Rechtswirkung der Festsetzung der Gesamtvergütung, Nachzahlung für zurückliegende Zeiträume
Gründe:
I
Der als Facharzt für Allgemeinmedizin an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Kläger begehrt höheres Honorar für
die von ihm erbrachten Leistungen. Er wendet sich gegen die Rechtmäßigkeit der Honorarbescheide für die Quartale III/1997,
II/1998 und IV/1998 nur noch mit der Begründung, die Beklagte habe in den Jahren 1996 bis 1998 mit den Verbänden der Krankenkassen
eine in rechtswidriger Weise zu geringe Gesamtvergütung vereinbart.
Die Rechtsbehelfe des Klägers hatten keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat in seiner Entscheidung ausgeführt, das
im Gesetz vorgegebene gesamtvertragliche Vergütungssystem schließe es aus, dass sich der einzelne Vertragsarzt in seinem Honorarstreit
darauf berufen könne, die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) sei ihren kollektivvertragsrechtlichen Befugnissen hinsichtlich
der Vereinbarung der Gesamtvergütung nur unzureichend nachgekommen. Die Beklagte könne nur die vereinbarte oder durch Schiedsspruch
festgesetzte Gesamtvergütung unter ihren Mitgliedern verteilen. Forderungen nach einer nachträglichen Aufstockung der Gesamtvergütung
seien in einem beitragsfinanzierten Krankenversicherungssystem ausgeschlossen, weil auch die Krankenkassen ihrerseits von
den Versicherten nachträglich keine höheren Beiträge einziehen könnten. Im Übrigen entfalte die Vorschrift des §
85 Abs
3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) keine drittschützende Wirkung gegenüber dem einzelnen Vertragsarzt, zumal diese Norm sich ausweislich ihres Wortlauts allein
an die Gesamtvertragspartner wende.
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG macht der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung
der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß §
160 Abs
2 Nr
1 Sozialgerichtsgesetz >SGG<) geltend.
II
Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Darlegungen in der Beschwerdebegründung entsprechen nicht den aus §
160a Abs
2 Satz 3
SGG abzuleitenden Anforderungen.
Wer die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache geltend macht, muss in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage
in klarer Formulierung bezeichnen, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie
klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BVerfG >Kammer<, SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14; s auch
BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 19 S 34 f; Nr 30 S 57 f mwN). Speziell zur Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage ist unter Auswertung
der vorhandenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu dem Problemkreis substantiiert vorzutragen, dass das BSG
zu diesem Fragenbereich entweder noch keine Entscheidung getroffen oder aber durch die schon vorliegenden Urteile die für
maßgeblich erachtete Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet hat (BSG, Beschluss vom 5. August 2003 - B
12 RA 5/03 B - und vom 28. April 2004 - B 11 AL 250/03 B - in juris dokumentiert; s auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 4. Aufl 2005, Kapitel IX RdNr
183). Dabei bedarf es der Auseinandersetzung mit den vorinstanzlichen Entscheidungen und sonstiger einschlägiger Rechtsprechung
(vgl BVerfG >Kammer<, SozR 3-1500 § 160a Nr 6 S 10 f; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; Nr 23 S 42). Diese Anforderungen,
die allerdings nicht überspannt werden dürfen, sind verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl BVerfG >Kammer<, SozR 3-1500 §
160a Nr 31 S 61). Die Beschwerdebegründung des Klägers wird ihnen nicht in jeder Hinsicht gerecht.
Der Kläger hält für grundsätzlich klärungsbedürftig die Rechtsfrage,
"ob §
85 Abs
3 Satz 1
SGB V drittschützenden Charakter hat und ein niedergelassener Arzt in einem Klageverfahren gegen einen Honorarbescheid im Rahmen
einer Inzidentkontrolle überprüfen lassen kann, ob die Höhe der Gesamtvergütung unter Verstoß gegen §
85 Abs
3 Satz 1
SGB V zu niedrig festgesetzt worden ist".
Der Kläger hat zwar die Entscheidungserheblichkeit dieser Rechtsfrage sowie ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung
ausreichend dargestellt. Nicht genügend ist aber seine Darlegung einer Klärungsbedürftigkeit dieser Frage im Lichte der bereits
vorhandenen Rechtsprechung des Senats. Das LSG hatte unter Bezugnahme auf die ausführlichen Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung
ausgeführt, das vom Gesetz vorgegebene gesamtvertragliche Vergütungssystem auf kollektivrechtlicher Grundlage schließe es
aus, dass sich der einzelne Vertragsarzt im Rahmen eines Klageverfahrens über die Rechtmäßigkeit eines an ihn gerichteten
Honorarbescheids darauf berufen könne, die Höhe der zwischen den Kollektivertragspartnern vereinbarten Gesamtvergütung sei
unzureichend. Hierzu hatte bereits das Sozialgericht (SG) in seinem Urteil (Seite 20 f) auf die grundlegende Entscheidung des Senats vom 14. Juli 1965 (SozR Nr 2 zu § 368h
RVO = Breihaupt 1966, 16) hingewiesen und daraus die entscheidenden Passagen wörtlich übernommen. Insbesondere hatte das SG aus jener Entscheidung den Rechtssatz wiedergegeben, dass zwischen dem für die Vertragsärzte normativen Teil eines Gesamtvertrags
- insoweit in seiner Eigenschaft als Normsetzungsvertrag - und der lediglich zwischen den Gesamtvertragsparteien selbst berechtigenden
und verpflichtenden Vereinbarung der Gesamtvergütung ("obligatorischer" Teil des Gesamtvertrags) unterschieden werden müsse
(vgl dazu auch Engelmann, NZS 2000, 1, 4).
