Ermächtigung für psychologische Behandlung ehemaliger Straftäter in der vertragspsychotherapeutischen Versorgung
Gründe:
I. Umstritten ist eine Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung.
Der seit 1999 als Psychologischer Psychotherapeut approbierte Kläger ist Fachbereichsleiter der psychotherapeutischen Ambulanz
im Verein "B S e.V.". In der Ambulanz werden ua ehemalige Sexualstraftäter behandelt, die überwiegend an Persönlichkeitsstörungen
oder Suchterkrankungen leiden. Nachdem in der Vergangenheit die Betreuung dieses Personenkreises über ein Modellprojekt finanziert
worden war, beantragte der Kläger nach Auslaufen der Förderung im Juni 2001 die Ermächtigung zur Teilnahme an der ambulanten
vertragspsychotherapeutischen Versorgung ehemaliger Sexualstraftäter. Diese Personengruppe habe trotz an sich ausreichender
psychotherapeutischer Versorgung im Großraum S praktisch kaum überwindbare Schwierigkeiten beim Zugang zu angemessener psychotherapeutischer
Betreuung. Deshalb sei eine auf den Personenkreis der ehemaligen Sexualstraftäter beschränkte Ermächtigung zur Versorgung
eines "begrenzten Personenkreises" erforderlich.
Der Zulassungsausschuss lehnte den Antrag unter Hinweis auf die für den Stadtkreis S festgestellte Überversorgung bei Psychologischen
Psychotherapeuten ab. Im Widerspruchsverfahren legte der Kläger eine umfassende Stellungnahme der "B S e.V." zur Situation
der psychotherapeutischen Versorgung ehemaliger Sexualstraftäter im Raum S und zu den besonderen Anforderungen an die fachliche
Kompetenz der Behandler vor. Der beklagte Berufungsausschuss wies den Widerspruch zurück, weil ein quantitativ-allgemeiner
Bedarf in S angesichts der bestehenden Überversorgung nicht gegeben sei. Auch unter qualitativen Gesichtspunkten sei eine
Versorgungslücke nicht festzustellen, weil der Kläger nicht über andere Behandlungsmethoden als die zugelassenen Psychotherapeuten
verfüge.
Das Sozialgericht (SG) hat den Bescheid des Beklagten aufgehoben und ihn verpflichtet, über den Antrag des Klägers neu zu entscheiden. Zwar bestehe
weder ein quantitativ-allgemeiner noch ein qualitativ-spezieller Bedarf. Zu Unrecht habe der Beklagte aber angenommen, die
Voraussetzungen des § 31 Abs 1 Buchst b Zulassungsverordnung für Vertragsärzte - Ärzte-ZV - ("Versorgung eines begrenzten
Personenkreises") lägen nicht vor. Bei den ehemaligen Sexualstraftätern handele es sich um eine abgrenzbare Gruppe, nämlich
um Personen, die wegen Sexualdelikten vorbestraft seien. Zudem gehe es dem Kläger nicht um eine Ermächtigung zur Behandlung
dieses Personenkreises in vollem Umfang, sondern nur zur Behandlung solcher Persönlichkeitsstörungen, die im Zusammenhang
mit der begangenen Sexualstraftat stünden. Insoweit sei eine sachgerechte Versorgung des betroffenen Personenkreises möglicherweise
nicht gewährleistet.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die auf die Erteilung der Ermächtigung gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen und
auf die Berufungen des Beklagten sowie der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) das sozialgerichtliche Urteil
geändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Die Entscheidung des Beklagten, den Kläger nicht zu ermächtigen, sei zutreffend.
Eine Versorgungslücke könne im Planungsbereich S bei einem Versorgungsgrad von 123,3 % von vornherein nicht bestehen. Auch
ein qualitativ-spezieller Bedarf bestehe nicht. Psychologische Psychotherapeuten seien aufgrund ihrer Ausbildung generell
befähigt, auch Personen zu behandeln, die Sexualstraftaten begangen hätten. Die Kenntnisse des Klägers im Umgang mit Sexualstraftätern
seien keine "besonderen Kenntnisse und Erfahrungen", über die andere Psychologische Psychotherapeuten nicht verfügten. Der
Kläger wolle verhaltenstherapeutisch tätig werden, und zahlreiche im Planungsbereich niedergelassene Psychotherapeuten behandelten
ihre Patienten ebenfalls nach dieser Methode. Der Kreis der "ehemaligen Sexualstraftäter" sei auch kein abgegrenzter Personenkreis
iS des § 31 Abs 1 Buchst b Ärzte-ZV (Urteil vom 23. November 2005).
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine fehlerhafte Anwendung des §
116 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) iVm §
31a Ärzte-ZV sowie des §
31 Abs 1 Ärzte-ZV. Als Psychologischer Psychotherapeut könne er in entsprechender Anwendung des §
116 Satz 1
SGB V ermächtigt werden, obwohl er kein Krankenhausarzt sei. §
116 SGB V sei im Hinblick auf Art
3 Abs
1 Grundgesetz verfassungskonform so auszulegen, dass die Beschränkung auf Krankenhausärzte bei Psychotherapeuten nicht greife. Psychotherapeuten
seien nicht an Krankenhäusern tätig, und ohne eine erweiternde Auslegung wäre eine Ermächtigung Psychologischer Psychotherapeuten
generell ausgeschlossen. Die Bedarfsvoraussetzungen nach § 31a Abs 1 Satz 2 Ärzte-ZV lägen vor, weil er - der Kläger - über
Kenntnisse verfüge, die bei der Behandlung ehemaliger Sexualstraftäter von Bedeutung seien. Derzeit bestehe für diesen Personenkreis
aus unterschiedlichen Gründen, insbesondere wegen der fehlenden Behandlungsbereitschaft der zugelassenen Psychotherapeuten,
kein adäquater Zugang zu unbedingt erforderlichen psychotherapeutischen Behandlungen. Er - der Kläger - habe aber die notwendigen
zusätzlichen Kenntnisse, die über die Inhalte der Verhaltenstherapie hinausgingen und die derzeit bei den niedergelassenen
Psychotherapeuten nicht in ausreichendem Umfang vorhanden seien. Zumindest könne er auf der Grundlage des § 31 Abs 1 Buchst
a Ärzte-ZV ermächtigt werden. Seine Ermächtigung sei notwendig, um eine bestehende oder unmittelbar drohende Unterversorgung
zu vermeiden. Die vom Verein "B S e.V." im Verfahren vor dem Beklagten durchgeführte Anfrage bei 251 niedergelassenen Psychotherapeuten
habe ergeben, dass nur zwei dieser Behandler unter bestimmten Voraussetzungen bereit seien, ehemalige Sexualstraftäter zu
behandeln. Daraus folge, dass - bezogen auf diesen hier allein relevanten Personenkreis - eine quantitative Unterversorgung
bestehe, zu deren Vermeidung er - der Kläger - zu ermächtigen sei. Zumindest hätte das LSG insoweit den Sachverhalt näher
aufklären und ggf durch Sachverständigengutachten ermitteln müssen, ob für den betroffenen Personenkreis eine ausreichende
Versorgung gewährleistet sei. Schließlich könne dem LSG insoweit nicht gefolgt werden, als es entgegen der Auffassung des
SG ausgeschlossen habe, die Gruppe ehemaliger Sexualstraftäter als "begrenzten Personenkreis" iS des § 31 Abs 1 Buchst b Ärzte-ZV zu behandeln. Das Tatbestandsmerkmal "begrenzt" im Sinne dieser Vorschrift sei nicht örtlich zu verstehen.
Eine Begrenzung auf Grund soziologischer/gesellschaftlicher Kriterien sei durch die beispielhafte Aufzählung von Personenkreisen
in der Vorschrift selbst nicht ausgeschlossen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. Februar 2005 und des Urteils des Landessozialgerichts Baden-Württemberg
vom 23. November 2005 den Beschluss des Beklagten vom 26. Juni 2002 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihn - den
Kläger - zur Teilnahme an der psychotherapeutischen ambulanten Versorgung psychisch kranker ehemaliger Sexualstraftäter zu
ermächtigen, sowie die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen zu Ziffer 1. zurückzuweisen,
hilfsweise,
unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. Februar 2005 und des Urteils des Landessozialgerichts Baden-Württemberg
vom 23. November 2005, den Beschluss des Beklagten vom 26. Juni 2002 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihn - den
Kläger - zur Teilnahme an der psychotherapeutischen ambulanten Versorgung psychisch kranker ehemaliger Sexualstraftäter auf
Überweisung von Vertragsärzten zu ermächtigen, sowie die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen zu Ziffer 1. zurückzuweisen,
höchst hilfsweise,
unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. Februar 2005 und des Urteils des Landessozialgerichts Baden-Württemberg
vom 23. November 2005 den Beschluss des Beklagten vom 26. Juni 2002 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, seinen -
des Klägers - Antrag vom 18. Juni 2001 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden, sowie die Berufungen
des Beklagten und der Beigeladenen zu Ziffer 1. zurückzuweisen,
weiter hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. November 2005 aufzuheben und die Berufungen des Beklagten und
der Beigeladenen zu Ziffer 1. zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Das Berufungsurteil sei zutreffend, weil ein Bedarf für eine Ermächtigung des Klägers nicht bestehe. Ermächtigungen dürften
nicht zur Behandlung bestimmter soziologischer Gruppen - etwa Sexualstraftäter, Moslems, Griechen, Diabetiker, Chroniker,
Hypertoniker - erteilt werden. Es sei auch nicht Aufgabe der Rechtsprechung, sondern allenfalls Sache der Politik und damit
des Gesetzgebers, weitere Ermächtigungsmöglichkeiten zu schaffen.
Die Beigeladenen zu 1. und 2. beantragen ebenfalls,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladene zu 1. ist der Auffassung, eine Ermächtigung zur Behandlung ehemaliger Sexualstraftäter scheide schon deshalb
aus, weil die vom Kläger angebotenen Behandlungen nicht mit der Tätigkeit eines an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden
Psychotherapeuten vereinbar seien. Nach der vom Verein "B S e.V." im Widerspruchsverfahren vorgelegten Stellungnahme zur Grundlagenkonzeption
psychotherapeutischer Ambulanzen für Sexualstraftäter sei die vom Kläger angebotene Behandlung nicht Gegenstand der Leistungspflicht
der gesetzlichen Krankenversicherung. Das Anforderungsprofil an einen Behandler in der psychotherapeutischen Ambulanz für
Sexualstraftäter sei nicht mit dem Status und den Pflichten eines an der vertragspsychotherapeutischen Versorgung teilnehmenden
Psychotherapeuten vereinbar.
Die übrigen Beigeladenen äußern sich nicht.
II. Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Das LSG hat zutreffend entschieden, dass der angefochtene Bescheid des Beklagten
rechtmäßig ist. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen für eine Ermächtigung nicht.
§
116 Satz 1
SGB V iVm §
31a Abs
1 Satz 2 Ärzte-ZV scheidet als Rechtsgrundlage für eine Ermächtigung des Klägers von vornherein aus. Nach dieser Vorschrift
können Krankenhausärzte unter bestimmten Voraussetzungen zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt werden.
Der Kläger ist Psychologischer Psychotherapeut und kein Krankenhausarzt, und die von ihm befürwortete analoge Anwendung des
§
116 Satz 1
SGB V auf Psychologische Psychotherapeuten, die in einer Ambulanz beschäftigt sind, geht fehl. Die Ermächtigung weitergebildeter
Krankenhausärzte zur Teilnahme an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung hat den Zweck, den Versicherten die besonderen
Kenntnisse und Erfahrungen von Krankenhausärzten auch im Rahmen der ambulanten ärztlichen Versorgung zugute kommen zu lassen
und Versorgungsdefiziten im Leistungsangebot der niedergelassenen Ärzte entgegen zu wirken (vgl zuletzt Senatsurteil vom 19.
Juli 2006 - B 6 KA 14/05 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen, RdNr 16, mwN). Diese Zielsetzung schließt - abgesehen von der Beachtung der
Grenze des Wortlauts der Norm - eine entsprechende Anwendung des §
116 Satz 1
SGB V auf Psychologen aus, die hauptamtlich in Beratungsstellen tätig sind. Diese verfügen im Verhältnis zu in freier Praxis tätigen
Psychotherapeuten regelmäßig nicht über spezifische Kenntnisse, Erfahrungen und Untersuchungsmethoden, die einerseits Gegenstand
der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung im Rahmen (auch) ambulanter Behandlung sind, andererseits aber typischerweise
nur bei Psychotherapeuten vorhanden sind, die hauptamtlich in Einrichtungen oder Beratungsstellen tätig sind.
Zu Recht hat der Beklagte den Kläger auch nicht auf der Grundlage des § 31 Abs 1 Buchst a Ärzte-ZV, der über § 1 Abs 3 Nr
1 Ärzte-ZV grundsätzlich auch auf Psychologische Psychotherapeuten Anwendung findet, zur Teilnahme an der ambulanten psychotherapeutischen
Behandlung von Versicherten ermächtigt. § 31 Abs 1 Buchst a Ärzte-ZV ermöglicht dann, wenn eine Unterversorgung im ambulanten
Bereich auch durch die Ermächtigung von Krankenhausärzten nicht behoben werden kann, die Ermächtigung anderer Ärzte und ärztlich
geleiteter Einrichtungen zur Abwehr oder Vermeidung einer drohenden oder tatsächlich bestehenden Unterversorgung. Eine solche
Unterversorgung für allgemeine psychotherapeutische Behandlungen besteht im Planungsbereich S nicht. Der Planungsbereich ist
mit Psychologischen Psychotherapeuten überversorgt. Der zuständige Landesausschuss hat nach den den Senat bindenden (§
163 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) Feststellungen des LSG für den Planungsbereich eine Überversorgung mit Psychologischen Psychotherapeuten festgestellt
und eine Zulassungssperre angeordnet.
Soweit der Kläger geltend macht, den im Planungsbereich zugelassenen Psychotherapeuten fehlten regelmäßig die notwendigen
Kenntnisse und Erfahrungen für die effektive ambulante psychotherapeutische Behandlung ehemaliger Sexualstraftäter, vermag
das eine Unterversorgung im Sinne dieser Vorschrift nicht zu belegen. Dabei kann offen bleiben, ob - wie vom Kläger vorgetragen
- die große Mehrzahl der zugelassenen Psychologischen Psychotherapeuten weder in der Lage noch nach der Ausrichtung ihrer
beruflichen Tätigkeit bereit ist, an der psychotherapeutischen Behandlung ehemaliger Sexualstraftäter im Rahmen des Konzepts
der psychotherapeutischen Ambulanz für Sexualstraftäter, wie es der Kläger für die "B S e.V." im Februar 2002 niedergelegt
hat, mitzuwirken. Selbst wenn das der Fall wäre, könnte daraus nicht geschlossen werden, dass für den Personenkreis der ehemaligen
Sexualstraftäter eine Unterversorgung mit psychotherapeutischen Leistungen iS des § 31 Abs 1 Buchst a Ärzte-ZV gegeben ist.
Die Behandlungen und die Modalitäten ihrer Durchführung, die in diesem Programm beschrieben sind, sind nicht Gegenstand der
Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung. Wenn Psychotherapeuten im Rahmen der ambulanten Versorgung keine Einbindung
in justizielle Vorgaben akzeptieren wollen, wie sie in diesem Konzept als zwingende Voraussetzung für eine sinnvolle Sexualtatsprävention
vorgegeben sind, steht das im Einklang mit den Rahmenbedingungen für die vertragsärztliche bzw vertragspsychotherapeutische
Tätigkeit.
Die "B S e.V." hat in der vom Kläger verantwortlich bearbeiteten Abhandlung "Psychotherapeutische Ambulanz für Sexualstraftäter"
die Behandlungen näher erläutert, die der Kläger im Rahmen seiner Ermächtigung durchführen will. Ziel der dort beschriebenen
psychotherapeutischen Betreuung ist in erster Linie die Durchsetzung gerichtlicher Therapieauflagen und die Verhinderung von
Rückfalltaten. In der Abhandlung wird ausgeführt, der Psychotherapeut in einer Ambulanz für Sexualstraftäter habe in bestimmten
Fällen eine Verpflichtung zur Informationsweitergabe von Klientendaten gegenüber den Strafvollstreckungsbehörden. Der Klient
werde darüber schon zu Beginn der Therapie informiert und wisse, dass bei Abbruch der Therapie, bei unentschuldigtem Versäumen
der Therapiestunden oder erkennbarer Gefährdung Dritter die Justiz informiert werden müsse. Diese könne die Strafaussetzung
widerrufen und den Klienten inhaftieren. Diese Rolle des Psychotherapeuten und den Kooperationskontext der Ambulanz zur Justiz
müsse der Klient akzeptieren. Hierzu zähle auch sein Einverständnis zur Schweigepflichtentbindung bei der Weiterleitung bestimmter
Informationen an Kooperationspartner. Sei der Klient zu dieser Schweigepflichtentbindung nicht bereit, könne eine ambulante
Psychotherapie nicht wirkungsvoll und erfolgreich durchgeführt werden, sodass die Therapie beendet oder gar nicht erst begonnen
werde. Der Klient habe dann alleine die möglichen juristischen Konsequenzen zu tragen, insbesondere im Falle einer Therapieanweisung.
Juristische und therapeutische Aufgaben seien in diesem Konzept nicht nur schwer zu trennen, sondern zwingend miteinander
verbunden, und der Klient müsse um diese Verbindung wissen. Diese transparente wie auch konsequente Vorgehensweise im Sinne
der Verbindung von juristischer und therapeutischer Aufgabe sei in der ambulanten Psychotherapie mit Sexualstraftätern notwendig,
da die Verhinderung weiteren schädigenden Verhaltens der Sexualstraftäter als oberstes Ziel in der Behandlung Vorrang vor
allem anderen habe.
Die so beschriebene (auch) psychotherapeutische Betreuung von ehemaligen Sexualstraftätern, die - ggf nach Verbüßung einer
Freiheitsstrafe - unter Bewährungsauflagen stehen, ist von vornherein nicht Gegenstand der Leistungspflicht der Krankenkassen.
Die dem Konzept zu Grunde liegende zwingende Verzahnung von Therapie und justizieller Kontrolle ehemaliger Sexualstraftäter
ist auf die strafrechtlichen Regelungen im Bewährungsrecht ausgerichtet. Die Verpflichtung, sich nach einer strafrechtlichen
Verurteilung einer Heilbehandlung zu unterziehen, kann Gegenstand einer Weisung nach §
56c Strafgesetzbuch (
StGB) im Rahmen der Strafaussetzung zur Bewährung sein. Nach §
56c Abs
3 StGB bedarf es der Einwilligung des Verurteilten lediglich bei stationären Heilbehandlungen und Entziehungskuren (vgl Schönke/Schröder/Stree,
StGB, 27. Aufl 2006, §
56c RdNr 26). Die Vorschrift gilt für den hier in erster Linie betroffenen Kreis der Personen, die eine Strafhaft verbüßt haben,
über §
57 Abs
3 StGB für die Aussetzung eines Strafrestes zur Bewährung. Die Einhaltung der Weisung ist nach §
56d Abs
3 Satz 2
StGB vom Bewährungshelfer zu überwachen; dieser hat nach Satz 4 aaO Verstöße gegen Weisungen dem Gericht mitzuteilen.
Die Heilbehandlung, die Gegenstand einer Weisung nach §
56c StGB ist, kann auch eine psychotherapeutische Behandlung sein (Schönke/Schröder/Stree, aaO, §
68b RdNr
22). Diese kann zwar grundsätzlich auch eine psychotherapeutische Krankenbehandlung iS des §
27 Abs
1 Satz 2 Nr
1 SGB V darstellen. In der Ausgestaltung, wie sie der Kläger in dem genannten Konzept seines Arbeitgebers aufgezeigt hat, ist sie
das jedoch nicht. In dieser durch die enge Verzahnung von Bewährungshilfe und psychotherapeutischer Behandlung geprägten Konzeption
steht das gesellschaftliche Ziel der Verhinderung weiterer Straftaten ganz im Vordergrund. Zahlreiche Komponenten, die für
eine psychotherapeutische Behandlung nach den Regeln der gesetzlichen Krankenversicherung kennzeichnend sind, sind in dem
Behandlungskonzept der Ambulanz systembedingt ausgeschlossen. Das gilt etwa für die freie Wahl des Therapeuten (§
76 Abs
1 Satz 1
SGB V), für die Beschränkung auf das Ziel der Verbesserung des Gesundheitszustands iS von §
27 Abs
1 Satz 1
SGB V sowie für das Recht des Patienten, die Behandlung sanktionslos zu beenden, wenn er sie für sich nicht mehr als sinnvoll ansieht.
Besonders deutlich wird der Rahmen einer Heilbehandlung nach den Regeln des
SGB V verlassen, wenn zur Voraussetzung einer Psychotherapie gemacht wird, dass der Patient bzw Klient den Therapeuten vorab generell
von seiner Schweigepflicht entbindet. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat entschieden, dass selbst von einem Straftäter,
der nach Beendigung einer angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§
67a StGB) unter Führungsaufsicht steht (§
67d Abs
6 iVm §§
68 ff
StGB), nicht verlangt werden darf, den behandelnden Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden (Kammerbeschluss vom 6. Juni 2006
- 2 BvR 1349/05 - GesR 2007, 41). Das BVerfG hat ausgeführt, dass jeder, der sich in ärztliche Behandlung begibt, erwarten muss und darf,
dass alles, was der Arzt im Rahmen seiner Berufsausübung über die gesundheitliche Verfassung eines Patienten erfährt, geheim
bleibt. Nur so kann zwischen Patient und Arzt jenes Vertrauen entstehen, das zu den Grundvoraussetzungen ärztlichen Wirkens
zählt (aaO, RdNr 32). Eine Behandlung eines Patienten, die überhaupt nur beginnt und durchgeführt wird, wenn der Behandler
von der Schweigepflicht gegenüber Gerichten und/oder Staatsanwaltschaft befreit ist, steht daher im Widerspruch zu einem Kernelement
ärztlicher bzw psychotherapeutischer Behandlung im Sinne des Krankenversicherungsrechts und ist damit grundsätzlich von §
27 Abs
1 SGB V nicht mehr erfasst.
Diese Abgrenzung der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung hat Konsequenzen auch hinsichtlich der Beurteilung
des Bedarfs iS des § 31 Abs 1 Buchst a Ärzte-ZV für die psychotherapeutische Versorgung ehemaliger Sexualstraftäter. Bezugspunkt
für die Prüfung einer bestehenden oder unmittelbar drohenden Unterversorgung ist das Leistungsangebot der gesetzlichen Krankenversicherung.
Wird dieses durch die niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten nicht in ausreichendem Umfang vorgehalten, muss der Kreis
der Leistungserbringer erweitert werden. Ein Leistungsangebot, das in der angebotenen Form nicht zur Leistungspflicht der
Krankenkasse gehört, begründet keinen Bedarf, zu dessen Deckung ein Arzt oder Psychotherapeut zu ermächtigen wäre, der über
besondere Kenntnisse in dem jeweiligen Bereich verfügt. Ziel der Krankenbehandlung nach §
27 Abs
1 Satz 1
SGB V ist die Heilung von Gesundheitsstörungen bzw die Linderung von Beschwerden und die Verminderung von Krankheitsfolgen. Soweit
nicht diese Intention, sondern die nach Darstellung des Klägers "gesellschaftlich unbestritten notwendige" Prävention von
Straftaten im Vordergrund der Behandlung steht, ist die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht eröffnet.
Das bedeutet auch, dass die für die Prävention von Folgestraftaten erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen regelmäßig nicht
erforderlich sind, wenn es allein um die vertragsärztliche und vertragspsychotherapeutische Behandlung auch ehemaliger Sexualtäter
nach den Regeln des
SGB V geht. Das - vom Kläger geltend gemachte - Fehlen solcher speziellen Kenntnisse bei der Mehrzahl der niedergelassenen Psychotherapeuten
indiziert deshalb keine Unterversorgung, die durch eine Ermächtigung des Klägers zu beheben wäre.
Ein durch die niedergelassenen Psychotherapeuten nicht hinreichend gedeckter Bedarf könnte danach allenfalls dann bestehen,
wenn ehemalige Sexualstraftäter auch für reguläre psychotherapeutische Behandlungen keinen Psychotherapeuten finden könnten.
Es bestehen jedoch auch auf der Grundlage der vom Kläger bzw von der "B S e.V." vorgelegten Unterlagen keine hinreichenden
Anhaltspunkte dafür, dass solche betroffenen Versicherten keinen angemessenen Zugang zu psychotherapeutischen Behandlungen
hätten. Eine Unterversorgung könnte insoweit nur bestehen, wenn alle oder nahezu alle zugelassenen Psychologischen Psychotherapeuten
die psychotherapeutische Behandlung von Personen allein deshalb ablehnen würden, weil diese in der Vergangenheit wegen eines
Sexualdelikts straffällig geworden sind. Davon kann nicht ausgegangen werden, zumal die betroffenen Patienten von sich aus
bei einer freien, nicht in das Konzept justizieller Kontrolle eingebundenen Therapie dem von ihnen ausgewählten Therapeuten
nicht vorrangig offenbaren werden, dass sie in der Vergangenheit eine Sexualstraftat begangen haben. Soweit diese Straftat
mit einer vorhandenen, psychotherapeutisch zu behandelnden Gesundheitsstörung in Verbindung steht, wird im Rahmen der Therapie
regelmäßig auf diesen Sachverhalt als ein Element der Biografie des Patienten einzugehen sein, doch muss bei einer "freien"
ambulanten Psychotherapie, wie sie allein Gegenstand der Leistungspflicht der Krankenkassen ist, dieser Aspekt nicht im Vordergrund
der Behandlung stehen.
Die von der "B S e.V." im Verfahren vor dem Beklagten durchgeführte Umfrage unter in S niedergelassenen Psychotherapeuten
rechtfertigt keine gegenläufige Schlussfolgerung im Hinblick auf die psychotherapeutische Versorgung ehemaliger Sexualstraftäter.
Die Psychotherapeuten sind nach ihrer Bereitschaft gefragt worden, im Rahmen des Konzepts der Ambulanz in Kombination von
justizieller Kontrolle und Therapie tätig zu werden. Die im Hinblick auf den Bedarf nach § 31 Abs 1 Ärzte-ZV allein relevante
Frage, ob sie der Umstand, dass ein Patient eine Sexualstraftat begangen hat, von vornherein an der Aufnahme der Behandlung
hindern würde, ist ihnen nicht gestellt worden. Im Übrigen wäre die Verweigerung einer erforderlichen Behandlung allein aus
diesem Grund mit den Verpflichtungen, die sich aus der Teilnahme an der vertragsärztlichen/-psychotherapeutischen Versorgung
ergeben (§
95 Abs
3 SGB V), nicht vereinbar.
Zu Recht hat das LSG schließlich entschieden, dass die Ermächtigung des Klägers auch nicht auf § 31 Abs 1 Buchst b Ärzte-ZV
gestützt werden kann. Danach kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Ermächtigung zur Versorgung eines "begrenzten Personenkreises",
etwa von Insassen einer Rehabilitationseinrichtung oder von Beschäftigten eines abgelegenen Betriebes, erteilt werden. Zu
einem solchen "begrenzten Personenkreis" gehören "ehemalige Sexualstraftäter" von vornherein nicht. Zwar schließt der Wortlaut
des § 31 Abs 1 Buchst b Ärzte-ZV nicht aus, dass ein begrenzter Personenkreis auch jenseits der in dieser Vorschrift angesprochenen
Beispielsfälle der Rehabilitanden in einer Rehabilitationseinrichtung oder der Beschäftigten eines abgelegenen Betriebes existieren
kann, doch ist der Personenkreis immer auch nach räumlichen bzw wohn- und aufenthaltsbezogenen Kriterien und nicht ausschließlich
nach biografischen bzw soziologischen Gesichtspunkten abzugrenzen.
Zur Auslegung des § 31 Abs 1 Ärzte-ZV hat der Senat in seinem Urteil vom 21. Juni 1995 (SozR 3-1500 § 131 Nr 5 S 8) ausgeführt,
eine Ermächtigung auch für die unter Buchst b aaO aufgeführten Sonderfälle komme nur in Betracht, wenn andernfalls die vertragsärztliche
Versorgung der dort genannten Personen nicht ausreichend gesichert sei. Die Bedeutung des § 31 Abs 1 Buchst b Ärzte-ZV besteht
danach darin, dass zusätzlich zu den allgemeinen quantitativen und qualitativen Aspekten der ärztlichen Versorgung bei der
Beurteilung der Ermächtigungsnotwendigkeit die besonderen Versorgungsbedürfnisse der zB in einer Rehabilitationseinrichtung
betreuten Personen zu berücksichtigen sind. Solche Bedürfnisse können indes nicht schon darin gesehen werden, dass bestimmte
rehabilitationsspezifische Gründe, etwa die Gefahr eines durch den Besuch externer Ärzte eintretenden Zeitverlustes, die Ermächtigung
des medizinischen Dienstes zur Teilnahme an der kassen- bzw nunmehr vertragsärztlichen Versorgung der Rehabilitanden wünschenswert
erscheinen lassen. Es muss sich vielmehr um solche Gründe handeln, die eine Ermächtigung notwendig machen, weil andernfalls
die Teilnahme an der Rehabilitationsmaßnahme unzumutbar erschwert oder der Zweck der Rehabilitation gefährdet würde.
