Befreiung von der Versicherungspflicht
Bezugnahme in einer Beschwerdebegründung
Begriff der Divergenz
Notwendiger Inhalt einer Beschwerdebegründung
1. Mit einer Bezugnahme "auf die vorgerichtlichen Ausführungen, insbesondere die schriftsätzlichen Ausführungen im sozialgerichtlichen
Verfahren sowie zu den schriftsätzlichen Ausführungen in der Berufung", werden die Bezeichnungserfordernisse (§
160a Abs.
2 S. 3
SGG) komplett verfehlt.
2. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die
Zulassung der Revision wegen Abweichung.
3. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht.
4. Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet das vorstehend Gesagte, dass die Beschwerdebegründung erkennen lassen muss,
welcher abstrakte Rechtssatz in der höchstrichterlichen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene
Rechtssatz dazu im Widerspruch steht; ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das Revisionsgericht die oberstgerichtliche
Rechtsprechung in einem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zu Grunde zu legen haben wird.
Gründe:
Mit Urteil vom 26.2.2015 hat es das LSG Niedersachsen-Bremen abgelehnt, die Feststellung der Beklagten im Bescheid vom 21.9.2005
zur Versicherungspflicht der Klägerin als selbständig tätige Lehrerin und den Widerspruchsbescheid vom 2.2.2006 aufzuheben,
"hilfsweise" die Klägerin von der Versicherungspflicht zu befreien.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung wurde Beschwerde zum BSG eingelegt. In der Beschwerdebegründung werden Verfahrensmängel (1.) und eine Rechtsprechungsabweichung (2.) geltend gemacht.
Soweit die Klägerin darüber hinaus "unter Maßgabe der Zulassung der Revision" bereits einen Revisionsantrag ankündigt, umschreibt
sie damit lediglich das indirekt mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfolgte Rechtsschutzziel.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des §
160a Abs
2 S 3
SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß §
160a Abs
4 S 1 iVm §
169 SGG zu verwerfen.
1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 1
SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 S 3
SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist
die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem
Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht.
Die Klägerin rügt einen "Verstoß gegen die in §
117 SGG vorgeschriebene Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme". Nach dieser Vorschrift erhebt das Gericht Beweis in der mündlichen Verhandlung,
soweit die Beweiserhebung nicht einen besonderen Termin erfordert. Die Beschwerdebegründung versäumt es jedoch bereits darzulegen,
aus welchen Gründen das LSG welche(n) Beweis(e) gerade in der mündlichen Verhandlung oder in einem besonderen Termin hätte
erheben müssen. Im Übrigen fehlt eine nachvollziehbare Schilderung des vom LSG für das BSG bindend (§
163 SGG) festgestellten Sachverhalts, so dass auch nicht aufgezeigt ist, dass die angefochtene Entscheidung - ausgehend von der materiellen
Rechtsansicht des Berufungsgerichts - auf dem angeblichen Verfahrensmangel beruhen kann. Mit der insofern erfolgten Bezugnahme
"auf die vorgerichtlichen Ausführungen, insbesondere die schriftsätzlichen Ausführungen im sozialgerichtlichen Verfahren zum
Az. S 15 R 169/06 sowie zu den schriftsätzlichen Ausführungen in der Berufung, Az. L 1 R 162/11", verfehlt die Klägerin die Bezeichnungserfordernisse (§
160a Abs
2 S 3
SGG) komplett. Deshalb ist auch nicht ansatzweise dargetan, dass das LSG den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen
Gehörs (Art
103 Abs
1 GG, §
62 SGG) dadurch verletzt haben könnte, dass es "in seinem Urteil die Darlegungen und Feststellungen der Beklagten ungeachtet der
erst- und zweitinstanzlichen Ausführungen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin übernommen hat".
2. Auch die Divergenzrüge hat keinen Erfolg. Divergenz iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zu Grunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen.
Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten
Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des
LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG oder das BVerfG aufgestellt haben, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also eigene rechtliche Maßstäbe
entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen
begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das
angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht. Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet das vorstehend Gesagte, dass die
Beschwerdebegründung erkennen lassen muss, welcher abstrakte Rechtssatz in der höchstrichterlichen Entscheidung enthalten
ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht; ferner muss aufgezeigt werden, dass auch
das Revisionsgericht die oberstgerichtliche Rechtsprechung in einem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zu Grunde
zu legen haben wird (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN).
Diesen Darlegungserfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht ansatzweise gerecht. Denn die Klägerin versäumt es bereits,
divergierende Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des LSG und der herangezogenen Entscheidung des BSG vom 1.7.2010 (B 13 R 67/09 R - SozR 4-2400 § 24 Nr 5) herauszuarbeiten, sodass der erforderliche Rechtssatzvergleich von vornherein unmöglich ist. Im
Übrigen bleibt offen, inwiefern das LSG die zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung in Frage gestellt haben könnte, obwohl
es nach der Beschwerdebegründung gerade "unter Berücksichtigung der Grundsätze aus dieser BSG-Entscheidung" judiziert hat.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 SGG.