt und insoweit ebenfalls als
Mangel des LSG anzusehen ist (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, §
160 RdNr 16a mwN). Dies ist hier nicht der Fall.
Der Kläger rügt ferner sinngemäß, dass das LSG in Abwesenheit seiner Prozessbevollmächtigten mündlich verhandelt und entschieden
habe. Auch insoweit zeigt der Kläger kein verfahrensfehlerhaftes Verhalten des Berufungsgerichts auf.
Die Prozessbevollmächtigten des Klägers sind mit gerichtlichem Schreiben vom 23.9.2014, ihnen zugegangen am 25.9.2014, von
dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23.10.2014 in Kenntnis gesetzt worden, wobei ihnen in Übereinstimmung mit dem Prozessrecht
mitgeteilt worden ist, dass auch im Fall ihres Fernbleibens verhandelt und entschieden werden könne. Ob Prozessbevollmächtigte
den Termin wahrnehmen, steht - im Verhältnis zum Gericht - in ihrem Ermessen. Sind sie - wie hier - ordnungsgemäß vom Termin
benachrichtigt worden, steht ihr Nichterscheinen einer Verhandlung und Entscheidung nicht entgegen.
Darüber hinaus macht der Kläger geltend, der Vorsitzende des 1. Senats des LSG Niedersachsen-Bremen habe in der mündlichen
Verhandlung die von seinen Prozessbevollmächtigten schriftsätzlich angekündigten Anträge als unzutreffend bezeichnet und diese
zusammen mit der Gegenseite verändert. Ein Verfahrensmangel des Berufungsverfahrens lässt sich auch insoweit nicht feststellen.
Abgesehen davon, dass der Vorsitzende gemäß §
153 Abs
1 iVm §
112 Abs
2 S 2
SGG darauf hinzuwirken hat, dass sachdienliche Anträge gestellt werden, und die protokollierten Anträge diesem Erfordernis entsprechen,
sind sie dem Kläger ausweislich des Sitzungsprotokolls vorgelesen und von ihm genehmigt worden.
Sonstige Verfahrensmängel sind ebenfalls nicht ersichtlich. Insbesondere liegt kein Beweisantrag vor, den das Berufungsgericht
unter Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht (§
103 SGG) übergangen hat.
Ein Beweisantrag ist nur dann iS des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG übergangen worden, wenn im Berufungsverfahren ein (prozessordnungsgemäßer) Beweisantrag gestellt und bis zum Schluss der
mündlichen Verhandlung vor dem LSG aufrechterhalten wird. Der Beweisantrag hat im sozialgerichtlichen Verfahren Warnfunktion
und soll der Tatsacheninstanz unmittelbar vor der Entscheidung vor Augen führen, dass die gerichtliche Aufklärungspflicht
von einem Beteiligten noch nicht als erfüllt angesehen wird. Wird ein Beweisantrag daher in einem vorbereitenden Schriftsatz
gestellt, so ist er dann nicht iS des §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG übergangen worden, wenn den näheren Umständen zu entnehmen ist, dass er in der maßgebenden mündlichen Verhandlung nicht weiter
verfolgt wurde. Dies ist bei rechtskundig vertretenen Beteiligten regelmäßig anzunehmen, wenn in der letzten mündlichen Verhandlung
nur noch ein Sachantrag gestellt und der Beweisantrag nicht wenigstens hilfsweise wiederholt wird (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 35 S 73 mwN). War der Beschwerdeführer - wie hier - in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG durch keinen rechtskundigen
Prozessbevollmächtigten vertreten, sind an Form, Inhalt, Formulierung und Präzisierung eines Beweisantrags verminderte Anforderungen
zu stellen (BSG Beschluss vom 1.3.2006 - B 2 U 403/05 B - Juris RdNr 5). Ein unvertretener Beteiligter muss einen konkreten Beweisantrag nur sinngemäß gestellt haben, dh angeben,
welche konkreten Punkte er am Ende des Verfahrens noch für aufklärungsbedürftig gehalten hat oder auf welche Beweismittel
das Gericht hätte zurückgreifen sollen, um diese weiter aufzuklären (BSG Beschlüsse vom 2.6.2003 - B 2 U 80/03 B - Juris RdNr 4 und vom 22.7.2010 - B 13 R 585/09 B - Juris RdNr 11). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
Zwar haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 2.7.2014 Beweisanträge formuliert. Der in der mündlichen
Verhandlung vor dem LSG unvertretene Kläger hat aber ausweislich des Sitzungsprotokolls in der mündlichen Verhandlung nicht
dargetan, dass der Sachverhalt seines Erachtens noch aufklärungsbedürftig sei und die von seinen Prozessbevollmächtigten angekündigten
Beweisanträge erfüllt werden müssten.
Nach alldem kann dem Kläger Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden.