Rechtmäßigkeit der Streichung eines der Behandlung von Kopflausbefall dienenden Medizinprodukts aus der Liste der verordnungsfähigen
Medizinprodukte durch den Gemeinsamen Bundesausschuss; Keine Notwendigkeit der Aufhebung des Aufnahmebescheids
Gründe:
I
Die Klägerin ist Herstellerin des Medizinprodukts Jacutin® Pedicul Fluid, welches zur Behandlung des Kopflausbefalls eingesetzt
wird und aus 100 Prozent reinem Dimeticon (Silikonöl) besteht. Sie wendet sich gegen dessen Herausnahme aus der "Übersicht
der verordnungsfähigen Medizinprodukte" (Anlage V zum Abschnitt J ["Verordnungsfähigkeit von Medizinprodukten"] der Arzneimittel-Richtlinie
[AM-RL]).
Auf Antrag der Klägerin beschloss der Beklagte - der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) - in seiner Sitzung vom 19.6.2008 (schriftlicher
Bescheid vom selben Tag), das Medizinprodukt Jacutin® Pedicul Fluid als medizinisch notwendig im Sinne von §
31 Abs
1 Satz 2 und
3 SGB V in die (seinerzeitige) Anlage 12 der AM-RL aufzunehmen. Zusammen mit Jacutin® Pedicul Fluid nahm der Beklagte zwei weitere
Medizinprodukte zur physikalischen Behandlung des Kopfhaares bei Kopflausbefall in die Anlage auf, nämlich EtoPril® sowie
Nyda®.
Nach Anhörung der Klägerin nahm der Beklagte mit Beschluss und Bescheid vom 15.7.2010 den Bescheid vom 19.6.2008 zurück und
verfügte, Jacutin® Pedicul Fluid sei aus der Übersicht der verordnungsfähigen Medizinprodukte (nunmehr Anlage V der AM-RL)
zu streichen. Der Bescheid vom 19.6.2008 sei rechtswidrig, weil bei seinem Erlass die Voraussetzungen für die Aufnahme von
Jacutin® Pedicul Fluid in die Übersicht nicht vorgelegen hätten. Die Klägerin habe keine belastbaren, methodisch und statistisch
einwandfreien und mit guter Berichtsqualität veröffentlichten Daten der Evidenzstufe I zum Nachweis eines therapeutischen
Nutzens beim Einsatz von Jacutin® Pedicul Fluid bei der Behandlung des Kopflausbefalls vorgelegt.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.9.2011 zurück. Er - der Beklagte - habe
Jacutin® Pedicul Fluid zur Sicherstellung einer ausreichenden Versorgung der Versicherten in den neuen Leistungskatalog aufgenommen
und sei dabei auf Grundlage niedrigeren Evidenzniveaus zunächst vom Nachweis des therapeutischen Nutzens ausgegangen. Inzwischen
sei eine wesentliche Änderung der Sachlage eingetreten, da mit Beschlüssen vom 20.5.2010, 19.8.2010 und 21.7.2011 weitere
Medizinprodukte zur physikalischen Behandlung des Kopfhaares bei Kopflausbefall in die Anlage V der AM-RL aufgenommen worden
seien, nämlich Dimet®20, Paranix® ohne Nissenkamm und Mosquito® med LäuseShampoo. Im Vergleich zu dem Produkt der Klägerin
sei der therapeutische Nutzen dieser weiteren Medizinprodukte weitaus besser belegt, nämlich auf der Basis jeweils mindestens
einer methodisch adäquaten randomisierten und kontrollierten Studie. Dagegen liege für Jacutin® Pedicul Fluid keine Studie
vergleichbar hohen Evidenzniveaus vor. Mit dem Beleg für den therapeutischen Nutzen der drei genannten Alternativpräparate
sei eine wesentliche Voraussetzung für die Fortgeltung der Verordnungsfähigkeit von Jacutin® Pedicul Fluid nachträglich entfallen.
Damit liege eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen im Sinne von § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X vor.
Auf die Klage hat das nach §
29 Abs
4 Nr
3 SGG erstinstanzlich zuständige LSG den Bescheid des Beklagten vom 15.7.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.9.2011
aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei als Anfechtungsklage statthaft, denn bei der Entscheidung des
Beklagten, Jacutin® Pedicul Fluid aus der Anlage V der AM-RL zu streichen, handele es sich trotz des Zusammenhangs mit der
Normsetzung um einen Verwaltungsakt (VA) im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X. In der Sache sei die Aufhebung des Bescheides vom 19.6.2008 rechtswidrig, weil die Voraussetzungen für eine Aufhebung der
bestandskräftigen Entscheidung, Jacutin® Pedicul Fluid in die Übersicht der verordnungsfähigen Medizinprodukte aufzunehmen,
nicht vorlägen. Die Aufhebung des begünstigenden Bescheides müsse sich an den Regelungen der §§ 45 ff SGB X messen lassen. §
31 Abs
1 Satz 2 letzter Halbsatz
SGB V ordne die entsprechende Geltung von §
34 Abs
6 SGB V an. Danach habe der Beklagte in der Rechtsform des VAs zu handeln, obwohl es sich bei der Aufnahme eines Medizinprodukts
in die Anlage V der AM-RL nach §
91 Abs
6 SGB V zugleich um (untergesetzliche) Normgebung handele. Stelle die Aufnahme in die Übersicht einen VA dar, habe deren Aufhebung
als actus contrarius die Regelungen der §§ 45 ff SGB X zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen der allein in Frage kommenden §§ 45, 48 SGB X seien jedoch nicht erfüllt.
In den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Bescheides vom 19.6.2008 vorgelegen haben, sei keine
wesentliche Änderung eingetreten. Für eine "Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen" reiche es nicht aus, dass sich inzwischen
die Anschauungen oder Erkenntnisse gewandelt hätten. Die bloße Neubewertung des im Jahre 2008 vorliegenden Erkenntnismaterials
zum medizinischen Nutzen von Jacutin® Pedicul Fluid ohne Änderung der objektiv bei Bescheiderlass bestehenden Sachlage erlaube
keine Aufhebung des bestandskräftigen Bescheides. Eine Aufhebung der Listung von Jacutin® Pedicul Fluid komme nur in Betracht,
wenn der Beklagte über neue Erkenntnisse der evidenzbasierten Medizin nachweisen könne, dass das Medizinprodukt der Klägerin
nicht den Voraussetzungen von §
31 Abs
1 Satz 2
SGB V in Verbindung mit §
29 der AM-RL entspreche. Solche neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse gebe es jedoch nicht, sondern im Gegenteil konkrete Anhaltspunkte
für den medizinischen Nutzen. Allgemein würden dimeticonhaltige Medizinprodukte als Alternative zu insektizidhaltigen Arzneimitteln
angeführt, wie etwa vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Eine unmittelbare Empfehlung
für die Anwendung von Jacutin® Pedicul Fluid gebe auch das "arznei-telegramm" in seinem Heft 8/12 ab. Die Aufhebung des Bescheides
vom 19.6.2008 basiere damit lediglich auf einer im Rahmen von § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X nicht relevanten anderen (und strengeren) Beurteilung der seit 2008 unverändert gegebenen Sachlage. Der Beklagte halte das
im Jahre 2008 von der Klägerin vorgelegte Studienmaterial nun nicht mehr für ausreichend, um den medizinischen Nutzen von
Jacutin® Pedicul Fluid zu belegen, weil eine bestimmte Evidenz nicht erreicht sei. Der Beklagte habe damit seine Anschauung
gewandelt und wolle den medizinischen Nutzen von Jacutin® Pedicul Fluid nachträglich originär völlig neu bewerten.
Die 2010/2011 erfolgte Aufnahme der drei Medizinprodukte Dimet®20, Paranix® ohne Nissenkamm und Mosquito® med LäuseShampoo
in die Anlage V der AM-RL führe nicht zu einer "Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen" im Sinne von § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X, da mit der Zulassung dieser drei Medizinprodukte nichts über den medizinischen Nutzen des Konkurrenzpräparats der Klägerin
gesagt sei. Entscheidende therapeutische Vorteile dieser drei Produkte gegenüber Jacutin® Pedicul Fluid - bzw relevante therapeutische
Nachteile bei Jacutin® Pedicul Fluid - seien nach dem Inhalt der Akten auch nicht erkennbar. Dass die Aufnahme der drei genannten
Präparate in die Übersicht auf Grundlage höherwertiger Evidenz erfolgt sei, sei für den Verbleib von Jacutin® Pedicul Fluid
in der Anlage V rechtlich unerheblich. Denn die Evidenzlage in Bezug auf Konkurrenzprodukte begründe so lange keine maßgebliche
"Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen" im Sinne von § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X, wie damit nicht zugleich - zum Beispiel durch eine vergleichende Studie - der fehlende medizinische Nutzen des bereits gelisteten
Produkts erwiesen sei. Insgesamt unterliege der Beklagte damit einer Fehlwertung, wenn er meine, ein später in die Anlage
V der AM-RL aufgenommenes Medizinprodukt sei allein dadurch "zweckmäßiger" im Sinne von § 29 Nr 4 der AM-RL, dass es über
eine Evidenz höheren Grades verfüge als ein schon länger in der Anlage V gelistetes Produkt. Sofern der Beklagte Medizinprodukte
liste, die nicht über optimale Evidenz verfügten, weil er die Versorgung der Versicherten sicherstellen wolle, sei er ohne
Weiteres nach § 32 Abs 2 Nr 1 SGB X berechtigt, die Aufnahme eines Produkts in die Anlage V der AM-RL nach pflichtgemäßem Ermessen mit einer zeitlichen Befristung
zu versehen, um die Zweckmäßigkeit des Präparats später im Lichte neuer Forschungsergebnisse erneut beurteilen zu können.
Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung von Bundesrecht. Das LSG messe zu Unrecht dem Vertrauensschutz der Klägerin
ein höheres Gewicht bei als dem Interesse der Versichertengemeinschaft an einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen
Versorgung. Die Aufnahme eines Medizinprodukts in die Anlage V der AM-RL sei der untergesetzlichen Normsetzung zuzuordnen.
Die Entscheidung darüber, in welchen medizinisch notwendigen Fällen Medizinprodukte in die Arzneimittelversorgung einbezogen
werden, nehme damit unmittelbar an der Gewährleistungsfunktion teil, wie sie den Richtlinien nach §
92 Abs
1 Satz 1
SGB V allgemein beigemessen werde. Dem GBA stehe bei der Zweckmäßigkeitsbeurteilung durch Bewertung der wissenschaftlichen Datenlage
ein nur der eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegender Gestaltungsspielraum als Normgeber zu. Die Überprüfung
von Festlegungen in den Richtlinien sei den Maßstäben zur Beobachtungs- und Kontrollpflicht bei untergesetzlichen Rechtsnormen
unterworfen. Der GBA sei verpflichtet, den sich stets weiterentwickelnden "allgemein anerkannten Stand der Medizin" zu beobachten
und wesentliche Änderungen in den Richtlinien zu berücksichtigen. Im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit beschließe der GBA
über die Konkretisierung des Leistungskatalogs in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Bei der Auswahl der konkret
notwendigen und geeigneten Medizinprodukte bestehe ein nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum; die Entscheidung
müsse damit (nur) fachlich vertretbar und nachvollziehbar sein.
Demgegenüber gebe es grundsätzlich keinen Vertrauenstatbestand innerhalb des Systems der GKV, dass Leistungen dauerhaft als
erstattungsfähige Leistungen im Markt positioniert werden könnten. Das Anbieten von Leistungen stehe insoweit unter dem Vorbehalt
einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten mit der in Rede stehenden Behandlungsmaßnahme;
ein fortdauernder Vergleich zu Qualität und Wirtschaftlichkeit der Therapiealternativen sei dieser Betrachtung immanent. Der
GBA sei aufgrund der Fortentwicklung des Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse berechtigt, Behandlungsmaßnahmen, die
die Schwelle einer im Vergleich zu Therapiealternativen gleichermaßen wissenschaftlichen Untermauerung des therapeutischen
Nutzens nicht (mehr) erreichten, aus der Erstattungsfähigkeit auszuschließen. Den Herstellern sei es zumutbar, den Anforderungen
an die Fortentwicklung des Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse Rechnung zu tragen und die wissenschaftliche Untermauerung
des therapeutischen Nutzens auf dem gleichen Niveau wie Konkurrenzprodukte zu halten. Dem hätten die Hersteller von Nyda®
sowie von Etopril® durch die nachfolgende Vorlage von Studien ausreichender Evidenz Rechnung getragen.
Das LSG beschränke seine Prüfung rechtsfehlerhaft auf die Frage des "medizinischen Nutzens" von Jacutin® Pedicul Fluid und
verkenne damit die Bedeutung einer Zweckmäßigkeitsbeurteilung. Die Auswahl unter den - innerhalb des Korridors einer ausreichenden
und notwendigen Versorgung liegenden - Leistungen nach feststehenden Kriterien sei letztlich Kern der Aufgabe des GBA und
diene unmittelbar der Umsetzung des Wirtschaftlichkeitsgebots nach §
12 SGB V. Die verglichenen Medizinprodukte seien danach zu bewerten, welches den gesetzlichen Zielen näher komme. Die Tatsache einer
nicht ausreichenden Datenlage rechtfertige die Annahme, dass das zu bewertende Medizinprodukt im Vergleich zu besser belegten
Therapiealternativen therapierelevant unterlegen und damit unzweckmäßig sei. Eine schwächere Evidenz bedeute nämlich ein höheres
Risiko, dass der erwartete Erfolg nicht eintrete und/oder Gefahren sich verwirklichten. Zu den Grundprinzipien der evidenzbasierten
Medizin, an welche der GBA gemäß §
92 Abs
1 Satz 1 Halbsatz 1
SGB V iVm §
2 Abs
1 Satz 3
SGB V gebunden sei, gehöre die Maxime, auf der Grundlage der besten verfügbaren Evidenz patientenrelevante Entscheidungen zu treffen.
Es liege eine wesentliche Änderung der Verhältnisse vor. Er - der GBA - habe eine Neubewertung nicht allein in Bezug auf den
therapeutischen Nutzen, sondern entscheidungsleitend in Bezug auf die Zweckmäßigkeit von Jacutin® Pedicul Fluid im Vergleich
zu weiteren, zwischenzeitlich auch erstattungsfähigen Kopflausmitteln vollzogen. Er habe, obwohl der Nutzen von Jacutin® Pedicul
Fluid zweifelhaft gewesen sei, den seinerzeitigen Antrag auf Aufnahme dieses Produkts in Anbetracht der Tatsache positiv entschieden,
dass keine anderen, zweckmäßigeren Therapieoptionen zur Behandlung des Kopflausbefalls zur Verfügung gestanden hätten. Die
Versorgungssituation innerhalb der GKV habe sich durch die nachfolgende Aufnahme weiterer Medizinprodukte (Dimet®20, Paranix®
ohne Nissenkamm, Mosquito® med Läuseshampoo) maßgeblich geändert. Diese weiteren Medizinprodukte seien - anders als Jacutin®
Pedicul Fluid - durch belastbare, methodisch und statistisch einwandfreie und mit guter Berichtsqualität veröffentlichte Daten
der Evidenzstufe I in ihrem therapeutischen Nutzen als besser belegt anzusehen.
Schließlich gehe das LSG fehlerhaft davon aus, dass zum medizinischen Nutzen von Jacutin® Pedicul Fluid konkrete Anhaltspunkte
vorlägen. Die Gesundheitsinformationen des IQWiG würden nicht in Bewertungsverfahren wie nach §
139a Abs
5 SGB V entwickelt. Der Empfehlung des "arznei-telegramm(s)" sei keine wissenschaftliche Grundlage zu entnehmen. Die Entwesungsliste
des Umweltbundesamtes (UBA) sei das Ergebnis von Laborexperimenten; diese Ergebnisse seien nicht mit denen randomisierter,
kontrollierter klinischer Studien vergleichbar.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 29.1.2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, das Urteil aufzuheben
und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung des LSG für zutreffend. Der Beklagte wolle nicht mehr an seiner ursprünglichen Bewertung
festhalten, obwohl sich nichts in den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen geändert habe. Die zwischenzeitlich in
die Übersicht aufgenommenen Konkurrenzprodukte seien lediglich auch positiv bewertet worden, wiesen hingegen keine Überlegenheit
gegenüber Jacutin® Pedicul Fluid auf. Der Beklagte verkenne, dass ein Medizinprodukt immer dann in die Anlage V der AM-RL
aufgenommen werde, wenn die Voraussetzungen des § 29 AM-RL bzw des Kapitel 4 § 39 VerfO des Beklagten erfüllt seien. Es gehe
vorliegend nicht darum, "ob" ein Produkt aus der Übersicht gestrichen werden könne, sondern darum, dass ein Produkt nur dann
gestrichen werden könne, wenn es nicht mehr medizinisch notwendig sei und damit die Voraussetzungen der §§ 45 ff SGB X erfüllt würden. Die Überlegenheit anderer Produkte sei vorliegend nicht belegt; der Umstand, dass lediglich die Art der Studien
neueren Erfordernissen klinischer Evidenz entspreche, vermöge diesen Beleg nicht zu ersetzen. Es lägen keine Studien oder
Erkenntnisse vor, nach denen der medizinische Nutzen von Jacutin® Pedicul Fluid heute anders zu bewerten wäre; insbesondere
habe der Beklagte auch keine Erkenntnisse in Bezug auf andere Mittel vorweisen können, die einen besseren Nutzen belegten.
Die Aufnahme anderer Produkte in die Übersicht bedeute nicht, dass nunmehr andere Behandlungsmöglichkeiten im Sinne des §
29 Nr 4 AM-RL verfügbar seien. Nicht die Anlage V mache die Behandlungsmethoden verfügbar, sondern die Hersteller, indem sie
ihre Produkte auf den Markt brächten.
Es treffe nicht zu, dass sich die "Zweckmäßigkeit" anderer Behandlungsmethoden daran orientiere, ob diese besser belegt seien.
Belege in Form von Studien höherer Evidenzklassen könnten zwar einen Hinweis geben, doch sei die Studienlage nur einer von
vielen Aspekten, die für die Zweckmäßigkeit einer Behandlung ausschlaggebend seien. Der allgemein anerkannte Stand der medizinischen
Erkenntnisse, wie er durch die Behandlungsrealität definiert werde, sei das Hauptkriterium; er bestimme sich aber nicht anhand
einer Studienlage, die in einem freiwilligen Antragsverfahren sichtbar werde. Der Beklagte verweise zu Unrecht darauf, dass
Studien der Evidenzklasse I einen Rückschluss auf die Zweckmäßigkeit einer Behandlung mit Medizinprodukten zuließen. Der therapeutische
Nutzen von Jacutin® Pedicul Fluid sei nach wie vor gegeben, und es sei aufgrund der besonders niedrigen Risiken auch zweckmäßiger
als die verfügbaren Alternativen.
Der Beklagte verkenne, dass im Medizinproduktebereich die Leistungsfähigkeit und damit auch der Nutzen und die Zweckmäßigkeit
eines Medizinprodukts auch auf dem Wege wissenschaftlich belegter Äquivalenz nachgewiesen werden könne. Die klinische Bewertung
nach § 19 Medizinproduktegesetz (MPG) sei für jedes Medizinprodukt durchzuführen; diese bestehe in der kritischen Bewertung klinischer Daten im Sinne des § 3 Nr 25 MPG. Der Nachweis der medizinischen Leistungsfähigkeit im Sinne der klinischen Bewertung nach § 19 MPG belege, dass mit dem Produkt eine Krankheit behandelt oder geheilt werden könne; es könnten auch Erkenntnisse über äquivalente
Produkte herangezogen werden, soweit sie mit wissenschaftlicher Begründung auf das jeweilige Produkt übertragbar seien. Hiermit
sei zugleich die Zweckmäßigkeit des Produktes belegt: Wenn das Medizinprodukt seinen Zweck, Krankheiten zu heilen, erreichen
könne, sei es auch zweckmäßig. Sie - die Klägerin - habe unter Zugrundelegung der klinischen Daten, die bei der Antragstellung
für Jacutin® Pedicul Fluid eingereicht worden seien, das Konformitätsbewertungsverfahren ordnungsgemäß durchlaufen. Der Nachweis
der Leistungsfähigkeit und mithin des medizinischen Nutzens sei hiermit gegeben, ohne dass es Studien der Evidenzklasse I
bedürfe. Derartige Studien erbrächten lediglich einen methodisch anderen Beleg der Zweckmäßigkeit. Ein höherer Evidenzgrad
bedeute aber nicht, dass die geprüften Produkte auch zweckmäßiger seien. Dies könne allenfalls für Studien gelten, in denen
konkrete Produktvergleiche mit dem in Frage stehenden Produkt angestellt würden (sog "Head-to-Head-Vergleich").
Die vom LSG gewürdigten Nachweise belegten den therapeutischen Nutzen von Jacutin® Pedicul Fluid. Das IQWiG äußere sich ohne
Vorbehalt positiv zur Behandlung mit dimeticonhaltigen Medizinprodukten; die positiven Eigenschaften des Dimeticon kämen Jacutin®
Pedicul Fluid "erst recht" zu, da es aus 100 % reinem Dimeticon bestehe. Das "arzneitelegramm" empfehle Jacutin® Pedicul Fluid
explizit. Es beziehe sich dabei auf die Studie des UBA, dessen Untersuchungen mit Alltagsbedingungen vergleichbar gewesen
seien. Jacutin® Pedicul Fluid basiere nicht auf einer pharmakologischen, sondern einer physikalischen Wirkung; dadurch sei
der Effekt unabhängig von den individuellen Eigenschaften der Parasiten und der Pharmakokinetik zu bewerten. Die Forderung
des Beklagten nach doppelblind-randomisierten Prüfungen unter den realistischen Bedingungen des Alltags sei nicht durchführbar.
Im Übrigen erreichten solche Prüfungen auch keine höhere Aussagekraft. Schon die Durchführung von weiteren Besuchen der Eltern
von Kindern mit Kopflausbefall bei dem Arzt allein mit dem Zweck, die Daten zur klinischen Prüfung zu vervollständigen, sei
unrealistisch: Wenn die Läuse tot seien, seien die Eltern zufrieden und an weiterer Kooperation nicht mehr interessiert. Ein
weiterer wichtiger Aspekt sei, dass bei (anerkannten) Präparaten wie Etopril® das Risiko der Entflammbarkeit bestehe. Jacutin®
Pedicul Fluid habe im Vergleich zu allen anderen Läusemitteln mit Abstand die kürzeste Behandlungsdauer. Der Widerruf der
Listung schaffe also für die Patienten keinen höheren Nutzen, aber ein deutlich erhöhtes Risiko.
II
Die Revision des Beklagten ist begründet. Das LSG hat die angefochtenen Bescheide des Beklagten zu Unrecht aufgehoben.
A. Die Klägerin hat mit der (isolierten) Anfechtungsklage die richtige Klageart gewählt.
Der erkennende Senat hat bereits entschieden, dass in Verfahren, in denen es um die Aufnahme in die Übersicht der "Zugelassene(n)
Ausnahmen zum gesetzlichen Verordnungsausschluss nach §
34 Abs
1 Satz 2
SGB V (OTC-Liste)" (Anlage I zu den AM-RL) geht, der die Aufnahme in die Übersicht ablehnende Bescheid mit einer Anfechtungsklage
(§
54 Abs
1 SGG) angegriffen werden kann (BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 14 RdNr 19 f - Buscopan; BSG Urteil vom 22.10.2014 - B 6 KA 34/13 R - Juris RdNr 24 f - für SozR 4-2500 §
34 Nr
16 und BSGE vorgesehen - Vertigoheel®): §
34 Abs
6 SGB V gibt dem pharmazeutischen Unternehmer das Recht auf eine Bescheidung seines Antrags (BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 14 RdNr 19; BSG Urteil vom 22.10.2014 - B 6 KA 34/13 R - Juris RdNr 24 für BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 16 und BSGE vorgesehen - in Fällen ablehnender Entscheidungen). Dies gilt gemäß §
31 Abs
1 Satz 2 Halbsatz 2
SGB V entsprechend für Anträge auf Aufnahme eines Medizinprodukts in die Übersicht der verordnungsfähigen Medizinprodukte.
Während es allerdings in derartigen Verfahren eines - das Anfechtungsbegehren ergänzenden - Feststellungsantrags bedarf, weil
das Begehren auf die Aufnahme eines Arzneimittels bzw Medizinprodukts in die jeweilige Übersicht und damit auf den Erlass
einer untergesetzlichen Norm gerichtet ist (vgl BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 14 RdNr 20; BSG Urteil vom 22.10.2014 - B 6 KA 34/13 R - Juris RdNr 25 für BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 16 und auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen), ist ein solcher weder erforderlich noch sonst geboten, wenn sich
ein Unternehmer gegen die - in entsprechender Anwendung des §
34 Abs
6 Satz 4
SGB V ebenfalls zu verbescheidende (siehe hierzu noch unter B.2.a.) - Herausnahme des von ihm hergestellten oder vertriebenen Produkts
aus der jeweiligen Übersicht wehrt. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Senats mit der Feststellungsklage nicht nur die
Unwirksamkeit einer untergesetzlichen Rechtsnorm, sondern auch deren fehlerhafte Auslegung oder Anwendung sowie ein Anspruch
auf deren Änderung geltend gemacht werden; diese ist auch dann die richtige Klageart, wenn ein Kläger Änderungen von Richtlinien
des GBA begehrt (BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 14 RdNr 20; BSG Urteil vom 22.10.2014 - B 6 KA 34/13 R - Juris RdNr 25 für BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 16 und BSGE vorgesehen - jeweils unter Hinweis auf BSGE 110, 245 = SozR 4-1500 § 55 Nr 12, RdNr 24).
Vorliegend bedarf es jedoch keines (ergänzenden) Feststellungsantrags, weil Jacutin® Pedicul Fluid bereits in die Übersicht
der verordnungsfähigen Medizinprodukte (Anlage V AM-RL) aufgenommen wurde und die Klägerin nur die Revision dieser Entscheidung
verhindern will; damit geht es gerade nicht um die Durchsetzung einer Normänderung, sondern um deren Verhinderung: Denn obgleich
die Herausnahme eines Medizinprodukts aus der Übersicht letztlich im Wege der Normänderung erfolgt und erst hierdurch Wirksamkeit
erlangt, hat dieser Normänderung - in entsprechender Anwendung des §
34 Abs
6 Satz 4
SGB V - ein gegenüber dem betroffenen Unternehmer zu erlassender Bescheid voranzugehen, welcher die vorgesehene Normänderung "ankündigt"
(siehe hierzu noch B.2.a.). Erst wenn dieser Bescheid Bestandskraft erlangt hat, liegen die Voraussetzungen für eine im Wege
der Normänderung umzusetzende Streichung des Medizinprodukts aus der Übersicht vor (siehe hierzu B.2.b.bb.). Wird dieser Bescheid
hingegen erfolgreich angegriffen, hat auch eine nachfolgende Normänderung zu unterbleiben, sodass das betreffende Arzneimittel
bzw Medizinprodukt weiterhin in der Übersicht gelistet bleibt.
B. Das LSG hat der Klage jedoch zu Unrecht stattgegeben, weil der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 15.7.2010 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.9.2011, mit dem der Klägerin - im Ergebnis - mitgeteilt wurde, dass Jacutin® Pedicul
Fluid aus der Übersicht der verordnungsfähigen Medizinprodukte (Anlage V der AM-RL) zu streichen ist, rechtmäßig ist.
1. Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 31 Abs 1 Satz 2 iVm §
34 Abs
6 und §
92 Abs
1 Satz 2 Nr
6 SGB V.
a. Nach §
31 Abs
1 Satz 2 Halbsatz 1
SGB V (idF des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der GKV [GKV-OrgWG] vom 15.12.2008, BGBl I 2426) hat
der GBA in den Richtlinien nach §
92 Abs
1 Satz 2 Nr
6 SGB V - also der AM-RL - festzulegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die als Medizinprodukte
nach § 3 Nr 1 oder Nr 2 MPG zur Anwendung am oder im menschlichen Körper bestimmt sind, ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden.
Bei Jacutin® Pedicul Fluid handelt es sich um ein Medizinprodukt in Sinne von § 3 MPG.
Die nach §
31 Abs
1 Satz 2
SGB V gesetzlich nur eingeschränkte Öffnung des Leistungskatalogs der GKV für Medizinprodukte verstößt nach der Rechtsprechung
des BSG nicht gegen Verfassungsrecht (BSGE 111, 155 = SozR 4-2500 § 31 Nr 21 RdNr 38-39 mwN; ebenso - zum gesetzlichen Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel - BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 14 RdNr 22; BSG Urteil vom 22.10.2014 - B 6 KA 34/13 R - Juris RdNr 30 für BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 16 und auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Sie beruht auf sachgerechten Gründen, ohne dem allgemeinen Gleichheitssatz
des Art
3 Abs
1 GG zu widersprechen (BSGE 111, 155 = SozR 4-2500 § 31 Nr 21 RdNr 38-39 unter Hinweis auf BSGE 109, 218 = SozR 4-2500 § 31 Nr 20, RdNr 36 mwN). Die Krankenkassen sind von Verfassungs wegen nicht gehalten, alles zu leisten, was
an Mitteln zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist; das
SGB V hat vielmehr Medizinprodukte grundsätzlich aus dem Leistungskatalog der GKV ausgeschlossen, sie also dem Bereich der Eigenverantwortung
des Versicherten zugeordnet (BSG aaO).
Die ihm durch §
31 Abs
1 Satz 2 Halbsatz 2
SGB V übertragene Aufgabe hat der Beklagte mit der Anlage V zum Abschnitt J der AM-RL ("Übersicht der verordnungsfähigen Medizinprodukte")
umgesetzt. Die Befugnis des GBA, in seiner gesetzlich vorgegebenen Struktur (§
91 SGB V) normsetzend tätig zu werden, ist in der Rechtsprechung des BSG hinreichend geklärt (vgl BSGE 105, 26 = SozR 4-2500 § 92 Nr 8, RdNr 33 unter Bezugnahme auf BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 58 [6. Senat] und BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 [1. Senat]; zur Zulässigkeit der Regelung durch Richtlinien des GBA vgl auch BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 14 f mwN). Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber den GBA beauftragt
hat, in der Richtlinie nach §
92 Abs
1 Satz 2 Nr
6 SGB V festzulegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen Medizinprodukte ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung einbezogen
werden (siehe hierzu BSGE 111, 155 = SozR 4-2500 § 31 Nr 21, RdNr 26 - Medizinprodukte, Verfassungsbeschwerde anhängig unter 1 BvR 2056/12; BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 14 RdNr 23 - OTC-Liste; BSG Urteil vom 22.10.2014 - B 6 KA 34/13 R - Juris RdNr 31 für BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 16 und auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen - OTC-Liste). Nach der Rechtsprechung des BVerfG (BVerfGE 115, 25, 46 f = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 28) ist es dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht verwehrt, zur Sicherung der Qualität
der Leistungserbringung, im Interesse einer Gleichbehandlung der Versicherten und zum Zweck der Ausrichtung der Leistungen
am Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit ein Verfahren vorzusehen, in dem neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der
vertragsärztlichen Versorgung auf ihren diagnostischen und therapeutischen Nutzen sowie ihre medizinische Notwendigkeit und
Wirtschaftlichkeit nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse sachverständig geprüft werden, um die Anwendung
dieser Methoden zu Lasten der GKV auf eine fachlich-medizinisch zuverlässige Grundlage zu stellen. Nichts anderes gilt für
die Abgrenzung des Kreises der ausnahmsweise verordnungsfähigen Medizinprodukte durch die AM-RL.
b. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ordnet §
31 Abs
1 Satz 2 Halbsatz 2
SGB V die entsprechende Geltung von §
34 Abs
6 SGB V an. Die Vorschrift sieht die Durchführung eines besonderen Verwaltungsverfahrens für die Aufnahme von Arzneimitteln in die
"Zusammenstellung" nach §
34 Abs
1 Satz 2 und 4
SGB V vor. Dieses Verfahren wird durch einen entsprechenden Antrag des pharmazeutischen Unternehmers in Gang gesetzt (Satz 1 aaO)
und endet mit der Bescheidung ausreichend begründeter Anträge (Satz 4 aaO); mit der Bescheidung ist der Antragsteller über
Rechtsmittel und Rechtsmittelfristen zu belehren (aaO). Ergänzend bestimmt Satz 5 aaO, dass eine ablehnende Entscheidung eine
auf objektiven und überprüfbaren Kriterien beruhende Begründung enthalten muss. Diese Vorgaben gelten mithin auch für die
Aufnahme von Medizinprodukten in die gemäß §
31 Abs
1 Satz 2
SGB V zu erstellende Übersicht der verordnungsfähigen Medizinprodukte.
Die Einfügung des §
34 Abs
6 SGB V durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) war Folge der Entscheidung des EuGH vom 26.10.2006 (C-317/05 = SozR 4-2500 § 34 Nr 5 [Pohl-Boskamp]) zur Anwendbarkeit von Art 6 der "Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21.12.1988 betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für
den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssysteme" (Transparenz-RL). Nach dieser
Entscheidung ist Art 6 Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG-RL) 89/105, welcher Vorgaben für den Fall
enthält, dass Arzneimittel durch das staatliche Krankenversicherungssystem nur "gedeckt" sind, wenn sie in eine Positivliste
aufgenommen worden sind, auf das Verfahren zur Aufnahme von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in die AM-RL anwendbar
(EuGH aaO RdNr
36 ff). §
34 Abs
6 SGB V setzt diese europarechtlichen Vorgaben um (vgl BSG Urteil vom 22.10.2014 - B 6 KA 34/13 R - Juris RdNr 24 = für SozR 4-2500 § 34 Nr 16 und BSGE - vorgesehen).
2. Entgegen der Auffassung des LSG ist es für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ohne Belang, ob dieser den Anforderungen
der §§ 45, 48 SGB X genügt, denn die Herausnahme von Jacutin® Pedicul Fluid aus der Übersicht setzt nicht die Aufhebung des Bescheides vom 19.6.2008
voraus, mit dem der GBA dem Antrag der Klägerin, dieses Medizinprodukt in die Anlage V der AM-RL aufzunehmen, stattgegeben
hatte. Zwar sind Entscheidungen über die Aufnahme eines Medizinprodukts in die Anlage V der AM-RL - wie auch über deren Herausnahme
aus der Übersicht - (auch) in der Form eines VAs zu treffen, sodass auf das Antragsverfahren die allgemeinen Vorschriften
für Sozialverwaltungsverfahren Anwendung finden (a.). Jedoch erfordert die Herausnahme eines bereits gelisteten Medizinprodukts
aus der Übersicht nicht die Aufhebung des Bescheides, mit dem seine Aufnahme in die Übersicht verfügt wurde (b.). Somit muss
der GBA für die Streichung eines Medizinprodukts aus der Übersicht auch nicht belegen, dass sich die Verhältnisse im Sinne
des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X gegenüber dem Zeitpunkt der Aufnahme des Medizinprodukts in die Übersicht wesentlich geändert haben. Die angefochtenen Bescheide
des Beklagten sind entsprechend umzudeuten (c.).
a. Wie bereits aus der Wendung "zu bescheiden" folgt, schreibt §
34 Abs
6 Satz 4
SGB V eine Entscheidung durch VA vor (vgl schon BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 15 RdNr 26: "auf den Erlass eines VA gerichtet"; so auch Axer in Becker/Kingreen,
SGB V, 4. Aufl 2014, §
34 RdNr 20; Pflugmacher in Eichenhofer/Wenner,
SGB V, 2013, §
34 RdNr
16). Auch wenn §
34 Abs
6 Satz 4
SGB V ausdrücklich nur die Bescheidung eines "Antrags" regelt (zu einer Entscheidung durch VA in dieser Konstellation siehe bereits
BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 14 RdNr 19 - Buscopan® sowie BSG Urteil vom 22.10.2014 - B 6 KA 34/13 R - Vertigoheel®), gebieten Systematik und Zweck der Regelung die entsprechende Anwendung der Norm und damit eine Bescheidung
auch in der Konstellation, dass der GBA ein bereits in die Übersicht aufgenommenes Medizinprodukt aus dieser entfernen will
(vgl - zur Streichung eines Hilfsmittels aus dem Hilfsmittelverzeichnis durch VA - BSGE 113, 33 = SozR 4-2500 § 139 Nr 6, RdNr 9): Zum einen stellt sich die Streichung eines Medizinprodukts aus der Übersicht als actus
contrarius zu dessen Aufnahme dar (vgl zB - zur Honorarrückforderung durch VA als Umkehrung [actus contrarius] der ursprünglichen
Leistungsgewährung - BSGE 74, 44, 45/46 = SozR 3-1300 § 45 Nr 21 S 62). Zum anderen gelten die Vorgaben des Art 6 Transparenz-RL, die den deutschen Gesetzgeber zur Einfügung des §
34 Abs 6
SGB V bewogen haben (siehe BT-Drucks 16/4247 S 32 zu §
34 SGB V), nicht nur für solche Entscheidungen, die einen Antrag auf Aufnahme in die "Liste" ablehnen (Art 6 Nr 2 Transparenz-RL),
sondern ausdrücklich auch für die Entscheidung, ein Erzeugnis aus der "Liste" zu streichen (Art 6 Nr 5 Transparenz-RL). Selbst
wenn man also davon ausginge, dass sich aus §
34 Abs
6 Satz 4
SGB V nur die Verpflichtung zum Abschluss des Antragsverfahrens durch VA ergäbe, wäre eine entsprechende - die Streichung aus der
Übersicht betreffende - Verpflichtung jedenfalls unmittelbar aus Art 6 der Transparenz-RL herzuleiten (siehe hierzu BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 15 RdNr 24). Da der Gesetzgeber erkennbar den Vorgaben der Transparenz-RL umfassend Rechnung tragen wollte, ist jedoch
davon auszugehen, dass §
34 Abs
6 SGB V auch auf die Herausnahme aus der Übersicht zumindest entsprechende Anwendung findet.
Folge des durch §
34 Abs
6 SGB V vorgeschriebenen Verfahrens ist, dass grundsätzlich die Vorschriften des Sozialverwaltungsverfahrensrechts Geltung beanspruchen.
Nicht nur der Begriff der "Bescheidung", sondern auch die ansonsten verwendeten Begriffe wie "Antrag" und "Antragsverfahren",
"Rechtsmittelfristen-" und "-belehrung" sprechen dafür, dass es sich bei dem in §
34 Abs
6 SGB V geregelten Verfahren - jedenfalls im Grundsatz - um ein Verwaltungsverfahren im Sinne des SGB X handelt. Damit folgt das Verfahren nach §
34 Abs
6 SGB V, da es insofern nicht auf eine Normsetzung, sondern auf den Erlass eines VAs gerichtet ist, (grundsätzlich) den allgemeinen
Regelungen des sozialrechtlichen Verwaltungsverfahrensrechts (BSG SozR 4-2500 §
34 Nr 15 RdNr 26; so auch Pflugmacher in Eichenhofer/Wenner,
SGB V, 2013, §
34 RdNr 16).
b. Ungeachtet dessen und entgegen der Auffassung des LSG ist die in dem streitgegenständlichen Bescheid nach §
34 Abs
6 Satz 4
SGB V (entsprechend) getroffene Entscheidung des Beklagten, Jacutin® Pedicul Fluid aus der Übersicht zu streichen, nicht anhand
der in den §§ 45, 48 SGB X normierten Maßstäbe zu überprüfen. Denn notwendiger, aber auch ausreichender Regelungsgegenstand des Bescheides vom 15.7.2010
(idF des Widerspruchsbescheides vom 15.9.2011) ist allein die (beabsichtigte) Herausnahme des Medizinprodukts aus der Übersicht,
nicht aber (zugleich) die Aufhebung des Bescheides vom 19.6.2008, mit dem die Aufnahme von Jacutin® Pedicul Fluid in die Übersicht
verfügt worden war. Einer Aufhebung dieses Bescheides bedarf es schon deswegen nicht, weil sich dieser erledigt hat und es
damit keinen VA (mehr) gibt, der zurückgenommen bzw aufgehoben werden müsste.
aa. Im Anwendungsbereich des §
34 Abs
6 SGB V besteht die Besonderheit, dass ein Normsetzungsverfahren durch den Antrag eines Normunterworfenen in Gang gesetzt wird und
eine Bescheidungspflicht des Normgebers besteht (BSG SozR 4-2500 §
34 Nr 15 RdNr 26): §
31 Abs
1 Satz 2 Halbsatz 1
SGB V bestimmt, dass der GBA die ausnahmsweise zu Lasten der GKV verordnungsfähigen Medizinprodukte in der AM-RL festzulegen hat.
Da die auf der Grundlage des §
92 SGB V erlassenen Richtlinien des GBA in der Rechtsprechung des BSG als untergesetzliche Rechtsnormen anerkannt sind (stRspr, vgl zB BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 28 mwN; BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 32, 37; BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 9 RdNr 22), stellt die Aufnahme von Medizinprodukten in die Anlage V der AM-RL einen Akt der Normsetzung durch den GBA
dar (siehe hierzu BSGE 111, 155 = SozR 4-2500 § 31 Nr 21, RdNr 25 f); nichts anderes gilt auch für den actus contrarius - die Streichung eines Medizinprodukts
aus der Übersicht. Durch die Vorgabe des §
34 Abs
6 Satz 4
SGB V, den Antrag auf Aufnahme eines Medizinprodukts in die Anlage V der AM-RL (bzw dessen Herausnahme aus der Anlage) zu bescheiden,
erfolgt eine Verzahnung von Normsetzung durch den GBA bei der Gestaltung der AM-RL mit dem Verwaltungsverfahren gegenüber
dem Hersteller.
Diese Verzahnung von Verwaltungsverfahren und Normsetzung erfordert es, die teils gegenläufigen Prinzipien beider Regelungsformen
- insbesondere in Bezug auf den Rechtsschutz - zum Ausgleich zu bringen. Sicherzustellen ist dabei einerseits, dass der nach
§
34 Abs
6 Satz 4
SGB V zu erlassende Bescheid nicht dadurch zur "leeren Hülle" wird, dass der GBA unabhängig von dessen Rechtmäßigkeit oder Bestandskraft
zu Änderungen der AM-RL berechtigt wäre, andererseits, dass die Normsetzung nicht dadurch übermäßig beschränkt wird, dass
eine Normänderung nur bei Erfüllung der Voraussetzungen der §§ 44 ff SGB X möglich wäre. Dieses Spannungsverhältnis ist dahingehend aufzulösen, dass die Durchführung des Verwaltungsverfahrens gegenüber
dem Unternehmer zwar - einerseits - für die Normsetzung vorgreiflich ist, sich aber - andererseits - auch in dieser Funktion
erschöpft:
Ungeachtet des nach §
34 Abs
6 SGB V durchzuführenden Verwaltungsverfahrens ergibt sich die ausnahmsweise Verordnungsfähigkeit eines Medizinprodukts zu Lasten
der GKV nicht aus §
31 Abs
1 Satz 2
SGB V in Verbindung mit einem entsprechenden positiven Bescheid des GBA, sondern erst durch einen Akt der Normsetzung, nämlich
durch die Aufnahme des Medizinprodukts in die Anlage V der AM-RL (vgl auch Spiegel/Jäkel, GesR 2008, 627). Erst die Aufnahme
in die Übersicht zeitigt die mit der Antragstellung angestrebten rechtlichen Wirkungen, nämlich die Berechtigung der Ärzte,
dieses Medizinprodukt zu Lasten der GKV verordnen zu dürfen, und der Versicherten, dieses im Bedarfsfall beanspruchen zu können.
Daher besteht der Regelungsgehalt des durch §
34 Abs
6 Satz 4
SGB V vorgeschriebenen VAs allein in der Zusage des den Bescheid erlassenden Normgebers, dem Antrag des Unternehmers auf Aufnahme
eines Medizinprodukts (bzw Arzneimittels) in die Übersicht in dem Sinne zu entsprechen, dass dieses Begehren durch eine entsprechende
Änderung der AM-RL erfüllt wird. Für den Fall einer Streichung eines Medizinprodukts aus der Übersicht gilt im Grundsatz nichts
anderes, nur dass hier der Bescheid die Selbstverpflichtung des Normgebers enthält, das Medizinprodukt aus der Übersicht herauszunehmen.
In beiden Fällen ist die Bescheidung notwendige (rechtliche) Voraussetzung für die nachfolgende Normsetzung, erschöpft sich
aber auch hierin. In dem Moment, in dem der Normgeber diese Zusage bzw Selbstverpflichtung durch entsprechende Normänderung
erfüllt, ist der nach §
34 Abs
6 Satz 4
SGB V zu erlassende VA umgesetzt und hat sich damit erledigt:
Nach § 39 Abs 2 SGB X bleibt ein VA wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf
oder auf andere Weise erledigt ist. Von einer Erledigung "auf andere Weise" ist auszugehen, wenn der VA nicht mehr geeignet
ist, rechtliche Wirkungen zu entfalten oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen
ist (BSG SozR 4-1200 § 51 Nr 1 RdNr 20 unter Hinweis auf BVerwG Urteil vom 25.9.2008 - 7 C 5/08 - Juris RdNr 13 = NVwZ 2009, 122; ebenso schon BVerwG Beschluss vom 17.11.1998 - 4 B 100/98 - Juris RdNr 9 mwN; Steinwedel in Kasseler Komm, 2015, § 39 SGB X, RdNr 24). VAe ohne Dauerwirkung erledigen sich bereits durch das Erschöpfen ihrer Rechtswirkungen (Steinwedel aaO).
Um einen solchen VA ohne Dauerwirkung handelt es sich bei einem Bescheid nach §
34 Abs
6 Satz 4
SGB V. VAe mit Dauerwirkung sind solche, deren Regelungswirkungen nach dem zugrunde liegenden materiellen Recht über die punktuelle
Gestaltung eines Rechtsverhältnisses hinausreichen (Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 45 RdNr 64). Ein Bescheid, in dem einem Unternehmer zugesagt wird, das von ihm hergestellte Medizinprodukt in die Anlage V der
AM-RL aufzunehmen, begründet jedoch selbst kein auf Dauer angelegtes Rechtsverhältnis, wie dies bei einem VA mit Dauerwirkung
der Fall wäre (zum VA mit Dauerwirkung vgl auch BSG SozR 4-1300 § 47 Nr 1 RdNr 33 mwN - Sonographiegenehmigung). Vielmehr besteht der Regelungsgehalt des Bescheides allein darin, einen Anspruch
auf Tätigwerden zu vermitteln, indem die einmalige Gestaltung der Rechtslage zugesagt wird. Wie bereits dargelegt, ergeben
sich die vom Unternehmer mit der Antragstellung angestrebten Rechtswirkungen - die Verordnungsfähigkeit seines Medizinprodukts
zu Lasten der GKV - allein aus dessen Aufnahme in die Anlage V der AM-RL, also aus einem Akt der Normsetzung. Mit der Normänderung
hat der diese zusagende Bescheid seinen - dergestalt begrenzten - Regelungsgehalt erschöpft, somit seinen Zweck erfüllt und
verliert damit seine Rechtswirkungen.
Insofern ist der "Aufnahmebescheid" nach §
34 Abs
6 Satz 4
SGB V in seinen rechtlichen Wirkungen anderen gestaltenden VAen im Recht des
SGB V vergleichbar, insbesondere Bescheiden, mit denen die Errichtung einer Krankenkasse (vgl zB §
148 Abs
1 Satz 1
SGB V) oder ihre Fusion (vgl §
171a Abs
1 Satz 2
SGB V) genehmigt oder ihre Schließung verfügt wird (vgl §
153 Satz 1
SGB V). Die Entscheidung der Aufsichtsbehörde ergeht in Form eines gestaltenden VAs, welcher sich mit dem Eintritt seiner Wirkungen
- dem als Körperschaft des öffentlichen Rechts ins-Leben-Treten der Krankenkasse bzw deren Schließung zu dem von der Aufsichtsbehörde
bestimmten Zeitpunkt - erledigt hat (stRspr des BSG zu Errichtungsgenehmigungen: BSGE 59, 122, 127 = SozR 2200 § 253 Nr 2 S 6; BSGE 68, 54, 56 = SozR 3-2500 § 147 Nr 2 S 4; BSG SozR 3-2200 § 225a Nr 2 S 5; vgl auch BSGE 83, 118, 123 = SozR 3-2500 § 145 Nr 1 S 7; zu Schließungsverfügungen: BSGE 113, 107 = SozR 4-1500 § 54 Nr 32, RdNr 10; zu Fusionsgenehmigungen: BSG SozR 4-2500 § 171a Nr 1 RdNr 10). In diesen Fallgestaltungen gilt, dass dann, wenn der VA vollzogen ist, dieser nicht mehr durch eine die Genehmigung
der Errichtung bzw Fusion oder die Schließungsverfügung aufhebende Entscheidung beseitigt werden kann; beseitigt werden können
allein die Folgen (BSG aaO).
Ähnlich stellt sich die Situation bei der Entscheidung über die Aufnahme eines Medizinprodukts in die Übersicht dar. Die positive
Bescheidung des Antrags gestaltet die Rechtslage zwar nicht unmittelbar, weil sich die begehrten rechtlichen Wirkungen erst
aus der nachfolgenden Normänderung ergeben, doch hat sie jedenfalls mittelbar gestaltende Wirkung, denn sie verpflichtet den
GBA, die Rechtslage der Verfügung im Bescheid entsprechend zu ändern. Tritt diese Gestaltungswirkung mit der Aufnahme des
Medizinprodukts in die Anlage V der AM-RL ein, haben sich die Rechtswirkungen des Bescheides erschöpft; sein Zweck ist erreicht.
Eine "Beseitigung der Folgen" kann nicht mehr durch Aufhebung des VAs, sondern nur über eine erneute Normänderung erreicht
werden. Eines Aufrechterhaltens der Rechtswirkungen dieses VAs zum Schutze des Bescheidadressaten bedarf es - selbst wenn
man davon ausginge, dass unter der Geltung des § 48 SGB X die "anderweitige Erledigung" als "absolute Ausnahme" zu verstehen ist (so Jährling-Rahnefeld, SGb 2006, 320, 325 f) - nicht, weil sich die vom Antragsteller begehrten (fortdauernden) Rechtswirkungen aus der Richtlinie selbst ergeben.
bb. Rechtliche Folge der Erledigung des die Aufnahme eines Medizinprodukts in die Übersicht zusagenden VAs ist es, dass bei
einer beabsichtigten Streichung des Medizinprodukts aus der Übersicht nicht zugleich auch der "Aufnahmebescheid" aufgehoben
werden muss, sondern der nunmehr in entsprechender Anwendung des §
34 Abs
6 Satz 4
SGB V zu erlassende Bescheid lediglich die Verfügung zu enthalten hat, dass das Medizinprodukt aus der Übersicht herauszunehmen
ist. Auf der Normebene hat der GBA dann die durch Bescheid vorgegebene Herausnahme des Medizinprodukts durch entsprechende
Änderung der AM-RL umzusetzen.
Der gemäß §
34 Abs
6 Satz 4
SGB V zu erlassende Bescheid über die Aufnahme eines von ihm hergestellten Medizinprodukts in die Anlage V der AM-RL verleiht dem
Hersteller keinen anderen Status als ihn alle Hersteller oder Anbieter von Medizinprodukten, Arzneimitteln bzw Behandlungsmethoden
haben, zu denen der GBA eine positive Empfehlung abgegeben oder Entscheidung getroffen hat und die deshalb in der vertragsärztlichen
Versorgung zum Einsatz kommen dürfen. Derartige positive Feststellungen stehen unter dem - normativen - Vorbehalt, dass der
GBA sie korrigieren muss, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht mehr gegeben sind, sich also etwa durch nachfolgende
Studien gezeigt hat, dass eine Methode im Sinne des §
135 Abs
1 SGB V unwirksam ist oder der Einsatz eines OTC-Präparates oder eines in die Übersicht aufgenommenen Medizinprodukts mehr Schaden
als Nutzen stiftet bzw nicht mehr Therapiestandard im Sinne des §
34 Abs
1 Satz 2
SGB V ist. Etwaiger Vertrauensschutz ergibt sich damit allein aus der Normsetzung.
Damit läuft die Regelung, dass über die Aufnahme eines Medizinprodukts in die Übersicht gemäß §
34 Abs
6 Satz 4
SGB V durch Bescheid zu entscheiden ist, keineswegs leer. Insbesondere bleibt auch der Rechtsschutz des Unternehmers bei einer
Herausnahme des von ihm hergestellten Medizinprodukts aus der Übersicht im Wege einer Änderung der AM-RL gewährleistet, weil
der GBA auch hier die Vorgaben des §
34 Abs
6 SGB V sinngemäß beachten muss. Das Verwaltungsverfahren nach §
34 Abs
6 SGB V gegenüber dem Hersteller muss der Normänderung vorausgehen. Das bedeutet zum einen, dass der Unternehmer zunächst über die
Absicht des GBA, das Medizinprodukt aus der Übersicht zu streichen, zu unterrichten ist, hierzu Stellung nehmen sowie ggf
neue Studien vorlegen kann. Zum anderen wird die Wirksamkeit einer Richtlinienänderung durch vom Unternehmer gegen den Bescheid
eingelegte Rechtsmittel hinausgeschoben und ggf verhindert.
Das Inkrafttreten der Richtlinie (bzw ihrer Änderung) steht unter einem doppelten Vorbehalt: Zum einen sind die vom GBA beschlossenen
Richtlinien gemäß §
94 Abs
1 Satz 1
SGB V dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) vorzulegen, welches sie innerhalb von zwei Monaten beanstanden kann (Satz 2 aaO). Die Vorlagepflicht besteht für sämtliche
Beschlüsse, mit denen Regelungen in Richtlinien einschließlich deren Anlagen getroffen oder geändert werden (Roters in Kasseler
Komm, 2015, §
94 SGB V RdNr 2). Die Beanstandung ist als bindende Anordnung zu verstehen, die Richtlinie nicht in Kraft zu setzen (Roters aaO RdNr
3).
Zum anderen ist der VA nach §
34 Abs
6 Satz 4
SGB V der Normsetzung in dem Sinne vorgeschaltet, dass der GBA die AM-RL erst dann - rechtswirksam - ändern darf, wenn der gegenüber
dem Unternehmer erlassene Bescheid über die Herausnahme bestandskräftig geworden ist. Mithin darf eine Veröffentlichung der
Richtlinie im Bundesanzeiger (§
94 Abs
2 Satz 1
SGB V), mit der sie ihre rechtliche Wirkung entfaltet (BSG SozR 3-2500 § 92 Nr 12 S 70), erst nach Bestandkraft des VAs erfolgen. Nur so wird dem mit der Einfügung des §
34 Abs
6 SGB V letztlich verfolgten Ziel, den Rechtsschutz des betroffenen Unternehmers zu erhöhen, ausreichend Rechnung getragen.
Deutlich wird dies - auch wenn die Anfechtungsmöglichkeit gleichermaßen bei Ablehnung eines Aufnahmeantrags besteht - gerade
im Falle einer Herausnahme eines Medizinprodukts aus der Übersicht: Da das BSG in ständiger Rechtsprechung die Möglichkeit bejaht, im Wege der Feststellungsklage die Unwirksamkeit einer - bereits in Kraft
getretenen - Richtlinie feststellen lassen zu können (vgl zB BSGE 110, 245 = SozR 4-1500 § 55 Nr 12, RdNr 24; BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 14 RdNr 23; BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 16 RdNr 25, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; zur Normenfeststellungsklage siehe auch BSG SozR 4-2500 §
135 Nr 2 RdNr 20 ff), besteht der Rechtsschutzgewinn durch §
34 Abs
6 Satz 4
SGB V im Wesentlichen allein darin, das Wirksamwerden einer Richtlinienänderung hinauszuschieben bzw zu verhindern - mit der Folge,
dass das Medizinprodukt jedenfalls bis zum Abschluss des Gerichtsverfahrens verordnungsfähig bleibt.
Da es für den Rechtsschutz des Unternehmers entscheidend darauf ankommt, das Inkrafttreten der Richtlinienänderung und damit
deren Wirksamkeit zu verhindern, können der Erlass des Bescheides über die beabsichtigte Änderung der Übersicht und die entsprechende
Beschlussfassung des GBA zeitgleich erfolgen; mit Zustellung des Bescheides läuft die Rechtsmittelfrist für den betroffenen
Unternehmer, welcher den Bescheid anfechten kann, sowie - mit Vorlage des Beschlusses an das BMG - die Beanstandungsfrist nach §
94 Abs
1 Satz 2
SGB V. Die gegen einen nach §
34 Abs
6 Satz 4
SGB V ergangenen Bescheid erhobene (Anfechtungs-)Klage hat nach §
86a Abs
1 SGG aufschiebende Wirkung, sofern nicht der GBA (oder das LSG) den Sofortvollzug anordnet. §
92 Abs
3 Satz 2
SGB V, der die aufschiebende Wirkung von Klagen "gegen die Zusammenstellung der Arzneimittel nach §
92 Abs
2 SGB V" ausschließt, findet keine Anwendung, weil die Übersicht nach §
31 Abs
1 Satz 2
SGB V keine Preisvergleichsliste in diesem Sinne darstellt. Nach Bestandskraft dieses Bescheides - sowie vorbehaltlich einer Nichtbeanstandung
durch das BMG - setzt der GBA die Änderung der AM-RL durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.
c. Dass der angefochtene Bescheid der Beklagten hier nicht die dargestellte Selbstverpflichtung des Normgebers GBA zur Herausnahme
von Jacutin® Pedicul Fluid aus der Übersicht zum Ausdruck bringt, sondern den Verfügungssatz enthält, dass der Bescheid vom
19.6.2008 nach § 45 SGB X zurückgenommen (so der Ausgangsbescheid) bzw nach § 48 SGB X aufgehoben wird (so der Widerspruchsbescheid), ist unschädlich, weil der Bescheid nach § 43 SGB X in einen auf der Grundlage des §
34 Abs
6 Satz 4
SGB V (analog) ergangenen umgedeutet werden kann. Die Grundsätze des § 43 SGB X sind auch im gerichtlichen Verfahren anwendbar (vgl BSG SozR 4-1300 § 47 Nr 1 RdNr 29 mwN). Nach § 43 Abs 1 SGB X kann ein fehlerhafter VA in einen anderen VA umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden
Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für
dessen Erlass erfüllt sind. Dies ist vorliegend der Fall: Sowohl die zunächst verfügte Rücknahme bzw Aufhebung des Bescheides
über die Aufnahme von Jacutin® Pedicul Fluid in die Übersicht als auch ein in entsprechender Anwendung des §
34 Abs
6 Satz 4
SGB V erlassener Bescheid über die (beabsichtigte) Herausnahme von Jacutin® Pedicul Fluid im Wege der Änderung der AM-RL sind auf
das Ziel gerichtet, das Medizinprodukt aus der Übersicht der ausnahmsweise zu Lasten der GKV verordnungsfähigen Medizinprodukte
zu entfernen. Auch wäre der Beklagte nicht gehindert gewesen, seinen Bescheid von vornherein auf §
34 Abs
6 Satz 4
SGB V zu stützen. Dessen Voraussetzungen liegen vor (siehe hierzu unter 3.).
3. Die Entscheidung des Beklagten, Jacutin® Pedicul Fluid aus der Übersicht der verordnungsfähigen Medizinprodukte herauszunehmen,
ist rechtmäßig.
a. Die dargestellten Wechselbeziehungen zwischen der Entscheidung durch VA und der Normsetzung sind auch bei den Maßstäben
zu berücksichtigen, die an die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides anzulegen sind. Gefordert ist eine (inzidente)
Überprüfung der Rechtmäßigkeit der mit dem Bescheiderlass intendierten, im Wege der Normänderung umzusetzenden Herausnahme
von Jacutin® Pedicul Fluid aus der Anlage V der AM-RL, weil sich der GBA durch den Bescheid nach §
34 Abs
6 Satz 4
SGB V nur dann (und insoweit) selbst binden darf, wenn die Normänderung ihrerseits rechtmäßig ist. Dies ist der Fall, wenn die
Voraussetzungen für eine Aufnahme des Medizinprodukts in die Übersicht nicht mehr erfüllt werden oder von vornherein nicht
gegeben waren (vgl BSGE 113, 33 = SozR 4-2500 § 139 Nr 6, RdNr 16 - zur Streichung eines Hilfsmittels aus dem Hilfsmittelverzeichnis).
Im Übrigen gelten die allgemeinen Grundsätze für die Änderung von Normen, die sich belastend auf Leistungserbringer auswirken
können; so müssen die gesetzlichen Vorgaben beachtet und das Gleichbehandlungsgebot berücksichtigt sein. Dass sich an der
Bewertung des medizinischen Nutzens von Jacutin® Pedicul Fluid zwischen 2008 und 2010 nichts geändert hat, ist hingegen ohne
Bedeutung. Die Auffassung der Klägerin, ein Medizinprodukt, das unter bestimmten Vorzeichen rechtmäßig in die Übersicht aufgenommen
worden ist, müsse dort bleiben, solange nicht seine Wirkungslosigkeit belegt ist, ist mit dem auf eine qualitätsgesicherte
und wirtschaftliche Versorgung ausgerichteten System des
SGB V nicht kompatibel.
Bei der Prüfung ist der für jeden Normgeber kennzeichnende Gestaltungsspielraum des GBA beim Erlass von Richtlinien zu respektieren
(stRspr des BSG, vgl BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 68; BSGE 103, 106 = SozR 4-2500 § 94 Nr 2, RdNr 46). Daher beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle untergesetzlicher Normen regelmäßig darauf,
ob die äußersten Grenzen der Rechtssetzungsbefugnis durch den Normgeber eingehalten wurden (BSGE 103, 106 = SozR 4-2500 § 94 Nr 2, RdNr 46); dies ist der Fall, wenn sich die getroffene Regelung auf eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage
stützen kann und die maßgeblichen Verfahrensvorschriften sowie die Grenzen des dem Normgeber ggf zukommenden Gestaltungsspielraums
beachtet worden sind (BSG aaO unter Hinweis auf BSGE 100, 254 = SozR 4-2500 § 85 Nr 42, RdNr 17).
b. Nach diesen Maßstäben ist die angefochtene Entscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch
auf den Verbleib von Jacutin® Pedicul Fluid in der Übersicht, weil das Medizinprodukt nicht den Anforderungen entspricht,
die für eine Aufnahme in die Übersicht zu erfüllen sind. Die hierfür aufgestellten und vom Beklagten beachteten Anforderungen
unterliegen keinen rechtlichen Bedenken (aa.). Der Beklagte durfte auch die Aufnahme eines Medizinprodukts in die Übersicht
davon abhängig machen, dass keine andere, zweckmäßigere Behandlungsmöglichkeit verfügbar ist (bb.). Schließlich durfte er
bei der Beurteilung der Zweckmäßigkeit auch allein auf den Umstand abstellen, dass der medizinische Nutzen "konkurrierender"
Medizinprodukte durch Studien höherer Evidenz belegt ist (cc.).
aa. Nach §
31 Abs
1 Satz 2 Halbsatz 1
SGB V hat der GBA (durch Aufnahme in die Übersicht) festzulegen, in welchen "medizinisch notwendigen Fällen" Medizinprodukte ausnahmsweise
in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden. Der GBA hat den Begriff zum einen in § 29 AM-RL ("Medizinisch notwendige
Fälle") und zum anderen in Kapitel 4 § 39 Abs 1 VerfO ("Bewertungskriterien") - gleichlautend - wie folgt konkretisiert: Danach
ist ein Medizinprodukt medizinisch notwendig im Sinne des §
31 Abs
1 Satz 2
SGB V, wenn
1. es entsprechend seiner Zweckbestimmung nach Art und Ausmaß der Zweckerzielung zur Krankenbehandlung im Sinne des §
27 Abs
1 Satz 1
SGB V und §
28 AM-RL geeignet ist,
2. eine diagnostische oder therapeutische Interventionsbedürftigkeit besteht,
3. der diagnostische oder therapeutische Nutzen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht
und
4. eine andere, zweckmäßigere Behandlungsmöglichkeit nicht verfügbar ist.
Der GBA hat die genannten Kriterien für die Aufnahme in die Übersicht der ausnahmsweise verordnungsfähigen Medizinprodukte
in der AM-RL unter Berücksichtigung des gesetzlich festgelegten Regel-Ausnahmeverhältnisses (§
31 Abs
1 Satz 2 Halbsatz 1
SGB V) formell und inhaltlich rechtmäßig festgelegt, wie der 1. Senat des BSG in seinem Urteil vom 3.7.2012 (B 1 KR 23/11 R) bereits dem Grunde nach entschieden hat (BSGE 111, 155 = SozR 4-2500 § 31 Nr 21, RdNr 34). Die in Kapitel 4 Abschnitt 5 VerfO festgelegten Anforderungen an die grundsätzlichen
Voraussetzungen für die Verordnungsfähigkeit des Medizinprodukts (Kapitel 4 § 38 VerfO), die Bewertungskriterien zur Beurteilung
der medizinischen Notwendigkeit (Kapitel 4 § 39 VerfO) sowie den Nachweis der medizinischen Notwendigkeit (Kapitel 4 § 40
VerfO) harmonisierten durch die dort niedergelegten Erfordernisse der Verkehrsfähigkeit der Medizinprodukte, ihrer medizinischen
Notwendigkeit nach Eignung, Interventionsbedürftigkeit, allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse des diagnostischen
und therapeutischen Nutzens sowie fehlender Verfügbarkeit anderer, zweckmäßigerer Behandlungsmöglichkeiten sowie ferner deren
Nachweis anhand von Studien höchstmöglicher Evidenz und ggf weiterer Literatur mit dem gesetzlichen Regelungskonzept (§§
27,
31,
34 SGB V iVm §
2 Abs
1 Satz 3, §
12 Abs
1 SGB V). Gleiches gelte für die ergänzenden Konkretisierungen in §§
27 ff AM-RL zum Umfang des Anspruchs unter näherer Berücksichtigung der Verordnungsausschlüsse nach §§
31,
34 SGB V, zur zusätzlichen Bewertung nach §
135 Abs
1 Satz 1
SGB V im Falle der Anwendung einer ärztlichen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode sowie zur näheren Eingrenzung der arzneimittelähnlichen
Medizinprodukte und der Notwendigkeit ihrer medizinischen Intervention unter Berücksichtigung von Spontanverläufen. Diesen
Ausführungen schließt sich der erkennende Senat in Bezug auf § 29 AM-RL bzw Kapitel 4 § 39 VerfO nach eigener Prüfung an.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die dort normierten Anforderungen unmittelbar aus dem Begriff der "medizinischen Notwendigkeit"
im Sinne des §
31 Abs
1 Satz 2
SGB V hergeleitet werden können, weil sich die Berechtigung des GBA, die Anforderungen an die "medizinisch notwendigen Fälle" zu
konkretisieren, jedenfalls aus §
31 Abs
1 Satz 2 iVm §
92 Abs
1 SGB V ergibt. §
92 Abs
1 Satz 1 Teilsatz 1
SGB V bestimmt als allgemeinen Gegenstand dieser Richtlinien - und damit auch der AM-RL -, dass diese eine ausreichende, zweckmäßige
und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten gewähren sollen; damit dienen sie insbesondere dem Wirtschaftlichkeitsgebot
des §
12 Abs
1 SGB V. Ergänzend ermächtigt §
92 Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGB V den GBA, "dabei" die Erbringung oder Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einzuschränken oder auszuschließen, wenn nach
dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische
Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind.
Zu berücksichtigen ist weiter, dass dem GBA auch bei der Konkretisierung der gesetzlichen Vorgaben ein Gestaltungsspielraum
zusteht. Der Senat hat bereits in seinen Urteilen vom 14.5.2014 (BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 14 RdNr 32, mwN) und 22.10.2014 (B 6 KA 34/13 R - Juris RdNr 39, mwN - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 34 Nr 16 vorgesehen) bezüglich der Aufnahme eines nicht
verschreibungspflichtigen Arzneimittels in die Anlage I der AM-RL (OTC-Liste) ausgeführt, dass zwar die Auslegung der gesetzlichen
Vorgaben gerichtlich voll überprüfbar ist, ebenso die Entscheidung, ob der GBA die für seine Fragestellung maßgebliche Studienlage
in der medizinischen und/oder pharmakologischen Wissenschaft vollständig berücksichtigt hat und wie sich der Stand dieser
Wissenschaften insoweit zusammenfassen lässt. Bei der weitergehenden Konkretisierung der gesetzlichen Vorgaben, wie sie durch
die Regelungen in § 29 AM-RL bzw in Kapitel 4 § 39 VerfO erfolgt ist, bzw der Bewertung des korrekt ermittelten Standes der
medizinisch-pharmakologischen Wissenschaft besteht indes der für jede Normsetzung kennzeichnende Gestaltungsspielraum, den
auch der GBA für sich in Anspruch nehmen kann (BSG aaO; siehe hierzu auch BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 9 RdNr 25; BSGE 111, 155 = SozR 4-2500 § 31 Nr 21, RdNr 33). Insoweit beschränkt sich die gerichtliche Überprüfung darauf, ob die Bewertung nachvollziehbar
ist und den gesetzlich vorgegebenen Maßstäben entspricht (BSG aaO, jeweils unter Hinweis auf BSGE 110, 183 = SozR 4-2500 § 34 Nr 9, RdNr 25 und BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 75). Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ergeben sich keine rechtlichen Bedenken gegen die
vom GBA aufgestellten Vorgaben.
bb. Insbesondere ist auch die Vorgabe nicht zu beanstanden, dass ein Medizinprodukt nur dann medizinisch notwendig im Sinne
des §
31 Abs
1 Satz 2
SGB V ist, wenn eine andere, zweckmäßigere Behandlungsmöglichkeit nicht verfügbar ist (§
29 Nr 4 AM-RL, Kapitel 4 § 39 Abs 1 Nr 4 VerfO), also unter den - an sich als zweckmäßig beurteilten - Medizinprodukten eine
verfeinerte Auswahl zu treffen ist.
(1) Die "Zweckmäßigkeit" ist ein Teilelement des in §
12 Abs
1 Satz 1
SGB V normierten Wirtschaftlichkeitsgebots. Danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen
das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Eine nähere Konkretisierung des Begriffes enthalten weder Gesetz noch AM-RL oder
VerfO. Nach der herrschenden Auffassung ist eine Leistung zweckmäßig, wenn diese auf eines der in den §§
11 Abs
1, Abs
2 und
27 Abs
1 Satz 1
SGB V genannten Ziele objektiv ausgerichtet ist und auch hinreichend wirksam ist, um diese Ziele zu erreichen (zB Wagner in Krauskopf,
SGB V, 2015, §
12 RdNr 6; Engelhard in jurisPK-
SGB V, 2. Aufl 2012, §
12 RdNr 52; Ulmer in Eichenhofer/Wenner,
SGB V, 2013, §
12 RdNr 12; Rixen, SGb 2013, 140, 142; siehe auch Greiner/Benedix, SGb 2013, 1, 3; Noftz in Hauck/Noftz,
SGB V, 2000, §
12 RdNr 19; vgl schon BSGE 64, 255, 257 = SozR 2200 § 182 Nr 114 S 257). Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Leistung - als Teilelement des Begriffes der
"Zweckmäßigkeit" - sind die allgemeinen Anforderungen des Leistungsrechts in die Betrachtung einzubeziehen (in diesem Sinne
auch Noftz aaO RdNr 20; vgl auch Kruse in LPK-
SGB V, 4. Aufl 2012, §
12 RdNr
7): §
2 Abs
1 Satz 3
SGB V bestimmt, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen
und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben; nach §
28 Abs
1 Satz 1
SGB V umfasst die ärztliche Behandlung die Tätigkeit des Arztes, die (ua) zur Behandlung von Krankheiten "nach den Regeln der ärztlichen
Kunst" ausreichend und zweckmäßig ist.
(2) Der GBA ist auch berechtigt, die Zweckmäßigkeit von Medizinprodukten einer vergleichenden Betrachtung zu unterwerfen und
weniger zweckmäßige Medizinprodukte nicht in die Übersicht aufzunehmen bzw wieder aus dieser zu entfernen. Auch wenn §
2 Abs
1 Satz 3
SGB V nicht zwingend verlangt, dass dann, wenn mehrere Methoden mit nachgewiesenem Wirkungszusammenhang zur Verfügung stehen, die
anerkannteste bzw besterprobte zu erbringen ist, hat die Rechtsprechung des BSG ein solches Vorgehen des GBA namentlich in Bezug auf Medizinprodukte gebilligt (BSGE 111, 155 = SozR 4-2500 § 31 Nr 21 RdNr 36 f; zum Vergleich der Zweckmäßigkeit von Monopräparaten und Wirkstoffkombinationen vgl auch
BSGE 110, 20 = SozR 4-2500 § 92 Nr 13, RdNr 40).
Zwar wird eine solche Vergleichsbetrachtung - anders als etwa in §
135 Abs
1 Satz 1 Nr
1 SGB V für die Anerkennung neuer Behandlungsmethoden in Bezug auf die medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - nicht
ausdrücklich durch das Gesetz vorgegeben. Auch §
92 Abs
1 Satz 1 Teilsatz 4
SGB V, der den GBA dazu ermächtigt, die Verordnung von Arzneimitteln einzuschränken oder auszuschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit
erwiesen oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen
Nutzen verfügbar ist (siehe hierzu BSGE 110, 20 = SozR 4-2500 § 92 Nr 13, RdNr 40), ist jedenfalls nicht unmittelbar anwendbar, da er sich auf Arzneimittel bezieht. Beide
Regelungen lassen erkennen, dass eine Vergleichsbetrachtung dem Grunde nach bereits im Gesetz angelegt ist. In Bezug auf die
Verordnungsfähigkeit von Medizinprodukten rechtfertigt sich eine vergleichende Betrachtung zudem bereits aus dem gesetzlich
vorgegebenen Regel-Ausnahme-Verhältnis. Nach §
31 Abs
1 Satz 2
SGB V hat der GBA festzulegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen Medizinprodukte "ausnahmsweise" in die Arzneimittelversorgung
einbezogen werden. Dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis der Verordnungsfähigkeit rechtfertigt es, an die in Frage kommenden Medizinprodukte
höhere Anforderungen zu stellen und für den Fall, dass mehrere "zweckmäßige" Produkte zur Verfügung stehen, unter diesen eine
Auswahl zu treffen. Ein Medizinprodukt ist (in Anlehnung an die für Arzneimittel geltende Regelung in Kapitel 4 § 12 Abs 1
Satz 1 VerfO) dann als "zweckmäßiger" anzusehen, wenn die mit ihm vergleichbaren Medizinprodukte einen höheren therapierelevanten
Nutzen haben.
cc. Der Beklagte durfte schließlich seine Entscheidung, dass zur Behandlung des Kopflausbefalls zweckmäßigere Medizinprodukte
zur Verfügung stehen, auch darauf stützen, dass der medizinische Nutzen - und speziell die Zweckmäßigkeit - dieser "Konkurrenzprodukte"
durch Studien höchstmöglicher Evidenz belegt ist, derjenige von Jacutin® Pedicul Fluid hingegen nicht. Die ausnahmsweise Zulassung
der Verordnung von Medizinprodukten in der vertragsärztlichen Versorgung ist nur soweit geboten, wie für das jeweilige Medizinprodukt
die höchste erreichbare Evidenz (vgl Kapitel 4 § 40 Abs 1 VerfO: "höchstmöglicher") in der jeweiligen Indikation belegt ist.
Das schließt allerdings nicht aus, dass ein Medizinprodukt, dessen medizinische Notwendigkeit nicht durch Studien der höchsten
Evidenzstufe, sondern nur mit solchen niedriger Evidenz nachgewiesen ist, zunächst aufgenommen wird, wenn Behandlungsalternativen
für die jeweilige Indikation (noch) nicht zur Verfügung stehen. Dass die VerfO diese Konstellation nicht ausdrücklich regelt,
sondern in Kapitel 4 § 40 Abs 1 VerfO regelhaft die höchstmögliche Evidenz fordert, steht dem nicht entgegen. Insofern besteht
eine unter Versorgungsgesichtspunkten ausfüllungsbedürftige Lücke, die dadurch zu schließen ist, dass in die VerfO eine entsprechende
Ausnahmeregelung mit hineinzulesen ist. Ein unter diesen Bedingungen aufgenommenes Medizinprodukt kann genauso wieder aus
der Übersicht herausgenommen werden, wenn therapeutisch gleichwertige besser evidenzgesicherte Medizinprodukte vorhanden sind
oder für solche, die schon länger verfügbar sind, deren Wirksamkeit durch aktuelle Studien höherer Evidenz belegt wird.
(1) Gemäß Kapitel 4 § 40 VerfO ("Anforderungen an den Nachweis der medizinischen Notwendigkeit") ist die medizinische Notwendigkeit
des Einsatzes eines Medizinprodukts nach den Kriterien des § 39 anhand von Studien höchstmöglicher Evidenz und ggf weiterer
Literatur zu belegen (Abs 1 aaO). Auf der Basis systematischer Literaturrecherchen ist nachzuweisen, dass ein durch wissenschaftliche
Studien hinreichend untermauerter Konsens in den einschlägigen Fachkreisen über den diagnostischen oder therapeutischen Nutzen
des Medizinprodukts zur Behandlung der Erkrankung besteht (Abs 2 aaO). Diese Anforderungen gelten für sämtliche der in § 29
AM-RL bzw Kapitel 4 § 39 VerfO aufgeführten Kriterien, also auch für die (höhere) Zweckmäßigkeit eines Medizinprodukts. Bei
der Klassifizierung der Evidenzstufen ist im Hinblick auf die "höchstmögliche Evidenz" auf Kapitel 4 § 7 Abs 4 VerfO zurückzugreifen
(BSGE 111, 155 = SozR 4-2500 § 31 Nr 21 RdNr 37); dort sind die einzelnen Evidenzstufen näher erläutert. Danach bedarf es grundsätzlich
eines Beleges durch Unterlagen der Evidenzstufe I (Ia: Systematische Übersichtsarbeiten von Studien der Evidenzstufe Ib, Ib:
Randomisierte klinische Studien).
(2) Diese vom GBA in Konkretisierung der gesetzlichen Vorgaben aufgestellten Anforderungen an den Nachweis der medizinischen
Notwendigkeit sind auch als solche nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des BSG unterliegt die Verfahrensweise des GBA, generell den Beleg der medizinischen Notwendigkeit des Einsatzes eines Medizinprodukts
anhand von Studien höchstmöglicher Evidenz und ggf weiterer Literatur zu fordern (Kapitel 4 § 40 Abs 1 VerfO) und die Aufnahme
in die Anlage V AM-RL abzulehnen, wenn die vorgelegten Belege niederer Evidenz im konkreten Bewertungsfall unter Beweisgesichtspunkten
nicht als ausreichend erscheinen, keiner Beanstandung (so ausdrücklich BSGE 111, 155 = SozR 4-2500 § 31 Nr 21 RdNr 37 - Gepan instill; vgl auch BSGE 112, 15 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1, RdNr 45 - Mindestmengen; BSGE 114, 217 = SozR 4-2500 § 35 Nr 7, RdNr 48 - Festbeträge; BSG SozR 4-2500 § 34 Nr 14, RdNr 45 - OTC-Liste). Die methodischen Anforderungen der evidenzbasierten Medizin im Leistungs- und Leistungserbringungsrecht
sind ausgerichtet auf und gerechtfertigt durch die materiellen Anforderungen des Wirtschaftlichkeitsgebots nach §
12 Abs
1 SGB V, das grundsätzlich eine Versorgung nur mit Leistungen zulässt, die - entsprechend dem Qualitätsgebot des §
2 Abs
1 Satz 3
SGB V - nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit
bieten (BSGE 112, 15 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1, RdNr 45); diese müssen sich wiederum in zuverlässigen, wissenschaftlich nachprüfbaren Aussagen
niedergeschlagen haben (BSG SozR 4-2500 § 28 Nr 8 RdNr 23 mwN).
(3) Diese Evidenzanforderungen erfüllt Jacutin® Pedicul Fluid nicht, weil keine der hierzu vorliegenden Veröffentlichungen
der Evidenzstufe I entspricht. Die verbleibenden Zweifel an einem durch wissenschaftliche Studien hinreichend untermauerten
Konsens in den einschlägigen Fachkreisen über den diagnostischen oder therapeutischen Nutzen (vgl Kapitel 4 § 40 Abs 2 VerfO)
von Jacutin® Pedicul Fluid lassen daher die Entscheidung des GBA nachvollziehbar erscheinen. Die Klägerin hat weder im Anhörungsverfahren
gegenüber dem Beklagten noch nachfolgend geltend gemacht, dass es auch für Jacutin® Pedicul Fluid eine Studie mit höchster
Evidenz gebe oder eine solche Studie kurz vor dem Abschluss stehe. Im Gegenteil hat sie vorgetragen, eine solche Studie sei
nicht durchführbar. Das nach dem MPG durchzuführende Konformitätsbewertungsverfahren vermag den nach der AM-RL bzw der VerfO erforderlichen Nachweis des medizinischen
Nutzens nicht zu ersetzen. Erst recht kann der Argumentation der Klägerin nicht gefolgt werden, dass das Behandlungsergebnis
bzw der medizinische Nutzen von Jacutin® Pedicul Fluid so evident sei, dass ein Nachweis durch entsprechende Studien nicht
erforderlich sei.
Es ist auch kein Ausnahmefall gegeben, in dem der Nutzennachweis auf der bestverfügbaren ("best available") Evidenz in der
Klassifikation der evidenzbasierten Medizin, mithin auf niedrigeren Rangstufen geführt werden kann. Zwar trifft es nach der
Rechtsprechung des BSG zu, dass bei Fehlen höherrangiger Studien auf andere aussage- und beweiskräftige Studien ausgewichen werden kann (BSGE 107,
287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 62 mwN - Sortis; BSGE 111, 155 = SozR 4-2500 § 31 Nr 21, RdNr 37 - Gepan instill; vgl auch BSGE 110, 245 = SozR 4-1500 § 55 Nr 12, RdNr 48-49). Hierfür besteht vorliegend jedoch keine Veranlassung. Für andere, zur Behandlung des
Kopflausbefalls in die Anlage V der AM-RL aufgenommene Medizinprodukte liegen Studien höchster Evidenz vor, sodass der Vortrag
der Klägerin, derartige Studien seien nicht durchführbar, nicht überzeugt. Eine Verringerung der Evidenzanforderungen verbietet
sich zumindest für den Bereich der Medizinprodukte schon allein deswegen, weil diese ohnehin nur "ausnahmsweise" in die Versorgung
zu Lasten der GKV einbezogen werden; dies rechtfertigt strengere Anforderungen an den Nachweis des medizinischen Nutzens.
Im Übrigen besteht jedenfalls im Rahmen der nach § 29 Nr 4 AM-RL bzw Kapitel 4 § 39 Abs 1 Nr 4 VerfO durchzuführenden Vergleichsbetrachtung
keine Veranlassung, hinsichtlich des zur Überprüfung anstehenden Medizinprodukts auf Studien niedrigerer Evidenzstufe auszuweichen,
wenn für andere Medizinprodukte, mit denen es verglichen wird und nach seiner Ausrichtung verglichen werden kann, Studien
der höchsten Evidenzstufe vorliegen.
Der Senat verkennt nicht, dass es durchaus eine Reihe von Indizien gibt, die einen medizinischen Nutzen von Jacutin® Pedicul
Fluid nahelegen. Hierzu gehört der Umstand, dass das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in der "Bekanntmachung
der geprüften und anerkannten Mittel und Verfahren zur Bekämpfung von tierischen Schädlingen nach § 18 Infektionsschutzgesetz" vom 20.6.2008 (Bundesgesundheisbl 2008, 1220 ff) unter Teil A III. ("Mittel gegen Kopflausbefall") Jacutin® Pedicul Fluid
(aaO S 1226) aufführt. Als Mittel der Wahl empfohlen wird Jacutin® Pedicul Fluid sowohl im "arznei-telegramm" als auch im
- von den Herausgebern des "arznei-telegramm(s)" herausgegebenen "Arzneimittelkursbuch" (letztverfügbare Ausgabe 2010/11,
S 2274 Stichwort Dimeticon, extern: "Mittel der Wahl. Dies gilt aber nur für das Präparat Jacutin® Pedicul Fluid."). Schließlich
wird Jacutin® Pedicul Fluid in einer aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Ökotest" (Ausgabe Mai 2015 S 41 ff) als eines von
zwei der 16 getesteten Mittel zur Behandlung des Kopflausbefalls mit "sehr gut" beurteilt.
Ungeachtet dessen hat es bei den vom GBA aufgestellten Anforderungen zu verbleiben, weil nur so eine einheitliche, identischen
Maßstäben unterliegende Handhabung der Listung von Medizinprodukten in die Übersicht gewährleistet ist. Es ist daher Sache
des Herstellers eines Medizinprodukts, die Studienlage im Blick zu behalten und den Beleg des medizinischen Nutzens des eigenen
Medizinprodukts jeweils auf der höchsten verfügbaren Evidenzstufe zu halten. Dass dies umsetzbar und zumutbar ist, belegen
die für Konkurrenzprodukte vorgelegten Studien.
dd. Ist der GBA somit nicht nur berechtigt, die Aufnahme eines Medizinprodukts in die Anlage V der AM-RL abzulehnen, sofern
andere - zweckmäßigere - Medizinprodukte verfügbar sind, sondern auch dazu, in Bezug auf die Zweckmäßigkeit nach dem Grad
des Nachweises des medizinischen Nutzens der Medizinprodukte - speziell der Zweckmäßigkeit - zu differenzieren, besteht kein
Anspruch darauf, dass Jacutin® Pedicul Fluid in dieser Übersicht gelistet ist, weil der GBA zeitgleich (Nyda® sowie Etopril®)
bzw nachfolgend (Dimet®20, Paranix® ohne Nissenkamm und Mosquito® med LäuseShampoo) andere Medizinprodukte zur Behandlung
des Kopflausbefalls in die Übersicht aufgenommen hat, die der GBA als "zweckmäßiger" ansehen durfte, weil ihre Wirksamkeit
durch Studien höchster Evidenz belegt ist. Eines direkten Vergleiches der Zweckmäßigkeit verschiedener Medizinprodukte im
Sinne eines "head to head-Vergleiches" bedarf es nicht.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass unter Zugrundelegung der für die Aufnahme und den Verbleib eines Medizinprodukts
in die bzw in der Übersicht zu stellenden Evidenzanforderungen Jacutin® Pedicul Fluid nicht allein als "unzweckmäßigeres"
Medizinprodukt im Sinne von § 29 Nr 4 AM-RL bzw Kapitel 4 § 39 Abs 1 Nr 4 VerfO anzusehen ist. Die Voraussetzung, dass keine
"zweckmäßigeren" Medizinprodukte verfügbar sein dürfen, beinhaltet die Anforderung, dass das zu beurteilende Medizinprodukt
seinerseits "zweckmäßig" sein muss, um überhaupt in den Vergleich einbezogen werden zu können. Da für Jacutin® Pedicul Fluid
keinerlei Studien der höchsten Evidenzstufe vorliegen, ist auch dessen Zweckmäßigkeit nicht den Anforderungen entsprechend
belegt. Nichts anderes gilt für seinen therapeutischen Nutzen (vgl § 29 Nr 3 AM-RL bzw Kapitel 4 § 39 Abs 1 Nr 3 VerfO), hinsichtlich
dessen aufgrund der Studienlage nicht belegt ist, dass er dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht.
Dies folgt daraus, dass die Evidenzanforderungen für sämtliche in § 29 AM-RL bzw Kapitel 4 § 39 VerfO aufgeführte Kriterien
gelten (siehe hierzu schon 3.b.cc [(1)]).
c. Schließlich ist der Beklagte nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, fortlaufend zu überprüfen, ob die in die
Übersicht aufgenommenen Medizinprodukte weiterhin die in §
31 Abs
1 Satz 2
SGB V iVm §
29 AM-RL sowie Kapitel 4 §
39 VerfO normierten Anforderungen an eine - ausnahmsweise - Verordnungsfähigkeit zu Lasten der GKV erfüllen, und hierauf zu
reagieren, sobald und soweit dies nicht mehr der Fall ist; einer "wesentlichen Änderung" im Sinne des § 48 Abs 1 SGB X bedarf es hierzu nicht.
Nach ständiger Rechtsprechung des BSG obliegt dem GBA wie jedem Normgeber eine Beobachtungspflicht dahingehend, ob das von ihm verfolgte Ziel der Gewährleistung
einer Krankenbehandlung entsprechend dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse weiterhin erreicht wird
(BSGE 103, 106 = SozR 4-2500 § 94 Nr 2, RdNr 62 - Protonentherapie; siehe zB auch BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 74 - Festbeträge; BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 71 - Festbeträge; BSG SozR 4-2500 § 28 Nr 8 RdNr 23, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen - Goldinlays). Eine solche Beobachtungspflicht ist auch in Kapitel
1 § 7 Abs 4 VerfO vorgegeben. Danach muss der GBA begründeten Hinweisen nachgehen, dass seine Entscheidungen nicht mehr mit
dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse übereinstimmen.
Auch unabhängig von derartigen Hinweisen ist der GBA nach dem Erlass einer Richtlinie zu der Prüfung verpflichtet, ob neuere
wissenschaftliche Erkenntnisse diese Entscheidung noch rechtfertigen oder deren Änderung gebieten (BSGE 103, 106 = SozR 4-2500 § 94 Nr 2, RdNr 62; BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 74; BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 71; siehe auch BSG SozR 4-2500 § 28 Nr 8 RdNr 23 mwN). Wird das Ziel der Gewährleistung einer Krankenbehandlung entsprechend dem allgemein anerkannten Stand
der medizinischen Erkenntnisse offenkundig nicht mehr erreicht, muss er nachbessern (BSGE 103, 106 = SozR 4-2500 § 94 Nr 2, RdNr 62 unter Hinweis ua auf BVerfGE 95, 267, 314 f und BVerfGE 111, 333, 360). Denn wesentlicher innerer Grund des gesetzlichen Regelungskonzepts, den GBA mit Normsetzungskompetenz auszustatten,
ist es gerade, ihn die sich ständig ändernde Entwicklung des allgemein anerkannten Standes der Medizin und der Pharmakologie
beobachten zu lassen, damit er wesentliche Änderungen umgehend in den Richtlinien berücksichtigt (BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 74; BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 71; siehe auch BSG SozR 4-2500 § 27a Nr 13 RdNr 26; BSG SozR 4-2500 § 27a Nr 14 RdNr 21). Klarzustellen ist, dass die Beobachtungspflicht des GBA nicht allein in Bezug auf solche Erkenntnisse Geltung
beansprucht, die die Aufhebung einer negativen Entscheidung rechtfertigen könnten, sondern auch für solche Erkenntnisse gilt,
die die Änderung einer positiven Entscheidung - wie etwa die Aufnahme in die Übersicht - erfordern oder zumindest rechtfertigen
können.
Neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen gleichzustellen ist insbesondere die Konstellation, dass sich die tatsächlichen Grundlagen
der vom GBA nach § 29 Nr 4 AM-RL bzw Kapitel 4 § 39 Abs 1 Nr 4 VerfO anzustellenden Vergleichsbetrachtung dadurch ändern,
dass andere - zweckmäßigere - Medizinprodukte verfügbar werden. Mit dem Begriff "verfügbar" ist in diesem Zusammenhang nicht
gemeint, dass zur Behandlung derselben Krankheit vorgesehene Medizinprodukte überhaupt am Markt erhältlich sind; vielmehr
bezieht sich die "Verfügbarkeit" darauf, ob ein Medizinprodukt durch seine Aufnahme in die Übersicht zu Lasten der GKV verordnungsfähig
geworden ist. Dies ergibt sich zwingend daraus, dass nur solche Medizinprodukte in die Vergleichsbetrachtung einbezogen werden,
die miteinander um die Anerkennung ihrer ausnahmsweisen Verordnungsfähigkeit konkurrieren; dies können nur solche sein, die
entweder bereits gelistet sind oder deren Aufnahme zur Überprüfung ansteht. Im Übrigen folgt dies aus der Funktion der gemäß
§
31 Abs
1 Satz 2 Halbsatz 1
SGB V zu erstellenden Übersicht, die Medizinprodukte aufzuführen, die ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden.
Gerade die nach § 29 Nr 4 AM-RL bzw Kapitel 4 § 39 Abs 1 Nr 4 VerfO anzustellende Vergleichsbetrachtung erfordert einen -
über die allgemeine Beobachtungspflicht des Normgebers hinausgehenden - Prozess permanenter Überprüfung. Eine vergleichende
Betrachtung der Zweckmäßigkeit, die sich in einer einmaligen Gegenüberstellung verschiedener - zur Behandlung identischer
Krankheitsbilder bestimmter und verfügbarer - Medizinprodukte erschöpfte, würde zum einen den erkennbaren Zweck des Vergleiches
verfehlen, nur die Medizinprodukte zur ausnahmsweisen Verordnung zuzulassen, deren Zweckmäßigkeit höchsten Anforderungen entspricht,
und zum anderen zu einer Ungleichbehandlung der Hersteller von Medizinprodukten führen, weil die Aussicht, die Aufnahme ihres
Medizinprodukts in die Übersicht zu erreichen, wesentlich von der im Zeitpunkt der Entscheidung des GBA bestehenden Konkurrenzsituation
mitbestimmt würde.
Angesichts der dargestellten Verpflichtung des GBA, die Entwicklung des allgemein anerkannten Standes der Medizin und der
Pharmakologie fortlaufend zu beobachten, kommt ein sich aus der Aufnahme in die Anlage V der AM-RL ergebender Vertrauensschutz
nicht in Betracht. Die allgemeine Erwartung der Unveränderlichkeit der Rechtslage ist nicht Gegenstand des verfassungsrechtlichen
Vertrauensschutzes (vgl BVerfGE 105, 17, 40; 109, 133, 180 f; BVerfG [Kammer] Beschluss vom 15.5.2007 - 1 BvR 866/07 - Juris RdNr 20 = NZS 2008, 34; BSG SozR 4-2500 § 103 Nr 4 RdNr 23-24; BSG SozR 4-2500 § 101 Nr 10 RdNr 28).
d. Nach alledem ist die Entscheidung des GBA rechtlich nicht zu beanstanden, da die gesetzlichen Vorgaben für die Normänderung
beachtet wurden, der Klägerin ausreichend Gelegenheit gegeben wurde, zur beabsichtigten Normänderung Stellung zu nehmen und
ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot des Art
3 Abs
1 GG nicht vorliegt, weil an alle Hersteller von Medizinprodukten zur Behandlung des Kopflausbefalls gleiche Anforderungen gestellt
wurden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§
154 ff
VwGO. Danach hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen, da sie unterlegen ist (§
154 Abs
1 VwGO).