Mit dieser zentralen und auf einer Entscheidung des Senats beruhenden Argumentation der Vorinstanzen setzt sich der Kläger
in seiner Beschwerdebegründung nicht auseinander. Er zitiert lediglich die schon vom SG angeführten Urteile des Senats, in denen eine inzidente Überprüfung von normativen Bestandteilen der Gesamtverträge im Rahmen
von Honorarklagen erfolgte, und meint dann, es sei "nicht nachvollziehbar", weshalb dies bei der Gesamtvergütung anders sein
solle. Dieses Vorbringen genügt nicht, um eine erneute Klärungsbedürftigkeit der vom Senat bereits verneinten Frage darzulegen,
ob der Vertragsarzt in seinem Honorarstreit die Höhe der von den Gesamtvertragsparteien vereinbarten oder vom Schiedsamt festgesetzten
Gesamtvergütung inzident einer Rechtmäßigkeitskontrolle unterziehen lassen kann. Denn die betragsmäßige Festsetzung der von
den Krankenkassen zu zahlenden Gesamtvergütung beinhaltet für den einzelnen Vertragsarzt offensichtlich keine abstrakt-generelle
Norm, die seinen Status bestimmt oder Vorgaben für sein Verhalten macht, sondern legt in dem kollektivvertraglich geprägten
und aus diesem Grunde gestuften System der Preisvereinbarung für die vertragsärztlichen Leistungen eine Gesamtsumme als Parameter
fest, an welchen nachfolgend in der abgetrennten Rechtsbeziehung zwischen Vertragsarzt und Kassenärztlicher Vereinigung bei
der Honorarverteilung nach §
85 Abs
4 SGB V lediglich tatbestandlich angeknüpft wird (vgl zur scharfen Trennung dieser beiden Rechtskreise bereits BSGE 31, 23, 28 = SozR Nr 13 zu § 368f
RVO S Aa 19).
Auch mit seinen weiteren Darlegungen kann der Kläger nicht plausibel machen, dass die Beantwortung jener Rechtsfrage erneut
klärungsbedürftig geworden wäre. Seine These, dass dem Honorarteilhabeanspruch des Vertragsarztes gegen seine KÄV nicht die
tatsächlich gezahlte Gesamtvergütung, sondern dasjenige zu Grunde zu legen sei, was "die untergesetzlichen Normgeber auf Grund
der Vorgaben des Gesetzgebers als Minimum zur Verfügung stellen müssen", hat er lediglich mit einer Parallele zu den "Studienplatzklagen
vor den Verwaltungsgerichten" begründet. Dieser Hinweis vermag jedoch keinen ausreichenden Gesichtspunkt dafür aufzuzeigen,
dass das vom Gesetzgeber auf Grund bestimmter historischer Erfahrungen (vgl hierzu Schneider, Handbuch des Kassenarztrechts,
1994, RdNr 60 ff) statuierte System der kollektivvertraglichen Regelung der Höhe der Vergütung für die Kassen- bzw Vertragsärzte
durch Vereinbarung zwischen den Krankenkassen und der KÄV als deren Sachwalter und einer davon abgeschichteten Honorarverteilung
nunmehr hinfällig wäre. Eine Parallelität und rechtliche Vergleichbarkeit zwischen Studienplatzvergabe einerseits und Bestimmung
der Höhe des vertragsärztlichen Honorars andererseits ist nicht ersichtlich. Das Gebot erschöpfender Nutzung der vorhandenen
Ausbildungskapazitäten trägt speziell dem Umstand Rechnung, dass absolute Zulassungsbeschränkungen für die Aufnahme eines
Hochschulstudiums als objektive Zulassungsvoraussetzungen die Freiheit der Berufswahl beeinträchtigen und deshalb verfassungsrechtlich
nur zur Abwehr schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut zulässig sind (BVerfGE 33, 303, 337; zuletzt BVerfG >Kammer<, NVwZ 2004, 1112, 1113). Hingegen stellen die Vorschriften zur Bestimmung der Höhe des vertragsärztlichen Honorars nur Berufsausübungsregelungen
dar, die nach Art
12 Abs
1 Grundgesetz durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden können, sofern dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Genüge
getan wird (vgl BVerfG >Kammer< SozR 4-2500 § 87 Nr 6 RdNr 9 und 13 sowie NJW 2005, 1036, 1037).
Im Übrigen hat der Senat zwischenzeitlich klargestellt, dass der einzelne Vertragsarzt keinen Anspruch darauf hat, im Falle
von Gesamtvergütungsnachzahlungen für zurückliegende Zeiträume die Honorarverteilungen bzw Honorarbescheide für jene Quartale
aufgestockt zu erhalten (BSG, Urteil vom 9. Dezember 2004, B 6 KA 84/03 R, Umdruck S 27). Schon deshalb kann mit dem Vorbringen, die Gesamtvergütung sei in der Vergangenheit zu niedrig vereinbart
worden, die Rechtswidrigkeit von Honorarbescheiden nicht mit Erfolg dargetan werden.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß §
160a Abs
4 Satz 3 Halbsatz 2
SGG ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 und Abs
4 Satz 2
SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung.