Disziplinarmaßnahme wegen fehlenden Fortbildungsnachweises
Verfassungsmäßigkeit von Honorarkürzung
Gründe:
I
Zwischen den Beteiligten ist eine Disziplinarmaßnahme wegen fehlenden Fortbildungsnachweises streitig. Der Kläger war als
praktischer Arzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Für die Quartale III/2009 bis I/2011 kürzte die beklagte Kassenärztlichen
Vereinigung (KÄV) das Honorar des Klägers unter Hinweis auf §
95d SGB V wegen Nichterbringung des Fortbildungsnachweises um insgesamt 19 146,36 Euro. Nachfolgend setzte der Disziplinarausschuss
der Beklagten gegen den Kläger wegen Verstoßes gegen die Pflicht zur Fortbildung eine Geldbuße in Höhe von 7500 Euro fest.
Das SG Düsseldorf hat den Beschluss des Disziplinarausschusses vom 11.7.2012 durch Urteil vom 6.2.2013 aufgehoben. Auf die
Berufung der Beklagten hat das LSG Nordrhein-Westfalen die Klage durch Urteil vom 18.2.2015 abgewiesen. Dieses Urteil ist
dem Kläger am 8.5.2015 zugestellt worden. Der Kläger hat mit einem am 8.6.2015 beim BSG eingegangenen Schreiben vom selben Tag beantragt, ihm Prozesskostenhilfe (PKH) für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem vorbezeichneten Urteil des LSG zu gewähren. Dem Schreiben war die erste Seite der Erklärung über die persönlichen
und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe (Erklärung) sowie ein Vermögensverzeichnis vom 6.5.2015
beigefügt.
II
Die Bewilligung von PKH ist abzulehnen.
Voraussetzung für die Bewilligung von PKH ist nach der Rechtsprechung des BSG und der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes, dass sowohl der (grundsätzlich formlose) Antrag auf PKH als auch die Erklärung
über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Erklärung) in der für diese gesetzlich vorgeschriebenen Form (§
73a Abs
1 SGG, §
117 Abs
2 und
4 ZPO), dh auf dem durch die Prozesskostenhilfeformularverordnung vom 6.1.2014 (BGBl I 34) eingeführten Formular, bis zum Ablauf
der Beschwerdefrist eingereicht werden, es sei denn, der Antragsteller war an der Einhaltung der Frist unverschuldet gehindert
(BSG SozR 1750 § 117 Nr 1 und 3; BSG Beschluss vom 3.4.2000 - B 7 AL 14/01 B; BGH VersR 1981, 884; BVerfG SozR 1750 § 117 Nr 2 und 6; BVerfG NJW 2000, 3344). Diese Bewilligungsvoraussetzung ist hier nicht erfüllt. Der Kläger hat bis zum Ablauf der einmonatigen Beschwerdefrist,
die am 8.6.2015 endete (§
160a Abs
1, §
64 Abs
2, §
63 Abs
2 SGG, §§
180,
182 ZPO), zwar - am letzten Tag der Frist - PKH beantragt, aber dem BSG die vollständige Erklärung nicht vorgelegt.
Die rechtzeitige Vorlage des - vollständigen - Formulars konnte nicht etwa deswegen unterbleiben, weil der Kläger seinem Schreiben
vom 8.6.2015 ein zu Protokoll des Gerichtsvollziehers des Amtsgerichts N. am 6.5.2015 abgegebenes Vermögensverzeichnis beigefügt
hat (so schon BSG Beschluss vom 21.5.2007 - B 2 U 131/07 B - Juris RdNr 3; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, §
73a RdNr 5b). Die Verwendung des Formulars soll das Gericht in die Lage versetzen, sich aufgrund der gemachten Angaben und vorgelegten
Belege eine ausreichende Gewissheit über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu verschaffen. Dazu bedarf es
aber Erklärungen, welche in dem Formular gefordert werden, einschließlich der Versicherung über die Vollständigkeit und Richtigkeit
der gemachten Angaben (BSG Beschluss vom 21.5.2007 - B 2 U 131/07 B - Juris RdNr 3 mwN).
Es ist auch nicht erkennbar, dass der Kläger es unverschuldet versäumt hat, die Frist einzuhalten. Der Kläger ist in der Rechtsmittelbelehrung
des Urteils vom 18.2.2015 ausdrücklich darüber belehrt worden, dass sowohl das PKH-Gesuch als auch die formgerechte Erklärung
bis zum Ablauf der Beschwerdefrist beim BSG einzureichen sind. Es ist weder ersichtlich noch von dem Kläger dargetan, dass er an der Einhaltung der Frist ohne sein Verschulden
verhindert gewesen ist.
Im Übrigen wäre PKH nicht zu bewilligen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet
(§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
114 ZPO). Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, die vom Kläger angestrebte Nichtzulassungsbeschwerde
erfolgreich zu begründen. Dass die Pflicht zum Nachweis der fachlichen Fortbildung und die in §
95d Abs
3 SGB V vorgesehenen Honorarkürzungen mit der Berufsfreiheit aus Art
12 Abs
1 GG im Einklang stehen, hat der Senat bereits mit Urteil vom 11.2.2015 (B 6 KA 19/14 R - RdNr 15) entschieden. Offensichtlich unbegründet ist auch der Einwand des Klägers, dass §
95d SGB V die Sanktionen bei fehlendem Fortbildungsnachweis abschließend aufzähle. Dem steht schon entgegen, dass in §
95d Abs
3 Satz 6
SGB V ausdrücklich bestimmt ist, dass die KÄV einen Antrag auf Entziehung der Zulassung stellen soll, wenn ein Vertragsarzt den
Fortbildungsnachweis nicht spätestens zwei Jahre nach Ablauf des Fünfjahreszeitraums erbringt. Schon das Gesetz geht also
davon aus, dass es neben den in §
95d SGB V vorgeschriebenen Honorarkürzungen weitere Konsequenzen geben muss, wenn ein Vertragsarzt - wie vorliegend - seiner Fortbildungspflicht
ungeachtet der Honorarkürzungen weiterhin nicht nachkommt. Schreibt aber das Gesetz für den Regelfall (s hierzu BSG Beschluss vom 11.2.2015 - B 6 KA 37/14 B - RdNr 8) sogar die Einleitung eines Entziehungsverfahrens vor, steht §
95d SGB V der Einleitung eines Disziplinarverfahrens und der Verhängung einer Geldbuße - als mildere Maßnahme gegenüber einer Zulassungsentziehung
- erst recht nicht entgegen. Dass eine fortdauernde Verweigerung der - vom Kläger als "Zwangsarbeit" bezeichneten - Fortbildung
eine gröbliche Verletzung vertragsärztlicher Pflichten darstellt, steht außer Frage (s hierzu BSG Beschluss vom 11.2.2015 - B 6 KA 37/14 B - RdNr 9 ff).