Rückforderung von Fördergeldern für die Beschäftigung eines Weiterbildungsassistenten
Grob fahrlässiges Handeln eines Begünstigten
Umstände des Einzelfalles
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten um die Rückforderung von Fördergeldern für die Beschäftigung eines Weiterbildungsassistenten.
Der Kläger war im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) als Facharzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen
Versorgung zugelassen. Außerdem ging er Tätigkeiten als Geschäftsführer der S. GmbH und als Geschäftsführer weiterer Gesellschaften
nach. Für die genehmigte Halbtagsbeschäftigung des Weiterbildungsassistenten Dr. Müller bewilligte die Beklagte dem Kläger
im Zeitraum vom 1.9.2009 bis zum 31.8.2011 eine Förderung in Höhe von zunächst 1020 Euro und später 1750 Euro monatlich. Die
erbrachten Förderleistungen in Höhe von insgesamt 39 080 Euro forderte die Beklagte von dem Kläger mit der Begründung zurück,
dass die Weiterbildung nicht den Bedingungen für die Genehmigung zur Beschäftigung eines Weiterbildungsassistenten entsprochen
habe und dass die Fördermittel daher ohne Rechtsgrund geleistet worden seien. Der Kläger sei seinen Pflichten als Ausbilder
nicht nachgekommen und nur an einem Tag der Woche in der Praxis anwesend gewesen. Ebenfalls mit dieser Begründung nahm die
Beklagte die Bescheide über die Bewilligung der Fördermittel zurück. Die Voraussetzungen des § 45 SGB X seien erfüllt, weil das Handeln des Klägers grob fahrlässig gewesen sei.
Das SG hat die dagegen erhobenen Klagen - nach Verbindung der Verfahren - abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das LSG das
Urteil des SG und die angefochtenen Bescheide der Beklagten im Wesentlichen mit der Begründung aufgehoben, dass dem Kläger unter Berücksichtigung
der Gespräche, die er im Zusammenhang mit der Bewilligung der Fördermittel mit dem stellvertretenden Vorsitzenden der Beklagten
geführt habe, keine grobe Fahrlässigkeit bezogen auf die Verletzung seiner Pflichten als Ausbilder vorzuwerfen sei.
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG macht die Beklagte eine grundsätzliche Bedeutung
der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß §
160 Abs
2 Nr
1 SGG) geltend.
II
1. Die Beschwerde ist unzulässig, weil die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht in der erforderlichen
Weise dargelegt wird.
Für die Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache muss in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage
in klarer Formulierung bezeichnet (vgl BSG Beschluss vom 13.5.1997 - 13 BJ 271/96 - SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 37 f; BVerfG Beschluss vom 14.6.1994 - 1 BvR 1022/88 - BVerfGE 91, 93, 107 = SozR 3-5870 § 10 Nr 5 S 31; BVerfG [Kammer] Beschluss vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 f) und ausgeführt werden, inwiefern diese Rechtsfrage in dem mit der Beschwerde angestrebten
Revisionsverfahren entscheidungserheblich (klärungsfähig) sowie klärungsbedürftig ist. Den Darlegungsanforderungen des §
160a Abs
2 S 3
SGG wird bei der Grundsatzrüge nur genügt, wenn der Beschwerdeführer eine Frage formuliert, deren Beantwortung nicht von den
Umständen des Einzelfalles abhängt, sondern die mit einer verallgemeinerungsfähigen Aussage beantwortet werden könnte (zu
dieser Anforderung vgl BSG Beschluss vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10). Zudem muss ersichtlich sein, dass sich die Antwort nicht ohne Weiteres aus der bisherigen Rechtsprechung ergibt.
Das Vorbringen der Beklagten genügt diesen Anforderungen nicht. Sie formuliert die Frage:
"Handelt der Adressat eines Verwaltungsaktes grob fahrlässig i.S.v. § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB X, wenn er den schriftlich verfassten Inhalt einer Bescheidausfertigung - bspw. hinsichtlich der geforderten Anwesenheit -
missachtet mit der Begründung, er habe sich auf mündliche Auskünfte der Erlassbehörde verlassen, die hierzu in Widerspruch
stehen?"
a) Nach § 45 Abs 2 S 3 Nr 3 SGB X kann sich der Begünstigte nicht auf Vertrauen berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder in Folge
grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders
schwerem Maße verletzt hat. Die Frage, wann danach grobe Fahrlässigkeit gegeben ist, ist einer generalisierenden Beantwortung
nicht zugänglich, sondern in Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen (vgl BSG Beschluss vom 24.10.2011 - B 14 AS 45/11 B - Juris RdNr 6). Das gilt auch für das in der formulierten Rechtsfrage angesprochene Verhältnis des Inhalts der schriftlichen
Bescheidausfertigung "bspw. hinsichtlich der geforderten Anwesenheit" zum Inhalt einer mündlichen Auskunft. Eine allgemeingültige
Aussage zur Bedeutung einer mündlich erteilten Auskunft für die Beurteilung der groben Fahrlässigkeit kann nicht getroffen
werden. Damit bezeichnet die Beklagte hier keine von den Umständen des vorliegenden Einzelfalles unabhängige und weiterhin
klärungsbedürftige Rechtsfrage.
b) Auch wenn unterstellt wird, dass es der Beklagten um eine über den vorliegenden Einzelfall hinausgehende Klärung von Maßstäben
für die Beurteilung der groben Fahrlässigkeit geht, ist die Beschwerde unzulässig, weil es an Darlegungen zu der Frage fehlt,
ob sich die Antwort aus der bereits vorliegenden umfangreichen Rechtsprechung des BSG zur groben Fahrlässigkeit ergibt. Die in der Beschwerdebegründung aufgestellte allgemeine Behauptung der Klärungsbedürftigkeit
genügt den Anforderungen nicht (vgl BSG Beschluss vom 11.6.2002 - B 4 RA 216/01 B - Juris RdNr 7). Erforderlich ist vielmehr eine Auseinandersetzung mit der vorliegenden einschlägigen Rechtsprechung (BSG Beschluss vom 3.2.2015 - B 13 R 261/14 B - Juris RdNr 8; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl 2017, §
160a RdNr 14d). Daran fehlt es hier vollständig. Selbst die im Urteil des LSG dazu angegebene Entscheidung des BSG vom 8.2.2001 (B 11 AL 21/00 R - SozR 3-1300 § 45 Nr 45) findet in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde keine Erwähnung.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 S 1 Teils 3
SGG iVm einer entsprechenden Anwendung von §§
154 ff
VwGO. Danach trägt die Beklagte die Kosten des von ihr erfolglos geführten Rechtsmittels (§
154 Abs
2 VwGO).
3. Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in §
197a Abs
1 S 1 Teils 1
SGG iVm §
63 Abs
2 S 1, § 52 Abs 3 S 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG.