Verjährung von Pflichtbeiträgen
Verfahren über die Nachversicherung
Zweck eines Kontenklärungsverfahrens
Zeitnahe und verbindliche Tatsachenfeststellung
Gründe:
Mit Urteil vom 24.9.2014 hat das LSG Niedersachsen-Bremen die Entscheidung des SG bestätigt, wonach der Kläger als selbständiger Lehrer im Zeitraum vom 1.12.2002 bis 30.11.2003 wegen bereits eingetretener
Verjährung nicht zu Pflichtbeiträgen herangezogen werden durfte.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Beklagte Beschwerde zum BSG eingelegt. In der Beschwerdebegründung macht sie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des §
160a Abs
2 S 3
SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß §
160a Abs
4 S 1 iVm §
169 SGG zu verwerfen.
Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus
aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig
ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung
angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen
der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung
erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte)
Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende
Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 §
160a Nr 34 S 70 mwN; Fichte in Breitkreuz/Fichte,
SGG, 2. Aufl 2014, §
160a RdNr 42).
Die Beklagte hält folgende Fragen für grundsätzlich bedeutsam:
1. "Ist ein Verfahren über die Nachversicherung des Klägers unter den Begriff des 'Beitragsverfahren' im Sinne des §
198 Satz 2
SGB VI mit der Folge zu subsumieren, dass die Verjährung eines Beitragsanspruchs aus einer versicherungspflichtigen selbständigen
Tätigkeit gehemmt wird, obwohl eine zeitliche Kongruenz zwischen dem auf Beitragsbeitreibung zielenden Verfahren und dem Nachversicherungsverfahren
nicht gegeben ist?"
2. "Ist ein Kontenklärungsverfahren (im Sinne des §
149 SGB VI) ein 'Beitragsverfahren' im Sinne des §
198 Satz 2
SGB VI mit der Folge, dass dadurch die Hemmung der Verjährung eines Anspruchs auf Zahlung von Beiträgen aufgrund einer versicherungspflichtigen
selbstständigen Tätigkeit nach §
25 Abs.
1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV) eintritt?"
3. "Oder handelt es sich bei einem Kontenklärungsverfahren um ein 'Verfahren über einen Rentenanspruch' im Sinne des §
198 Satz 2
SGB VI mit der zu Ziffer 2 geschilderten Rechtsfolge?"
1. Damit hat sie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargetan. Die Beschwerdebegründung lässt bereits offen,
warum die erste Frage über den konkreten Fall hinaus Breitenwirkung entfalten könnte, obwohl sie sich ausdrücklich nur "auf
ein Verfahren über die Nachversicherung des Klägers" bezieht und damit gerade einzelfallbezogen formuliert ist. Dass (auch)
"Verfahren über die Nachversicherung ... unter den Begriff des 'Beitragsverfahren(s)' im Sinne des §
198 S 2
SGB VI ... zu subsumieren" sind, hat der Senat in seinem Urteil vom 27.4.2010 (B 5 R 8/08 R - SozR 4-2600 § 233a Nr 1) im Übrigen bereits ausdrücklich entschieden. Danach ist der Begriff des Beitragsverfahrens weit
zu verstehen und erfasst schon Verwaltungsverfahren, in denen (zunächst nur) die Nachversicherungsvoraussetzungen geprüft
werden, wobei unerheblich ist, ob es anschließend (dh nach Abschluss der Prüfung) tatsächlich zur Durchführung der Nachversicherung
mit dem Ziel der Beitragszahlung kommt. Mit diesem Urteil des erkennenden Senats setzt sich die Beschwerdebegründung nirgendwo
auseinander, so dass auch nicht deutlich wird, ob diese Entscheidung bereits ausreichende Anhaltspunkte enthält, um (auch)
den letzten Teil der ersten Frage zu beurteilen.
2. Die Beklagte legt auch nicht schlüssig dar, dass die zweite Frage noch klärungsbedürftig ist. Wie die Beschwerdebegründung
selbst einräumt, hat der 12. Senat in seinem Urteil vom 18.12.2001 (B 12 RA 4/01 R - Juris RdNr 16) zu §
198 S 1
SGB VI bereits explizit entschieden, dass Kontenklärungsverfahren die Frist des §
197 Abs
2 SGB VI nicht unterbrechen. Zu diesem Ergebnis konnte der 12. Senat nur durch die implizite Überlegung gelangen, dass Kontenklärungsverfahren
weder zu den "Beitragsverfahren" noch zu den "Verfahren über einen Rentenanspruch" iS des §
198 S 1
SGB VI gehören. Warum dieser Gedanke nicht auf §
198 S 2
SGB VI übertragbar sein könnte, obwohl diese Vorschrift ausdrücklich auf die "Tatsachen" in S 1 aaO verweist, erläutert die Beklagte
nicht.
Soweit sie auf das angeblich divergierende Senatsurteil vom 12.5.1998 (B 5/4 RA 73/97 R - Juris RdNr 14) hinweist, geht sie mit keinem Wort darauf ein, dass diese Entscheidung im Leistungsrecht der gesetzlichen
Rentenversicherung (GRV) zum Begriff des "Beitragsverfahrens" iS des §
75 Abs
2 S 2 Nr
2 SGB VI ("Entgeltpunkte für Zeiten nach Rentenbeginn") im Dritten Titel ("Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte") des Dritten
Unterabschnitts ("Rentenhöhe und Rentenanpassung") im Zweiten Abschnitt ("Renten") des Zweiten Kapitels ("Leistungen") des
SGB VI ergangen ist, während sich die zweite Rechtsfrage ausdrücklich nur auf ein "Beitragsverfahren im Sinne des §
198 Satz 2
SGB VI" und damit auf eine Vorschrift im Deckungsverhältnis der GRV bezieht, die im Dritten Titel ("Wirksamkeit der Beitragszahlung")
des Zweiten Unterabschnitts ("Verfahren") im Vierten Kapitel ("Finanzierung") des Zweiten Abschnitts ("Beiträge und Verfahren")
verortet ist. Aus welchen Gründen der Begriff des "Beitragsverfahrens" im Deckungsverhältnis und im Leistungsrecht der GRV
identisch auszulegen und der 12. Senat deshalb im selben Kontext in derselben Rechtsfrage - unter Missachtung des Anfrageverfahrens
(§
41 Abs
3 S 1
SGG) und der Vorlagepflicht (§
41 Abs
2 SGG) an den Großen Senat (§
41 Abs
1 SGG) - von der Entscheidung des 5. Senats abgewichen sein könnte, erläutert die Beschwerdebegründung nicht ansatzweise.
3. In der Rechtsprechung des BSG ist bereits anerkannt, dass Kontenklärungsverfahren (früher: Vormerkungsverfahren) iS des §
149 SGB VI eine möglichst zeitnahe und verbindliche Feststellung von Tatsachen bezwecken, die - ausgehend von der zu dieser Zeit gültigen
Rechtslage - in einem künftigen Leistungsfall möglicherweise rentenversicherungsrechtlich bedeutsam werden könnten (vgl BSG Urteile vom 15.12.1994 - 4 RA 64/93 - SozR 3-2600 § 58 Nr 2, vom 27.1.1999 - B 4 RA 29/98 R - Juris und vom 31.1.2008 - B 13 R 27/07 R - BSGE 100, 19 = SozR 4-2600 § 281 Nr 1). Damit ist das Kontenklärungsverfahren dem "Verfahren über einen Rentenanspruch" (Rentenfeststellungsverfahren)
notwendigerweise vorgelagert (Senatsurteil vom 19.7.2011 - B 5 RS 7/09 R - Juris RdNr 14; BSG Urteile vom 29.1.2004 - B 4 RA 19/03 R - SozR 4-8570 § 8 Nr 1, vom 20.12.2001 - B 4 RA 6/01 R - SozR 3-8570 § 8 Nr 7, vom 30.8.2001 - B 4 RA 62/00 R - SozR 3-2600 § 248 Nr 8, vom 12.6.2001 - B 4 RA 117/00 R - SozR 3-8570 § 5 Nr 6, vom 25.1.2001 - B 4 RA 10/99 R - SozR 3-8570 § 8 Nr 6, vom 4.8.1999 - B 4 RA 1/99 R - SozR 3-8570 § 5 Nr 5; jeweils zum Feststellungsverfahren nach § 8 AAÜG) und trotz seiner Beweissicherungsfunktion mit diesem keinesfalls identisch. Auf dieser Grundlage hat der 12. Senat in seinem
Urteil vom 18.12.2001 (B 12 RA 4/01 R - Juris RdNr 16) implizit entschieden, dass Kontenklärungsverfahren nicht zu den "Verfahren über einen Rentenanspruch"
iS des §
198 S 1
SGB VI gehören. Warum im hier streitigen Zusammenhang etwas anderes gelten könnte, legt die Beschwerdebegründung nicht schlüssig
dar. Soweit sie sich auf die Kommentierung von Peters (in KassKomm zum Sozialversicherungsrecht, Stand: Juni 2012, § 198 RdNr
5) beruft, ist darauf hinzuweisen, dass sich dieser nicht mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinandersetzt. Gleichwohl
geht er ebenfalls davon aus, dass Kontenklärungsverfahren "das Rentenverfahren vorbereiten", ohne jedoch zu begründen, warum
diese Verwaltungsverfahren iS von § 8 SGB X nicht nur auf die bescheidmäßige Feststellung der im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten
iS von §
149 Abs
5 S 1
SGB VI, sondern darüber hinaus auch auf den Erlass eines (Renten-)Verwaltungsakts gerichtet sein könnten.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 SGG.