Rechtsschutzbedürfnis eines Vertragsarztes für Verpflichtungsklage, Vergütung von Zuschlägen für farbcodierte Durchführung
von Duplex-Sonographien
Gründe:
I. Streitig ist die Abrechenbarkeit von Zuschlägen für farbcodierte Duplex-Sonographien.
Der Kläger ist als Facharzt für Innere Medizin - mit der Schwerpunktbezeichnung Angiologie - im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen
Vereinigung (KÄV) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die Beklagte versagte ihm für die Quartale I und III/2000
die Anerkennung der Nr 689 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä - hier anzuwenden
in der bis zum 31. März 2005 geltenden Fassung) in insgesamt 33 und 37 Fällen. Sie führte aus, der Kläger könne den Zuschlag
nach Nr 689 EBM-Ä für die farbcodierte Durchführung von Duplex-Sonographien nicht zweimal beanspruchen, wenn er in der gleichen
Sitzung duplex-sonographische Untersuchungen von Blutgefäßen sowohl der Extremitäten (Nr 668 EBM-Ä) als auch des Körperstammes
(Nr 687 EBM-Ä) vornehme.
Das vom Kläger nach erfolglosem Widerspruch angerufene Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verpflichtet, ihm die umstrittenen Leistungen nach Nr 689 EBM-Ä zu vergüten (Urteil vom 14. Januar 2004).
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 27. April 2005). In diesem Urteil
ist ausgeführt, die Beklagte habe die Ansätze der Nr 689 EBM-Ä nicht richtigstellen dürfen. Führe der Kläger in einer Sitzung
duplex-sonographische Untersuchungen der Blutgefäße sowohl der Extremitäten als auch des Körperstammes durch, so stehe ihm
nach dem Wortlaut der Zuschlag, der im Singular gesetzt sei, mehrfach zu. Eine ausdrückliche Anordnung zB derart, dass der
Zuschlag "nur einmal berechnungsfähig" sei, enthalte Nr 689 EBM-Ä nicht. Aus dem Wort "und" lasse sich ein Ausschluss des
mehrfachen Ansatzes nicht ableiten. Wegen der Eindeutigkeit des Wortlauts sei kein Raum für eine systematische Auslegung,
die im Übrigen angesichts der unterschiedlichsten Formulierungen der verschiedenen Vergütungsregelungen ohnehin kein klares
Ergebnis erbringen könnte. Schließlich rechtfertigten die Geräte-Mehrleistung und der zeitliche Mehraufwand den mehrfachen
Ansatz.
Mit ihrer Revision beanstandet die Beklagte eine fehlerhafte Anwendung des EBM-Ä. Schon der Wortlaut ergebe, dass der Zuschlag
nach Nr 689 EBM-Ä auch dann nur einmal abrechenbar sei, wenn in einer Sitzung mehrere der Leistungen nach Nr 668, 686 "und"
687 EBM-Ä erbracht würden. Dies sei eine übliche Formulierung des Bewertungsausschusses, mit der die nur einmalige Abrechenbarkeit
des Zuschlags ausgedrückt werde. Unzutreffend sei die Auffassung des LSG, es gebe eine Vielzahl von Formulierungen, ohne dass
daraus jeweils ein besonderer Bedeutungsgehalt ersichtlich sei. Fehl gehe auch dessen Ansicht, dass mehrfache Zuschläge durch
einen Mehraufwand für die farbcodierte Durchführung der Duplex-Sonographien sachlich begründet seien.
Die Beklagte hat zur Stützung ihrer Ausführungen eine von ihr eingeholte Stellungnahme der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
(KÄBV) vorgelegt. Diese folgert die nur einmalige Ansetzbarkeit des Zuschlags daraus, dass in Nr 689 EBM-Ä mit der Formulierung
"Zuschlag zu den Leistungen" der Plural verwendet werde; sonst wäre zB formuliert worden "Zuschlag zur Leistung (im Singular)
nach Nr 668, 686 und 687 für die Durchführung als farbcodierte Duplex-Sonographie". Die Auffassung des LSG, die farbcodierte
Durchführung erfordere einen beträchtlichen zeitlichen Mehraufwand, treffe nicht zu. Die Farbcodierung erleichtere dem Untersucher
die Erkennung der Strukturen bzw die Differenzierung der Blutgefäße, sodass farbcodierte Duplex-Sonographien in der Regel
weniger Zeit benötigten. Der Zuschlag sei vielmehr wegen des Investitionsmehraufwands vorgesehen, für den er, nur einmal abrechenbar,
eine Entschädigung bieten solle.
Die Beklagte beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. April 2005 und des Sozialgerichts Hannover vom 14. Januar
2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die angefochtenen Urteile des SG und des LSG für zutreffend. Diese hätten Nr 689 EBM-Ä sachgerecht ausgelegt. Die zweifache Abrechenbarkeit des Zuschlags
bei farbcodierten Duplex-Sonographien von Blutgefäßen sowohl der Extremitäten als auch des Körperstammes folge schon aus dem
Wortlaut der Nr 689 EBM-Ä, jedenfalls aber entspreche dies dem zusätzlichen Aufwand, der für die farbcodierte Durchführung
erforderlich sei.
II. Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das SG und das LSG haben die zusätzlichen Ansätze der Nr 689 EBM-Ä, die der Kläger bei seinen Honorarabrechnungen für die Quartale
I und III/2000 geltend gemacht hatte, zu Recht anerkannt.
Die Beklagte durfte die Anerkennung der vom Kläger in Ansatz gebrachten weiteren Leistungen nach Nr 689 EBM-Ä nicht versagen.
Zwar ist sie zu sachlich-rechnerischen Richtigstellungen befugt. Dies ergibt sich aus den Regelungen über sachlich-rechnerische
Richtigstellungen in § 45 Abs 2 Satz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte und § 34 Abs 4 Satz 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen
- in den seit dem 1. Juli 1999 geltenden und insoweit auch zum 1. Juli 2000 unverändert gebliebenen Fassungen -, die auf der
Grundlage von § 83 Abs 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch >SGB V< (idF des Gesundheits-Reformgesetzes vom 20. Dezember 1988,
BGBl I 2477) vereinbart, dann auf der Grundlage des §
83 Abs
1 SGB V (idF des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992, BGBl I 2266) geändert wurden. Nach diesen - für die hier betroffenen
Abrechnungen der Quartale I und III/2000 maßgeblichen sowie im Primär- und im Ersatzkassenbereich im Wesentlichen gleichlautenden
- Vorschriften hat die KÄV die Befugnis, die von den Vertragsärzten eingereichten Abrechnungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig
zu prüfen und nötigenfalls richtig zu stellen, was auch im Wege nachgehender Richtigstellung erfolgen kann. Dabei kann das
Richtigstellungsverfahren von Amts wegen oder auf Antrag einer Krankenkasse durchgeführt werden (vgl BSGE 89, 90, 93 f = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 6 und stRspr, zB BSG SozR 4-5520 § 32 Nr 2 RdNr 10; zuletzt Urteil vom 11. Oktober 2006 -
B 6 KA 35/05 R - RdNr 11, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).
Die Beklagte war aber in der Sache nicht berechtigt, die vom Kläger für die Quartale I und III/2000 vorgenommenen Ansätze
der Nr 689 EBM-Ä sachlich-rechnerisch richtig zu stellen. Denn der Kläger hat Anspruch auf Anerkennung seiner weiteren Ansätze
der Nr 689 EBM-Ä. Dies ergibt sich aus der Auslegung dieses Leistungstatbestandes.
Für die Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats in erster Linie
der Wortlaut der Regelungen maßgeblich. Dies gründet sich zum einen darauf, dass das vertragliche Regelwerk dem Ausgleich
der unterschiedlichen Interessen von Ärzten und Krankenkassen dient und es vorrangig Aufgabe des Bewertungsausschusses selbst
ist, Unklarheiten zu beseitigen. Zum anderen folgt die primäre Bindung an den Wortlaut aus dem Gesamtkonzept des EBM-Ä als
einer abschließenden Regelung, die keine Ergänzung oder Lückenfüllung durch Rückgriff auf andere Leistungsverzeichnisse bzw
Gebührenordnungen oder durch analoge Anwendung zulässt (vgl zuletzt BSG, Urteil vom 11. Oktober 2006 - B 6 KA 35/05 R - RdNr 13, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, in Fortführung von zB BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 5 RdNr 11 und Nr 10 RdNr
10). Soweit indessen der Wortlaut eines Leistungstatbestandes zweifelhaft ist und es seiner Klarstellung dient, ist Raum für
eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der in innerem Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen
Leistungstatbestände. Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung kommt bei unklaren oder mehrdeutigen Regelungen ebenfalls in
Betracht. Sie kann allerdings nur anhand von Dokumenten erfolgen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit
ihrer Entstehung selbst erläutert haben (BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 5 RdNr 11 und Nr 10 RdNr 10, jeweils mwN; Urteil vom 11.
Oktober 2006, aaO). Leistungsbeschreibungen dürfen weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewendet werden (vgl zB BSG SozR
4-2500 § 87 Nr 5 RdNr 11 mwN; Urteil vom 11. Oktober 2006, aaO).
In Anwendung dieser Maßstäbe kann der Kläger die Anerkennung seiner zusätzlichen Ansätze der Nr 689 EBM-Ä beanspruchen. Die
Frage, ob dem Arzt, der farbcodierte Sonographien sowohl der Blutgefäße der Extremitäten (Nr 668 EBM-Ä) als auch der Blutgefäße
des Körperstammes (Nr 687 EBM-Ä) in einer Sitzung durchführt, der Zuschlag gemäß Nr 689 EBM-Ä nur einmal oder zweifach zusteht,
kann allerdings nicht allein anhand des Wortlauts dieses Leistungstatbestandes entschieden werden ("Zuschlag zu den Leistungen
nach den Nrn 668, 686 und 687 für die Durchführung als farbcodierte Duplex-Sonographie" - 300 Punkte). Denn dieser ist nicht
eindeutig. Diese Bestimmung, die die Singularform "Zuschlag" mit der Pluralform "Leistungen nach den Nrn ..." verbindet, lässt
nicht klar erkennen, ob der Zuschlag im Falle von Leistungen nach mehreren der Nr 668, 686, 687 EBM-Ä nur insgesamt einmal
oder ob er je einmal ansetzbar ist.
Der Ansicht der Beklagten und der KÄBV, der Wortlaut spreche klar für die nur einmalige Abrechenbarkeit, steht entgegen, dass
die Leistungslegende der Nr 689 EBM-Ä keinen Zusatz hat wie "insgesamt einmal ... 300 Punkte" (vgl ähnlich zB Nr 5466 EBM-Ä)
oder "je Sitzung ... 300 Punkte" (vgl zB Nr 1418, 1800 EBM-Ä). Ausreichende Klarheit ergibt sich nicht schon daraus, dass
Nr 689 EBM-Ä ein "und" enthält, während zB in Nr 682 EBM-Ä "oder" steht. Wollte man dies - wie die Beklagte geltend macht
- als enge "kumulative" Verknüpfung der aufgeführten Nr 668, 686, 687 EBM-Ä verstehen, so würde ein Zuschlag überhaupt nur
bei Durchführung aller drei Leistungen - dh Duplex-Sonographien der Blutgefäße sowohl der Extremitäten als auch des Gehirns
als auch des Körperstammes - abrechenbar sein, was selbst die Beklagte nicht annimmt (insofern nicht durchgreifend die Ansichten
von Wezel/Liebold, Handkommentar zum EBM mit BMÄ und E-GO, 6. Aufl >Stand 1. Juli 2004<, Geb-Nr 689 >Stand 1. Januar 2000< 9 F - 25, und des Kölner Kommentars zum EBM, 2. Aufl >Stand
1. Juni 2004<, Geb-Nr 689 >Stand April 2000< S 425).
Dem Wortlaut kann indessen - entgegen der Auffassung des LSG - auch nicht etwa zweifelsfrei eine mehrfache Abrechenbarkeit
entnommen werden. Dies wäre nur der Fall, wenn darin klar ein Zuschlag einmal je Leistung (im Singular) gewährt würde (zB
"Zuschlag ... je Leistung nach Nrn 668, 686 oder 687 EBM-Ä").
In einer solchen Konstellation ergeben sich Hinweise für die Gewährung des Zuschlags für die farbcodierte Durchführung duplex-sonographischer
Untersuchungen aus seiner Zielrichtung. Der Vergütungszuschlag bedeutet bei den Leistungstatbeständen nach den Nr 668, 686
und 687 EBM-Ä eine Honorarerhöhung um 300 Punkte. Diese findet ihre Rechtfertigung darin, dass die farbcodierte Durchführung
von Duplex-Sonographien einen höheren Kostenaufwand sowohl für die Anschaffung des dafür geeigneten Geräts als auch für dessen
laufenden Betrieb bzw für die Dokumentation der farbcodierten Ultraschallbilder erfordert. Der Zuschlag dient mithin dem Ziel,
diesen erhöhten Kostenaufwand auszugleichen. Der erhöhte Aufwand bei farbcodierter Durchführung von Duplex-Sonographien fällt
auch nicht nur einmal - etwa zu Beginn der Untersuchungen - an, sondern uU mehrfach je nach dem Umfang erforderlicher Bildausdrucke
zur Dokumentation. Damit unterscheidet sich die Fallgestaltung von derjenigen, in der ein wesentlicher Bestandteil der Leistung
bereits mit dem Honorar für eine andere abgegolten wurde, sodass eine zusätzliche Abrechenbarkeit weiterer Leistungen ausgeschlossen
ist (zum Fall bereits abgegoltenen Legens des Zugangs für eine Infusion vgl BSG SozR 4-5533 Nr 273 Nr 1 RdNr 10 am Ende und
BSG ZMGR 2006, 101, 102). Daher ist es sachgerecht, den Zuschlag nach Nr 689 EBM-Ä jeweils sowohl für die Leistung nach Nr
668 EBM-Ä (Arterien) als auch für die Leistung nach Nr 686 EBM-Ä (Körperstamm) - also insgesamt zweimal - zuzuerkennen.
Zwar kann der Bewertungsausschuss die mit dem Einsatz spezieller Geräte bzw Techniken verbundenen höheren Kosten auch auf
andere Weise - ggf auch durch Begrenzung der Abrechenbarkeit eines Zuschlags "je Sitzung" oder "je Behandlungstag" - berücksichtigen,
soweit den höheren Kosten dadurch angemessen Rechnung getragen wird. Eine solche Begrenzung der Abrechenbarkeit ist hier jedoch
dem Wortlaut der Regelung nicht zu entnehmen; sie kann insbesondere nicht allein aus der Höhe der Punktzahl für den Zuschlag
hergeleitet werden. Vor diesem Hintergrund bedarf die von den Beteiligten kontrovers erörterte Frage, ob im Gesamtdurchschnitt
der zeitliche Aufwand des Arztes bei Durchführung und Auswertung farbcodierter Duplex-Sonographien größer ist als bei nicht
farbcodierten, keiner Erörterung.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs
1 Sozialgerichtsgesetz in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).