Diese auf die hier zu beurteilende Konstellation allerdings nicht unmittelbar übertragbaren Ausführungen lassen mit hinreichender
Deutlichkeit erkennen, dass die Ermächtigung zur Versorgung eines begrenzten Personenkreises nur in ganz besonders gelagerten
Fällen in Betracht kommt, in denen der Zweck, zu dem sich die diesen "begrenzten Personenkreis" bildenden Personen freiwillig
oder unfreiwillig zusammengefunden haben, nicht erreicht werden könnte, wenn nicht ein bestimmter Arzt oder eine bestimmte
ärztlich geleitete Einrichtung zur Behandlung von auftretenden Gesundheitsstörungen ermächtigt wird. Das könnte, wenn nicht
die bereichsspezifischen Sonderregelungen eingreifen würden, etwa bei Soldaten oder Strafgefangenen der Fall sein. Für rein
biografisch oder soziologisch nach bestimmten Merkmalen zusammengesetzte Personengruppen besteht ein entsprechender Bedarf
jedoch nicht. Das hat der Senat in jüngster Zeit erneut in einem Fall bekräftigt, in dem eine Psychologische Psychotherapeutin
unter dem Gesichtspunkt des Sonderbedarfs für die psychotherapeutische Behandlung von Versicherten in ihrer (hier: portugiesischen)
Muttersprache ermächtigt werden wollte (Beschluss vom 19. Juli 2006 - B 6 KA 33/05 B - in Juris dokumentiert). Das LSG weist zutreffend darauf hin, dass die Bedarfsplanung im ärztlichen wie im psychotherapeutischen
Bereich auf der Grundlage beruht, dass grundsätzlich alle Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen von allen zur vertragsärztlichen
bzw psychotherapeutischen Versorgung zugelassenen Ärzten und Psychotherapeuten auf ihrem jeweiligen Fachgebiet adäquat behandelt
werden können. Wenn nach ethnischer oder muttersprachlicher Herkunft, Alter, Geschlecht oder bestimmten Verhaltensweisen in
der Vergangenheit differenziert werden müsste, könnten allgemeine Bedarfszahlen keinen Hinweis mehr für eine ausreichende
Versorgung geben.
Im Übrigen könnte dem Kläger für die von ihm begehrten Leistungen eine Ermächtigung auch deshalb nicht erteilt werden, weil
er diese im Rahmen der Ambulanz der "B. S e.V." im Kontext seiner Tätigkeit für diese Institution erbringen will. Der Senat
hat im Einzelnen in seinem Urteil vom 30. Januar 2002 (BSGE 89, 134, 144 ff = SozR 3-5520 § 20 Nr 3 S 28 ff) ausgeführt, dass Interessenkollisionen zwischen der Haupttätigkeit in einer Beratungsstelle
und einer angestrebten Nebentätigkeit im Rahmen der vertragspsychotherapeutischen Behandlung ausgeschlossen sein müssen. Diese
Entscheidung ist unmittelbar zum Zulassungsanspruch einer in einer Beratungsstelle tätigen Psychologin und zu § 20 Abs 2 Ärzte-ZV
ergangen. Inwieweit § 20 Abs 2 Ärzte-ZV, dessen Ergänzung mit dem durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz vom 22. Dezember
2006 (BGBl I 3439) neu eingefügten Satz 2 hier nicht einschlägig ist und auf den in § 31 Abs 8 Ärzte-ZV nicht ausdrücklich
verwiesen wird, auch für Ermächtigungen gilt, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Der in dieser Bestimmung zum Ausdruck
kommende Rechtsgedanke schließt jedenfalls Ermächtigungen aus, die von vornherein darauf angelegt sind, außerhalb des nunmehr
in § 20 Abs 2 Satz 2 Ärzte-ZV zugelassenen Rahmens eine Vermischung von Leistungen der Haupttätigkeit (hier Ambulanz für Sexualstraftäter)
und im Rahmen der vertragspsychotherapeutischen Versorgung hervorzurufen. Anders als in dem dem Senatsurteil vom 30. Januar
2002 zu Grunde liegenden Fall besteht hier nicht lediglich potenziell die Gefahr einer entsprechenden Vermischung. Vielmehr
ist die angestrebte Tätigkeit des Klägers im Rahmen der ambulanten vertragstherapeutischen Tätigkeit offen auf eine Refinanzierung
der Ambulanz ausgerichtet. Die Ermächtigung soll über die dem Kläger für seine Leistungen von der Beigeladenen zu 1. zu zahlenden
Honorare der Institution "B. S. e.V." die Mittel zur Erledigung ihrer im Vereinszweck vorgesehenen Aufgaben zuführen, die
infolge der Streichung der öffentlichen Zuschüsse weggefallen sind. Behandlungen, die der Kläger bisher im Rahmen seines Hauptamtes
im Auftrag seines Arbeitgebers durchgeführt hat, sollen ohne inhaltliche Veränderungen nunmehr als vertragspsychotherapeutische
Behandlungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung abgerechnet werden. Das lässt das Rechtsinstitut der Ermächtigung
von vornherein nicht zu.